Auf die Berufung der Beigeladenen zu 2) wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 30.06.2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Sozialversicherungspflicht des Klägers als Geschäftsführer einer GmbH.
Der 1961 geborene Kläger ist ausgebildeter Landwirt und hat danach ein Studium der Agrarwissenschaften absolviert Er trat am 01.07.1990 als Verkaufsleiter Agrar (kaufmännischer Angestellter) in die Dienste der Firma C GmbH. Gesellschafter der GmbH waren die heutige Ehefrau des Klägers, V Q, zu 35 % und ihr Bruder, der Zeuge Dr. X zu 65 %.1996 heiratete der Kläger seine Ehefrau.
Am 17.12.1998 wurde dem Kläger Einzelprokura erteilt, am 23.01.2001 wurde er zum Geschäftsführer der GmbH bestellt. Am 30.01.2001 unterzeichnete der Kläger einen Dienstvertrag mit der C GmbH, vertreten durch den Mehrheitsgesellschafter den Zeugen Dr. X. Darin wurde dem Kläger ein Alleinvertretungsrecht für die Gesellschaft eingeräumt unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB (Verbotes des Insichgeschäfts). Der Vertrag war unbefristet und sah eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Jahresende, einen Urlaubsanspruch, eine monatliche Vergütung von 5016 EUR, eine dreimonatige Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie eine Tantieme von 20 % des Jahresüberschusses nach Steuern der Sparte Agrar vor. Die GmbH verbuchte die monatlichen Zahlungen als Lohn/Gehalt und führte darauf Lohnsteuern ab. Innerbetrieblich wurden die Zahlungen als Betriebsausgabe verbucht. In der Folgezeit meldete die C GmbH den Kläger zur Sozialversicherung an und entrichtete die fälligen Abgaben zur Arbeitslosen-und Rentenversicherung.
Unter dem Datum 06.09.2006 beantragte der Kläger die Erstattung der für ihn entrichteten Sozialbeiträge in voller Höhe für die Zeit vom 01.01.2002 bis zum 31.10.2006 weil insoweit keine Versicherungspflicht bestanden habe.
Mit Schreiben vom 15.11.2006 erläuterten der Kläger und die Gesellschafter der GmbH, der Kläger sei das einzige Familienmitglied, das über die für die Führung des Unternehmens erforderlichen einschlägigen Branchenkenntnisse in der von ihm geleiteten Division (Geschäftsbereich) Agrar verfüge. Die operative Geschäftsleitung des Unternehmens werde spätestens seit der Berufung des Klägers zum weiteren Geschäftsführer ausschließlich durch ihn und den Mehrheitsgesellschafter gebildet. Sie träfen die operativen und strategischen Entscheidungen gemeinsam und stets einstimmig. Der Kläger trage auch in unternehmerisches Risiko, weil er mit der Gesellschafterin V Q verheiratet sei und dem Unternehmen persönlich ein Darlehen über 60.000 EUR gewährt habe.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 12.01.2007 lehnte die Beklagte den Antrag ab und stellte fest, nach der Gesamtwürdigung des Einzelfalls sei der Kläger als abhängig Beschäftigter zu betrachten. So führe die GmbH für sein monatliches Arbeitsentgelt Lohnsteuer ab und buche die Zahlung als Betriebsausgabe. Der Kläger erhalte bezahlten Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Ohne seine Arbeitsleistung wäre die GmbH veranlasst, eine fremde Arbeitskraft einzustellen. Ein wirtschaftliches Risiko trage der Kläger nicht, weil er ein regelmäßiges Gehalt beziehe und am Stammkapital der Gesellschaft nicht beteiligt sei.
Den dagegen erhobenen Widerspruch vom 09.02.2007 wies die Beklagte mit Bescheid vom 24.05.2007 zurück. Bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH wie dem Kläger sei regelmäßig eine abhängige Beschäftigung anzunehmen. Besondere Umstände, die eine Weisungsgebundenheit gegenüber den Gesellschaftern im Einzelfall aufhöben, seien nicht ersichtlich. Der Kläger könne das operative und strategische Geschäft nicht gegen den Willen des Mehrheitsgesellschafters führen. An dessen Weisungen sei er in letzter Instanz gebunden.
Mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage hat der Kläger seinen Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft. Er sei weder wieder an Weisungen noch an feste Arbeitszeiten gebunden. Durch seinen Kapitaleinsatz in Form eines Darlehens und die Ehe mit einer Gesellschafterin trage er ein nennenswertes unternehmerisches Risiko. Der Kläger könne zudem im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in der GmbH schalten und walten wie er wolle. Er habe die Firma C GmbH als sein Unternehmen nach eigenem Gutdünken geführt.
Das Sozialgericht hat den Schwager des Klägers und Mehrheitsgesellschafter der GmbH, Dr. X, als Zeugen vernommen. Auf das Protokoll des Erörterungstermins vom 14.01.2010 wird im Einzelnen verwiesen.
Mit dem angefochtenen Urteil vom 30.06.2011 hat das Sozialgericht unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide antragsgemäß festgestellt, dass der Kläger in der Zeit vom 01.01.2001 bis 31.03.2011 nicht versicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist. Insgesamt überwögen die Merkmale, die gegen eine abhängige Beschäftigung sprächen. Der Kläger erhalte Tantiemen, er habe der GmbH ein Darlehen gewährt und sein Urlaub sei nicht genehmigungspflichtig. Vor allem aber habe der Mehrheitsgesellschafter, der Zeuge Dr. X, glaubhaft geschildert, dass in der Praxis die auf Seiten des Mehrheitsgesellschafters und der Ehefrau als Mitgesellschafterin bestehende Rechtsmacht abbedungen gewesen sei in dem Sinne, dass dem Kläger keinerlei Weisungen erteilt worden seien. Er habe vielmehr zusammen mit seinem Schwager die Geschicke des Gesamtunternehmens stets einverständlich und gleichberechtigt bestimmt. Die steuerrechtliche Behandlung des Gehalts sei demgegenüber ebenso wenig als wesentliches Indiz gegen die selbstständige Tätigkeit zu werten wie der abgeschlossene Dienstvertrag.
Gegen das ihr am 01.12.2011 zugestellte Urteil hat die Beigeladene zu 2) am 27.12.2011 Berufung erhoben. Maßgebliche Tatsache für die Bestimmung der persönlichen Abhängigkeit und damit einer abhängigen Beschäftigung sei die abstrakte Rechtsmacht, Weisungen zu erteilen, die durch den fehlenden Gebrauch nicht verloren gehe. Entscheidend seien die bindenden Regelungen des Gesellschaftsvertrages und ergänzen des Anstellungsvertrages, nicht dagegen die Frage, ob ein Geschäftsführer Kopf und Seele des Betriebes sei. Es sei nicht zu begründen, dass die ausschlaggebenden tatsächlichen Verhältnisse bei Familienangehörigen anders zu bewerten sein sollten als in sonstigen Fällen. Entscheidend müsse die abstrakte Rechtsmacht zur Erteilung von Weisungen sein.
Die Beigeladene zu 2) beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 30.06.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und wiederholt zur Begründung seinen Vortrag vor dem Sozialgericht. Nach der Rechtsprechung des BSG zu Familiengesellschaften genüge es, wenn ein den Gesellschaftern zustehendes Direktionsrecht tatsächlich nicht ausgeübt werde.
Mit Wirkung zum 01.01.2011 hat seine Ehefrau dem Kläger einen Geschäftsanteil an der Firma C N GmbH in Höhe von 1350 EUR verkauft und übertragen. Der Gesellschaftsvertrag ist dahingehend geändert worden, dass die Beschlüsse der Gesellschaft von diesem Zeitpunkt an einstimmig zu fassen waren.
Mit Bescheid vom 18.04.2011 hat die Beigeladene zu 2) daraufhin festgestellt, dass die Tätigkeit des Klägers als geschäftsführender Gesellschafter nunmehr seit dem 01.04.2011 im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit ausgeübt werde.
