Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 27.09.2011 geändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 23.07.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2008 verurteilt, dem Kläger über die bisherige Bewilligung hinaus für den Monat August 2008 weitere 21,09 EUR Sozialhilfe zu zahlen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich noch gegen die abweichende Festsetzung seines Bedarfes nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII) für den Monat August 2008.
Der am 00.00.1969 geborene Kläger leidet an starken psychischen Einschränkungen. Auf Ersuchen der Beklagten nach § 45 S. 1 SGB XII stellte der Träger der Gesetzlichen Rentenversicherung, die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund, am 28.10.2009 bei ihm volle Erwerbsminderung auf Dauer seit dem 15.03.2005 fest.
Im Jahr 2007 bezog der Kläger zunächst Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende. Nachdem Dr. E vom Gesundheitsamt der Beklagten in einem Gutachten vom 21.06.2007 festgestellt hatte, dass von einer Erwerbsfähigkeit des Klägers in den nächsten beiden Jahren nicht auszugehen sei, beantragte dieser im Juli 2007 bei der Beklagten Leistungen nach dem SGB XII. Dieser Antrag wurde zunächst nicht (positiv) beschieden, weil es Probleme mit der Feststellung des Aufenthaltsortes und möglicherweise entgegenstehendem Vermögen des Klägers gab; fraglich waren der Verbrauch von finanziellen Mitteln auf einem Sparbuch und einem Girokonto sowie der Einsatz von zwei Lebensversicherungsguthaben. Daraufhin strengte der Kläger ein Eilverfahren an, in dem die Beklagte dazu verpflichtet wurde, ihm darlehensweise für die Zeit von November 2007 bis April 2008 Hilfe zum Lebensunterhalt i.H.v. 347,00 EUR monatlich zu gewähren und – ebenfalls darlehensweise – die Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung für die Zeit von August 2007 bis April 2008 zu übernehmen (Beschlüsse des Sozialgerichts (SG) Münster vom 28.11.2007 – S 12 SO 107/07 ER sowie des erkennenden Senats vom 18.04.2008 – L 20 B 141/07 SO ER).
In dem Anschlusszeitraum ab Mai 2008 gewährte die Beklagte dem Kläger freiwillig laufend weiter monatsweise Leistungen nach dem Dritten Kapitel SGB XII. Die Leistungen wurden für den Monat Mai 2008 noch als Darlehen erbracht, danach als Zuschuss.
Hinsichtlich einer der beiden Lebensversicherungen des Klägers (Nr. 000) bestand seit April 2007 ein Verwertungsausschluss gemäß § 165 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz (in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung) mindestens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres des Klägers. Dieser Ausschluss bezog sich auf jede Nutzung des wirtschaftlichen Wertes der Versicherung zugunsten des Klägers oder eines Dritten, sei es durch Kündigung, Beleihung, Verpfändung oder Abtretung. Die andere Lebensversicherung (Nr. 000), für die ein Verwertungsausschluss nicht vereinbart war, wies im April 2006 einen Rückkaufswert von 3.071,45 EUR und im August 2007 einen Rückkaufswert von 3.112,98 EUR auf. Über ein Sparbuch oder nennenswerte Beträge auf seinem Girokonto verfügte der Kläger im August 2008 nicht mehr. Weitere Vermögenswerte oder anderweitige Einkünfte waren in diesem Monat ebenfalls nicht vorhanden.
Seit dem Frühjahr 2008 wohnte der Kläger übergangsweise in der Wohnung seines Bekannten Herrn F im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten. Kosten der Unterkunft und Heizung fielen für den Aufenthalt des Klägers in der Wohnung des Herrn F, der sich während dieser Zeit im Krankenhaus befand, nicht an.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 18.06.2008 ließ der Kläger der Beklagten mitteilen, dass er sich bis auf weiteres weiterhin allein in der Wohnung des Herrn F aufhalte. Er trage auch die Kosten der Haushaltsführung allein. Die Beklagte wies deshalb mit Schreiben vom 19.06.2008 den Klägerbevollmächtigten u.a. darauf hin, dass der dem Kläger gewährte Regelsatz um den darin vorgesehenen Kostenanteil für Haushaltsenergie von 8 % zu kürzen sei; denn Herr F fordere keine Beteiligung an den Haushaltsenergiekosten, so dass entsprechende Kosten für den Kläger tatsächlich zur Zeit nicht anfielen. Sofern Herr F zu einem späteren Zeitpunkt entsprechende Forderungen gegen den Kläger geltend machen sollte, möge der Kläger hierzu geeignete Nachweise einreichen. Eine Berücksichtigung dieser Kosten könne dann erneut geprüft werden. Ein rechtsmittelfähiger Bescheid mit der genauen Leistungsberechnung ergehe zum 01.07.2008 an die neue Adresse.
