Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 19.05.1998 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte die Altersrente des Klägers zu Recht unter Berücksichtigung der am 01.01.1997 in Kraft getretenen Vorschriften des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (WFG) berechnet hat.
Der am …1937 geborene Kläger beantragte am 26.03.1997 bei der Beklagten die Gewährung von Altersrente wegen Vollendung des 60. Lebensjahres und vorhergehender Arbeitslosigkeit. Mit Bescheid vom 27.05.1997 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 01.02.1997 Altersrente gemäß § 38 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) mit einem monatlichen Zahlbetrag von 2.756,07 DM (Stand Juli 1997). Gegen diesen Rentenbescheid erhob der Kläger am 12.06.1997 Widerspruch und machte zur Begründung geltend, die auf der zum 01.01.1997 in Kraft getretenen Gesetzesänderung beruhende verminderte Anrechnung der Schul- und Ausbildungszeiten führe bei ihm zu einer Rentenminderung in Höhe von 40,89 DM. Bei der einvernehmlichen Auflösung seines Arbeitsverhältnisses im Jahre 1993 habe er darauf vertraut, daß die damals bestehenden rentenrechtlichen Vorschriften erhalten blieben. In der vom Gesetzgeber "überfallartig durchgezogenen" Gesetzesänderung vermisse er eine Vertrauensschutzregelung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.10.1997 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch i. w. mit der Begründung zurück, die Rentenberechnung entspreche den ab 01.01.1997 geltenden gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere den Regelungen des WFG (BGBl. I S. 1416). Nach der (im Widerspruchsbescheid aufgeführten) bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und des Bundesverfassungsgerichts seien die mit dem WFG eingeführten Rechtsänderungen als verfassungskonform anzusehen.
Dagegen hat der Kläger am 14.11.1997 Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, die ab 01.01.1997 geltende gesetzliche Neuregelung sei nach seiner Auffassung verfassungswidrig, da das im Grundgesetz verbriefte Eigentumsrecht absolut mißachtet werde. Weiter hat er nochmals vorgetragen, bei Auflösung seines Arbeitsverhältnisses im Jahre 1993 habe er auf den Fortbestand der damals geltenden rentenrechtlichen Vorschriften vertraut.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 27.05.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.10.1997 zu verurteilen, ihm ab 01.02.1997 Altersrente nach Maßgabe der bis zum 31.12.1996 geltenden Vorschriften zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden bezogen.
Mit Urteil vom 19.05.1998 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung i. w. ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Berechnung seiner am 01.02.1997 beginnenden Rente nach Maßgabe der bis zum 31.12.1996 geltenden Vorschriften. Maßgebend für die Berechnung der Rente seien die zum Zeitpunkt ihres Beginns maßgebenden gesetzlichen Vorschriften. Die Beklagte habe das am 01.01.1997 geltende Recht zutreffend angewandt. Insoweit würden vom Kläger auch keine Einwände erhoben.
Die ab 01.01.1997 geltenden Berechnungsvorschriften seien auch nicht verfassungswidrig. Die vom Gesetzgeber hinsichtlich der Bewertung von Schul- und Berufsausbildungszeiten vorgenommenen Änderungen stellten keinen unzulässigen Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum (Art. 14 Grundgesetz – GG -) dar. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei vielmehr gewahrt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Gegen das am 17.06.1998 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29.06.1998 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiter verfolgt. Er ist weiterhin der Auffassung, die zum 01.01.1997 in Kraft getretenen Neuregelungen seien verfassungswidrig und verstießen insbesondere gegen den Eigentumsschutz nach Art. 14 GG. Wegen der Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 30.09.1998 Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 19.05.1998 abzuändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und den der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte hat der Berechnung der Altersrente des Klägers zu Recht die ab 01.01.1997 geltenden Regelungen (insbesondere §§ 58 und 70 SGB VI) zugrunde gelegt. Dabei ist zunächst untreitig, daß die Rentenberechnung auf der Grundlage der geänderten Vorschriften durch die Beklagte zutreffend erfolgt ist.
