Beschwerde zurückgewiesen
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 02.01.2013 wird zurückgewiesen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
Gründe:
Die fristgerecht erhobene Beschwerde, mit der die Klägerin sich gegen die Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht Münster wendet, ist gemäß § 17a Abs. 4 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) in der Fassung vom 17.12.2008 in Verbindung mit §§ 172 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig.
Sie ist jedoch unbegründet. Für den vorliegenden Rechtsstreit ist, wie das Sozialgericht zu Recht entschieden hat, der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet.
Die Zuständigkeit für Vollstreckungsmaßnahmen der dem Sozialgesetzbuch unterstehenden Leistungsträger ist in § 66 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) geregelt; diese erfolgt bei kommunalen Trägern wie hier gemäß Abs. 3 nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften über das Verwaltungsvollstreckungsverfahren. Abs. 4 räumt die Möglichkeit einer Zwangsvollstreckung in entsprechender Anwendung der Zivilprozessordnung ein.
Der Sozialhilfeträger hat hier den Weg der Vollstreckung durch die kommunale Vollstreckungsbehörde gewählt und offensichtlich die Stadtkasse als zuständige Vollstreckungsbehörde gemäß §§ 2 und 53 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NW) ersucht.
Für die Prüfung der Zuständigkeit einer Klage ist damit zunächst die allgemeine Zuständigkeitsregelung in § 40 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zugrunde zu legen; danach ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Dass eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art vorliegt, bedarf keiner Erörterung, entgegen der Auffassung des Kläger und der Beklagten, die insoweit die Rechtsauffassung des Klägers teilt, liegt aber auch keine abdrängende Sonderzuweisung durch ein Bundesgesetz vor.
Denn die besondere Zuständigkeitsregelung in § 51 Abs. 1, hier insbesondere Nr. 6a SGG, wonach die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit u.a. über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialhilfe entscheiden, greift nicht.
Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung liegt vor, wenn die Möglichkeit gegeben ist, dass die aus dem vom Kläger vorgetragenen Sachverhalt hergeleiteten Rechtsfolge ihre Grundlage im materiellen Sozialversicherungsrecht (bzw. Sozialhilferecht) findet (BSG, Beschluss vom 26.10. 2010 – B 8 AY 1/09 R -, juris Rn. 6; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10.Aufl. 2012, § 51 Rn.31).
Hier wendet sich die Klägerin nicht gegen die Forderung, die der Vollstreckung zugrunde liegt, hinsichtlich derer die im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) herzuleitenden Rechtsfolgen anzuwenden wären. Vielmehr wendet sie sich gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung mit der Begründung, sie verfüge nicht über das Vermögen, in das eine Verpfändungsverfügung bzw. Arrest durch die ersuchte Vollstreckungsbehörde erfolgt sei. Damit wendet sie sich gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung. Die aus diesem Sachverhalt herzuleitende Rechtsfolge, nämlich die Frage der Rechtmäßigkeit der Vollstreckung gerade in das dort bezeichnete Vermögen, ist im Sozialgesetzbuch nicht geregelt, sondern richtet sich nach den Vorschriften des VwVG NW.
Welche Rechtsschutzmöglichkeiten im Zusammenhang mit der Vollstreckung von Ansprüchen nach dem Sozialgesetzbuch bestehen, hängt demgemäß davon ab, welche Maßnahmen angegriffen werden und welche Stelle gehandelt hat. Einwendungen gegen die vollstreckbare Forderung, d.h. den Leistungsbescheid, sind daher mit sozialgerichtlichen Rechtsbehelfen geltend zu machen. Für Einwendungen gegen die Art und Weise der Vollstreckung ist , sofern – wie hier – nach § 66 Abs. 3 SGB X in Verbindung mit dem einschlägigen Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Landes kommunale Behörden für die Vollstreckung zuständig sind, demgegenüber der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (Aubel in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 40, Rn. 173). Eine Ausnahme gilt nur, soweit der Leistungsträger die Vollstreckung durch eigene Bedienstete ausführen lässt, denn es kommt darauf an, ob das ersuchte Vollstreckungsorgan dem Rechtsweg des § 51 SGG unterliegt (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 51 Rn.39; Zeihe, SGG, 8.Aufl. Stand 01.11.2012, § 51 Rn. 3i, ii; aA. ohne Begründung Ulmer, in Hennig, SGG, Stand Dez.2012, § 51 Rn. 51 "Vollstreckung").
