Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.07.2005 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch die notwendigen Kosten des Klägers im zweiten Rechtzug. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Rahmen seiner Regelaltersrente die Berücksichtigung einer Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenhalts für August 1945 bis Dezember 1949.
Der im Oktober 1928 in Lodz, Polen, geborene Kläger ist Jude und anerkannt Verfolgter im Sinne des § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes (Bescheid des Regierungsbezirksamtes Koblenz vom 31.08.1956). Von Mai 1940 bis August 1944 musste sich der Kläger im Ghetto Lodz aufhalten, anschließend wurde er in das Konzentrationslager Auschwitz und sodann in die Lager Kaltwasser, Tannhausen und zuletzt Schotterwerk in Schlesien verbracht, wo er am 08.05.1945 befreit wurde. Nach seiner Befreiung hielt sich der Kläger zunächst bis Januar 1946 in Tschenstochau und anschließend bis April 1947 in Lodz auf, jeweils, um dort Familienangehörige zu suchen. Über die Tschechoslowakei, Österreich und Italien wanderte er sodann nach Israel aus. Dort lebt er seit September 1947.
Der Kläger erhält von der Beklagten unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) Regelaltersrente ab dem 01.07.1997 (Bescheid der Beklagten vom 11.06.2003). Dabei erkannte die Beklagte die Zeit vom 01.07.1942 bis zum 31.08.1944 als Ghetto-Beitragszeit und die Zeit vom 01.09.1944 – 08.05.1945 als Ersatzzeit (NS-Verfolgungszeit als Beitragszeit) an.
Aufgrund des Widerspruchs des Klägers mit dem Ziel der Berücksichtigung weiterer Zeiten, nämlich Ersatzzeiten wegen einer an die Befreiung anschließenden Krankheitszeit ab dem 09.05.1945 und eines anschließenden verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts, zog die Beklagte vom Amt für Wiedergutmachung in Saarburg die Entschädigungsakte des Klägers bei. Nach Auswertung der Entschädigungsakte stellte die Beklagte mit weiterem Bescheid vom 15.03.2004 die Regelaltersrente des Klägers neu fest unter Berücksichtigung der Zeit vom 09.05.1945 bis zum 08.08.1945 als Ersatzzeit (verfolgungsbedingte Arbeitsunfähigkeit als Beitragszeit). Die Berücksichtigung der Zeit vom 09.08.1945 bis Dezember 1949 lehnte die Beklagte hingegen ab. Zur Begründung führte sie aus, die beigezogene Entschädigungsakte enthalte zwar keine Hinweise über eine nach der Befreiung (08.05.1945) vorliegende Arbeitsunfähigkeit. Aufgrund des Verfolgungsschicksals des Klägers erkläre sie sich aber bereit, eine verfolgungsbedingte Arbeitsunfähigkeit im Umfang von drei Monaten (vom 09.05.1945 bis 08.08.1945) anzuerkennen. Die Anerkennung einer Ersatzzeit wegen eines verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes könne jedoch nicht erfolgen. Ein nach dem 08.05.1945 begründeter Auslandsaufenthalt könne nur dann als Ersatzzeit berücksichtigt werden, wenn er in einem ursächlichen Zusammenhang mit früheren Verfolgungszeiten stehe. Aus der Entschädigungsakte ergebe sich, dass der Kläger nach der Befreiung bis April 1947 nach Polen zurückgekehrt sei, um seine Familie zu suchen (Tschenstochau bzw. Lodz). Erst ab April 1947 sei er über die Tschechoslowakei, Österreich und Italien im September 1947 in Israel eingewandert. Bei diesem Sachverhalt sei der ursächliche Zusammenhang zwischen Verfolgungsmaßnahme und Auslandsaufenthalt nicht mehr gegeben.
Den daraufhin hinsichtlich der Berücksichtigung einer Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts weiter aufrechterhaltenen Widerspruch begründete der Klägerbevollmächtigte damit, dass der Kläger in Schotterwerk/Schlesien befreit worden sei, sich also bei Kriegsende in einem Gebiet befunden habe, welches durch das Kriegsende zum Ausland geworden sei, so dass damit ein verfolgungsbedingter Auslandsaufenthalt vorliege. Dem Widerspruch fügte der Klägerbevollmächtigte eine eigene Erklärung des Klägers vom 20.06.2004 bei. Darin gab der Kläger an, er habe nach der Befreiung als erstes seine Familie suchen wollen, habe sich daher nach Tschenstochau begeben, wo er gute Freunde gehabt und sich erhofft habe, über diese etwas über seine Familie zu erfahren. Dies sei ihm aber nicht gelungen, so dass er nach Lodz gefahren sei, wo immer wieder Namen von Verstorbenen und Überlebenden aufgetaucht seien. In Lodz habe sich endgültig ergeben, dass seine gesamte Familie der Verfolgung zum Opfer gefallen war. Da habe er seinen Auswanderungswunsch in die Tat umgesetzt; es sei ihm unmöglich gewesen, länger in der Nähe der Stätten zu bleiben, wo seine gesamte Familie auf grausame Weise umgekommen sei. Sobald sich die Gelegenheit ergeben habe, habe er Lodz verlassen und sei über die Tschechoslowakei, Österreich und Italien nach Palästina ausgewandert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung der Ablehnung der Anerkennung einer Ersatzzeit vom 09.05.1945 bis zum 31.12.1949 nahm sie auf die Ausführungen im Bescheid vom 15.03.2004 Bezug.
