Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13.11.2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten steht die Versorgung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) im Streit.
Der am 00.00.1995 geborene Kläger erhielt im Säuglingsalter folgende Impfungen jeweils als Mehrfachschutzimpfungen: am 01.04.1996 gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Haemophilus influenzae Typ b (HIB), am 03.05.1996 gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis ("DPT") sowie am 03.06.1996 gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis und HIB.
Im Juni 1996 beantragten die Eltern des Klägers wegen der Auswirkungen einer Epilepsie bei West-Syndrom die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach den damaligen §§ 51-54 Bundesseuchengesetz (BSeuchG). Das Anfallsleiden sei Folge der Schutzimpfungen. Es habe nach der ersten Impfung begonnen. Der Kläger sei unleidlich gewesen. Nach der dritten Schutzimpfung – drei Stunden nach Gabe des Medikamentes am 03.06.1996 – seien epileptische Anfälle, später ärztlich als Zeichen des West-Syndrom bestätigt, aufgetreten. Dazu berichtete der impfende Arzt Dr. T am 17.07.1996, dass die statomotorische und mentale Entwicklung des Klägers bis zum 01.04.1996 bei mehrfachen Kontrollen unauffällig gewesen sei. Am 03.05.1996 hätten die Eltern erstmals über Durchschlafstörungen beim Kläger berichtet. Anlässlich der U 5 sei eine Wesensveränderung mit leerem Blick und verstärkter psychomotorischer Unruhe aufgefallen. Der Kläger habe am 03.06.1996 eine statomotorische Unruhe aufgewiesen, keine Gegenstände fixiert, einen leeren Blick gehabt und kurzfristig die Augen verdreht. Es habe keine typischen Myoklonien gegeben und an den inneren Organen habe physikalisch kein Krankheitsbefund bestanden. Das Elektroenzephalogramm (EEG) vom 05.06.1996 habe eine kontinuierlich hochamplitudige polymorphe und langsame Aktivität mit multifokal eingestreuten Spitzenpotentialen wechselnder Fortleitung gezeigt, was dem Bild einer Hypsarrhythmie entspreche. Diagnose sei ein West-Syndrom (Blitz-Nick-Salaam = BNS-Leiden) gewesen. Der Kläger wurde vom 07.06.1996 bis 02.10.1996 in dem Kinderneurologischen H H der Kliniken der Landeshauptstadt E behandelt. Dessen Leiter, Prof. Dr. H, führte im Bericht vom 09.12.1996 aus, dass sich beim Kläger – nach einer bis auf den Verlauf der Schwangerschaft unauffälligen – Vorgeschichte, einer primär ungestörten Entwicklung und bei fehlenden Hinweisen auf eine hirnorganische Vorschädigung ein West-Syndrom entwickelt habe, das mangels organischer Auffälligkeiten als kryptogen einzustufen sei. Bis zum 5. Lebensmonat sei die frühkindliche Entwicklung des Klägers unauffällig gewesen. Seit Anfang Mai 1996 bestehe ein zunehmend deutlicherer Entwicklungsstillstand. Die Schädel-Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) sei unauffällig gewesen und habe keine cerebralen Fehlbildungen bei regelrechtem Hirnwindungsrelief und auch keine Atrophiezeichen gezeigt.
Auf Veranlassung des Versorgungsamtes erstattete Prof. Dr. F, I, am 01.02.1997 ein impfmedizinisches Gutachten. In der Beurteilung führte er aus, die bisher beschriebene "primär unauffällige Entwicklung" sei zu relativieren. Immerhin habe der Kläger wegen einer Früh-Hypoglykämie für sechs Tage stationär behandelt werden müssen. Bei Hypoglykämie könne auch gelegentlich ein Krampfanfall zu dieser Diagnose führen. Bei etwa 90 % aller BNS-Kranken seien organische Schäden im Gehirn zu finden, die beim Kläger jedoch durch die Computertomographie ausgeschlossen worden seien. Es könnten jedoch auch leichtere Schäden durch Sauerstoffmangel der kindlichen Frucht eingetreten sein, z. B. während der Cerclage-Operation. Prof. Dr. F stimmte der Beurteilung des Kinderneurologischen Zentrums E-H zu, wonach das BNS-Leiden als "kryptogen" einzustufen sei. Aus dem Bericht von Dr. T, der am 03.06.1996 (Tag der 3. DPT- und der 2. HIB-Impfung) Auffälligkeiten wie kurzfristiges Verdrehen der Augen, leeren Blick und fehlendes Fixieren von Gegenständen bemerkt hatte, ergäben sich Hinweise darauf, dass die Symptomatik eines BNS-Leidens in verdächtiger Form bereits bestanden habe. So wäre es ratsam gewesen, zu diesem Zeitpunkt keine Impfungen mehr vorzunehmen und den weiteren Verlauf der Entwicklung des Kindes abzuwarten. Für die endgültige Klärung sei jedoch eine Chromosomenanalyse mit einer differenzierten molekulargenetischen Untersuchung erforderlich, die dann beim Institut für Humangenetik der Universität Münster am 04.04.1997 durchgeführt wurde und einen unauffälligen Befund ergab. Prof. Dr. F sah sich dadurch in seiner Annahme eines kryptogenen Leidens bestätigt, das unmittelbar nach der 2. DPT-Impfung in Erscheinung getreten sei. Da sich andere Ursachen für das West-Syndrom nicht ergeben hätten, sei mit Wahrscheinlichkeit das jetzige Leiden des Klägers auf die Schutzimpfung vom 03.05.1996 zurückzuführen.
