I. Die Antragsgegnerin wird vorläufig verpflichtet, ab 18. Februar 2009 bis 30. April 2009, längstens bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens, die Kosten einer Versorgung mit dem Medizinprodukt Gepan instill zu übernehmen für eine zweimalige Anwendung pro Woche, und zwar als Sachleistung nach entsprechender ärztlicher Verordnung und bei Bezug über eine deutsche Apotheke.
II. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe:
I.
Der am 1965 geborene Antragsteller strebt im Hauptsacheverfahren eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Kostenübernahme für das Medizinprodukt "Gepan instill" an.
Der Antragsteller bezieht Rente wegen voller Erwerbsminderung. Er erhält Leistungen der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe II. Er ist an interstitieller Zystitis erkrankt. Diese Diagnose ist bestätigt durch ein Gutachten des Urologen Dr. G. vom 23.02.2006, das nach stationärer Untersuchung im Rentenverfahren S 12 R 4267/05 erstellt wurde. Der Antragsteller ist seit Dezember 2007 überwiegend bettlägrig. Zur Behandlung der interstitiellen Zystitis werden dem Antragsteller regelmäßig Blasen- instillationen verabreicht mit einem Cocktail verschiedener Medikamente und Medizinprodukte. Die Instillationen waren zunächst im Wege einer stationären Behandlung im Krankenhaus durchgeführt worden. Seit längerer Zeit erfolgen sie wegen des schlechten Gesundheitszustandes des Antragstellers ambulant durch die Pflegepersonen.
Eines der für die Instillationen verwendeten Produkte ist das Medizinprodukt Gepan instill. Es wird vertrieben von der Firma G. Pohl-Boskamp GmbH & Co. KG. Der enthaltene Wirkstoff ist Chondroitinsulfat. Gepan instill dient dem vorübergehenden Ersatz der GAG-Schicht der Blase. Dadurch sollen Begleitsymptome der interstitiellen Zystitis wie Schmerzen und Harndrang reduziert werden und die geschädigte Blasenwand die Chance zur Regeneration erhalten (http:://www.gepan-instill.de). Laut Therapieschema soll in Abhängigkeit des Schweregrades der Erkrankung in den ersten vier bis sechs Wochen die Instillation je einmal wöchentlich erfolgen, und für den langfristigen Erfolg soll danach eine Erhaltungstherapie mit monatlich je einer Instillation durchgeführt werden. Gepan instill ist nicht verschreibungspflichtig. Gepan instill ist nicht in der Anlage 12 der Arzneimittel-Richtlinie (AMR) des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) aufgeführt als ausnahmsweise verordnungsfähiges Medizinprodukt.
Der Antragsteller wandte sich mit Schreiben vom 26.09.2008 an die Antragsgegnerin. Er brachte vor, dass eine seiner Pflegepersonen in der Apotheke erklärt erhalten habe, dass die Antragsgegnerin die Kosten für das ärztlich verordnete Gepan instill nicht mehr übernehme. Er bat um weitere Genehmigung, da er ohne dieses Medikament die Schmerzen nicht einmal zwei Stunden bewältigen könne, trotz massiver Dosierung von Opiaten in Kombination mit anderen Analgetika und Lokalanästhesie. Er gebe sein Geld bereits restlos für andere Medikamente aus, zum Beispiel Pentosanpolysulfat, die die Krankenkasse ebenfalls nicht übernehme. Beigefügt waren eine Verordnung des Urologen A. D. vom 24.09.2008 für u.a. 2 x Gepan instill 4 x 40 ml sowie der Kassenbon vom 26.09.2008, der einen Artikelpreis für Gepan instill 4 x 40 ml von 331,84 EUR ausweist. Die Antragsgegnerin schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) in Bayern ein. Dr. B. hielt in einer gutachtlichen Stellungnahme vom 07.10.2008 fest, dass Gepan instill bis September 2007 als Uropol-S in identischer Form und Wirkstärke von der Herstellerfirma als Medizinprodukt vertrieben worden sei. Gepan instill sei – trotz Herstellerantrag – nicht in der Anlage 12 der AMR aufgeführt. Laut Hersteller handle es sich um ein apotheken- und verschreibungspflichtiges, in Deutschland zertifiziertes Medizinprodukt zur parenteralen Anwendung, für das die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) leistungspflichtig sei. Eine Apothekenpflicht sei jedoch aus den einschlägigen Verordnungen nicht ableitbar, da keine parenterale Anwendung von Chondroitinsulfat