Mit seiner Klage vom 12.01.2005 hat der Klägerbevollmächtigte vorgetragen, laut Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13.09.1978 (5 RJ 86/77, SozR 2200 § 1251 Nr. 51) reiche für die Anerkennung einer Ersatzzeit nach § 250 Absatz 1 Nr. 4 SGB VI aus, dass sich ein Versicherter bei Kriegsende in einem Gebiet befunden habe, dessen faktische Zugehörigkeit zum Deutschen Reich mit der Befreiung geendet habe; dann habe der Auslandsaufenthalt nicht nach dem Krieg, sondern mit Kriegsende begonnen. Der Kläger sei in Schotterwerk/Schlesien befreit worden. Unabhängig davon hätten im übrigen die Hauptmotive des Klägers für die illegale Auswanderung nach Palästina im Frühling 1947 darin gelegen, dass er als einziger der Familie den Holocaust überlebt habe und durch den Verlust des persönlichen und materiellen Umfelds keine Möglichkeit gesehen habe, in Polen neu anzufangen.
Das Sozialgericht hat die Entschädigungsakte des Klägers vom Amt für Wiedergutmachung in Saarburg beigezogen.
Mit Urteil vom 14.07.2005 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, die Zeit vom 09.08.1945 bis zum 31.12.1949 als weitere Ersatzzeit anzuerkennen und die Rente neu zu berechnen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, die betreffende Zeit sei als Ersatzzeit nach § 250 Absatz 1 Nr. 4 b Sozialgesetzbuch 6. Buch (SGB VI) anzuerkennen. Der Kläger sei in Schotterwerk/Schlesien am 08.05.1945 befreit worden. Schlesien habe bis zum Kriegsende zum Deutschen Reich gehört. Der Kläger habe das Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Kriege nicht verlassen, sondern habe sich aufgrund der Verfolgungsmaßnahmen bei Kriegsende in einem Gebiet befunden, dessen faktische Zugehörigkeit zum Deutschen Reich mit seiner Befreiung beendet worden sei. Der Auslandsaufenthalt des Klägers habe also nicht nach dem Kriege, sondern mit dem Kriegsende begonnen. Der Kläger habe sich nach seiner Befreiung ohne sein eigenes Zutun im Ausland befunden, so dass die Verfolgungsmaßnahme als wesentliche Ursache angesehen werden müsse (vgl. BSG, Urteil vom 13.09.1978, 5 RJ 86/77). Es komme also nur darauf an, dass der Auslandsaufenthalt zu seinem Beginn durch Verfolgungsmaßnahmen hervorgerufen worden sei, nicht aber darauf, ob die Verfolgungsmaßnahmen für das Fortdauern des Auslandsaufenthalts ursächlich gewesen seien. Die übrigen Voraussetzungen des § 250 Absatz 1 Nr. 4 b SGB VI seien ebenfalls erfüllt.
Gegen das ihr am 12.08.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24.08.2005 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, der Ersatzzeittatbestand des verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes im Sinne des § 250 Absatz 1 Nr. 4 b SGB VI setze nach ihrer Auffassung neben der Verfolgteneigenschaft voraus, dass der Verfolgte gebietlich zunächst im Inland gewesen sei, dieses verlassen habe und ins Ausland gegangen sei, wobei Inland dabei grundsätzlich nur das Gebiet des Deutschen Reiches in seinen jeweiligen Grenzen sein könne. Es sei unstreitig, dass sich der Kläger auch nach dem Ende seiner Verfolgung nicht in Deutschland aufgehalten habe, so dass die Tatbestandsvorausetzungen des § 250 Absatz 1 Nr. 4 b SGB VI bereits mangels Auswanderung aus dem Inland nicht erfüllt seien. Bei diesem Sachverhalt sei aber auch der ursächliche Zusammenhang zwischen Verfolgungsmaßnahme und Auslandsaufenthalt nicht mehr gegeben. Mit der Frage, ob ein ausschließlich nach Kriegsende liegender Auslandsaufenthalt eine Ersatzzeit im Sinne von § 250 Absatz 1 Nr. 4 b SGB VI bzw. § 1251 Absatz 1 Nr. 4 Reichsversicherungsordnung (RVO) darstellen könne, habe sich das Bundessozialgericht bereits mehrfach befasst (Urteile des BSG vom 01.07.1970, 4 RJ 353/69, SozR Nr. 46 zu § 1251 RVO, und vom 22.09.1983, 4 RJ 81/82, SozR 2200 § 1251 Nr. 106). Ein Kausalzusammenhang zwischen Verfolgung und Auslandaufenthalt könne hier nicht einfach unterstellt werden, sondern müsse dargetan sein. Auch hätten den zusprechenden Entscheidungen Verfolgungsschicksale von Verfolgten zugrundegelegen, die ihren Wohnsitz zu Beginn der Verfolgung in Deutschland gehabt hätten, bei deren Lebensplanung demzufolge – die Verfolgung hinweggedacht – von einem Aufenthalt im Inland habe ausgegangen werden können (Urteile des BSG vom 22.09.1983, 4 RJ 81/82 und 17.12.1986, 11 a RA 44/85, VdK Mitt 1987, Nr. 7 S. 15 f.). Über die Frage, ob ein verfolgungsbedingter Auslandsaufenthalt auch für solche Verfolgte als Ersatzzeit in der deutschen Rentenversicherung anzurechnen sei, die im Ausland geboren worden