Das Versorgungsamt holte ein weiteres Gutachten ein von Prof. Dr. L, Leiter der Kinderklinik Aachen. Dieser führte in seinem Gutachten vom 03.05.1997 aus, das West-Syndrom sei ein eigenständiges Anfallsleiden. Betroffen seien überwiegend Säuglinge zwischen dem 2. und 8. Lebensmonat. In der Mehrzahl handele es sich um cerebral gechäigte Kinder. Ätiologisch kämen alle Schädigungen in Betracht, die das kindliche Gehirn in der Schwangerschaft, unter der Geburt und in der frühen Säuglingszeit treffen können. Nach Familienuntersuchungen sei in etwa 30 % der Fälle zusätzlich eine konstitutionelle Krampfbereitschaft pathogenetisch von Bedeutung. Beweise, dass durch die heute empfohlenen Impfungen und im Falle des Klägers durch die DPT-/HIB-Impfungen ein West-Syndrom verursacht werden könnte, seien nach wissenschaftlicher Erkenntnis bisher nicht erbracht. Mit Wahrscheinlichkeit sei die Anfallssymptomatik nicht durch die DPT-/HIB-Impfung am 03.06.1996 hervorgerufen. Der Ausbruch des eigenständigen Anfallseidens stehe nur zufällig in einem zeitlichen Zusammenhang mit der durchgeührten Impfung. Die empfohlenen Schutzimpfungen begännen generell im Säuglingsalter und somit insbesondere auch in dem für eine spontane Krampfanfälligkeit sowie für den Beginn des West-Syndroms signifikanten Zeitfenster. Als Diagnose nahm Prof. Dr. L ein therapierefraktäres West-Syndrom mit Übergang in eine Epilepsieverlaufsform mit tonischen Anfällen an. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bestehe kein kausaler Zusammenhang mit den durchgeführten Schutzimpfungen. Die am 03.06.1996 festgestellten Entwicklungsrückstände hätten zwar nach den allgemeinen Impfempfehlungen der ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut bis zur Klärung der Ursache zu einem Aufschub der Impfung führen sollen. Nach Klärung der Diagnose hätten sie jedoch durchgeführt werden können, die Diagnose eines West-Syndroms stehe dem nicht entgegen. Die bis dahin durchgeführten Impfungen hätten auf das Leiden keinen Einfluss und könnten aufgrund allgemeiner Erfahrung auch nicht zur Verschlimmerung der Anfallssymptomatik bei Epilepsie geführt haben.
Mit Bescheid vom 24.11.1997 lehnte das Versorgungsamt den Entschädigungsanspruch des Klägers ab. Die Impfungen hätten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht das West-Syndrom verursacht.
Dem widersprach der Kläger mit der Begründung, die nachweisbaren Veränderungen des Entwicklungsverlaufes fielen zeitlich genau mit der Impfung zusammen. Gleiches gelte für die am Tag der dritten Impfung, dem 03.06.1996, einsetzenden Anfälle, wobei der erste Anfall ca. drei Stunden nach Verabreichung des Impfstoffes aufgetreten sei. Allein daraus lasse sich ein Zusammenhang von Anfallsleiden und Impfung vermuten. Das West-Syndrom sei nur die Bezeichnung für die äußerlich sichtbaren Auswirkungen einer cerebralen Schädigung, deren Ursache in 10 % der Fälle mit heutigen Methoden noch nicht nachweisbar sei. Es gebe keinen fundierten wissenschaftlichen Beweis dafür, dass es keine Zusammenhänge zwischen dem West-Syndrom und der Impfung gebe. Deshalb müsse diese Impffolge jedenfalls im Wege der sogenannten Kannversorgung berücksichtigt werden.
Den Anspruch auf Kannversorgung (§ 52 Abs. 2 BseuchG) lehnte das Versorgungsamt mit Bescheid vom 20.01.1998 ab. Es könne insbesondere nicht festgestellt werden, dass wegen einer Ungewissheit in der medizinischen Wissenschaft bezogen auf die Ätiologie des West-Syndroms die für die Anerkennung erforderliche Wahrscheinlichkeit nicht gegeben sei.
