Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 20.05.1999 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch für das Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist eine Beitragsforderung der Klägerin zur Pflegepflichtversicherung vom 01.04.1997 bis 30.11.1997 über 611,44 DM.
Der Beklagte unterschrieb am 20.11.1995 einen Vordruck "Versicherungsanträge". Hiernach beantragte er den Abschluss einer "Kranken-/Pflegeversicherung bei der C a.G., D"mit den Tarifen SB 640, Z 2, SV I und PVN gegen einen monatlichen Beitrag von 410,25 DM sowie einer "Krankentagegeldversicherung bei der E AG, K". Durch gesonderte Unterschrift bestätigte der Beklagte, die Allgemeinen Vertragsbedingungen für ie beantragten Tarife mit den maßgeblichen Verbraucherinformationen vor Unterzeichnung des Antrags ausgehändigt bekommen zu haben. Die im Vordruck gestellten Fragen nach gesundheitlichen Beschwerden, Vorerkrankungen usw. verneinte er. Der ihm zugegangene Versicherungsschein ist mit "Kranken-Versicherungsschein" überschrieben und datiert vom 22.11.1995. Versichert sind hiernach die im Antrag genannten Tarife SB 640, SV I, Z 2 und PVN. Die Beiträge für die einzelnen Tarife sind im Versicherungsschein ausdrücklich bestimmt.
Nachdem der Klägerin Vorerkrankungen des Beklagten bekannt wurden, hat sie mit Schreiben vom 19.11.1996 den Rücktritt vom Krankenversicherungsvertrag erklärt. Gleichzeitig hat sie ein Angebot unterbreitet, den Vertrag gegen einen höheren Beitrag fortzuführen. Dieses Schreiben enthielt den Zusatz "Der Pflegepflichtversicherungsvertrag mit dem Tarif PVN ist von dieser Maßnahme nicht betroffen". Unter dem 16.01.1997 hat die Klägerin dem Beklagten sodann mitgeteilt: " Sie haben unser Angebot nicht angenommen, Ihre Versicherung weiterzuführen. Es bleibt deshalb bei unserer Gestaltungserklärung vom 19.11.1996. Ihre Versicherung gilt als rückwirkend aufgelöst und Sie haben keinen Leistungsanspruch für die Krankheit(en), die Grund des Rücktritts sind. Dies gilt auch für die Folgen der Krankheit(en). Der Beitrag stand uns bis einschließlich November 1996 zu … Der Pflegeversicherungsvertrag mit dem Tarif PV ist von dieser Maßnahme nicht betroffen". Anschließend sandte die Klägerin dem Beklagten den Krankenversicherungsschein vom 20.01.1997 zu. Hierin wird nur noch der Tarif PVN mit einem monatlichen Beitrag von 76,43 DM aufgeführt. Der Beklagte zahlte diese Beiträge nicht. Nach Mahnung mit Schreiben vom 24.05.1977 hat die Klägerin am 12.11.1997 Klage erhoben.
Sie hat vorgetragen, mit dem Beklagten sei aufgrund des Antrags vom 20.11.1995 auch ein Pflegeversicherungsvertrag zustandegekommen. Ihr Rücktritt vom Krankenversicherungsvertrag habe keine Auswirkungen auf den fortbestehenden Pflegeversicherungsvertrag. Der Beklagte sei daher verpflichtet, den monatlichen Beitrag von 76,43 DM zu zahlen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, DM 611,44 nebst 4 % Zinsen hieraus seit Zustellung der Klageschrift an sie zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat geltend gemacht: Die Erklärung der Klägerin, wegen des Verschweigens einer Vorerkrankung bestehe kein Versicherungsschutz, sei entweder so zu bewerten, dass überhaupt kein Vertrag zustandegekommen oder der Vertrag rückwirkend weggefallen sei. Dennoch habe er – der Beklagte – nachdem ihm Rücktrittserklärung der Klägerin zugegangen sei, wegen äußerster Vorsicht die Kündigung des nicht existierenden Vertrages erklärt. Mangels Krankenversicherungsvertrag sei auch kein Pflegeversicherungsvertrag abgeschlossen worden. Stillschweigend habe ein solcher Vertrag nicht vereinbart werden können, weil er – der Beklagte – nicht gewusst habe, dass mit Abschluss eines Krankenversicherungsvertrag ein Pflegeversicherungsvertrag zustandekomme. