Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 20.10.2000 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten der Klägerin werden nicht erstattet. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt vom Beklagten Hinterbliebenenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).
Die Klägerin ist die Witwe des 1934 geborenen Herrn Vossler (V). V. arbeitete zuletzt als Geschäftsführer der S Backwaren GmbH in S.
Am 06.08.1992 erlitt V. gegen 23.45 Uhr durch einen Sturz vor dem Hausaufgang zu seiner Wohnung ein Schädel-Hirntrauma. Als Folge des Schädel-Hirntraumas trat ein septisches Multiorganversagen mit Beteiligung der Lungen und Nieren auf. Am 27.08.1992 verstarb V.
Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (10 Js 1592/92) leitete u.a. aufgrund der Aussage des Zeugen M H (H.) ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung ein. Sie veranlaßte eine gerichtsärztliche Untersuchung
und Obduktion des V. durch die Sachverständige Dr. M (M). Diese gelangte in Gutachten vom 01.09.1992 und 19.04.1994 zu dem Ergebnis, dass die tödlichen Verletzungen auf einen ungebremsten Sturz nach hinten auf die rechte Scheitelbeinhinterhauptregion zurückzuführen seien. Die Ursache des Sturzes lasse sich retrospektiv nicht mehr sicher ermitteln; es kämen mehrere – evtl. auch kombinierte – Ursachen in Frage. Neben einem Sturz in Folge der erheblichen vorbestehenden krankhaften Veränderungen des Herz- und Kreislaufsystems müsse erfahrungsgemäß auch eine alkoholische Beeinflussung sowie möglicherweise ein durch Stöße oder Schläge provozierter Sturz in Betracht gezogen werden. Ein durch einen Schlag provoziertes Sturzgeschehen sei zwar nicht auszuschließen, lasse sich gerichtsärztlicherseits jedoch nicht nachweisen. Ebenso fänden sich keine Anhaltspunkte für eine schwere körperliche Mißhandlung. Eine vorausgegangene körperliche Auseinandersetzung lasse sich allerdings nicht ausschließen.
Mit Beschluss vom 21.12.1994 lehnte das Landgericht (LG) Frankfurt (Oder) die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Angeschuldigten Großkreutz (G.) wegen gefährlicher Körperverletzung mangels hinreichen den Tatverdachtes ab. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin, der die Generalstaatsanwaltschaft beigetreten ist, hob das Brandenburgische Oberlandesgericht mit Beschluss vom 29.05.1996 den Beschluss des LG Frankfurt (Oder) auf und lies die Anklage zu. Nach Vernehmung der Zeugen H., Inge B , K -J K , T L , M G , B A , P F , K , C J und der Sachverständigen Dr. F und Dr. M. wurde der Angeklagte G. mit Urteil vom 30.11.1996 freigesprochen, da die Täterschaft nicht zweifelsfrei nachgewiesen worden sei.
Im September 1992 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Versorgung nach dem OEG als Hinterbliebene. Der Beklagte zog einen Bericht der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin des Klinikums U sowie die Akten der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) bei. Durch Bescheid vom 27.03.1995 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Es sei nicht der Nachweis erbracht, dass V. an den Folgen einer Schädigung i.S.v. § 1 OEG verstorben sei.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Nach nochmaliger Beiziehung der Akten der Staatsanwaltschaft wies der Beklagte am 25.02.1997 den Widerspruch als unbegründet zurück. Nach Auswertung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gehe er wie das LG Frankfurt (Oder) davon aus, dass V., der an einer schweren Herzerkrankung gelitten habe und alkoholisiert gewesen sei, in der Nacht des 06.08.1992 beim Laufen von einer anderen Person untergehakt gewesen sei. Vor dem Hauseingang habe die andere Person V. fallengelassen.
