Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 7. März 1996 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung, daß bei Zugrundelegung eines im Dezember 1991 eingetretenen Versicherungsfalles des Alters die entsprechende Rentenleistung nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) festzusetzen ist.
Der am …1925 in Rumänien geborene Kläger ist jüdischer Religionszugehörigkeit. Er wanderte im Jahre 1966 nach Israel aus, dessen Staatsangehörigkeit er auch besitzt. Der Tatbestand des § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) ist bei ihm erfüllt.
Am 18.10.1990 beantragte der Kläger bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) die Klärung seines Versicherungskontos, die Zulassung zur Entrichtung von Beiträgen und die Gewährung von Rente. Nachdem die BfA den Vorgang zuständigkeitshalber an die Beklagte abgegeben hatte, erkannte diese durch Bescheid vom 24.01.1994 für den Zeitraum vom 16.10.1939 bis zum 30.09.1966 – mit Unterbrechungen – insgesamt 207 Pflichtbeitragsmonate nach § 15 des Fremdrentengesetzes i.V.m. § 20 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) an.
Daraufhin beantragte der Kläger am 05.04.1994 die Zulassung zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für die Zeit vom 01.01.1987 bis zum 31.12.1989 gemäß § 22 WGSVG sowie zur freiwilligen Versicherung für die Zeit vom 01.01.1990 bis zum 30.06.1991 und teilte hierzu mit, der Versicherungsfall werde auf den 30.06.1991 verschoben. Diesen Anträgen entsprach die Beklagte mit zwei Bescheiden vom 15.04.1994, nachdem der Kläger am 05.04.1994 mitgeteilt hatte, in welcher Höhe Beiträge entrichtet werden sollten (sog. Konkretisierung).
Am 15.08.1994 beantragte der Kläger, ihn auch für die Zeit vom 01.07.1991 bis zum 31.12.1991 zur freiwilligen Versicherung zuzulassen; der Versicherungsfall werde auf den 31.12.1991 verschoben. Dabei gehe er davon aus, daß der Rentenberechnung die Vorschriften der RVO zugrundezulegen seien. Diesem Antrag entsprach die Beklagte mit Bescheid vom 24.08.1994, bezüglich der Frage der Rentenberechnung kündigte sie eine weitere Mitteilung an. Am 09.09.1994 ging der Nachzahlungsbetrag für die Zeit von Januar 1987 bis Dezember 1991 in Höhe von insgesamt DM 6.150,– bei der Beklagten ein.
Unter dem 27.10.1994 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie werde seine Rente unter Beachtung der Vorschriften des 6. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) berechnen.
Dem widersprach der Kläger am 11.11.1994 mit dem Begehren festzustellen, daß bei einem im Dezember 1991 eingetretenen Versicherungsfall die Vorschriften der RVO Anwendung fänden. Der Versicherungsfall werde aber zunächst auf den 30.06.1991 verschoben, damit vorab der Rentenbescheid erteilt werden könne.
Die Beklagte bewilligte daraufhin dem Kläger mit Bescheid vom 03.07.1995 Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres nach § 1248 Abs. 5 RVO mit Wirkung vom 01.07.1991 aufgrund eines am 30.06.1991 eingetretenen Versicherungsfalles. Der vom Kläger hiergegen am 24.07.1995 eingelegte Widerspruch, mit dem er sein Begehren weiterverfolgte, wurde von der Beklagten durch Widerspruchsbescheid vom 24.10.1995 zurückgewiesen.
Am 08.11.1995 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf Klage erhoben. Er hat weiterhin die Ansicht vertreten, daß bei einem im Dezember 1991 eingetretenen Versicherungsfall die Vorschriften der RVO anzuwenden seien, und sich zur Begründung auf die Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23.06.1994, Az.: 4 RA 70/93, und vom 22.02.1995, Az.: 4 RA 88/94, sowie auf mehrere Urteile des SG Berlin berufen.
Das SG hat dem schriftsätzlichen Vorbringen des Klägers entnommen, daß dieser beantragt hat,
den Bescheid der Beklagten vom 27.10.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.10.1995 aufzuheben und festzustellen, daß bei Eintritt des Versicherungsfalles im Dezember 1991 bei der Rentenberechnung die Vorschriften der RVO anzuwenden sind.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage als unbegründet abzuweisen.
Sie hat die angefochtenen Bescheide für Rechtens gehalten.
Durch Urteil vom 07.03.1996 hat das SG Düsseldorf den Bescheid der Beklagten vom 27.10.1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.1995 aufgehoben und festgestellt, daß bei Eintritt des Versicherungsfalles im Dezember 1991 bei der Rentenberechnung die Vorschriften der RVO anzuwenden seien. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils wird Bezug genommen.