Im Widerspruchsverfahren führte Prof. Dr. T1, Arzt für Mikrobiologie, Kinder- und Jugendmedizin, in einer gutachtlichen Stellungnahme für die Versorgungsverwaltung am 02.06.1998 aus, das zeitliche Zusammentreffen der Erstmanifestation einer Epilepsie und der Pertussisimpfung werde in den USA in jedem Jahr etwa 400mal registriert. Es habe kein Hinweis darauf gefunden werden können, dass der Pertussis-Impfstoff als Kausalfaktor für eine Epilepsie-Manifestation anzuschuldigen gewesen sei. Das West-Syndrom sei nach heutiger Lehrmeinung ein "epileptisches Syndrom mit generalisierten kleinen Anfällen fokaler und multifokaler Genese unter Beteiligung des Hirnstammes und der Rindenstrukturen" und als eigenständiges Krankheitsbild einzustufen. Seine Häufigkeit werde mit 1 auf 5000 angegeben und der Altersgipfel seiner klinischen Manifestation liege zwischen dem 4. und 8. Lebensmonat. Demnach sei ein zufälliges Zusammentreffen zwischen klinischer Manifestation und einer Impfung durchaus wahrscheinlich. Allein der zeitliche Zusammenhang belege aber nicht den Kausalzusammenhang. Der Begriff "kryptogen" gestatte nach dem Stand der Wissenschaft nicht den Umkehrschluss, dass eine verborgene, unbekannte Ursache für ein West-Syndrom im Impfstoff liegen müsse.
Gestützt vor allem auch auf diese Stellungnahme des Gutachters Prof Dr. T1 wies der Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 09.12.1998 zurück.
Mit der am 18.12.1998 erhobenen, im März 1999 zuständigkeitshalber an das Sozialgericht (SG) Köln verwiesenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und zur Begründung auch auf das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten des Prof. Dr. F verwiesen.
Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens nach Aktenlage von Frau Dr. C, C, vom 08.03.2001. Die Sachverständige hat zusammengefasst festgestellt, dass bei dem Kläger das West-Syndrom als schwere Gesundheitsstörung höchstwahrscheinlich nicht im Zusammenhang mit den durchgeführten Impfungen stehe. Das gelte sowohl für die Frage der Entstehung als auch der Verschlechterung des Leidens. In einer weiteren Stellungnahme vom 09.09.2002 hat sie ergänzend ausgeführt, sie könne den genauen Beginn der Symptomatik nicht benennen. Für die Bewertung der Zusammenhänge zwischen der Impfung und dem Anfallsleiden sei der genaue Zeitpunkt, wann klinisch sichtbare Krampfanfälle erstmalig aufgetreten seien, nicht von entscheidender Bedeutung. Es sei davon auszugehen, dass Frühsymptome eines West-Syndroms bereits am 03.06.1996 vorhanden gewesen seien. Für das West-Syndrom sei es typisch, dass den klinisch sichtbaren Anfällen ein Entwicklungsstillstand oder das Verlernen bereits erworbener Fähigkeiten und eine Unruhe voraus gehe. Ein Zusammenhang zwischen der 3. Impfung gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis und dem Auftreten des West-Syndroms sei nicht wahrscheinlich; eher sei es zu einem zufälligen zeitlichen Zusammentreffen beider Ereignisse gekommen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 13.11.2003 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, ein Zusammenhang zwischen Impfung und Gesundheitsschädigung könne nicht festgestellt werden. Im Einzelnen sei nicht nachgewiesen, dass der Kläger durch eine Impfung einen Impfschaden erlitten habe. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme sei es unwahrscheinlich, dass ein solcher Schaden vorliege. Nach den Darlegungen der Sachverständigen Dr. C weise vieles auf eine Auslösung des West-Syndroms vor der dritten Impfung hin. Ebenso sei Prof. Dr. F der Auffassung, dass am 03.06.1996 die Symptomatik eines BNS-Leidens in verdächtiger Form bereits bestanden habe. Es wäre deshalb ratsam gewesen, zu diesem Zeitpunkt keine Impfungen mehr vorzunehmen und den weiteren Verlauf der Entwicklung des Klägers abzuwarten. Hieraus lasse sich aber ebenfalls keine Verschlechterung seines Zustandes infolge der Impfung am 03.06.1996 herleiten. Die ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. F sei nicht überzeugend. Die Bezeichnung des Leidens als "kryptogen" widerspreche der späteren Beurteilung, dass das Leiden auf die Schutzimpfung vom 03.06.1996 zurückzuführen sei. Der Ausschluss anderer Verursachungen der Erkrankung lasse noch nicht den Schluss auf die Verursachung durch die Impfung zu. Die mehrfach vorgenommene Charakterisierung der Entstehung des West-Syndroms als "kryptogen" spreche im übrigen eher gegen eine Wahrscheinlichkeit der Verursachung des West-Syndroms durch die Impfung als dafür. Wenn das West-Syndrom ein eigenständiges Anfallsleiden darstelle, von dem überwiegend Säuglinge zwischen dem 2. und 8. Lebensmonat betroffen seien, könne keine der vorgenommenen Impfungen als kausal bezeichnet werden. Da die ersten Anfälle zwischen dem 2. und 8. Lebensmonat auftraten, sei auch der zeitliche Zusammenhang zwischen Auftreten des Anfallsleidens und den Impfungen erklärbar und könne als solcher nicht als Indiz für die Entstehung oder Verschlimmerung des West-Syndroms dienen. Auch die Sachverständige Dr. C sei der Auffassung, dass bei dem Kläger mit höchster Wahrscheinlichkeit das West-Syndrom nicht durch die Impfungen im Sinne der Entstehung oder Verschlimmerung verursacht worden sei. Ein zufälliges zeitliches Zusammentreffen beider Ereignisse, also Impfung und Auftreten des West-Syndroms, sei nach dem Gutachten Dr. C als wahrscheinlicher anzusehen.