Dabei sei V. nach hinten gefallen und habe sich schwere Kopfverletzungen zugezogen, an denen er verstorben sei. Diese Handlung der anderen Person (Loslassen des V.) könne nicht als vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriff qualifiziert werden.
Mit der am 19.03.1997 vor dem Sozialgericht (SG) Detmold erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt.
Sie hat vorgetragen, nach den Feststellungen des LG Frankfurt (Oder) und der Aussage des Zeugen H. sei erwiesen, dass ihr Ehemann durch einen rechtswidrigen vorsätzlichen tätlichen Angriff verletzt worden sei, auf grund dessen der Tod eingetreten sei. Der Angriff habe nicht lediglich aus Faustschlägen und Fußtritten nach dem Sturz mit der Ausnutzung einer hilflosen Lage ihres Ehemannes, sondern auch darin bestanden, dass ein Dritter ihren zu dieser Zeit körperlich versehrten Ehemann entweder gestoßen oder fallengelassen habe. Nach den Feststellungen des LG Frankfurt (Oder) habe der Dritte ihren Ehemann von sich weggedrückt und dann losgelassen. Hierbei habe der Täter den Sturz vorhersehen müssen. Durch den Sturz habe der Ehemann derart schwere Körperverletzungen erlitten, dass er an diesen aufgrund des Zusammenbruches der Körperfunktionen verstorben sei. Von der Gesamtschau des Tatgeschehens dürfe auch nicht außer Betracht bleiben, dass der Dritte ihrem am Boden liegenden Ehemann weitere Fußtritte und Faustschläge versetzt und ihn danach auch noch ab gesucht habe. Deshalb sei davon auszugehen, dass der Dritte von vornher ein zumindest eine Körperverletzung ihres Ehemannes in Kauf genommen habe, ggfs. sogar um ihm danach Wertgegenstände wegzunehmen. Aufgrund der Aussage des Zeugen H. sei auch nachgewiesen, dass ihr Ehemann nicht nur – wie das LG festgestellt habe – untergehakt, sondern gegen seinen Willen vom Dritten festgehalten worden sei. Das Festhalten gegen den Willen stelle bereits eine Nötigung und Körperverletzung dar, zu deren Abwehr ihr Ehemann entweder zu Fall gekommen sei oder vom Dritten so gestoßen worden sei, dass er gestürzt sei.
Das SG hat die Akten der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder), 10 Js 1592/92, und die Akte des SG Detmold, S 1 U 238/97, beigezogen. Desweiteren hat es den Zeugen H. und die Sachverständige Dr. M. vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 20.04.2000 und 20.10.2000 verwiesen.
Mit Urteil vom 20.10.2000 hat das SG Detmold den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 27.03.1995 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25.02.1997 verurteilt, der Klägerin wegen des gewaltsamen Todes des Ehemannes Hinterbliebenenversorgung unter Berücksichtigung des Todeszeitpunktes 29.08.1992 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die unbekannte dritte Person habe den Tatbestand des § 1 OEG erfüllt, indem sie V. losgelassen habe. Diese Handlung stelle eine vorsätzliche tätliche Gewalttat i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG dar, weil sie in feindseliger Absicht unmittelbar auf V. zielen und auf ihn einwirken sollte. Der Täter habe unmittelbaren körperlichen Zwang auch dann auf V. ausgeübt, wenn sein Handeln sich nur auf das Loslassen beschränkt habe. Bei der alkoholisch bedingten physisch und psychisch eingeschränkten körperlichen Situation von V. in der fraglichen Nacht sei ein größerer Kraftaufwand als das Loslassen rechtlich für den tatsächlichen Angriff nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG nicht erforderlich gewesen, um V. zu Fall zu bringen. Die feindliche Zielrichtung des Täters werde durch die vom Beklagten nicht bestrittenen Hand- und Faustschläge und Fußtritte dokumentiert, die V. durch den Täter im Anschluß an den Sturz zugefügt wurden seien. Der Täter habe vorsätzlich gehandelt. Er habe die gesundheitliche Schädigung von V. zumindest billigend in Kauf genommen. Ihm habe klar sein müssen, dass der alkoholisierte V. leicht zu Fall zu bringen gewesen sei, so dass er sich auf das Loslassen beschränken habe können. Er habe wissen müssen, dass ein ungebremster Sturz bei V. zumindest zu Verletzungen führen könnten, die er damit billigend in Kauf genommen habe.