Mit Bescheid vom 21.06.2008, adressiert an "F, St. c./o. X-Straße 00, N", bewilligte die Beklagte dem Kläger für den Monat Juli 2008 Leistungen i.H.v. 329,91 EUR; dabei handelte es sich um den um 21,09 EUR gekürzten Regelsatz. Mit Bescheid vom 23.07.2008 bewilligte sie dem Kläger Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII in gleicher Höhe für den Monat August 2008.
Mit anwaltlichem Faxschreiben vom 11.08.2008 legte der Kläger gegen die Leistungsbewilligungen für die Monate Juli und August 2008 Widerspruch ein. Er teilte mit, der angekündigte rechtsmittelfähige Bescheid mit genauer Leistungsabrechnung sei bislang noch nicht bekannt gegeben worden. Ungeachtet dessen habe die Beklagte die Leistungen zu Unrecht gekürzt. Eine abweichende Festlegung des Regelsatzes nach § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII komme schon deshalb nicht in Betracht, weil es sich bei der Haushaltsenergie nicht um einen Bedarf im Sinne des § 27 Abs. 1 S. 1 SGB XII handele. Nur auf die dort genannten Bedarfe beziehe sich § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII. Zudem sei beispielsweise nicht bekannt, dass Nichtrauchern der statistische Anteil an Tabakwaren ebenfalls aus dem Regelsatz herausgerechnet werde. Ergänzend verwies der Kläger auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18.06.2008 – B 14 AS 22/07; danach sei auch für den Bereich des Sozialhilferechts darauf zu schließen, dass eine Reduzierung der Regelleistung auf der Grundlage einer individuellen Bedarfsermittlung grundsätzlich nicht zulässig sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2008 (beim Klägerbevollmächtigten eingegangen am 13.11.2008) wies die Beklagte die Widersprüche betreffend die Leistungen für die Monate Juli und August 2008 zurück. Der Widerspruch vom 11.08.2008 sei bezogen auf die Leistungen für den Monat Juli 2008 nicht fristgerecht eingegangen. Der entsprechende Bescheid sei am 26.06.2008 versandt worden und gelte somit nach § 37 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) am 30.06.2008 als bekannt gegeben. Die übliche Widerspruchsfrist sei daher mit dem 31.07.2008 abgelaufen. Der Widerspruch gegen die Leistungsbewilligung für den Monat August 2008 sei zwar zulässig, aber nicht begründet. Die Aufzählung der Bedarfe in § 27 Abs. 1 S. 1 SGB XII sei nach dem Gesetzeswortlaut nicht abschließend. In den Regelsätzen sei pauschaliert u.a. ein Anteil für Wasser, Strom, Gas und andere Brennstoffe enthalten, was zusammengefasst die Haushaltsenergiekosten ausmache. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Urteil des BSG vom 27.02.2008 – B 14/11b AS 15/07 R. Durch Fortschreibung der in dem Urteil genannten Grundlagen habe sie einen in dem Eckregelsatz enthaltenen Haushaltsenergieanteil i.H.v. 21,09 EUR ermittelt. Nach § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII könnten abweichende Bedarfe festgestellt und bewilligt werden. Mangels vorgelegter Nachweise, dass sich der Kläger an den Haushaltsenergiekosten im Monat August 2008 habe beteiligen müssen, sei daher die Kürzung des Regelsatzes zu Recht erfolgt.
Am 15.12.2008 (einem Montag) hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Münster erhoben. Die Bekanntgabefiktion des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X gelte nicht, wenn der Verwaltungsakt – wie hier – nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen sei. Gegen eine Bekanntgabe spreche schon die unzutreffende Gestaltung des Adressfeldes. Da der angefochtene Bescheid zum Zeitpunkt der Erhebung des Widerspruchs überhaupt noch nicht bekannt gegeben worden sei, könne er auch keine Frist versäumt haben. Die Gewährung von Regelsätzen (§ 28 Abs. 1 S. 1 SGB XII) schließe eine abweichende Bemessung in Ausnahmefällen zwar nicht generell aus. In Abgrenzung zum früheren Sozialhilferecht solle jedoch ein kleinliches Hin- und Hergezerre, je nachdem, ob ein bestimmter Teilbedarf entstanden sei oder nicht, vermieden werden. Eine anderweitige Bedarfsdeckung könne zwar dann vorliegen, wenn regelmäßig Dritte für Teile des Lebensunterhaltes aufkämen. In seinem Falle scheide dies jedoch deshalb aus, weil er sich nur für einen recht kurzen Zeitraum in der Wohnung des Herrn F aufgehalten habe.
Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
die Bescheide der Beklagten vom 20.06.2008 (gemeint 21.06.2008) und vom 23.07.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger über die bisherige Bewilligung hinaus für die Monate Juli und August 2008 jeweils weitere 21,09 EUR zu bewilligen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 21.06.2008 sei zu Recht wegen Verfristung als unzulässig zurückgewiesen worden. Die Versendung des Bescheides am 26.06.2008 lasse sich belegen. Im Übrigen sei die Klage hinsichtlich beider Monate unbegründet. Die Kürzung des Regelsatzes um den darin enthaltenen Energiekostenanteil sei gemäß § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII zu Recht erfolgt, weil der Kläger seinen Bedarf anderweitig gedeckt habe. Die Urteile des BSG vom 11.12.2007 – B 8/9b SO 21/06 R sowie vom 23.02.2010 – B 8 SO 17/09 R seien nicht einschlägig. Nach Scheider (in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Auflage 2010, § 28 Rn. 12) sei zu differenzieren, wenn die Sicherstellung eines (Teil-) Bedarfes durch Dritte, die nicht Sozialleistungsträger seien, erfolge. Erhalte der Leistungsberechtigte eine finanzielle Unterstützung, mit der er seinen Bedarf (teilweise) decken könne, scheide eine abweichende Festlegung nach § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII aus. Werde der Bedarf (teilweise) direkt gedeckt, sei der Anwendungsbereich des § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII eröffnet. Die mietfreie Zurverfügungstellung der Wohnung (einschließlich Haushaltsenergie) sei kein Einkommen im Sinne des § 82 SGB XII. Es handele sich insbesondere nicht um einen Sachbezug nach §§ 1 und 2 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII, da die Wohnung dem Kläger nicht als Arbeitseinkommen oder im Rahmen einer Entgeltersatzleistung durch einen Sozialleistungsträger zur Verfügung gestellt worden sei. Die durch die mietfreie Nutzungsmöglichkeit der Wohnung (einschließlich Haushaltsenergie) beim Kläger eingetretene Ersparnis sei auch nicht lediglich eine vorübergehende gewesen. Vorübergehend sei eine Bedarfsabweichung, die sich nicht mindestens einen Kalendermonat lang auswirke. Beim Kläger habe sich die Ersparnis jedoch über zwei Monate erstreckt, wobei zusätzlich zu berücksichtigen sei, dass im Zeitpunkt der Leistungsbewilligung noch nicht absehbar gewesen sei, ob er nicht sogar länger als zwei Monate mietfrei bei Hern F wohnen würde.
Das Sozialgericht hat am 07.06.2011 einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts durchgeführt und darin den Kläger persönlich angehört. In diesem Termin haben die Beteiligten übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Durch Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 27.09.2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und die Berufung nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zugelassen. Auch der Widerspruch des Klägers gegen die Höhe der ihm für Juli 2008 gewährten Leistungen sei zulässig. Denn die Beklagte habe nicht nachweisen können, dass der Bescheid vom 21.06.2008 dem Kläger tatsächlich zugegangen sei. Die danach sowohl für Juli als auch für August 2008 zulässige Klage sei jedoch nicht begründet. Die Entscheidung der Beklagten, dem Kläger für die genannten Monate nur den um den Energiekostenanteil gekürzten Regelsatz eines Haushaltsvorstandes zu gewähren, sei wegen § 28 Abs. S. 2 SGB XII (in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung) rechtmäßig. Die Regelung finde auch dann Anwendung, wenn man berücksichtige, dass die DRV-Bund zwischenzeitlich festgestellt habe, dass der Kläger bereits seit dem 15.03.2005 auf Dauer voll erwerbsgemindert sei und deshalb in dem hier fraglichen Zeitraum einen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten – und nicht nach dem Dritten – Kapitel des SGB XII gehabt habe (§ 42 S. 1 Nr. 2 SGB XII). § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII greife ein, weil der Kläger für die Dauer seines Aufenthalts in der Wohnung des Herrn F keinen Bedarf an Haushaltsenergie gehabt habe. Dieser Bedarf sei unmittelbar durch Herrn F gedeckt worden. Die Beklagte sei daher berechtigt gewesen, den zur Deckung der Kosten der Haushaltsenergie in dem Regelsatz eines Haushaltsvorstandes enthaltenen Anteil abzuziehen. Dem stehe nicht entgegen, dass sich der Kläger nur für einen vorübergehenden Zeitraum von etwa drei Monaten in der Wohnung des Herrn F aufgehalten habe. Eine Regelsatzkürzung sei auch bei einer nur vorübergehenden Bedarfsdeckung durch Dritte nach dem Gesetzeswortlaut möglich und in der Sache verhältnismäßig. Der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 11.12.2007 – B 8/9b SO 21/06 R zur Auslegung des § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII werde nicht gefolgt. Die dortige Auffassung, eine Kürzung der Regelsatzleistungen sei nur dann möglich, wenn die anderweitige Bedarfsdeckung aus Mitteln der Sozialhilfe erfolge, finde im Gesetzeswortlaut keine Stütze und lasse sich aus der