Gegen das ihm am 04.12.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 08.12.2003 Berufung eingelegt. Er sieht sich durch das Ergebnis der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme bestätigt. Der von Amts wegen gehörte Sachverständige Privatdozent (PD) Dr. N halte einen Ursachenzusammenhang zwischen der Impfung, den BNS-Anfällen und den heutigen Gesundheitsstörungen für wahrscheinlich; die Anfälle seien sehr zeitnah, speziell nach der dritten Impfung im Juni 1996 im Stundenabstand, aufgetreten. Weiter stützt sich der Kläger auf das auf seinen Antrag nach § 109 SGG eingeholte Gutachten von Dr. I, X, der wesentlich darauf abstelle, dass der Kläger sich nach der Geburt bis zu den Impfungen gut entwickelt habe und das West-Syndrom spätestens durch die dritte Impfung verursacht worden sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13.11.2003 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 24.11.1997 und des Bescheides vom 20.01.1998, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.1998, zu verurteilen, bei ihm eine "psychomotorische Entwicklungsverzögerung, Verhaltensstörungen" als Impfschaden anzuerkennen und Leistungen nach dem Bundesseuchengesetz/Infektionsschutzgesetz nach einem Grad der Schädigungsfolge von 100 zu gewähren;
hilfsweise: die Zulassungsakten des verabreichten Impfstoffes "Infanrix" beizuziehen;
weiter hilfsweise: die Nutzen-Lastenanalyse im Hinblick auf den verabreichten Impfstoff beizuziehen;
weiter hilfsweise: Beweis zu erheben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage: "Lässt die Tatsache, dass das West-Syndrom atypisch verlaufen ist, einen Rückschluss darauf zu, dass ein West-Syndrom in den ersten Lebensmonaten unabhängig vom Impfereignis zum Ausbruch gekommen wäre?";
weiter hilfsweise den Sachverständigen Dr. I zur Erläuterung seines Gutachtens zu hören.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtenen Bescheide und das Urteil des SG für zutreffend. Der Ursachenzusammenhang werde in dem Gutachten des vom Senat nach § 106 SGG gehörten Sachverständigen Prof. Dr. L zutreffend beurteilt.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung weiterer medizinischer Sachverständigengutachten. PD Dr. N, F, kommt in seinem Gutachten vom 14.09.2006 zu dem Ergebnis, in Ermangelung eines endogenen Hintergrundes könne die Impfung als auslösend für das Krampfgeschehen und die Entwicklungsverzögerung angesehen werden. Das anhaltende "Unleidlichsein" nach der zweiten Impfung im Mai 1996 stehe im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung und stelle eine über das übliche Maß hinausgehende "Reaktion" dar. Es gipfele in den kinderärztlich am 03.06.2006 festgehaltenen neurologischen Auffälligkeiten, die im Rückblick als Krampfäquivalente zu werten sein könnten. Das West-Syndrom sei keine Infektionskrankheit und habe somit keine Inkubationszeit. Im zeitlichen Zusammenhang mit den Impfungen seien Symptome aufgetreten, die mindestens ab dem 03.06.2006 eindeutig Krampfcharakter hätten. Das Auftreten des West-Syndroms und die konsekutive Entwicklungsverzögerung stünden im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung. Beide Eltern und der ältere Bruder seien gesund. In der weiteren Familie gebe es keine neurologischen Erkrankungen, Entwicklungsstörungen oder Epilepsien. Durch die umfangreichen Untersuchungen in den Jahren 1997 bzw. 2006 sei auch das Vorliegen einer Stoffwechselerkrankung ausgeschlossen. Der unauffällige kernspintomographische Untersuchungsbefund des Schädels schließe eine Hirnfehlbildung als Ursache aus. Die Chromosomenanalyse sei ebenfalls unauffällig verlaufen. Der Kläger sei bis zum Zeitpunkt der zweiten Impfung unauffällig gewesen und erst nach der zweiten Impfung auffällig geworden.