Gegen das am 05.12.2000 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 18.12.2000 Berufung beim Landessozialgericht NW eingelegt.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass ausgehend von dem Ergebnis der Beweisaufnahme im erstinstanzlichen Verfahren weder ein tätlicher Angriff im Form einer handgreiflichen Kraftentfaltung unmittelbar gegen den Körper des V. durch eine unbekannte Person, die den Sturz auf den Hinterkopf verursacht hat, noch eine vorsätzliche Handlung eines unbekannten Täters erwiesen ist. V., der an einer schweren Herzerkrankung gelitten habe und zum Zeitpunkt des Sturzes erheblich alkoholisiert gewesen sei und nach Auffassung des Zeugen H. nicht mehr alleine stehen konnte, sei von einer bis heute unbekannten Person hilfestellend beim Laufen unterhakt gewesen. Ohne diese Hilfestellung bei der Fortbewegung hätte sich V. bereits auf dem Weg zu seinem Haus durch diverse Stürze Verletzungen zugezogen. Die Verletzungen an den Beinen und Armen bestätigen diese Annahme. Nach Aussage des Zeugen H. habe sich der Geschädigte gegen die Hilfestellung bei der Fortbewegung gewehrt, indem er geschrieen habe, "laß mich und hau ab". Vor dem Hauseingang Nr. 10 habe die unbekannte Person V. plötzlich fallengelassen. Nach der Aussage des Zeugen H. bestehe neben einem Loslassen oder Fallenlassen von seiten der unbekannten Person auch die Möglichkeit, dass sich V. von seinem Begleiter losgerissen habe, da er vor seiner Haustür gestanden habe. Er habe offensichtlich nicht die Absicht gehabt, die unbekannte Person mit in die Wohnung zu nehmen. Dass V. den Wunsch gehabt habe, sich seiner Hilfsperson zu entledigen bzw. sich dieser zu entziehen, habe er bereits verbal auf dem Weg zu seinem Haus deutlich geäußert. Selbst wenn man der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts folge, sei das Loslassen von V. durch die unbekannte Person und die damit verbundene Auslösung des Sturzes allenfalls als fahrlässiges Handeln zu werten.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 20.10.2000 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Der Zeuge H. habe auch nunmehr nach acht Jahren schlüssig die von ihm bereits bei der Polizei gemachten Aussagen bestätigt. Danach habe der Täter ihrem Ehemann entweder gegen seinen Willen festgehalten oder ihn von sich fort gestoßen, wie der Zeuge H. auch im Verfahren vor dem LG Frankfurt (Oder) bekundet habe. Beides stelle einen rechtswidrigen vorsätzlichen tätlichen Angriff dar, da sie in feindseliger Absicht unmittelbar auf ihren Ehemann zielten und auf ihn einwirken sollten.
Der Senat hat die Akte der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten (BGN) und die Krankenakte des Klinikums U beigezogen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch die Vernehmung des Zeugen H … Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 21.03.2002 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und B-Akte des Beklagten, GRdl.-Nr. 176/93 sowie der Akte der Staatsanwaltschaft Frankfurt, 10 Js 1592/92 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet.
Das SG hat den Beklagten zu Unrecht verurteilt, der Klägerin Witwenversorgung nach §§ 1 Abs. 1 und 8 OEG i.V.m. § 38 BVG zu gewähren.