seien, zu Beginn der Verfolgung im Ausland gewohnt hätten, dort befreit worden seien und nach der Befreiung eine neue Existenz im Ausland aufgebaut hätten, sei bisher höchstrichterlich nicht entschieden worden. In seinem Urteil vom 14.08.2003 (B 13 RJ 27/02 R, SozR 4 2200 § 1251 Nr. 1) habe das BSG jedoch nochmals klargestellt, dass sich die Kompensation unterbliebener Beitragszahlungen nur auf solche Zeiten beziehe, in denen ansonsten – also ohne die Verfolgung – aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung Beiträge zur deutschen Rentenversicherung (weiter) geleistet worden wären. Eine verfolgungsbedingt unterbliebene Beitragszahlung zur deutschen Rentenversicherung sei vorliegend aber weder vorgetragen noch überwiegend wahrscheinlich. Schließlich folge aus dem Urteil des BSG vom 29.03.2006 (B 13 RJ 7/05 R, SozR 4 2600 § 250 Nr. 2), dass bei einer "direkten" Auswanderung, d.h. ohne die "Zwischenstation" Deutschland oder nur mit einer "Durchgangsstation" Deutschland (im Gegensatz zum gewöhnlichen Aufenthalt) aus den (ehemaligen) eingegliederten und besetzten Gebieten nach dem 30.06.1945 kein Raum für die Anerkennung einer Ersatzzeit im Sinne des § 250 Absatz 1 Nr. 4 b SGB VI sei. Der Kläger sei aber "direkt" ausgewandert.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.07.2005 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Sie regt an, die Revision zuzulassen.
Der Klägerbevollmächtigte beantragt nach seinem Schriftsatz vom 30.09.2005,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Auch aus der Entscheidung des BSG vom 29.03.2006 ergebe sich nichts anderes. Danach sei mit der Regelung des § 250 Absatz 1 Nr. 4 b SGB VI Versicherten während eines verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes (nicht etwa also während eines Aufenthaltes in Deutschland, vgl. Urteil des BSG vom 21.08.1986, 11a RA 29/85, SozR 2200 § 1251 Nr. 120) längstens bis zum 31.12.1949 eine Überlegensfrist gewährt, ob sie dem, von dem die Verfolgungsmaßnahmen ausgegangen seien, dauerhaft den Rücken kehren wollten, ohne dabei Schaden in der Rentenversicherung zu nehmen (vgl. Urteile des BSG vom 01.07.1970, 4 RJ 353/69 und 21.08.1986, 11a RA 29/85). Weiter seien nach der Entscheidung des BSG vom 29.03.2006 grundsätzlich auch diejenigen Versicherten vom Anwendungs- und Schutzbereich der genannten Norm erfasst, die erst durch Eingliederung ihrer Heimatgebiete in das Deutsche Reich in den Geltungsbereich der RVO gelangt und nach Rückgängigmachung dieser Eingliederung wieder ausgeschieden seien; durch die Rückgängigmachung der Eingliederung liege hier bereits ein Auslandsaufenthalt vor dem 30.06.1945 vor. Die Vorschrift des § 250 Absatz 1 Nr. 4 b SGB VI sehe die Anrechnung von Ersatzzeiten bis zum 31.12.1949 allein aufgrund der Tatsache vor, dass der Verfolgte sich infolge Verfolgungsmaßnahmen im Ausland aufgehalten habe. Der Klägerbevollmächtigte hat zuletzt noch ein Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24.04.2007 (S 10 R 158/06) und ein Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 20.12.2006 (L 6 R 362/06) übersandt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte der Beklagten und die Entschädigungsakte des Amtes für Wiedergutmachung Saarburg Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte die Sache verhandeln und entscheiden, obwohl weder der Kläger noch sein Prozeßbevollmächtigter zum Termin erschienen sind. Der Prozeßbevollnächtigte ist mit der ordnungsgemäß erfolgten Terminsbenachrichtigung (Empfangsbekenntnis vom 23.05.2007) auf diese zulässige Verfahrensweise (§§ 124 Absatz 1, 153 Absatz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) hingewiesen worden.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat Anspruch darauf, dass die Zeit vom 09.08.1945 bis zum 31.12.1949 als verfolgungsbedingte Ersatzzeit bei der Berechnung seiner Regelaltersrente berücksichtigt wird. Unstreitig bestand in dieser vor dem 01.01.1992 liegenden Zeit keine Versicherungspflicht des Klägers; auch hatte der Kläger in dieser Zeit das 14. Lebensjahr vollendet; schließlich gehört er auch zum Personenkreis des § 1 BEG (vgl. auch Bescheid des Regierungsbezirksamtes Koblenz vom 31.08.1956). Neben diesen unstreitig vorliegenden Voraussetzungen des § 250 Absatz 1 Nr. 4 b SGB VI liegt aber auch dessen weitere Voraussetzung vor, dass der Kläger nämlich infolge Verfolgungsmaßnahmen bis zum 30.06.1945 seinen Aufenthalt in Gebieten außerhalb des jeweiligen Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze genommen hat.