vorliege. Die Einordnung von "intravesikal" als parenterale Anwendung entspreche nicht der amtlichen Definition von "parenteral" im europäischen Arzneibuch. Auch sei die Studienlage für die intravesikale Anwendung von Chondroitinsulfat bei interstitieller Zystitis bislang unbefriedigend. Die vorhandenen Studien seien mit kleinen inhomogenen Patientenkollektiven sowie unzureichend definierten Zielkriterien und ohne Kontrollgruppen durchgeführt worden. Valide Wirksamkeitsbelege lägen somit nicht vor. Insgesamt könne eine Leistungspflicht für Gepan instill nicht abgeleitet werden. Die Antragsgegnerin lehnte dann mit Bescheid vom 21.10.2008 eine Kostenübernahme ab. Dagegen legte der Antragsteller am 06.11.2008 Widerspruch ein. Es gebe zu diesem Medikament keine Alternative, wenn man überleben wolle. Laut Auskunft seines Apothekers nach Rücksprache mit der Vertreiberfirma sei Gepan instill momentan nicht verordnungsfähig. Es laufe aber schon Antrag auf Wiederverordnungsfähigkeit, weil es keine Alternative gebe. Während eines Krankenhausaufenthaltes werde Gepan instill finanziert. Die Alternative sei daher für ihn, den Rest seines Lebens im Krankenhaus zu verbringen. Auch die Pflegepersonen des Antragstellers wandten sich an die Antragsgegnerin.
Die Bevollmächtigten des Antragstellers haben am 26.01.2009 beim Sozialgericht Augsburg einen Antrag auf einstweilige Anordnung eingereicht zur Kostenübernahme für das Medizinprodukt Gepan instill. Die finanziellen Mittel des Antragstellers seien verbraucht. Er müsse sich bereits Geld von Bekannten leihen und auf das weniger wirksame Mittel Cystistat (Wirkstoff: Hyaluronsäure) ausweichen. Der noch vorhandene Rest an Cystistat reiche für eine letzte Instillation am 02.02.2009. Die Einnahme weiterer starker Schmerzmittel als Alternative zu den Instillationen sei nicht möglich, da sein Herz bereits stark geschwächt sei. Krankenhausaufenthalte würden im Vergleich zu sehr hohen Kosten führen. Vorgelegt wurden Atteste des Urologen Professor Dr. S. vom 19.12.2007, des Facharztes für Allgemeinmedizin und Hausarztes des Antragstellers Dr. C. vom 20.01.2009 und des Urologen D. vom 20.01.2009 sowie Rechnungen vom 04.12.2008 über 298,00 EUR (für Gepan instill), vom 10.09.2008 über 90,12 EUR (für Pentosanpolysulfat) und vom 22.12.2008, 02.01.200 und 17.01.2009 über jeweils 113,00 EUR für Cystistat 50 ml. Zur Beweiserhebung hat das Gericht die Internetseite zu Gepan instill eingesehen und Befundberichte von A. D. und Dr. C. eingeholt. A. D. hat angegeben, der Antragsgegnerin zur Klärung der aktuellen Symptomatik und daraus zu entwickelnden Therapie den Vorschlag einer stationären Untersuchung in einer neurologischen und uroneurologischen Fachklinik (z. B. Murnau) gemacht zu haben. Der Antragsteller berichte über sehr starke Schmerzen in der Blase, wobei nach Instillationen mit Gepan/Cystistat sein Bedarf an Analgetika sinke. Dr. C. hat angegeben, dass die Basisschmerztherapie erfolgt mit MST, Ibuprofen, Omep, Ramipril und seit 09.01.2009 Gabapentin, vorher Dronabinol erfolgt. Des Weiteren erhalte er zur Stabilisierung der psychischen Situation Paroxat und bei Bedarf Lorazepan, beziehungsweise versuchsweise seit 23.12.2008 Doxepin. Die zweimal wöchentlichen Blaseninstillationen enthielten Gepan, zusätzlich Pentosanpolysulfat, Heparin, Procain, Verapamil und Hydrocortison. Bei Fehlen von Gepan erfolge Ersatz durch Cystistat. Zur Verbesserung der Schmerztherapie habe er dem Antragsteller mehrfach zu einer stationären Aufnahme in einer geeigneten Schmerzklinik geraten. Seit drei Wochen stehe kein Gepan mehr zur Verfügung, wodurch sich laut Aussage des Antragstellers die Schmerzsymptomatik deutlich verstärkt habe. Die Bevollmächtigten haben ergänzend vorgetragen, dass der Antragsteller kein Vermögen habe, und Nachweise über die Renteneinkünfte des Antragstellers vorgelegt. Danach verfügt er monatlich über eine Rentenzahlung in Höhe von 480,03 EUR der DRV Bund, von 871,25 EUR der Pensionsversicherunganstalt Wien (Pension 251,37 EUR und Pflegegeld 632,70 EUR) und von 154 CHF der Liechtensteinischen Invalidenversicherung.
