Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 10.07.2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin T gewährt.
Gründe:
I.
Die Antragsgegnerin gewährte dem Antragsteller seit September 2005, zuletzt mit Bescheid vom 29.03.2007, Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Mit Bescheid vom 31.05.2007, ausgehändigt am selben Tag im Beisein des Vaters, hob die Antragsgegnerin den Bewilligungsbescheid vom 29.03.2007 ab 01.06.2007 ganz auf. Dies begründete die Antragsgegnerin damit, dass der Antragsteller nicht mehr zu dem Kreis der Berechtigten zähle und infolgedessen keine Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) erhalten könne, da er nicht mehr erwerbsfähig sei. Denn nach dem amtsärztlichen Gutachten von Dr. S sei der Kläger länger als sechs Monate außerstande, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Hiergegen legte der Kläger am 05.06.2007 Widerspruch ein.
Die Stadt F bewilligte dem Antragsteller mit Bescheid vom 04.06.2007 ab 01.06.2007 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Der Antragsteller leistete aufgrund einer jugendrichterlichen Weisung vom 28.10.2006 bis 03.02.2007 insgesamt 30 Sozialstunden bei dem I e. V. Arbeitsförderung und Integration in F. Daran anschließend schlossen die Beteiligten am 26.03.2007 eine Eingliederungsvereinbarung, wonach der Antragsteller vom 02.04.2007 bis zum 30.06.2007 zwanzig Stunden wöchentlich bei dem I e. V. mit einer Mehraufwandsentschädigung von 1,20 EUR pro Stunde tätig sein sollte. Daraufhin arbeitete der Kläger ab dem 02.04.2007 bei dem Horizonte e. V. Die Antragsgegnerin beendete die Arbeitsgelegenheit für den Antragsteller mit Ablauf des 31.05.2007. Vom 06.06.2007 bis zum 05.10.2007 war der Antragsteller dann noch ehrenamtlich für den I e. V. tätig.
Am 05.06.2007 hat der Antragsteller beim Sozialgericht (SG) beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller weiterhin eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung bei dem I e. V. zuzuweisen und die mündlich gegenüber dem I e. V. ausgesprochene Beendigungserklärung der Maßnahme zurückzunehmen.
Mit Beschluss vom 10.07.2007 hat das SG den Antrag abgelehnt. Das SG hat den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsgrund verneint, da der Antragsteller bei dem I e. V. faktisch beschäftigt sei. Auch könne dahin stehen, ob der Antragsteller einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht habe. Dagegen spreche jedenfalls, dass der Antragsteller zurzeit Leistungen nach dem SGB XII erhält.
Mit der Beschwerde begehrt der Antragsteller die Verpflichtung, ihm weiter eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung bei dem Horizonte e. V. zuzuweisen und die mündlich gegenüber dem I e. V. ausgesprochene Beendigungserklärung zurückzunehmen, hilfsweise der Antragsgegnerin aufzugeben, eine neue Eingliederungsvereinbarung mit ihm abzuschließen. Der Antragsteller ist der Ansicht, dass nach § 10 Nr. 3 und Nr. 4 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) und § 3 Abs. 2 SGB II die Antragsgegnerin verpflichtet sei, eine Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit zu vermitteln, die zur Verbesserung der beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten beiträgt. Es sei zwischen der Antragsgegnerin und der Stadt F streitig, ob er mehr als drei Stunden täglich arbeitsfähig sei. Er habe auch gegen den Bescheid der Stadt F Widerspruch eingelegt. Gerade wenn und weil ein anderer Leistungsträger, der bei voller Erwerbsminderung zuständig wäre, den Feststellungen nach § 44a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II widerspreche, sei die Einigungsstelle einzuschalten. Bis zu deren Entscheidung seien weiter Leistungen von der Antragsgegnerin zu gewähren. Darüber hinaus liege auch ein Anordnungsgrund vor, da eine kontinuierliche Tätigkeit und Beschäftigung für seine weitere Entwicklung wichtig sei.