Gegen dieses ihr am 26.04.1996 zugestellte Urteil richtet sich die am 07.05.1996 beim erkennenden Gericht eingegangene Berufung der Beklagten, zu deren Begründung sie vorträgt. Die vom Kläger zitierten Urteile des BSG seien hier nicht einschlägig. In jenen Fällen hätten am 31.12.1991 sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen für eine Rentenleistung vorgelegen. In dem hier zu entscheidenden Fall seien die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch am 31.12.1991 jedoch noch nicht vollständig erfüllt gewesen. Im Falle einer Beitragsnachentrichtung werde die Leistung erst mit der tatsächlichen Zahlung der Beiträge fällig. Diese sei hier im September 1994 erfolgt mit der Folge, daß auf den Rentenanspruch die Vorschriften des SGB VI anzuwenden seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Düsseldorf vom 07.03.1996 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger, der im Senatstermin zur mündlichen Verhandlung am 30.08.1996 nicht erschienen und auch nicht vertreten gewesen ist, beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der Streitakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Obgleich der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung am 30.08.1996 nicht erschienen und auch nicht vertreten gewesen ist, durfte der Senat verhandeln und den Rechtsstreit entscheiden. Auf diese Möglichkeit, die sich aus den §§ 124, 126 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ergibt, ist der Prozeßbevollmächtigte des Klägers in der ihm am 09.08.1996 zugestellten Terminsbenachrichtigung hingewiesen worden.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG Düsseldorf hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung, daß bei Zugrundelegung eines im Dezember 1991 eingetretenen Versicherungsfalles des Alters der Rentenberechnung die Vorschriften der RVO anzuwenden sind. Vielmehr sind beim Kläger in einem solchen Fall die Regelungen des SGB VI zugrundezulegen.
Allerdings hat das SG im Ergebnis zutreffend dargelegt, daß die Klage zulässig ist. Es handelt sich um eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage i.S.d. § 55 SGG. Eine solche ist dann zulässig, wenn – wie hier – die allgemeinen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, der Gegenstand der begehrten Feststellung unter § 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, Abs. 2 SGG fällt, ein berechtigtes Interesse an alsbaldiger Feststellung besteht und schließlich von der Feststellung der Rechtsbereich des Klägers berührt wird (vgl. Meyer-Ladewig, SGG mit Erläuterungen, 5. Aufl., Rdnr. 3 zu § 55). Gegenstand des Feststellungsverfahrens ist die Ausgestaltung des zwischen ihm und der Beklagten bestehenden Versicherungsverhältnisses (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Nach § 1248 Abs. 6 RVO hat der Versicherte das Recht, den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles des Alters zu verschieben. Dieses Recht ist vorliegend noch nicht erloschen, weil der Altersruhegeldbescheid vom 03.07.1995 noch nicht bindend geworden ist (vgl. § 77 SGG). Da die Beklagte bereits im Verwaltungsverfahren angekündigt hat, sie werde im Falle einer Verschiebung des Versicherungsfalles auf den 31.12.1991 nicht die bis dahin geltenden Vorschriften der RVO anwenden, sondern jene des SGB VI, hat der Kläger ein berechtigtes Interesse an der beantragten Feststellung, weil er hiervon sein weiteres Verhalten bezüglich der Ausgestaltung seines Versicherungsverhältnisses abhängig machen will, zumal hiervon auch die weitere Verwendung der für das letzte Halbjahr 1991 geleisteten freiwilligen Beiträge abhängt.
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Senat folgt der von der Beklagten vertretenen Auffassung, wonach die Altersrente des Klägers nach den Vorschriften des SGB VI zu berechnen ist, wenn er den Versicherungsfall auf den 31.12.1991 verlegt. Die gegenteilige Ansicht des Klägers und des SG vermag demgegenüber nicht zu überzeugen.
Nach § 300 Abs. 1 SGB VI sind grundsätzlich die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens, am 01.01.1992, an auf einen Anspruch auch dann anzuwenden, der bereits vor diesem Zeitpunkt bestanden hat. Ausnahmsweise sind jedoch aufgehobene und durch das SGB VI ersetzte Vorschriften auch nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens auf einen bis "dahin bestehenden Anspruch" anzuwenden, wenn dieser bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht worden ist (§ 300 Abs. 2 SGB VI). Die Ausnahmsvorschrift greift hier nicht ein. Denn der Anspruch des Klägers auf den monatlichen Rentenbetrag für Januar 1992 hat nicht bereits vor Inkrafttreten des SGB VI, nämlich mit Ablauf des 31.12.1991, "bestanden", wenn er den Versicherungsfall auf den Monat Dezember 1991 verlegt.
