I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 513,83 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von vier Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 22. Oktober 2008 zu zahlen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Berufung wird zugelassen
IV. Der Streitwert wird auf 513,83 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist eine von der Beklagten vorgenommene Aufrechnung in Höhe von 513,83 EUR.
Die Klägerin betreibt u.a. das Vertragskrankenhaus in A-Stadt. Der bei der Beklagten krankenversicherte Patient J. wurde am 06.02.2008 um 17.03 Uhr als Notfall in das Krankenhaus eingeliefert und um 20.20 Uhr entlassen zur externen Verlegung in das Bezirkskrankenhaus (BKH) A-Stadt. Das Krankenhaus erstellte am 26.02.2008 eine Rechnung über 513,83 EUR, die von der Beklagten vollständig beglichen wurde. Die Hauptdiagnose nach ICD lautete auf F10.0 (Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol: Akute Intoxikation – akuter Rausch), die Nebendiagnosen waren F10.2 (Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol, Abhängigkeitssyndrom) und S01.0 (Offene Wunde der behaarten Kopfhaut). Die Rechnung führt nach DRG die Fallpauschale V60C (Alkoholintoxikation und -entzug oder Störungen durch Alkoholmissbrauch und Alkoholabhängigkeit ohne psychotisches Syndrom, ohne qualifizierten Entzug, ohne Entzugssyndrom) auf. Gleichzeitig wird ein Fallpauschalenabschlag bei Nichterreichen der mittleren Verweildauer vorgenommen. Unter Berücksichtigung verschiedener Systemzuschläge ergab sich der Rechnungsbetrag von 513,83 EUR. Die Beklagte forderte mit Schreiben vom 07.08.2008 die Zahlung zurück. Im Hinblick auf die Verweildauer werde die Auffassung vertreten, dass die Behandlung nicht unter vollstationären Bedingungen erfolgt sei. Es werde auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) verwiesen und um Neuberechnung als vollstationäre Pauschale, Abklärungsuntersuchung oder im Rahmen der Ambulanzabrechnung gebeten. Rückzahlung des bereits überwiesenen Betrages wurde bis 02.10.2008 verlangt. Das Krankenhaus vertrat mit Schreiben vom 29.08.2008 die Auffassung, dass die Abrechnung korrekt vorgenommen worden sei. Eine Rückerstattung könne daher nicht vorgenommen werden. Bei weiteren Fragen werde um Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) gebeten. Die Beklagte erklärte dann mit Schreiben vom 09.09.2008, dass eine stationäre Notwendigkeit nicht bezweifelt werde, aber weiterhin davon ausgegangen werde, dass keine vollstationäre Behandlung stattgefunden habe. Es wurde erneut Rückzahlung bis 30.09.2008 verlangt. Die Beklagte teilte dann mit Schreiben vom 14.10.2008 mit, dass mangels Rückerstattung vom Recht der Verrechnung Gebrauch gemacht worden sei. Die Verrechnung sei erfolgt gegen den Fall des Patienten C. (K.). Das Krankenhaus vertrat mit E-Mail vom 24.10.2008 die Auffassung, dass eine Aufrechnung nicht statthaft sei.