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, wäre der klägerische Anspruch unbegründet. Die Klägerin habe ihre Aufklärungspflichten verletzt. Denn ihm sei nicht bekannt gewesen, dass die Pflegeversicherung bei Abschluss eines privaten Krankenversicherungsvertrages von einem fiktiven Einkommen errechnet werde, wenn nicht ausdrücklich eine Abrechnung nach dem tatsächlichen Einkommen beantragt werde. Hierauf hätte die Klägerin hinweisen müssen; angesichts seines damaligen Einkommens wäre ein Beitragsanspruch entfallen. Im übrigen habe in der Zeit ab dem 01.04.1997 auch keine Pflegepflichtversicherung bestanden. Während des streitbefangenen Zeitraum sei er – der Beklagte – weder Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung noch bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert gewesen. Er habe auch nicht dem in §§ 21, 23 oder 25 SGB X genannten Personenkreis angehört. Infolge der "Aufhebung" des Krankenversicherungsvertrages durch die Klägerin sei er nicht mehr versicherungspflichtig in der Pflegeversicherung gewesen. Hinzu komme, dass der Krankenversicherungsschein vom 20.01.1997 keinen Hinweis enthalte, etwas mit der Pflegeversicherung zu tun zu haben, vielmehr mit "Kranken-Versicherungsschein" überschrieben sei. Unklarheiten in der Vertragsgestaltung würden zu Lasten der Klägerin gehen.
Mit Urteil vom 20.05.1999 hat das Sozialgericht den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Ein Pflegeversicherungsvertrag sei zustandegekommen. Dies folge aus dem vom Beklagten unterschriebenen und von der Klägerin angenommenen Antrag vom 20.11.1995, der sich auf Kranken- und Pflegeversicherung beziehe. Der Pflegeversicherungsvertrag sei nicht vor dem 01.12.1997 beendet worden. Durch den Rücktritt der Klägerin vom Krankenversicherungsvertrag sei die Verpflichtung des Beklagten zur Beitragszahlung nicht entfallen. Für ihn sei erkennbar gewesen, dass sich der Rücktritt nicht auf den Pflegeversicherungsvertrag bezogen habe. Auch wenn der Beklagte nach dem Wegfall der privaten Krankenversicherung nicht mehr versicherungspflichtig in der privaten Pflegeversicherung gewesen sei, hätte er den Pflegeversicherungsvertrag kündigen müssen. Die vom Kläger behauptete vorsorgliche Kündigung hätte erst zum Ende des Jahres mit einer Frist von drei Monaten erfolgen können.
Das Sozialgericht hat die Berufung auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten zugelassen.
Der Beklagte trägt vor: Im Formular "Versicherungs-Anträge" seien für die Beiträge lediglich zwei Felder ausgewiesen, nämlich ein Betrag für die Kranken-/Pflegeversicherung und ein Betrag für die Krankentagegeldversicherung. Eine Aufsplittung zwischen Kranken- und Pflegeversicherung sei nicht vorgenommen worden. Demgemäß sei auch nur ein einheitlicher Monatsbeitrag in Höhe von 410,25 DM aufgeführt. Er habe nicht erkennen können, dass er den Abschluss eines Krankenversicherungsvertrags und eines davon unabhängigen Pflegeversicherungsvertrags beantragt habe. Das Vertragsformular der Klägerin erwecke den Anschein einer Zwangskoppelung beider Verträge. Seine "Versicherungs-Anträge" seien lediglich als invitatio ad offerendum auf Abschluss einer kombinierten Kranken-/Pflegeversicherung und einer Krankentagegeldversicherung zu verstehen. Auch konkludent sei kein Pflegeversicherungsvertrag zustandegekommen. Bis zur Kündigung des Krankenversicherungsvertrags habe er nicht gewusst, einen separaten Vertrag abgeschlossen zu haben. Im übrigen wäre ein solcher durch die von ihm ausgesprochene Kündigung vor dem 01.04.1997 beendet worden.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt
die Berufung zurückzuweisen.