Allerdings hat das BSG in den vom Kläger zitierten Urteilen, die das SG zur Grundlage der angefochtenen Entscheidung gemacht hat, in Fortsetzung von BSG SozR 2 2200 § 1321 Nr. 17 entschieden, daß ein sich aus einem im Dezember 1991 entstandenen Rentenstammrecht ergebender, rechtzeitig geltend gemachter Anspruch auf eine im voraus zu zahlende monatliche Rentenleistung spätestens am 31.12.1991 fällig geworden sei und mithin auch bereits zu diesem Zeitpunkt (in welchem die RVO und das AVG noch gültiges und anzuwendendes Recht waren) "bestanden" habe mit der Folge, daß auf das Rechtsverhältnis zwischen Versicherten und Rentenversicherungsträger die am 01.01.1992 in Kraft getretenen Vorschriften des SGB VI keine Anwendung fänden. Ein Anspruch auf Leistungen bestehe zugunsten des Versicherten spätestens dann, wenn die Einzelleistung fällig werde. Fälligkeit bedeute auch im Sozialrecht den Zeitpunkt, in welchem der Schuldner die Leistung spätestens bewirken müsse.
Diese Rechtsprechung des BSG kann auf den vorliegenden Fall jedoch nicht übertragen werden. Wie dargelegt, kommt es nach der zitierten Rechtsprechung des BSG auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der monatlichen Einzelsozialleistung an. Fälligkeit und damit ein entsprechender Leistungsanspruch setzen jedoch voraus, daß sämtliche gesetzlichen Voraussetzungen der Sozialleistung erfüllt sind. Dies war in den Streitsachen, die das BSG durch die genannten Urteile vom 23.06.1994 und 22.02.1995 entschieden hat, der Fall. Die dortigen Versicherten hatten rechtzeitig den Antrag gestellt, im Dezember 1991 das 65. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit erfüllt (§ 25 Abs. 5 i.V.m. Abs. 7 Satz 3 AVG = § 1248 Abs. 5 i.V.m. Abs. 7 Satz 3 RVO). Eine Auslandsberührung gab es in diesen Fällen nicht. Im vorliegenden Fall dagegen waren im Dezember 1991, worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat, noch nicht alle gesetzlichen Voraussetzungen für einen Rentenanspruch erfüllt. Da beim Kläger keine Versicherungspflicht auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland bestanden und er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Israel hat, setzt die Zahlung einer Rente aus Fremdrentenzeiten an ihn die Entrichtung freiwilliger Beiträge zur deutschen Rentenversicherung voraus (vgl. § 1318 RVO). Diese Möglichkeit hat ihm die Beklagte in Anwendung des § 22 WGSVG eingeräumt. Am 06.09.1994 hat sie die Beitragszahlungen erhalten. Somit bestand im Dezember 1991 kein Zahlungsanspruch des Klägers. Erst mit der Nachzahlung der Beiträge, lange Zeit nach Ablauf der Frist des § 300 Abs. 2 SGB VI, konnte der Rentenanspruch entstehen und damit fällig werden (BSG SozR 2 1200 § 44 Nr. 5). Wie das SG selbst festgestellt hat, betrug der Zahlungsanspruch des Klägers im Dezember 1991 DM 0,–. Er durfte demnach bei den vorhandenen Gegebenheiten auch nach Auffassung des SG im Dezember 1991 keine Leistungen von der Beklagten fordern. Welcher Einzelanspruch der Klägers gegen die Beklagte bei dieser Sachlage im Dezember 1991 fällig gewesen sein soll, ist vom SG nicht dargelegt worden und für den Senat auch nicht ersichtlich.
Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger bis zum 31.03.1992 eine "Bereiterklärung" im Sinne des § 1420 Abs. 1 Nr. 2 RVO abgegeben hat, oder dafür, daß die Beklagte den Kläger von einer früheren Einzahlung oder Bereiterklärung pflichtwidrig abgehalten hat, was ausnahmsweise eine Rückwirkung der Beitragszahlung in Betracht kommen ließe (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 31.08.1994, Az.: 4 RA 12/93), hat der Senat aufgrund der aktenkundigen Unterlagen nicht feststellen können.
Nach alledem mußte auf die Berufung der Beklagten das angefochtene Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Erstellt am: 11.08.2003
Zuletzt verändert am: 11.08.2003