Eine andere Rechtsauffassung ergibt sich aus den von den Beteiligten angeführten Entscheidungen bzw. Kommentierungen überwiegend nicht. Im vom Kläger angeführten Beschluss des Landessozialgerichtes Baden-Württemberg vom 20.05.2010 – L 10 L 5533/07 hatte die dortige Beklagte, ein Rentenversicherungsträger, die Vollstreckung gemäß § 66 Abs. 3, 1 SGB X nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz durch ihre eigene Vollstreckungsbehörde durchführen lassen, so dass der beschriebene Ausnahmefall vorlag. In der von der Beklagten zitierten Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23.08.1956 – 3 RK 78/55 wird entgegen der Auffassung der Beklagten die oben dargestellte Rechtsauffassung zu Grunde gelegt, ohne dass über die Abgrenzung letztendlich entschieden werden musste. Das BSG hat ausgeführt, bereits das Reichsversicherungsamt habe in einem ähnlichen Fall für die Frage, welche Aufsichtsbehörde zur Entscheidung über die angefochtene Vollstreckungsmaßnahme berufen sei, darauf abgestellt, ob ein Vollziehungsbeamter der Gemeindebehörde oder ein zum Vollziehungsbeamten bestellter Angestellter der Krankenkasse tätig geworden sei; in einem solchen Fall sei auch für Streitigkeiten über die Art und Weise der Zwangsvollstreckung der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben. Die Zuständigkeit der Sozialgerichte wurde demgemäß auch für die Zwangsbeitreibung der Krankenkassen jedenfalls dann bejaht, wenn sie in dem spezifischen, den Krankenkassen vorbehaltenen Vollstreckungsverfahren durch Vollstreckungs- beamte der Kasse erfolge (BSGE 3, 204, juris Rn.20).
In der von der Beklagten zitierten Entscheidung des BSG vom 02.03.1973 – 12/3 RK 2/71, in der die dortige Beklagte, ebenfalls eine Krankenkasse, wie hier die Vollstreckungsbehörde der Kommune ersucht hatte, war der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit mit der Begründung bejaht worden, dass der dortige Kläger sich nicht gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung durch die Behörde, sondern gegen die Berechtigung, die Beitragsforderung selbst geltend zu machen, gewandt hat. Da die Art und Weise der Zwangsvollstreckung nicht angegriffen worden war, konnte das BSGE offen lassen, ob in solchen Fällen etwa ein anderer Rechtsweg gegeben wäre (BSGE 35,236; juris Rn. 20).
Zwar hat das Oberverwaltungsgericht NRW im von der Beklagten zitierten Beschluss vom 24.6.2008 – 12 E 784/08 (juris Rn. 5) für eine Klage mit dem sinngemäßen Begehren, "Verstöße des Beklagten gegen das Verwaltungsrecht/die Verwaltungsgesetze der Bundesrepublik Deutschland festzustellen, welche dieser sämtlich in solchen Verwaltungsverfahren begangen haben soll, die die Gewährung von Sozialhilfe nach den Bestimmungen des SGB XII an den Kläger betreffen", eine Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit angenommen. Hieraus lässt sich allerdings nicht eindeutig schließen, ob der dortige Kläger sich auch gegen die zu Grunde liegende Forderung gewandt hat; jedenfalls aber hat sich das OVG sich mit der diskutierten Problematik nicht auseinandergesetzt, so dass kein Anlass besteht, von der dargestellten Abgrenzungsweise abzuweichen.
Soweit die Beklagte sich auf die Kommentierung zum Sozialgerichtsgesetz in Breitkreuz/Fichte (Wolff-Dellen, Rn. 40f zu § 51) beruft, so ist dieser eine eindeutige, anders lautende Auffassung ebenfalls so nicht zu entnehmen. Richtig ist zwar, dass es dort heißt, dass, sofern die Vollstreckung nach dem VwVG erfolge, für Rechtsbehelfe der Rechtsweg gegeben sei, dem der geltend gemachte Anspruch unterfalle. Sodann heißt es jedoch, erfolge die Vollstreckung nicht durch die Behörde selber, sondern, wie zu Beispiel regelmäßig in Angelegenheiten der Bundesagentur für Arbeit nach den Vorschriften der Abgabenordnung (AO) durch die Hauptzollämter als Vollstreckungsbehörden, so sei gegen Vollstreckungsakte der Hauptzollämter im Finanzrechtsweg vorzugehen. Bei entsprechender Übertragung letzterer, wohl insoweit herrschender Meinung auf den hier zu entscheidenden Fall dürfte sich die Bejahung des Verwaltungsrechtsweges im hier zu entscheidenden Fall ergeben. Aus welchen Gründen etwas anderes zu gelten hat, weil der Träger der Sozialhilfe nicht nach der ZPO, sondern nach dem VwVG handelt, ist nicht ersichtlich. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Auffassung, es sei stets der Rechtsweg gegeben, dem der geltend gemachte Anspruch unterfalle, ist jedenfalls nicht ersichtlich und wird auch in der genannten Kommentierung nicht angeführt (vgl. auch Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Urteil vom 03. November 2009 – 7 A 123/08 -, juris Rn. 47).
Nach alledem konnte die Beschwerde keinen Erfolg haben.
Die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Münster folgt aus § 52 Nr. 3 Satz 1 VwGO. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. § 17b Abs. 2 GVG findet keine Anwendung (vgl. BSG, Beschluss vom 26.10. 2010 – B 8 AY 1/09 R -, juris Rn. 12 mwN.).
Wegen grundsätzlicher Bedeutung wird die weitere Beschwerde zum Bundessozialgericht (§ 17a Abs. 4 Satz 4 und 5 GVG) zugelassen.
Erstellt am: 22.10.2013
Zuletzt verändert am: 22.10.2013