Sie meint, aufgrund der Versicherungsanträge vom 20.11.1995 habe zwischen den Parteien ab dem 01.12.1995 eine schuldrechtlicher Versicherungsvertrag bestanden, der sowohl ein Krankenvollversicherungsverhältnis als auch ein privates Pflegeversicherungsverhältnis umfasse. Das Krankenversicherungsverhältnis habe sie durch Rücktritt vom 19.11.1996 wegen diverser nicht angezeigter Vorerkrankungen gekündigt. Hiervon werde das Pflegeversicherungsverhältnis nicht berührt. Durch den Rücktritt entfalle lediglich die Versicherungspflicht des Beklagten (§ 23 SGB XI). Hinsichtlich der Pflegepflichtversicherung sei sie – die Klägerin – weder verpflichtet noch befugt, dieses Verhältnis zu beenden. Ein Rücktritt wegen Verletzung der Anzeigepflicht sei nur hin sichtlich der Vertragsteile oder Versicherungsverhältnisse zulässig, die hiervon betroffen seien. Als gesonderte Versicherungsverhältnisse seien solche Vertragsteile anzusehen, für die unterschiedliche Bedingungswerke gelten würden. Der Beklagte hätte gem. § 13 Abs. 1 der MB/PVV 1996 wegen Wegfalls der die Versicherungspflicht begründenden Voraussetzungen binnen zwei Monaten rückwirkend zu deren Ende kündigen können. Eine solche Kündigung sei ihr jedoch nicht zugegangen. Der Einwand des Beklagten, er habe nicht gewusst, was er mit ihr – der Klägerin – vereinbart habe, sei nach mehr als zweijährigem einverständlichen Vollzug des Vertrages und Beitragszahlung unerheblich. Die Tarifinhalte seien ihm vor der Unterschrift erläutert und die Tarifbedingungen ausgehändigt worden. Auch aus den Policen vom 22.11.1995 und 19.05.1996 könne eindeutig entnommen werden, was vereinbart worden sei. Im übrigen habe die Zusammenfassung mehrerer Versicherungsverhältnisse in einer Urkunde rein organisatorische Gründe; jedes von mehreren gebündelten Versicherungsverhältnissen könne unabhängig von den anderen beendet werden.
Die (angebliche) Kündigung vom 01.04.1997 hat der Beklagte trotz Aufforderung des Senats nicht vorgelegt.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im übrigen nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Im Ergebnis zutreffend hat das Sozialgericht den Beklagten zur Zahlung von 611,44 DM nebst Zinsen verurteilt.
1.
Zwischen den Beteiligten ist ein Pflegeversicherungsvertrag wirksam zustande gekommen. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist der Vertrag allerdings nicht schon dadurch geschlossen worden, dass der Beklagte den Vertrag "Versicherungs-Anträge" unter zeichnet hat. Vielmehr handelt es sich hierbei um das Angebot auf Abschluss mehrerer Versicherungsverträge. Dies ergibt sich aus folgendem: Die Aushändigung des Vordrucks "Versicherungs-Anträge" an den Beklagten durch einen Vermittler der Klägerin ist rechtlich, worauf der Beklagte zutreffend hinweist, als invitatio ad offerendum zu werten. Um ein Angebot im Sinn des § 145 BGB handelt es sich nicht, weil die Klägerin mit Aushändigung der Formulare noch nicht den Willen zu einer rechtlichen Bindung zum Ausdruck gebracht hat (hierzu Palandt, BGB, 50. Auflage, § 145 Rdn. 2). Sie konnte dies zu diesem Zeitpunkt auch nicht, weil die Anträge inhaltlich zunächst noch präzisiert werden mussten. Dies ist durch individuelle Eintragung geschehen. Ein Angebot auf Abschluss eines Versicherungsvertrages liegt damit erst in dem Augenblick vor, in dem der Beklagte den inhaltlich präzisierten Vordruck (mit Hilfe des Vermittlers) ausgefüllt und unterschrieben hat. Denn hierdurch bringt er als Rechtsfolgewillen zum Ausdruck, die im Antrag bezeichneten Versicherungsverträge zu den formulierten Bedingungen abzuschließen. Indem der Beklagte die Anträge dem Vermittler übergeben hat, sind diese bindend geworden (§ 145 BGB).