Mit Beschluss vom 31.07.2012 ist das Verfahren auf Antrag der Beteiligten mit Blick auf die beim Bundessozialgericht anhängigen Revisionsverfahren B 12 KR 14/10 R sowie B 12 KR 25/10 R ruhend gestellt und nach Ergehen der genannten Revisionsentscheidungen von Januar 2013 an fortgesetzt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Verwaltungsvorgang der Beklagten und die Gerichtsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht festgestellt, dass der Kläger im streitbefangenen Zeitraum selbstständig tätig und nicht abhängig beschäftigt gewesen ist.
Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 S. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach ist Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach Abs. 1 S. 2 der Vorschrift eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Eine Beschäftigung in diesem Sinne setzt eine Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber voraus. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb liegt eine solche Abhängigkeit vor, wenn der Beschäftigte in den fremden Betrieb eingegliedert ist (1) und einem umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers (2) unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit (3) sowie durch das eigene Unternehmerrisiko und das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte gekennzeichnet (4). Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich unter Zugrundelegung der genannten Kriterien nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche der typusbildenden Merkmale überwiegen (vgl. BSG, Urt. v. 29. 8.2012 – B 12 KR/10 R, juris Rn. 15, Senat, Urteil vom 13.12.2010 – L 16 KR 97/10, juris Rn. 33). Bei der hier erforderlichen rückwirkenden Betrachtung eines Versicherungsverhältnisses ist zu berücksichtigen, dass eine in die Vergangenheit zielende Umwandlung eines jahrelang mit Billigung der Beteiligten bestehen Versicherungsverhältnisses grundsätzlich nur unter engen Voraussetzungen und bei eindeutiger Fehleinschätzung vorzunehmen ist (vgl. LSG NRW, Urteil vom 16.06.2011 – L1 KR 145/10, juris Rn. 26 mwN).
Nach diesen Vorgaben überwiegen bei weitem die typusbildenden Merkmale, die für eine Arbeitnehmereigenschaft des Klägers sprechen. Von einer eindeutigen Fehleinschätzung der Beklagten bei seiner Behandlung als abhängig Beschäftigten kann daher nicht die Rede sein.
(1) Der Kläger war im streitbefangenen Zeitraum als Geschäftsführer der C Ne GmbH in einen für ihn fremden Betrieb eingegliedert (vgl. Senat, Urteil vom 26. 12. 2010 – L 16 KR 27/10 juris Rn. 36). Die genannte Gesellschaft war als Verwaltungs-GmbH gleichzeitig Muttergesellschaft für eine Reihe weiterer Tochtergesellschaften. Alle gemeinsam wurden unabhängig von ihrer rechtlichen Struktur laut Aussage des Mehrheitsgesellschafters, des Zeugen Dr. X, in der Praxis wie ein Unternehmen geführt. Gesellschafter der Verwaltungs-GmbH waren bis zum Ende des streitbefangenen Zeitraums allein die Ehefrau zu 35 % und der Schwager des Klägers, Dr. X, zu 65 %, denen der Unternehmensgründer die Gesellschaftsanteile übertragen hatte. Es mag zutreffen, dass der Unternehmensgründer, wie der Kläger vorträgt, dessen Stellung in der Firma festigen wollte und deshalb auf den Abschluss eines Ehevertrags zwischen dem Kläger und der Tochter des Unternehmensgründers als Gesellschafterin verzichtet hat. Gleichwohl hat der Unternehmensgründer dem Kläger, obwohl es sich um seinen Schwiegersohn handelt, gerade keinerlei eigentumsrechtliche Einflussmöglichkeit auf die Gesellschaft eingeräumt. Erst mit der Übertragung eines Gesellschaftsanteils in Höhe von 5 % zum 01.04.2011 und der Festlegung, dass Gesellschafterbeschlüsse in Zukunft einstimmig getroffen werden mussten, wurde der vorher für den Kläger fremde (teilweise) zu seinem eigenen Betrieb. Konsequenterweise hat die Beklagte erst von diesem Zeitpunkt an die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers verneint.
(2) Der Kläger unterlag im streitbefangenen Zeitraum auch dem Weisungsrecht der Gesellschafter. Nach der für den Senat überzeugenden neueren Rechtsprechung des BSG muss insoweit Grundlage der Beurteilung das Vertragsverhältnis der Beteiligten sein, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist. Dabei ist die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist (BSG, Urt. v. 29.08. 2012 – B 12 KR 25/10 R, juris Rn. 16).