Nach § 1 Abs. 1 und 8 OEG i.V. m. § 38 BVG erhält die Witwe eines Geschädigten Witwenversorgung, wenn der Geschädigte an den Folgen eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffes i. S. v. § 1 Abs. 1 OEG gestorben ist.
Der Tod des V. ist durch ein Schädel-Hirn-Trauma mit nachfolgenden septischem Multiorganversagen herbeigeführt worden. Ursache des Schädel-Hirn-Traumas ist nach den Feststellungen der Sachverständigen Dr. M. ein unabgebremster Sturz nach hinten mit überstrecktem Kopf, der nicht durch eine innere Ursache, sondern durch eine besondere Bedingung, wie z.B. Einwirkung von Energie, Alkohol oder äußeren Umständen ausgelöst worden ist.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens sieht es der Senat als nicht erwiesen an, dass ein vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriff i.S.v. § 1 OEG mitursächlich, d.h. i.S. zumindest einer annähernd gleichwertigen Bedingung für den Sturz des V. gewesen ist.
Unter einem tätlichen Angriff i.S.v. § 1 Abs. 1 OEG ist eine in strafbarer (d.h. mit Strafe bedrohter) Weise unmittelbar auf den Körper eines anderen abzielende Einwirkung zu verstehen, wobei mit der Einwirkung auf den Körper des Opfers – zumindest versuchsweise – vorsätzlich ein Straftatbestand verwirklicht wird (BSG, Urteil vom 04.02.1998, B 9 VG 5/96 R; Urteil vom 08.08.2001, B 9 VG 1/01 R). Der Vorsatz muss sich auf den Angriff als solchen, nicht aber auf den entstehenden Körperschaden gerichtet haben (BSG, Urteil vom 12.12.1995, 9 RVg 1/97; Urteil vom 28.04.1999, B 9 VG 7/98 R). Die Tatsache, dass ein unbekannter Täter den Sturz eines Opfers mit seinen verhängnisvollen Folgen nicht beabsichtigt oder zumindest billigend in Kauf genommen hat, schließt den Tatbestand des vorsätzlichen Angriffes nicht aus. Der Verwirklichung des Tatbestandes einer Schädigung durch einen tätlichen Angriff steht auch nicht entgegen, dass sich der unbekannte Täter subjektiv mit dem Opfer möglicherweise nur einen groben Scherz erlauben wollte und ihm gegenüber keine feindselige Haltung hatte. Es genügt, dass das Handeln des Angreifers vorsätzlich ist. Der vorsätzliche rechtswidrige Angriff gegen die körperliche Integrität oder die körperliche Bewegungsfreiheit einer anderen Person reicht damit in der Regel aus, um den Tatbestand des § 1 Abs. 1 OEG zu erfüllen. Wenn die Handlungen im Rahmen des sozial üblichen Geschehens, etwa durch körperliche Kontakte auf Volksfesten, fallen, ist die Rechtswidrigkeit der Handlungen zu verneinen und etwaige fahrlässige Verletzungsfolgen von der staatlichen Entschädigungspflicht ausgeschlossen. Der vorsätzliche rechtswidrige tätliche Angriff muss voll, d.h. mit an Sicherheit grenzender, ernste und vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Wenn der Täter unbekannt ist, kann nur aus den festgestellten äußeren Umständen darauf geschlossen werden, ob er (bedingt) vorsätzlich gehandelt hat. Sofern sich aus den äußeren Umständen nicht feststellen läßt, welche Vorstellungen oder welche Willensrichtung der Täter bei seiner zur Verletzung führenden Tat hatte, geht die Nichtfeststellbarkeit des Vorsatzes nach den Grundsätzen der objektiven Beweis- oder Feststellungslast zu Lasten der Klägerin (BSG, Urteil vom 04.02.1998, B 9 VG 5/96 R).