Die Regelung des § 250 Absatz 1 Nr. 4 SGB VI ist wesentlicher Bestandteil eines umfassenden Programms der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Rentenversicherung, weshalb bei der Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale der Interpretation der Vorzug zu geben ist, die eine möglichst weitgehende Wiedergutmachung des eingetretenen Schadens erlaubt (Klattenhoff in Hauck/Noftz, Gesetzliche Rentenversicherung, Kommentar zu § 250 SGB VI, Rn 199,201). Im Lichte dieses Wiedergutmachungsgedankens, aber auch in Einklang mit der vorhandenen Rechtsprechung des BSG ist vorliegend von einem verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalt auszugehen.
Zutreffend trägt die Beklagte vor, dass es nach der Entscheidung des BSG vom 14.08.2003 (B 13 RJ 27/02 R) im Rahmen der Anerkennung einer verfolgungsbedingten Ersatzzeit um den Ausgleich rentenrechtlicher Nachteile für die infolge von Verfolgungsmaßnahmen nicht zurückgelegten (weiteren) Beitragszeiten geht. Noch weitergehend ist nach der Entscheidung des BSG vom 08.09.2005 (B 13 RJ 20/05 R, rv 2005, 176 f.) Sinn und Zweck des § 250 Absatz 1 Nr. 4 SGB VI, durch die Anerkennung einer Verfolgungsersatzzeit einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass auf Grund nationalsozialistischer Verfolgung Beitragszeiten "im Herkunftsort" nicht zurückgelegt werden konnten; § 250 mithin (nur) die Situation schützt, die zu Beginn der Verfolgungszeit bestand und die ohne die Verfolgungsmaßnahme fortgedauert hätte. Insofern hat das BSG in letztgenannter Entscheidung – für den Senat auch nachvollziehbar – der Revision der dortigen Klägerin nicht stattgegeben, die von ihrem Heimatort aus – der Heimatort der dortigen Klägerin gehörte zum sogenannten Generalgouvernement für die besetzten polnischen Gebiete – in das Innere der Sowjetunion geflüchtet war und die also ohne die Flucht bei einem Verbleib im Herkunftsgebiet keine (weiteren) in der deutschen Rentenversicherung anrechenbaren Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten hätte zurücklegen können und die auch im übrigen im Rahmen der Flucht keinen Bezug zur deutschen Rentenversicherung aufwies. Vorliegend ist aber zum einen zu bedenken, dass der Kläger, würde man allein auf den Herkunftsort abstellen, wie es das BSG (allein) in der Entscheidung vom 08.09.2005 (B 13 RJ 20/05 R) getan hat, schon an seinem Herkunftsort Lodz – zumindest ab dem 01.01.1942 – Beitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung hätte erwerben können – hier galt wegen Annexion der westlichen Teile der Republik Polen durch das Deutsche Reich ab dem 01.01.1942 die RVO (Ostgebiete-Verordnung vom 22.12.1941, Reichsgesetzblatt I 777) -, wäre der Kläger nicht infolge (weiterer) Verfolgung von seinem Herkunftsort Lodz weggebracht und in Lager, zuletzt in Schlesien, deportiert worden.
Zum anderen erweist sich aber auch im Lichte der übrigen Entscheidungsgründe des BSG im Urteil vom 14.08.2003 (B 13 RJ 27/02 R), und insbesondere der weiteren Entscheidungen des BSG vom 13.09.1978 (5 RJ 86/77) und 29.03.2006 (B 13 RJ 7/05 R), dass der Kläger infolge Verfolgungsmaßnahmen bis zum 30.06.1945 seinen Aufenthalt in Gebieten außerhalb des jeweiligen Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze genommen hat und ihm ein Ausgleich für die infolge von Verfolgungsmaßnahmen nicht zurückgelegten (weiteren) Beitragzeiten (in Form der Berücksichtigung von Ersatzzeiten wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts) zu gewähren ist. Denn die mit der Berufung vorgetragene Ansicht der Beklagten, der Ersatzzeittatbestand des verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes im Sinne des § 250 Absatz 1 Nr. 4 b SGB VI setze neben der Verfolgteneigenschaft voraus, dass der Verfolgte gebietlich zunächst im Inland gewesen sei, dieses verlassen habe und ins Ausland gegangen sei, und Inland dabei grundsätzlich nur das Gebiet des Deutschen Reiches in seinen jeweiligen Grenzen sein könne, lässt sich mit der vorhandenen und oben angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht vereinbaren. Ganz entgegengesetzt ist vielmehr höchstrichterlich bereits entschieden, dass für die Berücksichtigung verfolgungsbedingter Ersatzzeiten weder ein anfänglicher Aufenthalt noch eine Rückkehr im bzw. ins "Kerngebiet" des Deutschen Reiches erforderlich ist noch überhaupt etwa ein diesbezüglicher "Ortswechsel" im Sinne des Überschreitens von Staatsgrenzen oder Demarkationslinien erforderlich wäre. Schon in seiner Entscheidung vom 13.09.1978 (5 RJ 86/77) hat das BSG insofern klargestellt, dass dem dortigen Kläger (der von 1920 bis 1938 in Deutschland lebte, dann nach Polen in das Ghetto Warschau ausgewiesen wurde und 1944 in ein SS-Lager in Österreich gebracht wurde, wo er im Mai 1945 befreit wurde) eine Ersatzzeit wegen Verfolgung zusteht, obwohl er nach dem Krieg nicht das Gebiet des Deutschen Reiches verlassen hat, allein weil er sich aufgrund der Verfolgung bei Kriegsende in einem Gebiet befand, dessen faktische Zugehörigkeit zum Deutschen Reich mit seiner Befreiung beendet wurde, das also Ausland wurde; der Auslandsaufenthalt habe – so das BSG – insofern nicht nach dem Krieg, sondern mit dem Kriegsende begonnen. Selbst die Tatsache, dass der dortige Kläger – wie auch der Kläger hier – letztlich "erst nach Deutschland hätte zurückkehren müssen, um durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung deutsche Versicherungszeiten zu erwerben, während die in Deutschland befreiten Verfolgten die Möglicheit hatten, dort (unmittelbar) durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung deutsche Versicherungszeiten zu erwerben", hat das BSG in der Entscheidung vom 13.09.1978 (5 RJ 86/77) nicht als entgegenstehend angesehen. Denn gerade hierfür habe der Gesetzgeber den Verfolgten, die sich bei Kriegsende im Ausland befunden hätten, eine Überlegensfrist bis zum 31.12.1949 eingeräumt. Nicht entgegenstehen kann daher vorliegend, dass sich der Kläger weder anfänglich im Kerngebiet des Deutschen Reiches aufhielt oder dorthin zurückkehrte noch, dass er nach seiner Befreiung in Schotterwerk dort keine (weiteren) Versicherungszeiten in der deutschen Rentenversicherung mehr erwerben konnte, weil sich der Kläger (nur) bis 08.05.1945 durch Eingliederung Schlesiens im Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze befand, die mit dem 01.01.1940 in Schlesien anwendbar wurden (Schlesien-Verordnung vom 16.01.1940, RGBl 196, das Aussenlager Schotterwerk war Teil des Arbeitslagers Riese, dieses wiederum Aussenlager des KZ Gross-Rosen und Nebenlager von Wüstegiersdorf, Preußen, Provinz Niederschlesien). In der Entscheidung vom 14.08.2003 (B 13 RJ 27/03 R) hat das BSG dann klar ausgeführt, der Anerkennung der verfolgungsbedingten Ersatzzeit stehe auch nicht entgegen, dass der Versicherte nicht vom Inland, d.h. vom Gebiet des damaligen Deutschen Reiches, in das Ausland geflohen sei, also keine Staatsgrenze bzw. keine Demarkationsgrenze überschritten habe, sondern im Machtbereich des Staates geblieben sei, in dessen Bereich er schon bisher gelebt habe. Zwar liege ein Auslandsaufenthalt im Sinne von § 1251 RVO regelmäßig nur dann vor, wenn das Inland verlassen worden sei. Denn nach Sinn und Zweck des § 1251 Abs 1 Nr 4 RVO setze die Anerkennung einer verfolgungsbedingten Ersatzzeit voraus, dass eine Beitragszahlung zur deutschen Rentenversicherung verfolgungsbedingt unterblieben und durch Anrechnung einer Ersatzzeit zu kompensieren sei. Die Kompensation unterbliebener Beitragszahlungen beziehe sich mithin grundsätzlich nur auf solche Zeiten, in denen ansonsten aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung Beiträge zur deutschen Rentenversicherung (weiter) geleistet worden wären. Sofern man die Regelung des § 1251 Abs 1 Nr 4 RVO allerdings wie die Beklagte so verstehe, dass das "Hervorrufen eines Auslandsaufenthalts" denknotwendig zunächst den Aufenthalt im Inland (iS des jeweiligen Staatsgebiets des Deutschen Reichs) und sodann die Begründung eines Aufenthalts im Ausland (mit dem Überschreiten einer Demarkationslinie) voraussetze, greife diese Auslegung zu