In einem weiteren von Amts wegen eingeholten Gutachten vom 06.11.2009 vertritt der Sachverständige Prof. Dr. L die Auffassung, die Impfungen hätten weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit einen Impfschaden verursacht, der sich mit der geforderten Wahrscheinlichkeit belegen ließe. Mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit liege beim Kläger ein anlagebedingtes West-Syndrom (samt Folgen) vor. Das West-Syndrom sei mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit als symptomatisch (nicht aber kryptogen) einzuordnen. Angesichts der am 07.06.1996 durchgeführten und dokumentierten Elternbefragung sei es auf die ersten typischen präkonvulsiven Auffälligkeiten ab März 1996 und die ersten von den Eltern beobachteten Konvulsionen vom BNS-Typ am 03.06.1996 zu datieren. Die neurologisch für das West-Syndrom sehr typische präkonvulsive Phase habe unabhängig von den Impfterminen eingesetzt. In den meisten Fällen würden die ersten Konvulsionen nicht erfasst oder in ihrer Bedeutung verkannt. Selbst wenn die Erstbeobachtung durch die Eltern tatsächlich der Beginn der konvulsiven Phase des West-Syndroms gewesen sei, könne (sofern man ein zufälliges Zusammentreffen mit der dritten Impfung verneine) allenfalls von gelegenheitsursächlicher Vorverlegung des Beginns der konvulsiven Phase um einige wenige Tage gesprochen werden. Der schicksalsmäßige Verlauf des mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anlagebedingten West-Syndroms wäre ohne die Impfung (und auch ohne Impfschaden, der sich nicht belegen lasse) nicht anders abgelaufen. Zudem bestehe über die Ursachen des West-Syndroms in der medizinischen Wissenschaft keine Ungewissheit dahingehend, dass hier nur deshalb kein wahrscheinlicher Zusammenhang zu konstatieren und damit Veranlassung zur Anwendung der sog. Kannversorgung gegeben sei.
Die Beweisaufnahme ist auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG fortgeführt worden durch Einholung eines Gutachtens von Dr. I, X, das dieser unter dem 28.10.2009 erstellt und durch seine Stellungnahme vom 17.12.2009 ergänzt hat. Dieser Sachverständige bejaht den ursächlichen Zusammenhang. Nach der umfangreichen Differentialdiagnostik könne kein anderer Grund für die Erkrankung im Sinne eines geburtstraumatischen Schadens oder einer genetisch bedingten Stoffwechselerkrankung festgestellt werden. Die aufgetretene Reaktion sei pathophysiologisch durch die Impfung erklärbar, auch wenn man die molekularen Mechanismen, die zu einer solchen pathologischen Immunreaktion führten, noch nicht bis ins Detail verstehe. In seiner Beurteilung stützt sich Dr. I nicht allein auf die versorgungsmedizinischen Maßstäbe in den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP), Auflage 2004 bzw. 2008, sondern auch auf von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) veröffentlichte Kriterien zur Kausalitätsbewertung von Verdachtsfällen unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW). Auch hier seien die wesentlichen Kriterien die biologische Plausibilität (Pathophysiologie), die Bekanntheit der unerwünschten Reaktion, das zeitliche Intervall, das Vorliegen anderer Ursachen und eine Re-Exposition. Zunächst müsse der zeitliche Abstand zwischen den Impfungen und den ersten Anzeichen der Hirnentwicklungsstörung diskutiert werden. Nach der ersten Kombinationsimpfung sei beim Kläger Fieber aufgetreten, nach der zweiten (ohne HIB-Impfstoff) ebenfalls. Hinzugetreten sei eine Änderung des Verhaltens und eine Wesensänderung, die den Eltern aufgefallen und dem Kinderarzt mitgeteilt worden sei. Trotzdem sei die dritte Kombinationsimpfung (diesmal wieder mit dem zusätzlich verabreichten HIB-Impfstoff) durchgeführt worden. Drei Stunden später sei der erste Krampfanfall beim Kläger aufgetreten. Dies müsse für ein allergisch-toxisches Geschehen als plausibel bezeichnet werden. Bei der postvakzinalen Encephalopathie handele sich um eine sog. Ausschlussdiagnose, die nur dann mit hinreichender Sicherheit gestellt werden könne, wenn andere Ursachen einer Hirnentwicklungsstörung differentialdiagnostisch auszuschließen seien. Dies sei beim Kläger im Rahmen umfangreicher Untersuchungen geschehen. Werte man die dritte Impfung bei bereits erkennbar auffälliger Hirnentwicklung als "positiven" Re-Expositionsversuch, dann müsse der kausale Zusammenhang beim Kläger als gesichert gelten. Die Gesamtheit der drei verabreichten Kombinationsimpfungen habe zu einem Impfschaden gemäß der anerkannten Definition der WHO geführt. Die immunologischen und toxischen Wirkungen der Inhaltsstoffe seien spezifisch auf die Impfung beschränkt, d.h. ohne die Impfungen in diesem frühen Lebensalter wäre die Erkrankung vermutlich nicht zum Ausbruch gekommen. Es liege eine Entwicklungsstörung des Gehirns vor, die zu einem West-Syndrom mit anschließender Epilepsie und einer Entwicklungsretardierung mit einer autistischen Verhaltensstörung geführt habe. Die Hirnentwicklungsstörung sei mit der zu fordernden Wahrscheinlichkeit auf die Impfungen zurückzuführen. Der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für den Hirnschaden sei ab Juni 1996 nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) 2008 mit 100 vom Hundert einzuschätzen. Beim Kläger werde aller Wahrscheinlichkeit nach auf Dauer eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Hirnfunktion verbleiben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts einschließlich des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Richtiger Klagegegner im Berufungsverfahren ist seit dem 01.01.2008 der für den Kläger örtlich zuständige Landschaftsverband Rheinland (vgl. zur Kommunalisierung der Versorgungsverwaltung im Bereich des Sozialen Entschädigungsrechts z.B. Urteil des erkennenden Senats vom 11.03.2008 – L 6 (10) VS 29/07, bestätigt durch Bundessozialgericht (BSG ) Urteil vom 11.12.2008 – B 9 VS 1/08 R sowie Urteil vom 11.12.2008 – B 9 V 3/07 R; vgl. auch Senatsurteil vom 11.03.2008 – L 6 V 28/07 sowie Urteil vom 11.03.2008 – L 6 VG 13/06, bestätigt durch BSG Urteil vom 23.04.2009 – B 9 VG 1/08 R jeweils zitiert nach juris).