Der Mehrheitsgesellschafter, der Zeuge Dr. X, hat bei seiner Zeugenvernehmung vor dem Sozialgericht unmissverständlich klargemacht, dass er über die Rechtsmacht verfügte, dem Kläger Weisungen zu erteilen. Ob er dieses Weisungsrecht tatsächlich ausgeübt hat, ist aber entgegen der Ansicht des Klägers und des Sozialgerichts nicht maßgeblich. Wesentlicher Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit innerhalb von Familiengesellschaften bildet vielmehr nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, die den Senat überzeugt und der er deshalb folgt, die Möglichkeit, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw. Dienstberechtigten nicht nur während einer Phase einer "Schönwetter-Selbstständigkeit", sondern auch dann abzuwenden, wenn das Einvernehmen der Familienmitglieder gestört ist (vgl. BSG, Urteile vom 29.08.2012 – B 12 R 14/10 R, juris Rn. 28 sowie B 12 KR 25/10 R, juris Rn. 32; ebenso Urteil vom 30.04.2013 – B 12 KR 19/11 R zitiert nach Terminbericht Nr. 19/13 des BSG). Die bloße Nichtausübung eines fortbestehenden Weisungsrechts sieht der Senat daher mit den zitierten Urteilen des BSG als unbeachtlich an, solange die Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist (ebenso LSG NRW, Urteil vom 16.06.2011 – L1 KR 145/10, juris Rn. 26 mwN).
Der Umstand, dass alle wesentlichen Fragen der Unternehmensführung nach dem Vortrag des Klägers und des Zeugen Dr. X selbst bei zunächst bestehenden Meinungsunterschieden letztlich einvernehmlich und gemeinsam geklärt worden, ändert nichts am Fortbestand des Weisungsrecht der Gesellschafter gegenüber dem Kläger. Zum einen fanden die vom Kläger und den Gesellschaftern geschilderten, teilweise auch kontroversen Diskussionen im Geschäftsalltag und auf Gesellschafterversammlungen bildlich gesprochen stets im Schatten der Hierarchie des Weisungsrechts statt. Es wäre unrealistisch anzunehmen, dass ihr immer einvernehmliches Ergebnis nicht auch von der Möglichkeit einer Weisung geprägt war. Denn allen Beteiligten war klar, dass bei einem ernsthaften Konflikt die Gesellschafter rechtlich gesehen das entscheidende letzte Wort hatten. Im Interesse eines gleichmäßigen und ordnungsgemäßen Verwaltungsvollzugs kann von der Beklagten dabei nicht verlangt werden, von diesem rechtlich eindeutigen Fortbestand des Weisungsrechts abzusehen und allein auf die tatsächliche Handhabung dieses Rechts im Gesellschaftsalltag abzustellen, die anders als die fortbestehende Rechtsmacht im einzelnen nur sehr schwer feststellbar ist. Damit würde die Beklagte des wesentlichen greifbaren Kriteriums für eine klare Abgrenzung zwischen abhängiger und selbständiger Beschäftigung beraubt; sie wäre weitgehend auf Angaben der Betroffenen angewiesen, die möglicherweise von eigenen Interessen gefärbt und jedenfalls kaum objektiv zu überprüfen sind. Zudem ist bei Statusentscheidungen im Interesse stabiler Versicherungsverhältnisse auf die ex-ante-Perspektive abzustellen. Danach unterlag der Kläger zu Beginn des streitbefangenen Zeitraums eindeutig einem Weisungsrecht der Gesellschafter. An diesem Ergebnis ändert es nichts, dass er im Laufe seiner Tätigkeit durch sein unternehmerisches Geschick die Sparte Agrar zu einem florierenden Unternehmenszweig ausgebaut hat, den er weitgehend in eigener Verantwortung geleitet hat. Für nicht entscheidend hält es der Senat