kurz und werde der vorliegenden Fallgestaltung nicht gerecht. Insofern hat das BSG mit dieser Entscheidung sogar einem Verfolgten eine verfolgungsbedingte Ersatzzeit (bis Mai 1945) zuerkannt, der sich zu keinem Zeitpunkt im eigentlichen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetzte befunden hatte, sondern lediglich in einem Gebiet, auf das sich der Einflussbereich des Deutschen Reichs erstreckte (der dortige Kläger war in Czernowitz (Bukowina/Rumänien) geboren und hielt sich dort bis 1941 auf, nach Beginn des deutsch-russischen Krieges 1941 flüchtete er in das Innere der Sowjetunion, kehrte nach Kriegsende nach Czernowitz zurück und wanderte von dort 1951 nach Israel aus). Im Anschluss an die Entscheidung vom 13.09.1978 hat das BSG auch in seiner jüngsten Entscheidung vom 29.03.2006 (B 13 RJ 7/05 ) ausgeführt, dass auch einem Versicherten, der erst durch Eingliederung seines Heimatgebiets in das Deutsche Reich in den Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze gelangt und nach dem Ende der Verfolgungsmaßnahmen ausgewandert sei, die Folgezeit bis Ende 1949 als Verfolgungsersatzzeit im Sinne einer rentenunschädlichen "Überlegungsfrist" anzurechnen sei. Der Umstand, dass die dortige Klägerin – außer während ihrer Verfolgungszeit – einen Bezug zur deutschen Rentenversicherung zu keinem weiteren Zeitpunkt aufgewiesen habe, schließe ihren Anspruch auf Anrechnung von Verfolgungsersatzzeiten grundsätzlich nicht aus (die dortige Klägerin war in Lodz geboren und dort bis zu ihrer Befreiung im Januar 1945 nationalsozialistischer Verfolgung ausgesetzt). Denn allein mit Zurücklegung dieser Zeiten sei ein Tatbestand gesetzt worden, der – in Verbindung mit der Verfolgteneigenschaft – das Geltendmachen einer Ersatzzeit im Sinne von § 250 Abs 1 Nr 4 SGB VI ermögliche. Dass es sich bei der (dortigen) Klägerin um eine Versicherte handele, die Beitragszeiten nur im (damals) eingegliederten Gebiet habe geltend machen können, sei unmaßgeblich. Entgegen der Auffassung der Beklagten komme es daher nicht darauf an, dass die Klägerin Beitragszeiten im Staatsgebiet des Deutschen Reiches nach dem Stand vom 30. Juni 1945 nicht zurückgelegt habe. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 250 Abs 1 Nr 4 SGB VI stünden einer Anerkennung der geltend gemachten Ersatzzeit der Klägerin nicht entgegen. Mit der Regelung sei Versicherten während eines verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes (nicht etwa also während eines Aufenthalts in Deutschland: vgl BSG vom 21.08.1986, SozR 2200 § 1251 Nr 120) längstens bis zum 31. Dezember 1949 eine "Überlegensfrist" gewährt worden, ob sie dem Land, von dem die Verfolgungsmaßnahmen ausgingen, dauerhaft den Rücken kehren wollten, ohne dabei Schaden in der Rentenversicherung zu nehmen (vgl BSG vom 01.07.1970, SozR Nr 46 zu § 1251 RVO und vom 21.08.1986, SozR 2200 § 1251 Nr 120). Grundsätzlich seien auch diejenigen Versicherten vom Anwendungs- und Schutzbereich der genannten Norm erfasst, die erst durch Eingliederung ihrer Heimatgebiete in das Deutsche Reich in den Geltungsbereich der Reichsversicherungsordnung (RVO) gelangt und nach Rückgängigmachung dieser Eingliederung wieder ausgeschieden seien. Einmal eingegliedert in den Bereich des deutschen Rentenversicherungsrechts könne ihnen – anders als Versicherten, die nur die reine "Möglichkeit" einer Auswanderung nach Deutschland für sich in Anspruch nehmen könnten (vgl. Urteil vom 8. September 2005, B 13 RJ 20/05 R) – ein Schaden in der deutschen Rentenversicherung (vgl. hierzu auch Urteil vom 14. August 2003, B 13 RJ 27/02 R) entstanden sein. Anderenfalls bliebe es dem Zufall überlassen, ob einem Versicherten die durch § 250 Abs 1 Nr 4 SGB VI eröffnete "Bedenkzeit" eingeräumt würde oder nicht. Das Einräumen der "Überlegungsfrist" könne nicht von der Zufälligkeit abhängig gemacht werden, ob ein Versicherter das Kriegsende im "Kerngebiet" des Deutschen Reichs erlebt habe oder aber in angegliederten Gebieten, in denen die Reichsversicherungsgesetze in gleicher Weise gegolten hätten.