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide vom 24.11.1997 und vom 20.01.1998, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.1998, sind nicht rechtswidrig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Auch nach Auffassung des Senats hat der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung der bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen als Folge der Impfungen am 01.04., 03.05. und/oder am 03.06.1996. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Versorgung sowohl als Pflichtleistung gemäß § 60 Abs. 1 i.V.m. § 61 S. 1 IfSG als auch als sog. Kannversorgung nach § 60 Abs. 1 i.V.m. § 61 S. 2 IfSG sind nicht erfüllt.
Rechtsgrundlage ist § 60 Infektionsschutzgesetz (IfSG) vom 20.07.2000 (BGBl I 1045), das am 1. Januar 2001 in Kraft getreten ist. Durch dieses Gesetz ist das Bundesseuchengesetz, unter dessen Geltung das Verwaltungsverfahren durchgeführt und das gerichtliche Verfahren begonnen wurde, außer Kraft getreten (Artikel 5 Abs 1 Nr 1 des Seuchenrechtsneuordnungsgesetzes – SeuchRNeuG – vom 20. Juli 2000, BGBl. I, aaO). Nach dieser Vorschrift erhält derjenige, der durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die
1.von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde,
2.aufgrund dieses Gesetzes angeordnet wurde,
3.gesetzlich vorgeschrieben war oder
4.aufgrund der Verordnungen zur Ausführung der internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist,
eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, auf Antrag wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt (§ 60 Abs 1 Satz 1 IfSG). Ein Impfschaden ist die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung (§ 2 Nr 11 IfSG). Der Versorgungsanspruch erfordert, dass durch eine Impfung eine gesundheitliche (Primär-)Schädigung eingetreten ist und dass Gesundheitsstörungen vorliegen, die als deren Folgen zu bewerten sind. Zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs 1 Satz 1 IfSG genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (§ 61 Satz 1 IfSG). Sie ist gegeben, wenn nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht. Die Impfung als das schädigende Ereignis, der Impfschaden als die (Primär-)Schädigung und die Schädigungsfolgen müssen mit an Sicherheit grenzender, ernste vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit erwiesen sein (BSG Urteil vom 19.03.1986 – 9a RVj 2/84 – SozR 3850 § 51 Nr. 9; Urteil vom 27.08.1998 – B 9 VJ 2/97 R – juris). Lediglich für den Zusammenhang zwischen schädigendem Ereignis und der (Primär-)Schädigung sowie zwischen dieser und den Schädigungsfolgen genügt es, wenn die Kausalität wahrscheinlich gemacht ist (§ 61 Satz 1 IfSG). Wahrscheinlich in diesem Sinne ist die Kausalität dann, wenn nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen sie spricht, d.h. die für den Zusammenhang sprechenden Umstände mindestens deutlich überwiegen (vgl. BSG Urteil vom 19.03.1986 – 9a RVj 2/84 a.a.O, m.w.N.; BSG Beschluss vom 08.08.2001 – B 9 V 23/01 – SozR 3-3900 § 15 Nr. 4).
Die Mehrfachschutzimpfungen des Klägers im Jahre 1996 fallen als öffentlich empfohlen in den Schutzbereich des § 60 IfGS (s. zuletzt das aktuelle Epidemiologische Bulletin Nr. 30 vom 02.08.2010 (S. 292), in dem wegen der Erkenntnisse zu möglichen Impfkomplikationen auf das Epidemiologische Bulletin 25/2007 vom 22.06.2007 verwiesen wird). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lässt sich aber nicht feststellen, dass die BNS-Anfälle und die jetzigen Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers im Sinne der Entstehung oder Verschlimmerung mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit durch eine oder alle drei Impfungen wesentlich (mit-)verursacht worden sind.