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht fest, dass der alkoholisiert und an einer Herzkrankheit leidende V. untergehakt mit einer unbekannten Person gegen ca. 23.30 Uhr in Richtung seiner Wohnung gegangen ist. Vor dem Hauseingang ist V. gestürzt. Die Auslösung des Sturzes durch innere Ursache oder Herzrhythmusstörungen ist nach den Darlegungen der Sachverständigen Dr. M. ausgeschlossen. Zum Zeitpunkt des Sturzes hat V. einen Schlüssel und Kleingeld mit sich getragen, der PKW hat vor dem Hauseingang gestanden, die Tasche mit Papieren hat sich im Büro befunden. Ausgehend von den Angaben von Herrn S dessen Erklärung gegenüber der BGN im Wege des Urkundenbeweises verwertet wird, hat V. zwischen 23.00 Uhr und 24.00 Uhr am 06.08.1992 zwecks Produktionskontrolle den Betrieb aufgesucht, der ca. 5 – 15 Minuten mit dem PKW entfernt von seiner Wohnung gelegen ist. Der Aufenthalt von V. zwischen dem Verlassen des Betriebes und dem Sturz ist nicht geklärt. Nach dem Sturz wurde V. von der ihn begleitenden Person ein Stück in Richtung des Hauseinganges gezogen und abgesucht. Inwieweit das Verhalten der unbekannten Begleitperson für den Sturz des V. mitursächlich gewesen ist, ist offen. Einziges Beweismittel für den Geschehnisablauf, der zum Sturz des V. geführt hat, sind die Angaben des Tatzeugen H … V. konnte selbst keine Angaben zum Tathergang machen. Die ihn begleitende Person ist unbekannt und die übrigen von der Polizei und dem LG Frankfurt als Zeugen gehörten Hausbewohner konnten erst Angaben über die Geschehnisse nach dem Sturz von V. machen. Der von der Sachverständigen Dr. M. erhobene morphologische Befund ist nicht geeignet, den Nachweis zu führen, dass der Sturz durch Einwirkungen einer dritten Person, wie z.B. durch Schläge ausgelöst wurde. Der morphologische Befund schließt zwar nicht eindeutig eine solche Annahme aus, der Zeuge H. hat jedoch in seinen Aussagen vor der Polizei und den Gerichten eine handgreifliche Handlung der unbekannten Begleitperson vor dem Sturz nicht beschrieben. Die Angaben des Zeugen H. über die Umstände, die zu dem Sturz des V. geführt haben, sind im Kern nicht konstant und präzise, sondern wechselhaft. In dem Polizeiprotokoll über die erste Vernehmung des Zeugen H. vom 07.08.1992 sind Angaben über das Sturzgeschehen nicht enthalten, vielmehr beginnen nach dem Wortlaut des Protokolls, das von dem Zeugen H. unterschrieben worden ist, die Wahrnehmungen des Zeugen erst, als V. bereits am Boden lag und sich eine Person über ihn beugte. In dem Protokoll über die Vernehmung ein Jahr nach dem Sturz hat der Zeuge H. bekundet, dass die Begleitperson V. plötzlich losgelassen habe und dieser gestürzt sei. Nach den Feststellungen des LG Frankfurt (Oder), die nur auf der unprotokollierten Aussage des Zeugen H. in der gerichtlichen Verhandlung im Jahre 1996, also vier Jahre nach den Sturz, beruhen können – was von den Beteiligten nicht bestritten wird -, hat die unbekannte Begleitperson V. von vorn mit beiden Händen an dessen Oberarm gepackt, ihn von sich gedrückt und dann losgelassen. In der vom Bevollmächtigten der Klägerin vorformulierten und vom Zeugen H. unter schriebenen Erklärung aus 1997 gibt der Zeuge H. an, dass die Begleitperson V. entweder losgelassen oder V. versucht habe, sich loszureißen, und die Begleitperson ihn losgelassen habe. Demgegenüber hat der Zeuge H. bei der Vernehmung vor dem SG im Jahr 2000 bekundet, dass die Begleitperson