Die Bevollmächtigten des Antragstellers beantragen, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten für das Medizinprodukt Gepan instill zu übernehmen.
Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß, den Antrag abzulehnen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Akte der Beklagten sowie der erledigten Gerichtsakte S 11 SB 168/07 Bezug genommen.
II.
Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Eine einstweilige Anordnung setzt einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund voraus. Das Gericht entscheidet aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage, ob ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund vorliegen und welche Maßnahmen unter Abwägung der Belange der Öffentlichkeit und des Antragstellers nötig erscheinen. Anordnungsanspruch ist der materielle Anspruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz sucht. Er ist identisch mit dem auch im Hauptsacheverfahren geltend zu machenden materiellen Anspruch. Anordnungsgrund ist die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung. Je schwerer die Belastungen des Betroffenen wiegen, die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbunden sind, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtsposition zurückgestellt werden. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) verlangt auch bei Vornahmesachen jedenfalls dann vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Die Gerichte sind, wenn sie ihre Entscheidung nicht an einer Abwägung der widerstreitenden Interessen sondern an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientieren, in solchen Fällen gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gehalten, die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes auf eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage zu stützen (Bundesverfassungsgericht – BVerfG – Beschluss vom 22.11.2002 – 1 BvR 1586/02 – NJW 2003, 1236; bestätigend BVerfG Beschluss vom 19.03.2004 – 1 BvR 131/04). Dreht es sich um existenziell bedeutsame Leistungen wie im Bereich der Krankenversicherung, muss die Sach- und Rechtslage abschließend geprüft werden. Ist im Eilverfahren diese gebotene vollständige Aufklärung jedoch nicht möglich, bilden die Erfolgsaussichten der Hauptsache keinen adäquaten Maßstab. Vielmehr ist eine Folgenabwägung vorzunehmen, bei welcher die grundrechtlichen Belange der Betroffenen den Belangen der Versichertengemeinschaft gegenüberzustellen sind (vgl. BVerfG Beschluss vom 06.02.2007 – 1 BvR 3101/06).
Ein Anordnungsgrund liegt zur Überzeugung des Gerichts vor. Eilbedürftigkeit ist glaubhaft gemacht. Beim Antragsteller liegt zwar keine unmittelbar lebensbedrohliche Erkrankung vor, jedoch handelt es sich um eine äußerst schwere Ausprägungsform der interstitiellen Zystitis mit massivem Schmerzzentrum. Nach den vorliegenden Attesten und Befundberichten erleidet der Antragsteller ohne die laufenden Instillationen mit Gepan instill eine Verstärkung des Schmerzsyndromes, die auch derzeit durch alternative Therapien beziehungsweise eine Umstellung der bisherigen Schmerzmittel nicht aufzufangen ist. Die massiven Schmerzen verursachen die Bettlägrigkeit des Klägers. Soll der mit der einstweiligen Anordnung angestrebte Erfolg erreicht werden, nämlich eine Reduzierung der immer vorhandenen Schmerzen, ist ein weites Zuwarten auf den Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht zumutbar. Auch angesichts des relativ geringen Einkommens und fehlenden Vermögens ist der Antragsteller nicht in der Lage, die Kosten der laufenden Therapie mit Gepan instill selbst vorzufinanzieren. Der Antragsteller erhält Rentenleistungen in Höhe von etwa 830 EUR. Angesichts der alleine für die Zuzahlung zu verordneten Medikamenten und die Selbstbeschaffung von nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten anfallenden Kosten ist der Antragsteller offensichtlich nicht in der Lage, die Kosten für Gepan instill in Höhe von circa 600 EUR monatlich (298 EUR/4x40ml, ausreichend für 2 Wochen) weiterhin zu tragen.