Nach den Ausführungen vor allem der Sachverständigen Dr. C und Prof Dr. L kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Impfungen im Jahre 1996, auch nicht die dritte und letzte Impfung, das Auftreten der BNS-Anfälle und der nachfolgenden Gesundheitsstörungen beim Kläger verursacht haben. Ein solcher Zusammenhang ist nach der von den Sachverständigen ausgewerteten medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung allenfalls möglich, nicht aber – wie für die Gewährung von Entschädigung notwendig – wahrscheinlich (vgl. auch VMG Teil C Nr. 3 d).
Entgegen der Auffassung des Klägers belegt ein etwaiger enger zeitlicher Zusammenhang nicht auch die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs. Da Krankheiten aller Art, insbesondere innere Leiden, zu jeder Zeit auch ohne wesentliche Mitwirkung eines schädigenden Vorgangs entstehen können, muss der ungünstige Einfluss eines bestimmten Tatbestandes auf die Entstehung oder Verschlimmerung der Erkrankung dargelegt werden (vgl. auch Teil C Nr. 3c VMG). Bei den bei dem Kläger im zeitlichen Anschluss an die Impfung vom 03.06.1996 aufgetretenen BNS-Anfällen zeigt sich die Berechtigung dieses Erfordernisses in besonderem Maße. Grund hierfür ist, dass sich BNS-Anfälle auch ohne exogene Schädigung typischerweise im 2. bis 8. Lebensmonat manifestieren, bei Jungen deutlich häufiger als bei Mädchen ( vgl. auch dazu bereits Senats-Urteil vom 29.09.2010 – L 6 VJ 23/05 – juris). Damit sind die Anfälle bei dem Kläger gerade im dem statistisch unterlegten typischen Zeitfenster aufgetreten. Außer der zeitlichen Koinzidenz sind Gründe, die einen ungünstigen Einfluss der Impfung überzeugend belegen könnten, nicht ersichtlich. Vielmehr sind aus medizinischer Sicht andere Ursachenzusammenhänge möglich, die die Impfung als Glied in der Kausalkette nicht beinhalten.
Denn nach den Sachverständigengutachten von Dr. C und Prof. Dr. L entspricht es dem wissenschaftlichen Stand, dass eine (andere) frühkindliche Hirnschädigung allein (d.h. auch ohne BNS-Anfälle) zu den beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen führen kann. Eine solche kann beim Kläger bereits vor den Impfungen bestanden haben. Insbesondere die Komplikationen während der Schwangerschaft und die Zuckerstoffwechselstörung in den ersten Tagen nach der Geburt bieten Auffälligkeiten, die eine Hirnschädigung möglich erscheinen lassen. Dem steht nicht entgegen, dass sich der Kläger nach der Krankenhausentlassung zunächst unauffällig entwickelt hat. Eine frühe Hirnschädigung wird in vielen Fällen nicht sofort evident, sondern fällt häufig erst dann auf, wenn altersentsprechende Funktionen nicht zeitgerecht oder nicht in vollem Umfang erreicht werden. Nach der medizinischen Literatur ist dies oft erst im Alter von 9 Monaten der Fall, wenn sich das Kind nicht von allein aufsetzt (vgl Bobath/Bobath, Die motorische Entwicklung bei Zerebralparese, Thieme Verlag, Stuttgart, New York 1994).
Hinzu kommt, dass die Erstmanifestation des West-Syndroms nach den Sachverständigen Dr. C und Prof. Dr. L bereits vor dem dritten Impfungstermin lag oder doch gelegen haben könnte, was den zeitlichen Zusammenhang bezogen gerade auf die dritte Impfung und insgesamt lockern würde.
Gegen einen ursächlichen Einfluss der Impfung sprechen auch die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. L. Der Sachverständige hat im Gutachten vom 06.01.2099 für den Senat in Auswertung der einschlägigen Literatur überzeugend dargelegt, dass das BNS-Anfallsleiden/West-Syndrom 8 % aller kindlichen Epilepsien ausmacht, überwiegend Säuglinge zwischen dem zweiten und dem achten Lebensmonat betroffen sind und es sich in der Mehrzahl der Fälle um cerebral geschädigte Kinder handelt. Insgesamt ist danach der Anteil der als symptomatisch erkannten Fälle mit Differenzierung der cerebralen Diagnostik entsprechend größer geworden und beträgt derzeit mehr als 90 %. Die verbleibenden als kryptogen bzw. idiopathisch bezeichneten Fälle des BNS-Anfallsleidens/West-Syndroms zeichnen sich dadurch aus, dass die Entwicklung bis zum Beginn der Epilepsie normal verläuft und die gängigen diagnostischen Methoden einschließlich der Kernspin-Tomographie einen normalen Befund ergeben. Weiter führt der Sachverständige aus, dass in der Pathogenese dieser Formen genetische Faktoren eine größere Rolle spielen als beim symptomatischen West-Syndrom. Er verweist schließlich auf eine Studie von Bellmann und Mitarbeiter (Lancet 1983, I, S.1031 f.), die sich speziell mit dem Zusammenhang zwischen Impfung (hier: Keuchhusten-Impfung mit dem alten vergleichsweise häufig zu postvakzinalen Krämpfen führenden Ganzkeim-Impfstoff) und BNS-Anfallsleiden/West-Syndrom befasst. Danach war im Zeitraum von vier Wochen die Erstmanifestation von BNS-Fällen nicht häufiger als die durchschnittliche BNS-Erwartungshäufigkeit überhaupt nicht geimpfter Kinder identischen Alters und Entwicklungsstandes.