Die Antragsgegnerin trägt demgegenüber vor, dass der Antragsteller durch das Sozialamt der Stadt F Leistungen nach dem SGB XII erhält. Das Sozialamt habe der Feststellung im Bescheid vom 31.05.2007 nicht widersprochen, sodass keine Entscheidung der gemeinsamen Einigungsstelle einzuholen ist.
II.
Die zulässige Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 30.07.2007), ist unbegründet. Die Antragsgegnerin ist nicht verpflichtet, dem Antragsteller eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung bei dem I e. V. zuzuweisen. Das SG hat den Antrag zu Recht abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 -, BVerfGK 5, 237 = NVwZ 2005, Seite 927).
Der Anordnungsanspruch im Sinne eines materiell-rechtlichen Anspruches auf die begehrte Leistung ist nach dem sich aus § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) ergebenden Maßstab nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf die begehrte Leistung zur Eingliederung in Arbeit (nach §§ 15, 16 Abs. 3 SGB II). Denn nach der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung ist die Erwerbsfähigkeit des Antragstellers, die Voraussetzung der Verpflichtung der Antragsgegnerin ist, nicht glaubhaft gemacht. Erhebliche Bedenken gegen die Erwerbsfähigkeit des Antragstellers im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB II liegen vor. Gründe für die Annahme, dass der Antragsteller gesundheitlich (derzeit) außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, ergeben sich aus dem Gutachten des Dr. S. Dieser hat nach ambulanter Untersuchung des Antragstellers im April 2007 eine Reifungsstörung mit Störung des Sozialverhaltens und der Impulskontrolle sowie eine Teilleistungsstörung mit motorischen Auffälligkeiten festgestellt. Der Arzt kommt zusammenfassend zu der Einschätzung, dass der Antragsteller wegen der recht deutlichen Entwicklungsverzögerung voraussichtlich länger als sechs Monate täglich weniger als drei Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein kann und zunächst vorrangig ambulante oder stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahmen durchgeführt werden sollen.
Ein anderes, für den Antragsteller günstigeres Ergebnis lässt sich auch nicht aus den Bescheinigungen des behandelnden Psychiaters Dr. Q vom 15.06.2007 und vom 04.05.2007 herleiten. Denn der behandelnde Arzt begründet nicht nachvollziehbar, warum die Arbeitsfähigkeit des Antragstellers "auf über drei bis vier Stunden eingeschätzt" wird. Zudem zeigt das Attest vom 15.06.2007, in dem "dringend tagesstukturierende Maßnahmen gefordert werden, um die bisher zu beobachtende persönliche Desintegration auch im persönlichen Bereich begrenzen zu können", keine Aspekte auf, die auf eine Leistungsfähigkeit unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes von mindestens drei Stunden schließen lassen.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass entgegen der Ansicht des Antragstellers ein Leistungsanspruch auch nicht auf § 44a Abs. 1 Satz 3 SGB II gestützt werden kann. Danach erbringen die Agentur für Arbeit und der kommunale Träger Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bis zur Entscheidung der Einigungsstelle, wenn der Feststellung der Erwerbsfähigkeit der Agentur für Arbeit widersprochen wurde im Sinne von § 44a Abs. 1 Satz 2 SGB II. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Denn die Stadt F hat der Feststellung der Antragsgegnerin im Bescheid vom 31.05.2007 gerade nicht widersprochen, sondern vielmehr – was sich aus dem Bescheid vom 04.06.2007 ergibt – laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII gewährt.
Die endgültige Klärung des Leistungsvermögens des Antragstellers bleibt daher dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Von einer Beiladung der Stadt F hat der Senat abgesehen, da der Antragsteller vom Sozialhilfeträger laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII erhält. Der Antragsteller muss einstweilen auf das Leistungsangebot des SGB XII zurückgreifen.
Der Hilfsantrag des Antragstellers, die Antragsgegnerin zu verpflichten, abermals eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, ist abzulehnen. Denn die Eingliederungsvereinbarung als Leistung zur Eingliederung in Arbeit kommt nur für erwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB II in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Unter Berücksichtigung der im Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) geforderten summarischen Prüfung bestand für das Beschwerdeverfahren eine hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung, da weitere Ermittlungen geboten waren.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 29.01.2008
Zuletzt verändert am: 29.01.2008