Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 26. August 1998 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsinstanz nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I. Die 1991 geborene, jetzt acht Jahre alte Klägerin begehrt Pflegegeld nach den Vorschriften des Elften Buchs des Sozialgesetzbuchs – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI).
Sie leidet seit 1994 an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ I. Bei ihr sind eine Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 sowie die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich der Hilfsbedürftigkeit im Sinne des Steuerrechts (Merkzeichen "H") festgestellt. Die Zuckerkrankheit ist gut eingestellt. Die Klägerin wird als wißbegieriges, sehr aufgewecktes Kind bezeichnet.
Den am 25.09.1996 gestellten Antrag auf Zahlung eines Pflegegeldes lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25.11.1996 und Widerspruchsbescheid vom 10.09.1997 ab, nachdem der von ihr hinzugezogene ärztliche Gutachter Dr. W. nach einem Hausbesuch lediglich einen krankheitsbedingten Grundpflegebedarf von 31 Minuten für die mundgerechte Nahrungszubereitung und den anteiligen Zeitaufwand für einen vierteljährlichen Arztbesuch ermittelt hatte. Allgemeine krankheitsbedingte Aufsicht, die erforderlichen Blutzuckermessungen und die Insulininjektionen nebst deren Vorbereitung rechnete er nicht zum ausgleichspflichtigen Pflegebedarf.
Mit der am 12.09.1997 beim Sozialgericht (SG) Dortmund erhobenen Klage haben die Eltern der Klägerin geltend gemacht, der Zeitaufwand für die Blutzuckermessungen, das Spritzen von Insulin, die Zubereitung der Diätnahrung für die Klägerin sowie die erforderliche Aufsicht über das Kind und die vermehrte Anleitung, wie die Klägerin mit ihrer Krankheit umzugehen habe, seien ebenso bei der Bemessung des Pflegeaufwandes nach den Vorschriften des SGB XI zu berücksichtigen wie die erforderlichen zusätzlichen Einkäufe. Dazu haben sie sich auf ein von ihnen angefertigtes beispielhaftes Pflegeprotokoll für eine Woche gestützt.
Das SG hat die Klage unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) – insbesondere Urteile vom 19.02.1998, Az. B 3 P 3/97 R und B 3 P 11/97 R – durch Urteil vom 26.08.1998 abgewiesen. Nach den glaubhaften Angaben der Mutter der Klägerin müsse der Klägerin beim Waschen (täglich 5 Minuten), Baden (drei mal wöchentlich, im Durchschnitt täglich 13 Minuten), bei der Zahnpflege und beim Kämmen (je einmal täglich 5 Minuten), beim An- und Auskleiden (zweimal täglich insgesamt 15 Minuten) sowie beim Aufstehen und Zubettgehen (zweimal täglich, insgesamt 18 Minuten) geholfen werden. Berücksichtige man, daß Kindern üblicherweise geholfen werden müsse, verbleibe ein Hilfsbedarf von 30 Minuten. Ob dieser krankheitsbedingt sei, könne dahinstehen, denn der vom Gesetz für eine Pflegegeldleistung geforderte Mindestaufwand von mehr als 45 Minuten Grundpflege werde nicht erreicht. Berechnen, Zusammenstellen, Abwiegen der Nahrung gehöre nicht zum Bereich der Grundpflege, sondern sei den hauswirtschaftlichen Pflegeverrichtungen zuzuordnen. Blutzuckermessungen seien weder dem mundgerechten Zubereiten der Nahrung noch der Nahrungsaufnahme zuzuordnen, sondern stellten eine nicht berücksichtigungsfähige selbständige Maßnahme der Behandlungspflege dar. Soweit die Klägerin – insbesondere wegen der Gefahr einer Unterzuckerung – ständiger Aufsicht bedürfe, sei dies im Rahmen der Pflegeversicherung nicht zu berücksichtigen. Schließlich sei es nicht verfassungswidrig, daß der Gesetzgeber, daß der Gesetzgeber den Kreis der leistungsberechtigten Personen auf solche begrenzt habe, bei denen ein Hilfebedarf entsprechend dem Katalog des § 14 SGB XI festzustellen sei. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat Bezug auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.
Auf das ihr am 02.10.1998 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.10.1998 Berufung eingelegt. Sie wiederholt ihren Vortrag aus dem erstinstanzlichen Verfahren und wendet sich gegen die Rechtsprechung des BSG.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 26.08.1998 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 25.11.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.1997 zu verurteilen, ihr – der Klägerin – ab September 1996 Leistungen für häusliche Pflege in der Pflegestufe I nach den Vorschriften des
XI. Buchs des Sozialgesetzbuchs zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für überzeugend.
Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 10.03.1999 daraufhingewiesen, daß beabsichtigt sei, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss der Berufsrichter zurückzuweisen, und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Wegen aller Einzelheiten des Sach- und Streitstandes bezieht sich der Senat ergänzend auf den Inhalt der von den Beteiligten gewech selten Schriftsätze und der über die Klägerin geführten Gerichts- und Verwaltungsakten.