Gesetzesbegründung nicht herleiten. Letzterer (BT-Drs. 15/1514 S. 59) lasse sich vielmehr entnehmen, dass der Gesetzgeber eine abweichende Bemessung der Regelsatzleistungen unabhängig davon habe zulassen wollen, ob die anderweitige Bedarfsdeckung aus Mitteln der Sozialhilfe erfolge oder nicht. Es hätten gerade Leistungen ("privater") Dritter bedarfsmindernd Berücksichtigung finden sollen. Auch die vom BSG zur Begründung herangezogene notwendige Abgrenzung zum Einkommen (§ 82 SGB XII) rechtfertige seine Auslegung nicht. § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII setzte bereits bei der Berechnung bzw. Festlegung des sozialhilferechtlichen Bedarfes an. Der sozialhilferechtliche Bedarf zeichne sich dadurch aus, dass er gegenständlich bestimmt werde (vgl. § 27 Abs. 1 SGB XII). Bei § 28 Abs. 1 S. 2 1. Var. SGB XII gehe es um die Frage, ob ein Teil des gegenständlich bezeichneten Regelsatzbedarfs unmittelbar teilweise oder ganz anderweitig gedeckt sei. Sei dies der Fall, werde der Regelsatz um die zur Deckung dieses Bedarfs in dem Regelsatz enthaltenen Mittel gekürzt. Erst wenn der sozialhilferechtliche Bedarf selbst ermittelt sei, sei in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob zur Deckung dieses Bedarfs Mittel zur Verfügung stünden. Folgerichtig unterscheide § 82 SGB XII nicht mehr zwischen Einnahmen, die einen bestimmten Bedarf deckten, und solchen, die ebenso gut zur Deckung anderer Kosten des Lebensunterhaltes (z.B. Kosten der Unterkunft) eingesetzt werden könnten. Einnahmen im Sinne des § 82 SGB XII seien grundsätzlich dem sozialhilferechtlich Bedarf insgesamt entgegengehalten ohne Differenzierung danach, ob sie nur für bestimmte Bedarfszwecke eingesetzt werden könnten. Deshalb lasse sich § 82 SGB XII zwanglos dahingehend auslegen, dass zum Einkommen nicht solche Mittel zählten, die bereits bei der Feststellung des sozialhilferechtlichen Bedarfs (hier: Höhe der Regelsatzleistungen) berücksichtigt worden seien, die sich also unmittelbar bedarfsmindernd auswirkten. Dieses Verständnis entspreche auch dem im Wortlaut des § 28 Abs. 1 S. 3 SGB XII zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Willen, aus den Regelsatzleistungen nur den durch Dritte tatsächlich gedeckten Bedarfsanteil heraus zu rechnen. Die Anwendung des § 82 SGB XII hätte demgegenüber zur Konsequenz, dass der Wert des gedeckten Bedarfs bzw. der bedarfsdeckenden Leistungen unter Berücksichtigung der Sachbezugsverordnung festgestellt werden müsste. Denn gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII seien für die Bewertung von Einnahmen, die nicht in Geld bestünden (Kost, Wohnung und sonstige Sachbezüge) – und dies seien typischerweise Leistungen Dritter, die schon den Bedarf an Hilfe zum Lebensunterhalt reduzierten – die aufgrund des § 17 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung zuletzt festgesetzten Werte maßgebend; soweit der Wert der Sachbezüge nicht festgesetzt sei, seien der Bewertung die üblichen Mittelpreise des Verbrauchsortes zugrundezulegen. Schon ein Vergleich der in der Verordnung enthaltenen Werte etwa für ein kostenlos zur Verfügung gestelltes Mittagessen mit dem in dem Regelsatz für diesen Bedarf enthaltenen Anteil zeige, dass der Sachbezug überbewertet würde. Letztlich wäre das Ergebnis, den Sachbezug in Höhe des tatsächlichen im Regelsatz enthaltenen Bedarfsanteils zu bewerten. Dies folge auch aus der Regelung des § 2 Abs. 1 S. 2 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII, der die Verpflichtung zur Deckung des Lebensunterhalts im Einzelfall als oberstes Gebot enthalte. Diese Regelung sei dahingehend zu verstehen, dass die Anrechnung von Sachbezügen letztlich nicht dazu führen dürfe, dass der Lebensunterhalt nicht sichergestellt sei. Im Übrigen führe die Auslegung des BSG zu Ungerechtigkeiten in der Leistungsbemessung. Personen, deren Bedarf anderweitig durch Dritte gedeckt werde, würden finanziell besser gestellt als solche, deren Bedarfsdeckung aus Mitteln der Sozialhilfe erfolge. Denn das BSG habe in seinem Urteil vom 13.03.2010 – B 8 SO 17/09 R deutlich gemacht, dass es Zuwendungen Dritter, die nicht Arbeitgeber seien, in Form des Sachbezuges (etwa unentgeltliches Essen oder – wie hier – kostenlose Energieversorgung) nicht als Einkommen im Sinne des § 82 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII werte. Dies habe zur Konsequenz, dass Leistungsberechtigte, die unmittelbar bedarfsdeckende Sachleistungen Dritter erhielten, letztlich über höhere Mittel zur Deckung ihres Lebensunterhalts verfügten als Leistungsberechtigte, deren Regelsatzbedarf (ganz oder teilweise) aus Mitteln der Sozialhilfe gedeckt werde. Dieser Ungerechtigkeit könne nur dadurch begegnet werden, dass entweder eine Regelsatzkürzung möglich sei, oder dass § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII nicht einschränkend im Sinne der Rechtsprechung des BSG auszulegen sei. In beiden Fällen habe der Kläger keinen Anspruch auf die Gewährung höherer als der ihm bewilligten Leistungen.