Die Bevollmächtigten der Klägerin haben am 05.02.2009 Klage auf vollständige Bezahlung der Rechnung für den Patienten K. erhoben. Ein Rückzahlungsanspruch im Fall J. werde bestritten. Eine stationäre Behandlung liege vor, auch wenn der Versicherte J. sich lediglich wenige Stunden im Krankenhaus befunden habe und danach verlegt worden sei. Zudem stünden sich die Forderungen nicht aufrechenbar gegenüber, da der behauptete Rückzahlungsanspruch jedenfalls noch nicht zur Zahlung fällig gewesen sei. Denn nach den Zahlungs- und Abrechnungsbestimmungen der Pflegesatzvereinbarung für das Jahr 2008 setze der Rückzahlungsanspruch zu seiner Fälligkeit entweder eine geänderte Abrechnung durch das Krankenhaus oder eine rechtskräftige Entscheidung über den Rückzahlungsanspruch voraus. Die Beklagte teilte mit, dass die Abrechnung im Fall K. nicht beanstandet werde. Im Fall J. hätten nach nochmaliger, leistungsrechtlicher Prüfung Bedenken bestanden, dass es sich bei der in Rechnung gestellten Behandlung tatsächlich um eine vollstationäre Maßnahme gehandelt habe. Denn bereits während der Versorgung einer Platzwunde habe der Versicherte den Wunsch nach einem stationären Alkoholentzug geäußert, weshalb er verlegt wurde. Dass der Versicherte ein Bett auf der Station belegt habe, reiche zur Annahme einer vollstationären Behandlung nicht aus, vor allem dann nicht, wenn die durchgeführte Behandlung auch in einer Arztpraxis hätte stattfinden können. Es komme entscheidend darauf an, ob der Patient physisch und organisatorisch in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses eingebunden war. Da bereits zu Beginn der Behandlung der Patient seine Entscheidung zur Verlegung getroffen habe, könne keine stationäre Behandlung vorliegen. Eine stationäre Aufnahme sei dann erst im BKH A-Stadt erfolgt. Im Krankenhaus habe lediglich eine Notfallbehandlung stattgefunden. § 11 der Pflegesatzvereinbarung verpflichte das Krankenhaus zur Erstattung eines zu Unrecht erhaltenen Betrages. Daher sei die Beklagte auch berechtigt gewesen, eine Aufrechnung durchzuführen. Es werde Akteneinsicht gemäß § 120 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in die Behandlungsdokumentation beantragt. Das Gericht werde gebeten, die entsprechende Dokumentation beizuziehen und der Beklagten sodann zugänglich zu machen, da diese beabsichtige, den MDK mit der Auswertung zu beauftragen. Die Klägerbevollmächtigten haben daraufhin weitere Einzelheiten zur Behandlung des Versicherten J. vorgetragen und sind einer Übersendung von Behandlungsunterlagen an den MDK entgegengetreten. Da die Beklagte im Vorfeld nicht innerhalb der 6-Wochen-Frist des § 275 Abs. 1c Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) eine Prüfung durch den MDK zur Klärung des medizinischen Sachverhalts veranlasst habe, könne sie dieses Versäumnis im Prozess nicht mehr nachholen. Demgegenüber hat die Beklagte die Auffassung vertreten, dass der MDK nur in solchen Fällen eingeschaltet werden müsse, wo medizinische Sachverhalte zu überprüfen seien. Im vorliegenden Fall orientiere sich die Prüfung jedoch nur an den Behandlungsdaten. Die objektive Feststellungslast zur Notwendigkeit der stationären Behandlung liege auf Seiten des Krankenhauses. Der Antrag auf Akteneinsicht werde weiterverfolgt. Dieser ergebe sich aus dem Recht der Beklagten auf rechtliches Gehör.
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 513,83 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von vier Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 22.10.2008 zu zahlen.
Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das angerufene Gericht ist gemäß §§ 57 Abs. 1, 51 Abs. 1, 8 SGG zur Entscheidung des Rechtsstreits örtlich und sachlich zuständig. Die formgerecht erhobene Leistungsklage ist zulässig und auch begründet.
Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung einer Vergütung für die stationäre Behandlung von K. in Höhe von noch 513,83 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 4 % über dem Basiszinssatz ab 22.10.2008, da die Forderung in dieser Höhe nicht durch Aufrechnung erloschen ist.
Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruches eines zugelassenen Krankenhauses für die stationäre Behandlung ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit der Pflegesatzvereinbarung 2008, da wegen der Vertragskündigung für Bayern ein Vertrag gemäß § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V zur Regelung der allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung einschließlich Aufnahme und Entlassung der Versicherten, Kostenübernahme, Abrechnung der Entgelte, Berichte und Bescheinigungen nicht mehr existiert. Die Abrechnung des Krankenhausaufenthaltes des Versicherten K. erfolgte als stationäre Leistung im Sinne von § 39 SGB V. Zwischen den Beteiligten unstreitig sind die Höhe der Rechnung an sich, der Zeitpunkt der Fälligkeit sowie Höhe und Beginn der Verzinsung. Fälligkeit und Verzinsung ergeben sich dabei aus der Pflegesatzvereinbarung 2008. Streitig ist zwischen den Beteiligten allein, ob die Forderung in Höhe von 513,83 EUR durch Aufrechnung einer Rückforderung im Fall des Patienten J. erloschen ist.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Rückforderung im Fall J. begründet ist oder nicht, da bereits die Voraussetzungen für eine Aufrechnung nicht vollständig erfüllt sind.
Eine Aufrechnung ist im Verhältnis zwischen Krankenhaus und Krankenkasse grundsätzlich zulässig. Sie richtet sich gemäß § 69 Satz 3 SGB V nach den Vorschriften der §§ 387 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die Aufrechnung setzt danach Gegenseitigkeit voraus sowie Gleichartigkeit der Forderungen, Erfüllbarkeit der Hauptforderung und Fälligkeit der Gegenforderung (Palandt, BGB, 61. Auflage, § 387 Rzn. 4 bis 12).