auch, dass der Kläger selbstverantwortlich Personal einstellen und entlassen konnte. Selbst wer Arbeitgeberfunktion wahrnimmt, kann als leitender Angestellter bei einem Dritten persönlich abhängig beschäftigt sein (BSG, Urteil vom 06.03.2003 – B 11 AL 45/02 R). Eine selbstverantwortliche und eigenständige Führung eines abgegrenzten Unternehmensteils unterscheidet den Kläger nicht wesentlich von anderen leitenden Angestellten und macht ihn nicht zu einem Selbstständigen. Denn er blieb im streitbefangenen Zeitraum bei Entscheidungen über das Gesamtunternehmen stets auf die Zustimmung der Mitgesellschafter angewiesen (vgl. BSG, Urteil vom 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R, juris Rn. 33 für die Konstellation einer gemeinsamen Geschäftsführung mit einer Verwandten). Laut Gesellschaftsvertrag bedurfte die Geschäftsführung des Klägers für alle Geschäfte, die über den gewöhnlichen Betrieb des Unternehmens der Gesellschaft hinausgingen, der ausdrücklichen vorherigen Einwilligung der Gesellschafterversammlung, vgl. § 37 Abs. 1 GmbH-Gesetz. Zudem musste er im Alltag der Gesellschaft alle wesentlichen Entscheidungen in Bezug auf das Gesamtunternehmen im Zusammenwirken mit dem Mehrheitsgesellschafter treffen. Der Kläger konnte also, und dies übersieht seine Prozessbevollmächtigte, im Innenverhältnis zu den Gesellschaftern trotz seiner Stellung als GmbH-Geschäftsführer gerade nicht schalten und walten, wie er wollte und die Geschäfte des Gesamtunternehmens wie ein Alleininhaber nach eigenem Gutdünken führen, Ob ein faktisches freies Schalten und Walten in Einzelfällen überhaupt ausreichen kann, um ausnahmsweise eine abhängige Beschäftigung von Fremdgeschäftsführer einer GmbH zu verneinen, wie es die ältere Rechtsprechung des BSG teilweise noch angenommen hat, kann daher dahinstehen. Ohnehin hat auch diese Rechtsprechung Fremdgeschäftsführer regelmäßig als abhängig Beschäftigter angesehen (vergleiche BSG, Urteil vom 18.12.2001 – B 12 KR 10/01R, juris Rz. 14 mit weiteren Nachweisen).
(3) Ebenso wenig vermochte der Kläger im streitbefangenen Zeitraum genauso wie ein Selbstständiger in einer eigenen Betriebsstätte frei über die eigene Arbeitskraft zu verfügen und seine Tätigkeit sowie seine Arbeitszeit im Wesentlichen frei gestalten. Zwar ist dem Kläger einzuräumen, dass ihn seine Stellung im für ihn fremden Betrieb durch die familiäre Bindung zu den Inhabern und die ihm übertragene Verantwortung und Handlungsfreiheit von typischen Beschäftigten absetzten (vgl. Senat, Urteil vom 26.12 2010 – L 16 KR 27/10, juris Rn. 41). Für eine Arbeitnehmereigenschaft des Klägers spricht gleichwohl maßgeblich der zwischen dem Mehrheitsgesellschafter – als Arbeitgeber – und dem Kläger abgeschlossene, als Dienstvertrag bezeichnete Vertrag vom 30.01.2001. Denn dieser Vertrag enthält eine für Arbeitsverträge typische Regelung über Urlaubstage, eine feste Vergütung (anstelle einer Gewinnbeteiligung) sowie eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Dieses Vertragswerk lässt in der Gesamtschau auf ein von den Vertragsparteien gewolltes Beschäftigungsverhältnis schließen (vgl. BSG a.a.O. Rn. 19; LSG NRW, Urteil vom 16.06.2011 – L 1 KR 145/10, juris Rn. 45; Senat, Urt. v. 25. 11. 2010 – L 16 KR 313/10, juris Rn. 42; zur Form der Vergütung Senat, Urteil vom 13.12.2010 – L 16 KR 27/10, juris Rn. 34).