Die ab 01.01.1997 durch das WFG eingeführten Berechnungsvorschriften sind zur Überzeugung des Senats auch nicht verfassungswidrig. Zwar erstreckt sich die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des Bundesverfassungsgerichts auch auf Rentenanwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung in ihrem Gesamtbestand. Dies gilt hingegen nicht für einzelne Anspruchs- bzw. Berechnungselemente, wie die Bewertung von Anrechnungs- und Ersatzzeiten (vgl. Urteil des BSG vom 18.04.1996, Az.: 4 RA 36/94 in: SozR 3-2600 § 71 Nr. 11, m. w. N.). Hinsichtlich der vergleichbaren Problematik der Bewertung beitragsfreier Zeiten durch das Rentenreformgesetz 1992 (RRG 1992) hat das BSG in dem genannten Urteil ausdrücklich entschieden, daß die damalige Rentenreform insoweit grundsätzlich nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG verstößt, sondern lediglich eine zulässige Neubestimmung des Inhalts und der Schranken des Eigentums bedeutet und im Rahmen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit liegt. Das Interesse der Allgemeinheit insbesondere am Erhalt der Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung würde überwiegen. Das Interesse der betroffenen Versicherten an einer für ihre Lebensplanung – auch in bezug auf ihre Alterssicherung – erforderlichen Verläßlichkeit und Berechenbarkeit des Rentenversicherungsrechts trete insoweit zurück. Auch die im RRG 1992 vorgesehene Stichtagsregelung für das Inkrafttreten zum 01.01.1992 verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Im Ergebnis hat das BSG im genannten Fall eine durch das RRG 1992 bedingte Kürzung der Rente bzw. Rentenanwartschaft um etwa 40 v.H. noch für verfassungskonform gehalten.
Dieser Entscheidung des BSG, die mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist, schließt sich der Senat im vorliegenden Fall auch hinsichtlich der durch das WFG eingetretenen Kürzung der Rentenanwartschaft des Klägers an. Dabei ist hier insbesondere zu berücksichtigen, daß nach dem eigenen Vortrag des Klägers die Rentenminderung durch das WFG lediglich etwa 40,– DM im Monat beträgt. Bei einem monatlichen Rentenzahlbetrag von etwa 2.700,– DM vermag der Senat die Argumentation des Klägers nicht nachzuvollziehen, daß er bei einer solch geringen Rentenminderung im Jahre 1993 bei der Auflösung seines Arbeitsverhältnisses eine andere Entscheidung getroffen hätte. Jedenfalls ist zur Überzeugung des Senats ein eventuelles Vertrauen des Klägers darauf, daß durch gesetzliche Neuregelungen seine Rentenanwartschaft auch nicht in so geringem Umfang geschmälert würde, nicht verfassungsmäßig geschützt. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, als ehemaligem Betriebsratsmitglied gehe es ihm nicht nur um die Rentenminderung in seinem Fall, sondern auch um erheblich gravierendere Rentenminderungen anderer Versicherter, ist festzustellen, daß der Senat hier nur darüber zu entscheiden hat, ob der Kläger in seinen Rechten verletzt ist. Dies kann der Senat aus den genannten Gründen jedoch nicht feststellen.
Im übrigen wird der Kläger darauf hingewiesen, daß bei den hier betroffenen Schul- und Berufsausbildungszeiten der verfassungsrechtliche Schutz verhältnismäßig gering ist, weil es sich um Zeiten handelt, für die keine oder aber nur sehr geringe Beiträge entrichtet worden sind. Gerade bei der Anrechnung und Bewertung solcher beitragsfreien oder beitragsgeminderten Zeiten hat der Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des BSG einen verhältnismäßig großen Spielraum, in dessen Rahmen er sich mit den Neuregelungen im WFG gehalten hat.
Die Berufung des Klägers konnte daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die dafür erforderlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 bzw. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Erstellt am: 15.08.2003
Zuletzt verändert am: 15.08.2003