Der Berufungsvortrag der Beklagten, es sei unstreitig, dass sich der Kläger auch nach dem Ende seiner Verfolgung nicht in Deutschland aufgehalten habe, so dass die Tatbestandsvorausetzungen des § 250 Absatz 1 Nr. 4 b SGB VI bereits mangels Auswanderung aus dem Inland nicht erfüllt seien, überzeugt daher nicht, weil er unberücksichtigt lässt, dass sich der Kläger letztlich infolge Eingliederung Schlesiens bei Kriegsende im Inland befunden hat und auch nicht gehalten war, in das "Kerngebiet" des Deutschen Reiches einzureisen, um dann aus dem "Inland" auszureisen. Auch die weiteren Ausführungen der Beklagten, ob ein ausschließlich nach Kriegsende liegender Auslandsaufenthalt eine Ersatzzeit im Sinne von § 250 Absatz 1 Nr. 4 b SGB VI bzw. § 1251 Absatz 1 Nr. 4 Reichsversicherungsordnung (RVO) darstellen könne, passen im vorliegenden Fall nicht, weil hier eben nicht die Fallkonstellation eines ausschließlich nach Kriegsende liegenden Auslandsaufenthaltes ohne vorherige Berührung mit der deutschen Rentenversicherung vorliegt. Schließlich treffen auch die weiteren Ausführungen der Beklagten – über die Frage, ob ein verfolgungsbedingter Auslandsaufenthalt auch für solche Verfolgte als Ersatzzeit in der deutschen Rentenversicherung anzurechnen sei, die im Ausland geboren worden seien, zu Beginn der Verfolgung im Ausland gewohnt hätten, dort befreit worden seien und nach der Befreiung eine neue Existenz im Ausland aufgebaut hätten, sei bisher höchstrichterlich nicht entschieden worden – nicht die vorliegende Fallkonstellation. Denn der Kläger wurde im Mai 1945 nicht im Ausland befreit, sondern in einem Gebiet, in dem zu diesem Zeitpunkt die RVO galt, und das damit als Inland galt. Abgesehen davon hat das BSG die von der Beklagten geschilderte Fallkonstellation auch bereits höchtsrichterlich entschieden, nämlich mit der Entscheidung vom 14.08.2003 (B 13 RJ 27/02 R), die die Beklagte an anderen Stellen auch selbst zitiert hat.
Schließlich kann auch der Einwand der Beklagten nicht überzeugen, der jüngsten Entscheidung des BSG vom 29.03.2006 (B 13 RJ 7/05 R) sei zu entnehmen, dass bei einer "direkten" Auswanderung, d.h. ohne die "Zwischenstation" Deutschland oder nur mit einer "Durchgangsstation" Deutschland (im Gegensatz zum gewöhnlichen Aufenthalt), aus den (ehemaligen) eingegliederten und besetzten Gebieten nach dem 30.06.1945 kein Raum für die Anerkennung einer Ersatzzeit im Sinne des § 250 Absatz 1 Nr. 4 b SGB VI sei. Zwar hat das BSG in der genannten Entscheidung ausgeführt, auch bei einer Ausreise aus einem angegliederten Gebiet mit dem Ziel der Auswanderung über die "Zwischenstation" des deutschen Staatsgebiets nach dem 30. Juni 1945 müsse grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet sein, bis zum 31. Dezember 1949 einen Nachteil in der Versicherungsbiografie der Rentenversicherung über § 250 Abs 1 Nr 4 SGB VI auszugleichen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn Deutschland nicht lediglich kurzfristige Zwischenstation bei der Ausreise gewesen, sondern hier ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet worden sei. Das sei bei einem Aufenthalt in einem DP-Lager in Deutschland – wie bei der dortigen Klägerin – grundsätzlich auch dann der Fall, wenn die konkrete Absicht bestanden habe, nach Palästina auszuwandern (BSG, Urteil vom 03.04.2001, B 4 RA 90/00 R, SozR 3-1200 § 30 Nr 21). Daraus kann nach Auffassung des Senats aber nicht der Schluss gezogen werden, das BSG habe nunmehr einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland im Anschluss an den Aufenthalt in den (ehemaligen) eingegliederten und besetzten Gebieten zur Voraussetzung für die Anerkennung einer verfolgungsbedingten Ersatzzeit gemacht. Der Senat kann dies der Entscheidung des BSG vom 29.03.2006 ebensowenig entnehmen wie der 6. Senat des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz in seiner Entscheidung vom 20.12.2006 (L 6 R 362/06), die der Klägerbevollmächtigte seiner Berufungserwiderung beigefügt hatte. Dies würde zum einen eine Abkehr von den zitierten Entscheidungen des BSG vom 13.09.1978 (5 RJ 86/77) und 14.08.2003 (B 13 RJ 27/03 R) bedeuten, ohne dass das BSG dies in seiner Entscheidung vom 29.03.2006 kenntlich gemacht hätte. Zudem versteht der Senat das Wort "auch" in der Entscheidung vom 29.03.2006 ("auch bei einer Ausreise aus einem angegliederten Gebiet mit dem Ziel der Auswanderung über die "Zwischenstation" des deutschen Staatsgebiets nach dem 30. Juni 1945 müsse grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet sein, bis zum 31. Dezember 1949 einen Nachteil in der Versicherungsbiografie der Rentenversicherung über § 250 Abs 1 Nr 4 SGB VI auszugleichen) so, dass selbst eine solche Fallkonstellation – Befreiung in einem (ehemals) eingegliederten Gebiet, dann gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland, dann Ausreise nach Israel – der Anerkennung einer verfolgungsbedingten Ersatzzeit nicht entgegensteht, obwohl nach der bisherigen gefestigten Rechtsprechung des BSG ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland an sich den "Auslandsaufenthalt" im Sinne des § 1251 RVO bzw. § 250 Absatz 1 Nr. 4 b SGB VI vorerst beendet. So hat das BSG nämlich in zahlreichen anderen Entscheidung deutlich gemacht, dass die Ersatzzeit des verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts den Sinn hat, zunächst den Verfolgten dafür zu entschädigen, daß allein schon der (erzwungene) Aufenthalt im Ausland dem Erwerb inländischer Versicherungszeiten entgegenstand (Urteil des BSG vom 15.10.1985, 11a RA 32/84, SozR 2200 § 1251 Nr 116), und nach dem Kriegsende dem Verfolgten Gelegenheit zu geben, die Frage und die Möglichkeiten einer Rückkehr innerhalb einer angemessenen Zeitspanne zu überdenken; dieses Zwischenstadium ende jedoch, sobald im Inland Aufenthalt genommen worden sei (Urteil des BSG vom 01.07.1970, 4 RJ 353/69 und vom 05.02.1976, 11 RA 44/75, SozR 2200 § 1251 Nr 17). Zuzugestehen ist der Beklagten allerdings, dass die weiteren Ausführungen des BSG in seiner Entscheidung vom 29.03.2006 dann wenig nachvollziehbar erscheinen, dass nämlich "dies jedenfalls dann gelte, wenn Deutschland nicht lediglich kurzfristige Zwischenstation bei der Ausreise gewesen, sondern hier ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet worden sei." Vor dem Hintergrund der Entscheidungen des BSG vom 01.07.1970 und 05.02.1076 wäre hier das Wort "jedenfalls" nicht passend, eher ein "sogar". Wegen dieser grundsätzlichen Frage hat sich der Senat zur Zulassung der Revision entschieden.