Als nicht unwesentliches typusbildendes Merkmal, das für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spricht, sieht der Senat anders als das Sozialgericht zudem die steuerrechtliche Behandlung der entgeltlichen Tätigkeit des Klägers an. Damit Lohnzahlungen an einen im Betrieb des Steuerpflichtigen mitarbeitenden Angehörigen steuerrechtlich als Betriebsausgaben anerkannt werden können, muss der mitarbeitende Angehörige aufgrund eines Arbeitsvertrags beschäftigt werden, die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringen und der Steuerpflichtige seinerseits alle Arbeitgeberpflichten erfüllen. Der zu Grunde liegende Arbeitsvertrag muss damit für den Vertragstyp wesentlichen Rechte und Pflichte regeln und nach Inhalt sowie tatsächlicher Durchführung dem entsprechen, was zwischen Fremden üblich ist (FG Nürnberg, Urteil vom 03.04.2008 – VII 140/2006, juris Rn. 22ff. mwN.). Daher ist es widersprüchlich, wenn der Kläger nunmehr die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit behauptet, obwohl er für Zwecke des Steuerrechts jahrelang eine abhängige Beschäftigung geltend gemacht und von den daran geknüpften steuerrechtlichen Vorteilen profitiert hat, indem für sein Entgelt Lohnsteuer abgeführt und dieses Entgelt als Betriebsausgabe Gewinn mindernd geltend gemacht wurde. Diesen Widerspruch hat der Kläger nicht aufzulösen vermocht. Vielmehr musste seine Prozessbevollmächtigte einräumen, dass von ihrem Rechtsstandpunkt aus die steuerrechtliche Behandlung der Vergütung des Klägers über Jahre falsch gewesen ist. Zudem hält es der Senat für erstrebenswert, die Unterscheidung zwischen abhängiger und selbstständiger Beschäftigung im Steuerrecht und im Sozialrecht möglichst gleich vorzunehmen. Dies liegt im Interesse der Einheit der Rechtsordnung, das sich in dogmatischer Folgerichtigkeit und begrifflicher Einheitlichkeit auch über die Grenzen verschiedener Rechtsgebiete hinweg niederschlagen sollte. Auch deshalb spricht die steuerrechtliche Einstufung der Tätigkeit des Klägers als lohnsteuerpflichtige Beschäftigung maßgeblich dafür, ihn auf dem Gebiet des Sozialrechts ebenso wie im Steuerrecht als abhängig Beschäftigten anzusehen.
(4) Der Kläger hat im streitbefangenen Zeitraum schließlich kein eigenes Unternehmensrisiko getragen, insbesondere nicht in Höhe der von ihm gewährten, Darlehen an das Unternehmen in Höhe von 60.000 EUR. Maßgebliches Kriterium für ein Unternehmerrisiko eines Selbstständigen ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des (vollständigen) Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und sächlichen Mittel also ungewiss ist (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.10.2012 – L4 R 761/11, juris Rn. 53 mwN). Eine Darlehensgewährung ist zwar eine für Arbeitnehmer nicht typische Übernahme von Risiken, die indes nur ein bloßes Haftungsrisiko, nicht aber ein Unternehmerrisiko im eigentlichen Sinne darstellt, weil es an einer Gewinnchance fehlt (vgl. Senat, Urteil vom 26. 12. 2010 – L 16 KR 27/10, juris Rn. 43). Der Kläger hat durch die Gewährung eines Darlehens rechtlich gesehen nur die gleiche Position wie ein externer Finanzgeber ohne weiteren Einfluss auf die Firmengeschicke erreicht. Wäre dagegen eine selbstständige Stellung des Klägers als Mitunternehmer gewollt gewesen, hätte es nahe gelegen, ihn an der Gesellschaft zu beteiligen, wie später geschehen (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 01.07.2010 – L 5 KR 50/09, juris Rn. 31). Steuerrechtlich spricht zudem die bereits erwähnte Verbuchung der Vergütung des Klägers als Lohn/Gehalt zusätzlich für eine abhängige Beschäftigung, weil die steuerrechtliche Rechtsprechung für die Abgrenzung von selbstständiger und abhängiger Tätigkeit auf das Merkmal des Unternehmerrisikos besonderes Gewicht legt; danach ist der Steuerpflichtige nicht selbständig tätig, wenn er von dem Vermögensrisiko der Erwerbstätigkeit grundsätzlich freigestellt ist (BFH, Urteil vom 2.12.1998 – X R 3 83/96, juris Rn. 47). Die Kehrseite dieser Freistellung vom Unternehmerrisiko bildet die fehlende Möglichkeit, die damit verbundene Gewinnchance wahrzunehmen. Im Unterschied zur inzwischen erfolgten Beteiligung des Klägers als Gesellschafter, hat der Unternehmensgründer bei der ursprünglichen Übertragung seines Unternehmens auf seine Kinder gerade darauf verzichtet, den Kläger zu beteiligen.