Gegenseitigkeit, Gleichartigkeit und Erfüllbarkeit der Hauptforderung (Fall K.) sind gegeben. Es fehlt jedoch an der Fälligkeit der Gegenforderung (Fall J.).
Die Fälligkeit von Forderungen im Verhältnis zwischen Krankenhaus und Krankenkasse ergibt sich aus § 11 (Zahlungs- und andere Abrechnungsbestimmungen) der Vereinbarung für den Pflegesatzzeitraum 2008 nach § 11 Abs. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG). Dessen Abs. 2 lautet: "Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art können auch nach Begleichung der Rechnung geltend gemacht werden. Stellt sich im Nachhinein heraus, dass durch das Krankenhaus eine unberechtigte Rechnungslegung erfolgte, storniert das Krankenhaus die ursprüngliche Rechnung, stellt eine neue Rechnung aus und zahlt den zu viel erhaltenen Betrag innerhalb von drei Wochen zurück. Im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung beträgt die Rückzahlungsfrist des zu viel erhaltenen Betrages drei Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung. Ab Überschreitung der Zahlungsfrist sind Verzugszinsen in Höhe von vier Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu entrichten."
Aus diesen Sätzen ist zu schließen, dass bei Beanstandungen, und zwar selbst dann, wenn sie unbestritten sind, die Rückforderung nicht schon mit Beanstandung und Fristsetzung fällig wird, sondern erst, nachdem das Krankenhaus von sich aus die Rechnung storniert hat. Auch wenn eine Forderung bestritten ist, tritt keine sofortige Fälligkeit ein. Dies ist aus dem Satz zu schließen, wonach im Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung die Rückzahlungsfrist drei Wochen nach Rechtskraft der Entscheidung beträgt. Träte die Fälligkeit bereits unmittelbar durch Fristsetzung nach einer Beanstandung ein, hätte dieser Satz keinen Sinn. Der Auffassung der Beklagten, eine Forderung sei schon dann fällig und eine Aufrechnung daher möglich, wenn von der Krankenkasse begründet beanstandet wird und (bei Fristsetzung) das Krankenhaus nicht mit einer Stornierung reagiert, kann daher nicht gefolgt werden.
Da die Aufrechnung mangels fälliger Gegenforderung nicht zulässig war, war der Klage schon deshalb stattzugeben.
Da eine Widerklage (auf Zahlung beziehungsweise Feststellung der Gegenforderung) nicht erhoben wurde, war vom Gericht auch nicht zu prüfen, ob der von der Beklagten behauptete Rückforderungsanspruch in Höhe von 513,83 EUR tatsächlich besteht.
Lediglich hilfsweise wird daher noch ausgeführt, dass zur Überzeugung des Gerichts der behauptete Rückforderungsanspruch nicht nachgewiesen ist.
Die Beklagte argumentiert unter Bezug auf das Urteil des BSG v. 04.03.2004 (B 3 KR 4/03 R in SozR 4-2500 § 39 Nr. 1) sinngemäß, dass ein Aufenthalt des Versicherten im Krankenhaus von weniger als 24 Stunden den Tatbestand eines stationären Aufenthaltes im Sinne von § 39 SGB V nicht erfüllt. Dies sei offensichtlich mit der Folge, dass eine Überprüfung durch den MDK zur Frage, ob ein stationärer Aufenthalt notwendig gewesen sei oder nicht, von ihr nicht einzuleiten gewesen sei.
Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung (Urteil v. 17.03.2005 – B 3 KR 11/04 R – in SozR 4-2500 § 39 Nr. 5 unter Bezug auf das oben genannte Urteil v. 04.03.2004) die Auffassung vertreten, dass eine Abgrenzungsschwierigkeiten weitgehend vermeidende Definition von vollstationärer, teilstationärer und ambulanter Krankenhausbehandlung nur vom Merkmal der geplanten Aufenthaltsdauer ausgehen könne. Eine vollstationäre Behandlung im Sinne einer physischen und organisatorischen Eingliederung in das spezifische Versorgungssystem eines Krankenhauses ist danach dann gegeben, wenn sie sich nach dem Behandlungsplan des Krankenhausarztes zeitlich über mindestens einen Tag und eine Nacht erstreckt. Entscheidend ist dabei zunächst der Behandlungsplan. Die Entscheidung zum Verbleib des Patienten über Nacht wird in der Regel zu Beginn der Behandlung vom Krankenhausarzt getroffen, kann im Einzelfall aber auch noch später erfolgen. Eine ambulante Behandlung kann in eine vollstationäre Krankenhausbehandlung übergehen. Auf der anderen Seite entfällt aber eine stationäre Behandlung nicht, wenn der Patient nach Durchführung eines Eingriffes oder einer sonstigen Behandlungsmaßnahme über Nacht verbleiben sollte, aber gegen ärztlichen Rat auf eigenes Betreiben das Krankenhaus noch am selben Tag wieder verlässt. Dann handelt es sich um eine "abgebrochene" stationäre Behandlung. Eine Regel der Gestalt, dass nur dann eine stationäre Krankenhausbehandlung im Sinne von § 39 SGB V vorliegt, wenn sich ein Versicherter mindestens einen Tag und eine Nacht, das heißt mindestens 24 Stunden, im Krankenhaus zur Behandlung gefunden hat, existiert also nicht, anders als die Beklagte (auch in am hiesigen Gericht anhängigen Parallelfällen) offensichtlich meint. Dies ergibt sich insbesondere auch nicht aus den Gründen des BSG-Urteils vom 04.03.2004, a.a.O. Vielmehr betonte das BSG in dieser Entscheidung, die mit weiterer Rechtsprechung fortgeführt wurde, dass die Abgrenzung der stationären Krankenhausbehandlung von ambulanter oder teilstationärer Behandlung vom Merkmal der geplanten Aufenthaltsdauer und der tatsächlichen Eingliederung in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses auszugehen hat.
Dass sich der Versicherte J. nur etwas mehr als drei Stunden im Krankenhaus aufgehalten und danach in das BKH A-Stadt verlegt wurde, schließt einen stationären Aufenthalt nicht aus. Dass der Aufenthalt weniger als 24 Stunden andauerte und eine Verlegung erfolgte, ist per se kein Beweis dafür, dass keine notwendige stationäre Behandlung im Krankenhaus vorgelegen hat. Denn in aller Regel wird bereits bei der Aufnahme durch den aufnehmenden Krankenhausarzt die Entscheidung für eine stationäre Kranken
hausaufnahme und Eingliederung in das Versorgungssystem des Krankenhauses getroffen.
Die objektive Beweislast dafür, dass eine stationäre Krankenhausbehandlung notwendig war, trägt auch im Falle einer Aufrechnung das Krankenhaus (siehe BSG v. 16.12.2008 – B 1 KN 2/08 KR R). Denn § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V ordnet das Risiko der Erforderlichkeitsprüfung gerade dem Krankenhaus zu. In der Regel wäre wegen des Untersuchungsgrundsatzes (§ 103 SGG) vom Gericht mittels Sachverständigengutachten unter Auswertung der Krankenakte nachprüfbar, ob tatsächlich ein notwendiger vollstationärer Aufenthalt gegeben war oder nicht. Vorliegend war jedoch eine weitere gerichtliche Sachaufklärung nicht durchzuführen, da das zur Überprüfung der Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung vorgesehene Verfahren von der Krankenkasse nicht eingehalten wurde und dieses Versäumnis nicht durch eine gerichtliche Sachaufklärung ersetzt werden muss.
Grundsätzlich entsteht die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse, wie das BSG in ständiger Rechtsprechung (u.a. Urteil v. 17.05.2000 – B 3 KR 33/99 R – in SozR 3-2500 § 112 Nr. 1) entschieden hat, unabhängig von einer Kostenzusage der Krankenkasse unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten. Über die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung entscheidet dabei zunächst der Krankenhausarzt bei Aufnahme. Dabei hat das BSG im Beschluss des Großen Senats vom 25.09.2007 (GS 1/06) klargestellt, dass die Entscheidung darüber, ob dem Versicherten ein Anspruch auf Gewährung vollstationärer Krankenhausbehandlung als Sachleistung zusteht und darin eingeschlossen die Entscheidung, ob eine stationäre Behandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist, nicht dem Krankenhaus sondern der Krankenkasse obliegt. Für eine Einschränkung der Kontrollbefugnisse der Krankenkasse in der Weise, dass von der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung auszugehen wäre, wenn der Krankenhausarzt sie bejaht und seine Einschätzung fachlich vertretbar ist, bietet das Gesetz keine Grundlage. Ein Beurteilungsspielraum oder eine Einschätzungsprärogative im Sinne eines Entscheidungsfreiraumes mit verminderter Kontrolldichte kann dem Krankenhausarzt schon deshalb nicht zukommen, weil nicht er, sondern die Krankenkasse über den Anspruch auf Krankenhausbehandlung entscheidet. Auch im Innenverhältnis zwischen Krankenhaus und Krankenkasse gibt es keinen Beurteilungsvorrang des behandelnden Arztes, der die Krankenkasse bei ihrer Entscheidung bindet. Im Streitfall hat daher das Gericht grundsätzlich uneingeschränkt zu überprüfen, ob eine stationäre Krankenhausbehandlung aus medizinischen Gründen notwendig war. Es hat dabei jedoch von dem im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhauses auszugehen, wenn die Krankenkasse im Nachhinein beanstandet, die stationäre Behandlung des Patienten sei nicht gerechtfertigt gewesen.