II. Die Berufung ist unbegründet.
Der Senat kann diese Entscheidung auch ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter und ohne mündliche Verhandlung gemäß § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) fällen, weil die Beteiligten auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind und angesichts der eingehenden Verhandlung im Beisein der Eltern der Klägerin vor dem SG eine nochmalige mündliche Verhandlung nicht mehr erforderlich erscheint. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Entscheidung ist einstimmig ergangen.
Die Voraussetzungen für die Gewährung eines Pflegegeldes nach §§ 14, 15 und 37 SGB XI sind nicht erfüllt, wie sich aus den überzeugenden Entscheidungsgründen des SG ergibt. Diesen Ausführungen ist nur wenig hinzuzufügen. Deshalb nimmt der Senat insoweit auf die zutreffenden Gründe des erstinstanzlichen Gerichts vollinhaltlich Bezug, § 153 Abs. 2 SGG.
Ergänzend weist der Senat zu den Einwendungen der Klägerin gegen die Entscheidung des SG auf Folgendes hin:
Das Berechnung, das Zusammenstellen und das Abwiegen von Diätmahlzeiten beinhaltet Vorgänge, die der unmittelbaren Vorbereitung der Mahlzeit dienen. Mundgerechtes Zubereiten, wie es etwa die Richtlinien der Spitzenverbände zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit zutreffend unter Punkt D.5.2. verstehen, erfaßt die zeitlich direkt vor der Aufnahme der Nahrung liegenden Schritte, die es dem Pflegebedürftigen ermöglichen, auch ohne weitere fremde Hilfe die Nahrung zu sich zu nehmen. Dazu zählt etwa das Eingießen eines Getränks oder das Zerkleinern der Nahrung, wenn diese Verrichtungen dem Pflegebedürftigen etwa deshalb nicht möglich sind, weil die Hände zu sehr zittern oder seine verbliebenen Kräfte zu schwach sind., ein Brot oder Fleisch zu zerteilen. Die Zusammenstellung der Nahrung unter Diätgesichtspunkten ist ähnlich zu sehen, wie die Zubereitung ausreichender Portionen bei gesunden Personen.
Die von der Klägerin herausgestellten Blutzuckermessungen sind typische Verrichtungen, die der Behandlung der Zuckerkrankheit dienen. Denn es entspricht der ärztlichen Anweisung, den Zuckerhaus halt entsprechend der Über- oder Unterzuckerung durch Insulin oder medikamentöse bzw. diätetische Maßnahmen zu beeinflussen. Dies ist dementsprechend eher der Behandlungspflege als der Grundpflege zu zuordnen. Soweit diese Maßnahmen im Einzelfall wegen der engen zeitlichen Verbindung zu der Nahrungsaufnahme diesem Bereich zuzuordnen sein sollten, läßt die Aufstellung der Eltern im Pflegeprotokoll erkennen, daß dafür nur jeweils etwa 2 Minuten erforderlich sind, so daß sich eine signifikante Erhöhung des maßgeblichen Grundpflegebedarfs auf insgesamt mehr als 45 Minuten nicht ergibt.
Die Gabe von Insulin als Nahrungsaufnahme zu kennzeichnen, verbietet sich. Denn hierbei handelt es sich um ein typisches Medikament, dessen Verabreichung in den Bereich der Behandlungspflege zu rechnen ist.
Unbestritten bleibt, daß der Aufsichts- und Überwachungsbedarf der Klägerin, der von den Eltern in besonders anerkennenswerter Weise sichergestellt wird, ein Vielfaches von dem beträgt, der bei gesunden Kindern nötig ist. Indes hat der Gesetzgeber diesen allgemeinen Überwachungsbedarf nicht bei der Schaffung der Einstufungsvorschriften der §§ 14 und 15 SGB XI zugrundegelegt. Dies hat das BSG in seinen neueren Urteilen vom 26.11.1998 – B 3 P 2/98, 12/97 und 20/97 R – nochmals herausgestellt. Derartige Aufwendungen werden außerhalb des Sozialhilferechts derzeit (nur noch) über die steuerliche Pauschalregelung des § 33 b Abs. 3 EStG abgegolten, einer Regelung, die hilfsweise von den Eltern der Klägerin in Anspruch genommen werden kann (§ 33 b Abs. 5 EStG), nachdem bei der Klägerin die Voraussetzungen für den schwerbehindertenrechtlichen Nachteilsausgleich "H" festgestellt worden sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Anlaß, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Erstellt am: 10.08.2003
Zuletzt verändert am: 10.08.2003