Der Kläger hat daher nach Auffassung des Senats nach alledem bis zum 30.06.1945 seinen Aufenthalt in Gebieten außerhalb des jeweiligen Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze genommen und diesen bis zum 31.12.1949 beibehalten. Er befand sich bei Kriegsende am 08.05.1945 infolge Verfolgung in Schotterwerk in Schlesien. Damit befand sich der Kläger am 08.05.1945 durch Eingliederung Schlesiens im Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze, denn diese wurden mit dem 01.01.1940 in Schlesien anwendbar (Schlesien-Verordnung vom 16.01.1940, RGBl 196). Schlesien wurde mit Kriegsende faktisch Ausland, die Anwendbarkeit der Reichsversicherungsgesetze endete. Auch danach hat sich der Kläger im Ausland aufgehalten. Er ist zunächst nach Tschenstochau und dann nach Lodz zurückgekehrt, wo zum damaligen Zeitpunkt die Reichsversicherungsgesetze auch nicht mehr anwendbar waren. Danach hat er sich auf dem Weg der Auswanderung nach Palästina in der Tschechoslowakei, Österreich und Italien und ab September 1947 in Israel aufgehalten.
Der Auslandsaufenthalt wurde auch durch Verfolgungsmaßnahmen hervorgerufen. Das BSG hat dazu in seiner Entscheidung vom 13.09.1978 (5 RJ 86/77) ausgeführt: "Der Kläger hat das Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Kriege nicht verlassen, sondern befand sich aufgrund der Verfolgungsmaßnahmen bei Kriegsende in einem Gebiet, dessen faktische Zugehörigkeit zum Deutschen Reich mit seiner Befreiung beendet wurde, das also Ausland im Sinne des § 1251 Absatz 1 Nr. 4 RVO war. Der Auslandsaufenthalt des Klägers begann also nicht nach dem Krieg, sondern mit dem Kriegsende. Der Kläger befand sich nach seiner Befreiung ohne sein eigenes Zutun im Ausland, so dass die Verfolgungsmaßnahme als wesentliche Ursache angesehen werden muß." Auch durch die Rückkehr ins Vertreibungsgebiet – Lodz – ist die Kausalität nicht in Frage zu stellen. Wie das Sozialgericht Düsseldorf in der vom Klägerbevollmächtigten übersandten Entscheidung vom 24.04.2007 (S 10 R 158/06) ausgeführt hat, stellt sich die Rückkehr ins Heimatgebiet solange als unschädlich dar, wie der Verfolgte nur vorübergehend – beispielsweise zur Suche nach Angehörigen – ins Vertreibungsgebiet zurückkehrt, da ein solches Verhalten nahe liegend ist und es sich um eine Nachwirkung der Verfolgung handelt; anderes könne nur gelten, wenn der Verfolgte längerfristig Aufenthalt in den Vertreibungsgebieten nehme, da er dann durch sein Verhalten deutlich mache, dass er die Verfolgung als abgeschlossen betrachte und sich (freiwillig) im ehemaligen Vertreibungsgebiet niederlasse. Dem schließt sich der Senat an. Der Kläger hat sich jedoch nur von Mai 1945 bis Januar 1946 in Tschenstochau und dann bis April 1947 in Lodz zwecks Suche nach Familienangehörigen,- siehe seine eindringliche und überzeugende Erklärung vom 20.06.2004,- aufgehalten, somit nicht längerfristig. Auch die nachfolgenden Zwischenstationen in der Tschechoslowakei, Österreich und Italien dienten nur der Ausreise nach Israel (vgl. abermals die auch insoweit schlüssige Erklärung des Klägers vom 20.06.2004), die dann im September 1947 vollzogen war.
Aus alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Wegen der in Teilen grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (s.o.) hat der Senat die Revision zugelassen, § 160 Absatz 2 Nr. 1 SGG.
Erstellt am: 29.08.2007
Zuletzt verändert am: 29.08.2007