§ 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V gibt den Krankenkassen die Verpflichtung auf, in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen. Bei Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V ist aber eine Prüfung zeitnah durchzuführen. Die Prüfung ist spätestens 6 Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den MDK dem Krankenhaus anzuzeigen (§ 275 Abs. 1c Sätze 1 und 2 SGB V). Diese 6-Wochen-Frist zur Einleitung einer Prüfung durch den MDK wurde im vorliegenden Fall von der Beklagten nicht eingehalten.
Die Beklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung darauf berufen, dass auch nach Ablauf der 6-Wochen-Frist noch die Einleitung einer Überprüfung durch den MDK möglich sei, und zwar im Hinblick auf den Vertrag gemäß § 112 Abs. 1 SGB V zu § 112 Abs. 2 Nr. 2 SGB V zur Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung, der zwischen der Bayer. Krankenhausgesellschaft und u.a. dem Landesverband der Innungskrankenkassen in Bayern geschlossen worden war. Dieser Vertrag wurde jedoch am 03.11.2006 durch die Bayer. Krankenhausgesellschaft gekündigt, und war bei einer Kündigungsfrist von einem Jahr daher auf die Überprüfung der stationären Behandlungsnotwendigkeit des J. am 06.02.2008 nicht mehr anwendbar.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass eine Einschaltung des MDK nicht notwendig gewesen sei, da unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG festgestanden habe, dass eine stationäre Behandlung nicht vorgelegen habe. Dieses Verhalten ist jedoch nicht von § 275 Abs. 1c Sätze 1 und 2 SGB V gedeckt. Da es der Kasse vor Einschaltung des MDK in der Regel an medizinischem Sachverstand fehlt, kommt zunächst nur eine einfache Plausibilitätskontrolle in Betracht, etwa bei offenbaren Diskrepanzen zwischen Aufnahmediagnose und Verweildauer, der stationären Aufnahme in Behandlungsfällen, die üblicherweise ambulant durchgeführt werden, oder etwa einer Diskrepanz zwischen Aufnahmediagnose und Fallpauschale nach der DRG. Stehen jedoch Zweifel an der Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung inmitten, dann muss sich die Krankenkasse zur Prüfung dieser Zweifel des MDK bedienen. Die Frage der Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung ist eine medizinisch zu beantwortende Frage, so dass sich die Beklagte nicht darauf zurückziehen kann, sie habe auf der Grundlage sachlicher Feststellungen anhand der vom Krankenhaus mitgeteilten Daten im Rahmen einer vergütungsrechtlichen Prüfung eine Kostenübernahme zu Recht abgelehnt. Überdies widerspricht sich die Beklagte insofern selbst, als sie einerseits die Notwendigkeit einer Überprüfung durch den MDK bestreitet, andererseits aber im Klageverfahren die Beiziehung der Behandlungsdokumentation durch das Gericht fordert, damit diese durch den MDK ausgewertet werden kann.