Auch ein Anordnungsanspruch ist gegeben. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind derzeit nicht abgeklärt und auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend abklärbar, so dass eine Güterabwägung vorzunehmen ist. Die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens abschließend zu beurteilen ist derzeit nicht möglich. Allein nach der Gesetzeslage ist eine Versorgung mit Gepan instill zulasten der GKV nicht zulässig. Rechtsgrundlage ist § 31 Abs. 1 SGB V. Dessen Sätze 1 – 3 lauten: "Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmittel, Harn- und Blutteststreifen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die als Medizinprodukte nach § 3 Nr. 1 oder Nr. 2 MPG zur Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmt sind, ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden; § 34 Abs. 1 Satz 5, 7 und 8 und Abs. 6 sowie die §§ 126 und 127 gelten entsprechend. Für verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige Medizinprodukte nach Satz 2 gilt § 34 Abs. 1 Satz 6 entsprechend." Der G-BA hat Ausführungen zur Verordnungsfähigkeit von Medizinprodukten in den Ziffern 30 bis 32 der Arzneimittel-Richtlinien, zuletzt geändert am 19.06.2008 (in Kraft getreten am 28.11.2008) gemacht, und zwar zu den ausgeschlossenen und den ausnahmsweise verordnungsfähigen Medizinprodukten, die abschließend in einer Übersicht als Anlage 12 aufgeführt sind. In dieser Anlage 12 ist Gepan instill nicht aufgeführt und damit grundsätzlich nicht zulasten der GKV verordnungsfähig.
Etwas anderes könnte sich jedoch aus einer entsprechenden Anwendung der vom BVerfG mit seinem Beschluss vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98 in SozR 4-2500 § 27 Nr. 5) entwickelten Rechtsprechung ergeben. Das BVerfG hat in o.g. Beschluss zu einer ärztlichen Behandlungsmethode ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16.09.1997 (SozR 3-2500 § 135 Nr. 4) aufgehoben und entschieden, dass es mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar sei, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, generell von der Gewährung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Eine Leistungsverweigerung der Krankenkasse und Berufung darauf, eine bestimmte neue ärztliche Behandlungsmethode sei im Rahmen der GKV ausgeschlossen, weil der zuständige G-BA diese noch nicht anerkannt oder sie sich zumindest in der Praxis und in der medizinischen Fachdiskussion noch nicht durchgesetzt hat, verstößt nach dieser Rechtsprechung des BVerfG gegen das GG, wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: a) Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vor. b) Bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung. c) Bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein aner- kannten) Behandlungsmethode besteht eine "auf Indizien gestützte" nicht ganz fernlie gende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.
Diese verfassungsrechtliche Konkretisierung der Leistungsansprüche von Versicherten der GKV bei lebensbedrohlichen, tödlich verlaufenden Erkrankungen gilt sinngemäß auch für die Versorgung mit Arzneimitteln (BSGE vom 04.04.2006 – B 1 KR 7/05 R – in SozR 4-2500 § 31 Nr. 4). Sie ist daher auch auf eine Versorgung mit Medizinprodukten gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V anwendbar. Allerdings ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht zu beantworten, ob sämtliche drei vom BVerfG genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Es ist unklar, ob eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung (Buchstabe a) oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vorliegt. Das BSG hat mehrfach (u. a. BSG vom 27.03.2007 – B 1 KR 17/06 R m.w.N.) ausgeführt, dass mit den oben genannten Krankheitskriterien des BVerfG eine strengere Voraussetzung umschrieben wird, als sie mit dem Erfordernis einer "schwerwiegenden" Erkrankung für die Eröffnung des Off-Label-Use formuliert ist. Ohne einschränkende Auslegung ließen sich fast beliebig vom Gesetzgeber bewusst gezogene Grenzen überschreiten. Entscheidend sei, dass das vom BVerfG herangezogene Kriterium bei weiter Auslegung