V. losgelassen habe, der hingefallen sei. Bei der Vernehmung vor dem Senat hat der Zeuge H. angeben, "dass die Begleitperson an V. vor dem Hauseingang" herumhantiert habe. Er könne sich nicht mehr erinnern, was genau geschehen sei. Nach dem Herumhantieren sei V. gestürzt, er könne nicht ausschließen, dass V. energische Bewegungen gemacht habe. Er wisse nicht, ob es ein Loslassen oder Losreisen gewesen sei. Aus den Bekundungen des Zeugen H. über den Sturz in den Jahren 1992 bis 2000 ergibt sich kein im Kerngeschehen konstantes Bild über die Handlungsweise der Begleitperson für den Sturz, so dass aus den äußeren Umständen auf ein vorsätzliches, gegen die körperliche Integrität des V. gerichtetes Handeln der Begleitperson nicht mit der erforderlichen Sicherheit geschlossen werden kann. Die vom Beklagten als möglich angesehende Sachverhaltsalternative, plötzliches Losreißen des V. von seiner Begleitperson, die dem alkoholisierten V. auf dem Heimweg helfen wollte, ist ebensowenig auszuschließen wie ein fahrlässiges Handeln der Begleitperson. Auch aus dem Verhalten der Begleitperson nach dem Sturz kann entgegen der Auffassung des SG nicht der eindeutige Rückschluss auf ein vorsätzliches Handeln, das den Sturz ausgelöst hat, gezogen werden. Das SG hat es als erwiesen angesehen, dass die Begleitperson den am Boden liegenden V. Hand- und Faustschläge sowie Fußtritte versetzt hat. Diese Handlungen der Begleitperson hat der Beklagte zwar in dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren als gegeben angesehen, der Senat sieht dieses Verhalten aber nicht mit der geforderten Wahrscheinlichkeit als erwiesen an. Zwar hat der Zeuge H. bei beiden polizeilichen Vernehmungen wie auch vor dem SG bekundet, dass die Begleitperson den gestürzten V. geschlagen und getreten und dabei eine Pistole in der Hand gehalten habe. Die von der Polizei und dem LG Frankfurt zeitgleich mit H. als Zeugen vernommenen Hausbewohner haben diese Angaben des Zeugen H. nicht bestätigt, sondern nur ein Abtasten und Weglaufen der Begleitperson gesehen, wobei die Hausbewohner näher am Tatort gewesen sind, als der Zeuge H., der die Geschehnisse diagonal über eine Entfernung von ca. 50 bis 100 Meter wahrgenommen hat. Die Sachverständige Dr. M. hat beim Verletzten V. keine Befunde erhoben, die eindeutig auf Verletzungen durch Schläge oder Fußtritte zurückzuführen sind. Zwar können die Platzwunden am linken Oberschenkel und rechten Arm als Sturz – oder Schlagfolgen bewertet werden, typische Verletzungsfolgen von schweren Faustschlägen hat die Sachverständige aber nicht festgestellt. Die Einwirkung von Schlägen mit flachen Händen bis mäßig starken Faustschlägen auf das Gesicht sind zwar nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. M. nicht auszuschließen, jedoch aufgrund des morphologischen Befundes nicht nachweisbar. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass der Zeuge H. bei der polizeilichen Vernehmung am 30.08.1993 bekundet hat, dass er aus den ruckartigen Bewegungen der Begleitperson geschlossen hat, dass diese V. trete und schlage. Auch die Tatsache, dass die Begleitperson den am Boden liegenden V. abgetastet hat und danach weggelaufen ist, ohne Hilfe zu holen, spricht nicht eindeutig für ein vorsätzliches Handeln vor dem Sturz, sondern ist auch mit einer fahrlässigen Sturzverursachung vereinbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Erstellt am: 14.08.2003
Zuletzt verändert am: 14.08.2003