Gegen das dem Klägerbevollmächtigten am 02.11.2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 29.11.2011 eingelegte Berufung des Klägers.
Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf seine bisherigen Ausführungen sowie auf den Beschluss des erkennenden Senats vom 28.09.2010 betreffend die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger sein Begehren auf die Höhe des zu gewährenden Regelsatzes beschränkt. Außerdem haben die Beteiligten im Wege des Teilunterwerfungsvergleiches den streitigen Zeitraum auf den Monat 2008 beschränkt und vereinbart, das Ergebnis des vorliegenden Verfahrens entsprechend auf die Leistungen für den Monat Juli 2008 anzuwenden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 27.09.2011 zu ändern und den Bescheid vom 23.07.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2008 dahingehend zu ändern, dass die Beklagte dem Kläger über die bisherige Bewilligung hinaus für den Monat August 2008 21,09 EUR an weiteren Sozialhilfeleistungen gewährt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält ihre Bescheide und die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Akten (Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie Akten des SG Münster – S 12 SO 107/07 ER). Der Inhalt sämtlicher Akten ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
1. Die aufgrund der – für den Senat bindenden (§ 144 Abs. 3 SGG) – Zulassung durch das Sozialgericht nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist begründet.
a) Nachdem die Beteiligten einen Teilunterwerfungsvergleich für den Monat Juli 2008 geschlossen haben und der Kläger sein Begehren auf die Höhe des ihm zu gewährenden Regelsatzes beschränkt hat (vgl. zu dieser Möglichkeit bereits BSG, Urteil vom 26.08.2008 – B 8/9b SO 10/06 R Rn. 14), ist Gegenstand des Verfahrens nur noch der Bescheid vom 23.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2008 (§ 95 SGG), soweit damit eine Entscheidung über die Höhe des dem Kläger zustehenden Regelsatzes für den Monat August 2008 getroffen wurde.
b) Das Begehren ist ohne weiteres als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4, § 56 SGG – vgl. z.B. BSG, Urteil vom 23.03.2010 – B 8 SO 17/09 R Rn. 10) zulässig.
c) Die Klage ist auch begründet. Die genannten Bescheide sind rechtswidrig. Der Kläger ist durch sie beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Ihm steht für den Monat August 2008 die ungekürzte Regelsatzleistung für einen Haushaltsvorstand i.H.v. 351,00 EUR und damit eine Mehrleistung von 21,09 EUR zu.
Der Leistungsanspruch ergibt sich aus § 19 Abs. 2 S. 1, § 41 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3, § 42 S. 1 Nr. 1, § 28 SGB XII (jeweils in der hier maßgebenden im Monat August 2008 geltenden Fassung). Danach werden Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen beschaffen können (dazu cc), auf Antrag Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII gewährt (dazu bb), wenn sie das 18. Lebensjahr vollendet haben, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne von § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) sind und bei ihnen unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann (dazu aa).
aa) Der Kläger gehörte im August 2008 zu dem von § 19 Abs. 2 S. 1 bzw. § 41 Abs. 3 SGB XII erfassten Personenkreis, der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beanspruchen kann. Denn er hatte das 18. Lebensjahr vollendet und war unabhängig von der Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne von § 43 Abs. 2 SGB VI. Dies ergibt sich aus den Feststellungen, die die DRV-Bund auf Ersuchen der Beklagten nach Aktenlage am 28.10.2009 getroffen hat. Diese Beurteilung entfaltet zwar rechtliche Bindungswirkung nur für die Beklagte und nicht für das Gericht (vgl. dazu BSG, Urteil vom 23.03.2010 – B 8 SO 17/09 R Rn. 16). Weder aus dem Vortrag der Beteiligten noch sonst aus dem Akteninhalt ergeben sich jedoch Anhaltspunkte dafür, dass diese Einschätzung unzutreffend sein könnte, so dass sie der Senat auch seiner Entscheidung zugrunde legt.
bb) Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung umfassen u.a. den für den Leistungsberechtigten maßgebenden Regelsatz nach § 28 SGB XII (§ 42 S. 1 SGB XII).