Die Annahme des Antrags durch den Versicherer ist formlos möglich; sie erfolgt aber meist durch ausdrückliche Benachrichtigung, zB Übersenden des Versicherungsscheines (Prölls/Martin, VVG, 26. Auflage, § 3 Rdn. 4 mwN). So liegt es hier. Auf den Antrag vom 20.11.1995 hat die Klägerin dem Beklagten den Versicherungsschein vom 22.11.1995 übersandt. Hiernach waren ab dem 01.12.1995 die Tarife SB 640, SVI, Z2 und PV versichert. Da der Inhalt des Versicherungsscheins weder hinsichtlich der Beitragshöhe noch der vereinbarten Tarife vom Antrag abweicht (hierzu § 5 VVG), sind die Verträge mit dem Inhalt des Antrags zustandegekommen. Auf diese Rechtslage ist der Beklagte durch Ziffer 3 der "Erklärungen Verbraucherinformationen" auf der Rückseite des Antragsvordrucks ausdrücklich hingewiesen worden.
2.
Rechtlich handelt es sich jedenfalls um drei selbständige Versicherungsverträge. Inhalt der "Versicherungs-Anträge" des Beklagten waren eine Kranken-/Pflegeversicherung sowie eine Krankentagegeldversicherung. Dass hinsichtlich der Krankentagegeldversicherung ein gesonderter Vertrag geschlossen worden ist, folgt daraus, dass Vertragspartner ausdrücklich nicht die Klägerin sondern die E Krankenversicherung ist. Aber auch soweit es die Kranken- und die Pflegeversicherung anlangt, liegen zwei selbständige Versicherungsverträge vor. Krankenversicherung und Pflegeversicherung sind zwei voneinander abweichende Bereiche. Die versicherungsrechtlichen und medizinischen Leistungsvoraussetzungen differieren; gleichermaßen werden – grundsätzlich – jeweils andersartige Leistungen gewährt. Der Gesetzgeber hat dem Rechnung getragen, indem er die gesetzliche Krankenversicherung im SGB V und die gesetzliche Pflegeversicherung im SGB XI geregelt hat. Auch zivilrechtlich weichen private Krankenversicherung und private Pflegepflichtversicherung in wesentlichen Teilen voneinander ab. Der Inhalt des Versicherungsschutzes der Krankenversicherung (§ 178b VVG) ist ein völlig anderer als der Versicherungsschutz der privaten Pflegepflichtversicherung (§ 1 Abs. 1 iVm § 1 Abs. 2 Satz 2 SGB XI). In der Folge sind die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) der privaten Kranken- und privaten Pflegepflichtversicherung in zentralen Punkten (zB Leistungsvoraussetzungen, Leistungsinhalt, Kündigung) unterschiedlich gestaltet. Auf die von der Klägerin vorgelegten AVB für Krankenversicherung und Pflegeversicherung ist hinzuweisen.
Bezieht sich somit ein Antragsformular – wie vorliegend – auf Kranken- und Pflegeversicherung, werden gleichwohl zwei Verträgegeschlossen. Denn angesichts der unterschiedlichen Leistungsvoraussetzungen, Leistungsinhalte, versicherten Risiken und der Beitragshöhe kommt im Antrag ein doppelter Rechtsfolgewille zum Ausdruck, nämlich einerseits der Wille, einen Krankenversicherungsvertrag und zu anderen einen Pflegeversicherungsvertrag abzuschließen. Demgemäss hatte der Beklagte auch die Möglichkeit, den Antrag auf die Krankenversicherung oder Pflegeversicherung zu beschränken und die jeweils andere Versicherung bei einem anderen Versicherer abzuschließen.