Vom Schutzzweck der Unterscheidung zwischen abhängig Beschäftigten und Selbstständigen gesehen, nämlich abhängig Beschäftigte in der Sozialversicherung gegen die Risiken von Krankheit, Arbeitslosigkeit und Alter abzusichern, spricht ebenfalls mehr dafür, den Kläger als abhängig Beschäftigten einzuordnen. Denn im Betrieb seiner Ehefrau und seines Schwagers mag er zwar unternehmerisch gehandelt haben, ohne indes unmittelbar die mit dem Unternehmerrisiko einhergehende Chance der Gewinnerzielung genossen zu haben. Zudem war sein Status abgesehen von seinem Dienstvertrag rechtlich vollkommen ungesichert. Der Kläger hatte im fraglichen Zeitraum – anders als ein Mitunternehmer – keine Rechte am Betrieb seiner Ehefrau und seines Schwagers. Schutz vermittelten ihm alleine der ursprüngliche Angestelltenvertrag und die darin vorgesehene gesetzliche Kündigungsfrist bzw. nunmehr die Beschränkung auf eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund im später abgeschlossenen Dienstvertrag. Das spricht ebenfalls für seinen Status als abhängig Beschäftigter. Die Ehe des Klägers mit der Gesellschafterin schließlich macht ihn ebenfalls nicht zum Mitunternehmer, weil sie für ihn kein unmittelbares unternehmerisches Risiko begründete. Der Ehegatte eines Unternehmers wird nicht selbst zum Unternehmer, nur weil er mittelbar auf dem Weg über eheliche Unterhalts- und Ausgleichsansprüche vom Unternehmenserfolg profitiert.
In der Gesamtschau überwiegen somit nach Zahl und Gewicht (vgl. zur erforderlichen Abwägung allgemein BSG Urteil vom 25.04.2012 – B 12 KR 24/10 R, juris Rn. 25) eindeutig die Tatsachen, die für den Typus einer abhängigen Beschäftigung sprechen. Der Kläger trug im Betrieb seiner Frau und seines Schwagers kein Unternehmerrisiko und hat mit der dem Mehrheitsgesellschafter schon aus steuerrechtlichen Zwecken einen vollwertigen Arbeitsvertrag abgeschlossen und vollzogen. Bis zur Änderung des Gesellschaftsvertrags und seiner Aufnahme als Gesellschafter brauchte der Kläger für wesentliche unternehmerische Entscheidungen eine Zustimmung der Gesellschafterversammlung. Er hat die Gesamtgesellschaft auch nicht im Geschäftsalltag nach eigenem Gutdünken geführt, sondern nur zusammen mit dem Mehrheitsgesellschafter, dessen Weisungsrecht gegenüber dem Kläger fortbestand. Demgegenüber fällt das erfolgreiche unternehmerische Handeln des Klägers in einem Teilbereich des Unternehmens und seine dabei gegebene freie Verfügung über die eigene Zeit und Arbeitsorganisation nicht wesentlich ins Gewicht, weil sie stets von den Bedürfnissen des Gesamtunternehmens und dem insoweit fortbestehenden Weisungsrecht der Gesellschafter begrenzt blieben. Der Kläger war daher im streitbefangenen Zeitraum als abhängig Beschäftigter anzusehen, das anderslautende Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die auf Feststellung des Status als Selbständiger gerichtete Klage des Klägers im streitbefangenen Zeitraum abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Die Revision hat der Senat trotz des darauf gerichteten Antrags des Klägers nicht zugelassen, weil er die für den Fall wesentlichen rechtlichen Fragen durch die zitierte neuere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Status von mitarbeitenden Familienmitgliedern in Familiengesellschaften als geklärt ansieht und im übrigen allein Tatfragen streitentscheidend sind.
Erstellt am: 01.08.2013
Zuletzt verändert am: 01.08.2013