Da der Kläger im August 2008 allein in der Wohnung des Herrn F lebte, stand ihm grundsätzlich der (Eck-) Regelsatz für einen Haushaltsvorstand nach Maßgabe der § 28 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 SGB XII i.V.m. §§ 2 und 3 Abs. 1 S. 2 der auf der Grundlage von § 40 SGB XII erlassenen Regelsatzverordnung (i.d.F. vom 03.06.2004, BGBl. I S. 1067) zu, der sich in diesem Monat in Nordrhein-Westfalen auf 351,00 EUR belief (vgl. § 1 der Verordnung über die Regelsätze der Sozialhilfe vom 10.06.2008 (GV.NRW. 2008 S. 473)).
Zu einer Absenkung des Eckregelsatzes wegen fehlenden Bedarfs des Klägers hinsichtlich der Haushaltsenergie war die Beklagte nicht berechtigt.
Als gesetzlicher Ansatzpunkt hierfür kommt allein § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII in Betracht. Die Vorschrift findet – wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat – nicht nur bei Leistungen nach dem Dritten, sondern auch bei solchen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII Anwendung (vgl. BSG, Urteil vom auch vom 11.12.2007 – B 8/9b SO 21/06 R Rn. 20 – 22).
§ 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII ermöglicht eine abweichende Bedarfsfestsetzung, wenn dieser ganz oder teilweise anderweitig gedeckt wurde – dazu (1) – oder wenn ein Bedarf der Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht – dazu (2) -.
(1) Eine Verringerung des Eckregelsatzes wegen anderweitiger Bedarfsdeckung auf der Grundlage von § 28 Abs. 1 S. 2, 1. Var. SGB XII kommt nicht in Betracht.
Nach der – von der Beklagten und dem SG bereits erörterten – Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteile vom 23.03.2010 – B 8 SO 17/09 R, Rn. 36, und vom 11.12.2007 – B 8/9b SO 21/06 R, Rn. 19; dem im Wesentlichen folgend Sozialgericht Dresden, Urteil vom 03.12.2010 – S 19 SO 122/08, Rn. 69-72; Gutzler in jurisPK-SGB XII, § 27a Rn. 92; vgl. auch nachfolgend BSG, Urteil vom 20.09.2012 – B 8 SO 4/11 R (Entscheidungsgründe im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung noch nicht veröffentlicht)), der sich der Senat grundsätzlich anschließt, ist § 28 Abs. 1 S. 2, 1. Var. SGB XII nur anwendbar, wenn der Bedarf des Leistungsempfängers durch einen anderen Sozialhilfeträger (als "institutionelle" Sozialhilfe – dazu BSG, Urteil vom 23.03.2010 – B 8 SO 17/09 R, Rn. 36) ganz oder teilweise gedeckt wird. Die Regelung soll ausschließlich verhindern, dass Träger der Sozialhilfe im Rahmen der Sozialhilfeleistungen gegenüber dem Leistungsempfänger Doppelleistungen erbringen. Danach ist im Falle des Klägers der Anwendungsbereich von § 28 Abs. 1 S. 2, 1. Var. SGB XII nicht eröffnet; denn die hier in Rede stehende Bedarfsdeckung bei der Haushaltsenergie erfolgte gerade nicht über Leistungen eines Sozialhilfeträgers, sondern durch eine "private Zuwendung" des Bekannten des Klägers.
Die hiergegen vom SG und Teilen der Literatur geäußerten Bedenken (vgl. zur insoweit unveränderten, seit dem 01.01.2011 geltenden Nachfolgeregelung des § 27a Abs. 4 S. 1 SGB XII Gutzler, a.a.O.; § 27a Rn. 94 ff.; Roscher in LPK-SGB XII, 9. Auflage 2012, § 27a Rn. 23 f.; ferner Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a.a.O., § 28 Rn. 12 f.) veranlassen den Senat nicht zu einer abweichenden Beurteilung:
Die Lesart des BSG zu § 28 Abs. 1 S. 2, 1. Var. SGB XII ermöglicht eine einfache und praktikable Abgrenzung zwischen Bedarfsbemessung und Einkommensberücksichtigung. Demgegenüber fehlt dem von Teilen der Literatur (vgl. Hohm, a.a.O., § 28 Rn. 12 a.E.; Gutzler, a.a.O., § 27a Rn. 94) und vom SG stattdessen vorgeschlagenen Kriterium der Möglichkeit der Verwendung von Zuwendungen Dritter zur (in-)direkten Bedarfsdeckung die notwendige Trennschärfe; dieses Kriterium beseitigt die Abgrenzungsproblematik letztlich nicht.
Zwar ist nicht von der Hand zu weisen, dass nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/1514 S. 59) der Wille des Gesetzgebers dahin zu weisen scheint, nicht nur (institutionelle) Sozialhilfe, sondern auch Zuwendungen anderer, insbesondere "privater" Dritter, als abweichende Bedarfsdeckung zu erfassen. Gleichwohl lassen sowohl der Gesetzeswortlaut als auch die Gesetzesbegründung die von dem BSG gefundene Auslegung zumindest zu. Zutreffend hat das BSG mit Blick auf die Gesetzesbegründung im Übrigen ausgeführt, auch nach seiner Auslegung verbleibe durchaus noch ein Anwendungsbereich für § 28 Abs. 1 S. 2, 1. Var. SGB XII (vgl. Urteil vom 23.03.2010 – B 8 SO 17/09 R, Rn. 42).