Dass der Antragsvordruck zwei und mehr Anträge zusammenfasst und der Versicherungsschein gleichermaßen sowohl die Krankenversicherung als auch die Pflegeversicherung betrifft, ändert hieran nichts. Zutreffend verweist die Klägerin darauf, dass die Zusammenfassung mehrerer Versicherungsverhältnisse bzw. Versicherungsverträge in einer Urkunde aus organisatorischen Gründen möglich ist. Auch für das Verwaltungsrecht ist anerkannt, dass zB ein als solcher bezeichneter Bescheid mehrere Verwaltungsakte (§ 31 SGB X) enthalten kann. Versicherungsrechtlich kommt eine Zusammenfassung aus mehreren Gründen in Betracht. Es kann sich um mehrere Verträge in Form der Koppelung (ein Antragsformular, mehrere Versicherungsscheine) oder Bündelung (ein Antragsformular, ein Versicherungsschein, aber Geltung unterschiedlicher AHB) handeln oder auch um die Zusammenfassung des Schutzes gegen mehrere Risiken in einem Vertrag auf der Grundlage einheitlicher AHB (Kombination). Entscheidend ist der Parteiwille. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass mehrere Versicherungsscheine mehrere Verträge dokumentieren; umgekehrt spricht die Aushändigung eines Versicherungsscheines für einen einheitlichen Vertrag, sofern nicht mehrere Anträge auf verschiedenen Formularen gestellt wurden und sich auch sonst keine Anhaltspunkte, zB Hinweis auf rechtliche Selbständigkeit der Verträge im Antragsvordruck oder völlig verschiedene AVB für einen abweichenden Parteiwillen finden lassen (Prölls/Martin aa0 § 3 Rdn. 8 ff).
Zwar weist das Formular "Versicherungs-Anträge" den Zusatz auf, dieser Vordruck enthalte zwei Anträge, die abgeschlossenen Versicherungen seien verschiedene, rechtlich selbstständige Versicherungsverträge, indessen kann sich die Klägerin hierauf nicht beziehen, weil dieser Hinweis schon dadurch "verbraucht" ist, dass auch eine Krankentagegeldversicherung abgeschlossen werden soll. Die Übersendung eines Versicherungsscheines für die Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungstarife spricht – im Einklang mit der Auffassung des Beklagten – für den Abschluss nur eines einheitlichen Vertrags. Dem steht indessen entscheidend entgegen, dass Krankenversicherung und Pflegeversicherung – wie dargestellt – völlig unterschiedliche Bereiche betreffen, was u.a. durch abweichende AVB zum Ausdruck gebracht wird. Sonach sind zwischen dem Beklagten und der Klägerin zwei – gebündelte – Versicherungsverträge zustandegekommen. Dem ist es vergleichbar, wenn die Versicherung verschiedener in der Kraftfahrtversicherung versicherbarer Risiken bzw. die Krankheitskosten – und Krankenhaustagegeldversicherung als Inhalt selbständiger Verträge angesehen wird (vgl. Prölls/Martin aaO mwN).
3.
Die Behauptung des Beklagten, er habe nicht erkennen können, dass er den Abschluß eines Krankenversicherungsvertrags und eines davon unabhängigen Pflegeversicherungsvertrags beantragt habe, ist nicht beachtlich. Für die Auslegung seines Antrags ist der verobjektivierte Empfängerhorizont maßgebend (§ 133 BGB). Objektiver Erklärungswert des vom Beklagten unterzeichnetes Antrags ist – im Einklang mit der vorgegebenen Rechtslage – das Angebots auf Abschluß eines Kranken- und eines davon unabhängigen Pflegeversicherungsvertrags. Hiervon hätte der Beklagte sich allenfalls durch Anfechtung lösen können.
4.
Der Pflegeversicherungsvertrag ist nicht beendet worden. Die Klägerin ist mit Schreiben vom 19.11.1996 lediglich vom Krankenversicherungsvertrag zurückgetreten, weil der Beklagte Vorerkrankungen verschwiegen hat. Der rechtlich eigenständige Pflegeversicherungsvertrag ist hiervon nicht berührt. Die Rücktrittserklärung bezieht sich unmissverständlich nur auf den Krankenversicherungsvertrag und nimmt den Pflegeversicherungsvertrag ausdrücklich aus.