sinnentleert würde, weil nahezu jede schwere Krankheit ohne therapeutische Einwirkung irgendwann auch einmal lebensbedrohende Konsequenzen nach sich zieht. Das kann aber ersichtlich nicht ausreichen, das Leistungsrecht des SGB V und die dazu ergangenen untergesetzlichen Regelungen nicht mehr als maßgebenden rechtlichen Maßstab für die Leistungsansprüche der Versicherten anzusehen (vgl. BSG vom 26.09.2006 – B 1 KR 3/06 R). Gerechtfertigt ist laut BSG eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Die interstitielle Zystitis ist nach den vorgelegten ärztlichen Unterlagen an sich keine tödlich verlaufende Erkrankung. Daher bedarf es auch der Entscheidung, inwieweit die beim Antragsteller durch die interstitielle Zystitis hervorgerufenen Schmerzen, die zu einer weitgehenden Bewegungsunfähigkeit führen, wertungsmäßig einer lebensbedrohlichen beziehungsweise tödlich verlaufenden Erkrankung gleichzusetzen sind. Hierzu werden im Rahmen des Hauptsacheverfahrens weitere Ermittlungen und gegebenenfalls ein Sachverständigengutachten erforderlich sein. Unklar ist auch, ob eine Standardtherapie möglich ist (Buchstabe b). Dabei ist nicht nur an Alternativen zur Blaseninstillation mit anderen Mitteln anstatt mit Gepan zu denken, sondern auch an eine Optimierung der Schmerztherapie durch Einsatz weiterer Mittel oder günstigere Kombination der bisher eingesetzten Mittel unter Berücksichtigung der Begleit- erkrankungen des Antragstellers. Denn das Hauptproblem der interstitiellen Zystitis sind die nur schwer beherrschbaren Schmerzen. Auch dafür wird voraussichtlich ein Gutachten erforderlich sein. Hilfreich wäre im Vorfeld dieser Gutachtenserstellung insbesondere, wenn sich der Antragsteller zu der von seinem Hausarzt und vom behandelnden Urologen empfohlenen stationären Krankenhausbehandlung zur Therapieoptimierung entschließen könnte. Die nötige Erfolgsaussicht der Behandlung (Buchstabe c) scheint nach den Angaben des Antragstellers und seiner behandelnden Ärzte gegeben.
Da also im Antragsverfahren die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens nicht abschließend ermittelt werden können, ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei steht das Interesse der Versichertengemeinschaft, unwirksame oder ausgeschlossene Behandlungsmethoden nicht erbringen zu müssen, zumal wenn sie relativ teuer sind, dem Interesse des Antragstellers gegenüber, eine durch überhandnehmende Schmerzen für ihn lebensbedrohlich wirkende Situation abzuwenden. Der Antragsteller hat durch die vorgelegten Atteste hinreichend dargetan, dass bei ihm eine Ausnahmesituation durch überhandnehmende, derzeit nicht beherrschbare Schmerzen vorliegt. Ein möglicher Erfolg der Behandlung ist nach der bisherigen Erfahrung praktisch sicher. Eine Vorenthaltung der begehrten Versorgung mit Gepan instill hätte daher im Fall eines positiven Ausgangs des Hauptsacheverfahrens zur Folge, dass der Antragsteller unnötigerweise über längere Zeit mit massiven, derzeit nicht mit anderen Schmerzmitteln beherrschbaren Schmerzen leben müsste, die ihn praktisch bewegungsunfähig machen. Da das Grundrecht des Antragstellers nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zur Überzeugung des Gerichts in diesem Fall deutlich schwerer wiegt als die Belange der Versichertengemeinschaft, ist dem Antrag vorläufig zu entsprechen.
Im Rahmen des Ermessens, das § 86b Abs. 2 SGG einräumt, war eine Befristung vorzunehmen bis zum voraussichtlichen Abschluss des Widerspruchsverfahrens. Der Zeitraum von zweieinhalb Monaten soll dem Antragsteller auch Gelegenheit geben, sich zur Therapieoptimierung in stationäre Krankenhausbehandlung zu geben. Nur bei ausreichender Mitarbeit könnte – sofern bei Ablauf der Befristung das Widerspruchsverfahren noch nicht abgeschlossen ist – bei erneuter Antragstellung Gepan instill weiter gewährt werden.
Sofern der Antragsteller die Belastungsgrenze noch nicht erreicht hat, sind für die Verordnungen von Gepan instill jeweils die gesetzlich vorgesehenen Zuzahlungen zu leisten.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Erstellt am: 28.01.2011
Zuletzt verändert am: 28.01.2011