Sofern gegen die Lesart des BSG schließlich eingewandt wird, sie führe zu Disparitäten, weil materielle Zuwendungen "privater" Dritter als Einkommen nicht bzw. nicht sachgerecht berücksichtigt werden könnten, folgt dem der Senat ebenfalls nicht. Denn als Mängel empfundene gesetzgeberische Entscheidungen im Bereich der Einkommensberücksichtigung dürfen nicht durch einen Rückgriff auf § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII konterkariert werden (vgl. BSG a.a.O.). Es wäre ggf. vielmehr Aufgabe des Gesetzgebers, für die Möglichkeit einer sachgerechten Berücksichtigung von Zuwendungen "privater" Dritter im Rahmen von § 82 SGB XII bzw. der hierzu ergangenen Verordnung zu sorgen.
Der Senat setzt sich im Übrigen durch die vorliegende Entscheidung keineswegs in Widerspruch zu seinem Urteil vom 07.05.2012 – L 20 SO 55/12 (Revision anhängig unter B 8 SO 16/12 R). Im Rahmen der dort entschiedenen Fallgestaltung ist er (Rn. 52 f.) der Rechtsprechung des BSG zwar ausdrücklich nicht gefolgt. Insofern handelte sich allerdings um einen besonders gelagerten Einzelfall mit spezieller Problematik (Taschengeld bei einstweiliger Unterbringung nach § 126a Strafprozessordnung). Die grundsätzliche Richtigkeit der vom BSG vorgenommenen Abgrenzung stellt diese Entscheidung jedoch nicht in Frage. Der Senat hatte seinerzeit (Rn. 53) vielmehr ausdrücklich offen gelassen, ob er sich den Überlegungen des BSG im Grundsatz anschließt oder nicht.
Ist nach den vorstehenden Ausführungen schon der Anwendungsbereich des § 28 Abs. 1 S. 2, 1. Var. SGB XII nicht eröffnet, so lässt der Senat ausdrücklich dahinstehen, ob diese Bestimmung eine Regelsatzkürzung überhaupt nur dann erlaubt, wenn die anderweitige Bedarfsdeckung eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschritten hat. Offen bleiben kann deshalb, ob im Falle des Klägers die Ersparnis von Haushaltsenergiekosten für zwei Monate bereits erheblich erscheint (vgl. hierzu insbes. Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 4. Auflage 2012, § 27a Rn. 32 f.; Scheider in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a.a.O., § 28 Rn. 11a – beide m.w.N.; ferner BSG, Urteil vom 11.12.2007 – B 8 SO 21/06 R, Rn. 19 und Rn. 28). Ebenso kann offen bleiben, ob die Beklagte den im Regelsatz berücksichtigten Betrag für Haushaltsenergie mit 21,09 EUR zutreffend berechnet hat.
(2) Auch § 28 Abs. 1 S. 2, 2. Var. SGB XII rechtfertigt die von der Beklagten vorgenommene Absenkung des Regelsatzes nicht. Es erscheint bereits fraglich, ob nach dieser Vorschrift – von Ausnahmefällen abgesehen – eine Anpassung des Regelsatzes "nach unten" überhaupt in Betracht kommt (dazu z.B. Falterbaum in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 27a Rn. 66 m.w.N.; Gutzler, a.a.O., § 27a Rn. 99; Roscher, a.a.O., § 27a Rn. 25). Der Senat kann auch dies offenlassen. Denn eine Anwendung von § 28 Abs. 1 S. 2, 2. Var. SGB XII würde jedenfalls voraussetzen, dass der Kläger im fraglichen Zeitraum von vornherein einen unterdurchschnittlichen Bedarf an Haushaltenergie gehabt hätte. Wird dies schon von der Beklagten nicht behauptet, so ist dafür auch sonst nichts ersichtlich.
cc) Der Kläger konnte seinen Lebensunterhalt im fraglichen Zeitraum auch nicht aus Einkommen oder Vermögen sicherstellen (§§ 19 Abs. 2 S. 1, 41 Abs. 1 SGB XII).
(1) Nach der Rechtsprechung des BSG zu § 28 Abs. 1 S. 2, 1. Var. SGB XII (s.o.) erschiene es zwar nicht von vornherein undenkbar, die Möglichkeit des Klägers, in der Wohnung des Herrn F Haushaltsenergie zu verbrauchen, als Einkommen zu berücksichtigen. Allerdings scheidet dies im Ergebnis deshalb aus, weil sich diese spezielle Nutzungsmöglichkeit nicht unter den Begriff des Einkommens im Sinne von § 82 Abs. 1 SGB XII fassen lässt.