Die Klägerin war überdies nicht berechtigt, vom Pflegeversicherungsvertrag zurückzutreten. Die Verletzung der Anzeigepflicht betrifft nur den Krankenversicherungsvertrag und nicht den Pflegeversicherungsvertrag als Teil des fortbestehenden Versicherungsverhältnisses. Die eine Kündigung des Krankenversicherungsvertrags rechtfertigenden Gründe entsprechen nicht denen, die den Versicherer zur Auflösung des Pflegeversicherungsvertrags berechtigen. Während der Versicherer den Krankenversicherungsvertrag schon dann kündigen kann, wenn der Versicherungsnehmer – wie hier – Vorerkrankungen nicht angegeben hat (hierzu §§ 16 ff VVG), ist dies für den Pflegeversicherungsvertrag nicht möglich. Nach § 14 der AVB für die private Pflegeversicherung (Bedingungsteil MB/PPV 1996) ist eine Beendigung der privaten Pflegeversicherung durch Kündigung oder Rücktritt seitens des Versicherers nicht möglich, solange der Kontrahierungszwang gemäß § 110 Abs. 1 Nr. 1, Absatz 3 Nr. 1 SGB XI besteht; im Fall einer Verletzung der dem Versicherungsnehmer bei Schließung des Vertrages ob liegenden Anzeigepflicht kann der Versicherer jedoch, falls mit Rücksicht auf ein erhöhtes Risiko ein Beitragszuschlag erforderlich ist, vom Beginn des Versicherungsvertrages an einen höheren Beitrag verlangen.
Die Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI sind erfüllt, denn der Beklagte war bei der Klägerin mit Anspruch auf allge meine Krankenhausleistungen krankenversichert, so dass diese auf Verlangen einen Pflegeversicherungsvertrag abschließen musste. Für derartige Fälle sieht § 110 Abs. 1 Nr. 2 Ziffer a) SGB XI ausdrücklich vor, dass Vorerkrankungen in dem zu schließenden Pflegeversicherungsvertrag nicht ausgeschlossen werden dürfen. Somit: Die Klägerin hat den rechtlich eigenständigen Pflege versicherungsvertrag ausdrücklich nicht gekündigt; wäre dies geschehen, hätte die Kündigung den Pflegeversicherungsvertrag nicht aufgelöst, weil es an einem Kündigungsgrund fehlt.
5.
Soweit der Beklagte behauptet, er habe den Pflegeversicherungsvertrag vorsorglich selbst gekündigt, führt dies nicht weiter. Trotz Aufforderung des Senats hat er eine Kündigungserklärung nicht vorgelegt. Sollte er dennoch gekündigt haben, müsste er angesichts des Bestreitens durch die Klägerin den Zugang nach weisen. Auch dies ist nicht geschehen. Im übrigen wäre die Kündigung auch unwirksam. Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 AVB (MB/PPV 1996) hätte der Beklagte den Pflegeversicherungsvertrag wegen Beendigung der privaten Krankenversicherung bei der Klägerin binnen zwei Monaten seit Beendigung der Versicherungspflicht rückwirkend zu deren Ende kündigen müssen. Die Versicherungspflicht endete aufgrund des Kündigungsschreibens der Klägerin vom 19.11.1996 mit Ablauf den Monates November 1996. Dass er innerhalb der Frist von zwei Monaten gekündigt hätte, hat der Kläger nicht einmal behauptet. Daher hätte der Kläger nur noch ordentlich zum Ablauf des Kalenderjahres 1997 kündigen können; der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch für den Zeitraum vom 01.04.1997 bis 30.11.1997 würde hiervon nicht berührt.
6.
Das Vorbringen des Beklagten, die Klägerin hätte ihn darauf hinweisen müssen, dass die Pflegeversicherung bei Abschluss eines privaten Krankenversicherungsvertrags von einem fiktiven Einkommen berechnet wird, wenn nicht ausdrücklich eine Abrechnung nach dem tatsächlichen Einkommen beantragt wird, trägt die Berufung gleichermaßen nicht. Seine Auffassung, angesichts seiner damaligen Einkommenssituation hätte er keinen Beitrag zu entrichten gehabt, ist offenkundig unzutreffend. Im Antragsvordruck vom 20.11.1995 hat der Kläger als seine Bruttoeinkünfte 10.000 DM/mtl. angegeben.
Die Berufung des Beklagten konnte nach alldem keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 Abs. 1 SGG. Die Vorschrift des § 193 Abs. 4 Satz 1 SGG ist im Rahmen der Pflege versicherung auf private Versicherungsunternehmen nicht anwendbar (hierzu eingehend Senatsbeschluss vom 24.08.1999 – L 10 B 10/99 P -).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision ( § 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Erstellt am: 08.08.2003
Zuletzt verändert am: 08.08.2003