Die Einhaltung des Überprüfungsverfahrens unter Einschaltung des MDK ist nicht vom Krankenhaus vereitelt worden, sondern an der Krankenkasse gescheitert. Das Krankenhaus war zum Nachweis einer Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung bereit und hat die Beklagte mit Schreiben vom 29.08.2008 um Einschaltung des MDK gebeten. Eine andere Möglichkeit, die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung vorgerichtlich zu beweisen, als die Überprüfung durch den MDK, hat das Krankenhaus nicht. Denn aufgrund datenschutzrechtlicher Regelungen können keine medizinischen Daten des Versicherten unmittelbar an die Krankenkasse weitergegeben werden. § 301 SGB V sieht nur eine eingeschränkte Datenübermittlung vor. Lediglich im Rahmen der Überprüfung durch den MDK hat der MDK, nicht aber die Krankenkasse die Möglichkeit, die Behandlungsdokumentation einzusehen, die allein den Nachweis für die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung erbringen kann. Dabei hat das Krankenhaus selbst nicht die Befugnis, einen Begutachtungsauftrag an den MDK zu vergeben, vielmehr muss der MDK durch die Krankenkasse eingeschaltet werden. Verweigert nun die Krankenkasse eine Prüfung durch den MDK, dann nimmt sie dem Krankenhaus auch jegliche Möglichkeit, die Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung außergerichtlich nachzuweisen. Die Beklagte hat gegen die sie treffende Mitwirkungslast zur Einschaltung des MDK schuldhaft verstoßen und damit der Klägerin die vorgerichtlich vorgesehene Möglichkeit zum Nachweis der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung genommen. Dies kann vom Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt werden (Meyer-Ladewig, SGG, § 128 Rz. 5).
Die Weigerung eines Vertragspartners (hier der Beklagten), die gesetzlich vorgesehene Form der Überprüfung einzuhalten, führt zwar nicht zum sofortigen Verlust der Rechtsposition, solange eine Nachholung möglich ist. Die Überprüfung kann aber nur nachgeholt werden, solange sich der andere Vertragspartner hierauf einstellen kann und muss. Die Einleitung des Verfahrens unter Einschaltung des MDK ist deshalb dann notwendig, wenn die Krankenkasse Zweifel an der Behandlungsnotwendigkeit hat. Unterlässt sie die Einschaltung des MDK, so ist sie mit solchen Einwendungen ausgeschlossen, die vorrangig einer Nachprüfung durch den MDK zugänglich sind (vgl. BSG v. 13.12.2001 – B 3 KR 11/01 R in SozR 3-2500 § 112 Nr. 2). Die Beklagte kann die notwendige Einschaltung des MDK inzwischen auch nicht mehr nachholen. Denn § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V setzt für die Einleitung der Überprüfung ausdrücklich eine Frist von 6 Wochen nach Eingang der Abrechnung. Diese Frist war bereits bei erstmaliger Erhebung der Einwendungen am 07.08.2008 seit langem abgelaufen.
Zur Überzeugung des Gerichts ist die Notwendigkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung des Versicherten J. nachgewiesen. Da über die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung grundsätzlich zunächst der Krankenhausarzt entscheidet und die Beklagte mangels Einschaltung des MDK keine substantiierten Einwendungen hinsichtlich der Notwendigkeit einer Krankenhausaufnahme vorbringen kann, spricht für das Vorliegen einer stationären Behandlung nach wie vor der durch den aufnehmenden Krankenhausarzt begründete Anscheinsbeweis, so dass sich kein Anlass für weitergehende gerichtliche Ermittlungen ergibt. Daher war vom Gericht weder die Behandlungsdokumentation beizuziehen, noch ein Sachverständigengutachten zum Nachweis der Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung einzuholen. Wenn die Krankenkasse es versäumt, unter Ausschöpfung ihrer eigenen vorgerichtlichen Ermittlungs- und Überprüfungsmöglichkeiten ihre Einwendungen spezifiziert darzustellen, dann ist über die Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung vom Gericht kein Beweis mehr zu erheben (Umkehrschluss aus BSG v. 22.07.2004 – B 3 KR 20/03 – in SozR 4-2500 § 112 Nr. 3).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Berufung wurde vom Gericht zugelassen, da es sich um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung handelt (§ 144 Abs. 2 SGG). Zu klären ist angesichts weiterer beim Sozialgericht Augsburg gegen die Beklagte anhängiger Klageverfahren mit ähnlichem Sachverhalt, inwieweit eine Aufrechnung zulässig ist, und ob im Gerichtsverfahren die innerhalb der 6-Wochen-Frist des § 275 Abs. 1c SGB V von einer Krankenkasse versäumte Einschaltung des MDK durch die Beiziehung der Behandlungsdokumentation durch das Gericht und deren Auswertung durch den MDK nachgeholt werden kann.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm dem Gerichtskostengesetz (GKG). Da der Klagantrag auf eine bezifferte Geldleistung gerichtet war, ist deren Höhe maßgeblich (§ 52 Abs. 3 GKG).
Erstellt am: 10.06.2011
Zuletzt verändert am: 10.06.2011