Einkommen sind alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert (§ 82 Abs. 1 S. 1 SGB XII). Danach ließen sich auch bloße Sachbezüge oder Nutzungsmöglichkeiten im Rahmen der §§ 82 ff. SGB XII als Einkommen erfassen (vgl. § 2 Abs. 1 der Verordnung zu § 82 SGB XII, sowie Gutzler, a.a.O., § 27a Rn. 96 f., und zur Zurverfügungstellung eines PKW als Sachbezug z.B. Hohm, a.a.O., § 82 Rn. 13 m.w.N.). Voraussetzung hierfür ist jedoch stets, dass dem Sachbezug bzw. der Nutzungsmöglichkeit nach der Verkehrsanschauung ein tatsächlicher wirtschaftlicher (Markt-)Wert zugeordnet werden kann (vgl. zu diesen Gesichtspunkten Gutzler, a.a.O., § 27a Rn. 95 m.w.N., sowie Hohm, a.a.O., § 2 VO zu § 82 SGB XII Rn. 3). Dies ist nach Ansicht des Senats bei der Nutzungsmöglichkeit von Haushaltsenergie durch den Kläger in der Wohnung des Herrn F nicht der Fall. Denn sie ergab sich allein bei Gelegenheit der vorübergehenden Wohnungsnahme des Klägers bei Herrn F; die Annahme einer weiteren marktgängigen Nutzungsmöglichkeit für die Haushaltsenergie wäre – anders als etwa im Falle der längerfristigen Überlassung eines PKW – lebensfremd.
Anhaltspunkte für sonstiges verfügbares Einkommen des Klägers im Sinne von § 82 Abs. 1 S. 1 SGB XII im Monat August 2008 bestehen nicht.
(2) Der Leistungsgewährung im August 2008 stand auch kein einsatzpflichtiges Vermögen des Klägers im Sinne von § 90 SGB XII entgegen. Vermögen sind alle beweglichen und unbeweglichen Güter und Rechte in Geld oder Geldeswert, soweit sie nicht normativ dem Einkommen zuzurechnen sind (vgl. z.B. Hohm, a.a.O. § 90 Rn. 5). War das Sparbuch des Klägers zu diesem Zeitpunkt bereits aufgelöst, und befanden sich auf seinem Girokonto nur noch unbedeutende Barbeträge, so kommt es insoweit allein noch auf die beiden Lebensversicherungen an; diese kämen grundsätzlich mit ihrem (damaligen) Rückkaufwert für eine Berücksichtigung in Betracht (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 25.08.2011 – B 8 SO 19/10 R, Rn. 13). Die Versicherung Nr. 000 war jedoch bereits wegen des seit April 2007 vereinbarten Verwertungsausschlusses im Sinne von § 90 Abs. 1 SGB XII unverwertbar. Denn der insoweit vereinbarte Verwertungsausschluss vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Klägers bezieht sich nicht nur auf eine Kündigung des Vertrages gegenüber dem Versicherungsunternehmen, sondern auf jegliche sonstige Nutzung des wirtschaftlichen Wertes der Versicherung zugunsten des Klägers oder eines Dritten (vgl. dazu BSG a.a.O., Rn. 17).
Der (Rückkaufs-)Wert der zweiten – im Sinne von § 90 Abs. 1 SGB XII wohl verwertbaren – Lebensversicherung (Nr. 000) lag im August 2008 keinesfalls oberhalb von 3.500,00 EUR. Dieser Betrag übersteigt zwar den dem Kläger gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a der Verordnung zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII zuzubilligenden Grundfreibetrag i.H.v. 1.600,00 EUR, welcher nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII von der Verwertungspflicht ausgenommen ist. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Beklagte bis August 2008 bereits deutlich mehr als 2.700,00 EUR Leistungen als Darlehen an den Kläger erbracht hatte. Zumindest in dieser Höhe konnte Vermögen aus der Lebensversicherung Nr. 000 dem Kläger nicht anspruchsausschließend entgegen gehalten werden; denn bei darlehensweise gewährten Leitungen gilt das Verbot des sog. "fiktiven Vermögensverbrauchs" nicht (vgl. dazu BSG a.a.O., Rn. 27). Insgesamt war deshalb im August 2008 allenfalls ein Betrag von etwa 800,00 EUR (aus dieser Lebensversichrung) als vom Kläger potenziell einzusetzendes Vermögen vorhanden; dieser Betrag liegt deutlich unterhalb des Grundfreibetrages nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a der Verordnung zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 2 S. 1 SGG.
3. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) bestehen nicht. Das BSG hat in den Urteilen vom 11.12.2007 – B 8/9b SO 21/06 R und vom 23.03.2010 – B 8 SO 17/09 R zur Abgrenzung der Vorschrift des § 28 Abs. 1 S. 2 1. Var. SGB XII bereits entschieden; eine höchstrichterliche Klärung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) besteht damit nicht.
Erstellt am: 21.01.2013
Zuletzt verändert am: 21.01.2013