Diese grundsätzlichen Forschungsergebnisse kann der Kläger auch nicht unter Hinweis auf einen wiederholt von seinen Bevollmächtigten angesprochenen, in einem Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung aus dem Jahre 2000 geschilderten Fall relativieren, in dem es zur Überzeugung der dort beteiligten Gutachter zu einer durch Impfung "erworbenen" cerebralen Schädigung (postvakzinale Encephalopathie) gekommen ist, die zu den oben beschriebenen symptomatischen BNS-Anfallsleiden zählt.
Der Senat hat sich nicht den Sachverständigen PD Dr. N und Dr. I angeschlossen, die einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Impfung(en) und BNS-Leiden mit den weiteren Folgewirkungen annehmen.
Gegen die sozialmedizinische Beurteilung des Sachverständigen PD Dr. N spricht bereits, dass er von einem falschen Sachverhalt ausgeht, indem er eine "unbekannte genetische Disposition" unterstellt, insbesondere aber einen falschen Prüfungsmaßstab anlegt, indem er darauf abstellt, "es sei gerade nicht zu beweisen, dass die Impfung als Ursache nicht ausreichend wahrscheinlich sei".
Auch Dr. I wählt mit den WHO-Vorgaben für unerwünschte Medikamentenebenwirkungen einen eigenen Maßstab zur Kausalitätsfeststellung. Im Impfschadensrecht nach dem BVG in Verbindung mit dem IfSG bzw. BSeuchG ist aber nicht dieser Maßstab entscheidend, sondern die Vorgaben in den AHP, jetzt VMG und der diese konkretisierenden Rechtsprechung. Auch er legt seiner Beurteilung einen (Impf-) Sachverhalt zugrunde, der nicht erwiesen ist. So ist insbesondere eine dritte HIB-Schutzimpfung weder im Impfbuch belegt noch sonst wie nachgewiesen, so dass die diesbezüglichen Ausführungen zur anflutenden Quecksilberexposition durch das Konservierungsmittel Thiomersal in dieser Form nicht schlüssig und nachvollziehbar sind. Die erstmals überhaupt angesprochene Wirkungskette nicht des Impfstoffs, sondern des Konservierungsmittels kann deshalb nicht zugrunde gelegt werden. Die von ihm diskutierte neurotoxische Wirkung von Thiomersal ist im Fall des Klägers nicht mit den medizinischen Fakten in Einklang zu bringen.
Der Kläger hat unstreitig die HIB-Impfung mit dem Bestandteil Thiomersal im April 1996 und nochmals am 03.06.1996 erhalten. Bei der Impfung am 03.05.1996 war diese Substanz nicht mit injiziert worden. Dr. I stellt insoweit ohne Bezug zum konkreten Fall allgemeine Erwägungen zu den immunologischen und toxischen Wirkungen der Inhaltsstoffe, speziell auch des adjuvanten Aluminiumhydroxids, an. Seine theoretischen Ausführungen zu den Erkrankungen von Soldaten im Golfkriegs-Einsatz 1990/1991 und zu den bei der sog. Schweinegrippe 2009/2010 aktuellen Pandemieimpfstoffen sind wenig hilfreich, denn sie betreffen – so der Sachverständige Dr. I wörtlich – "solche(n) (allerdings andere(n))" Wirkstoffe(n) als in dem beim Kläger verwandten Impfstoff Infanrix. Auch danach geht der Senat von keinem Zusammenhang zwischen den Impfungen am 01.04.1996 und im Mai 1996 einerseits und dem beim Kläger nach dem 03.06.1996 aufgetretenen West-Syndrom andererseits aus. Der Ursachen-zusammenhang wäre im Übrigen aber auch bei Anwendung der WHO-Kriterien ausge-schlossen. Denn soweit Dr. I nach der (dritten) Impfung am 03.06.1996 das erste BNS-Anfallsgeschehen als Fortsetzung bzw. Verschlimmerung bereits zuvor beobachteter Verhaltensauffälligkeiten des Klägers wertet, ist bezüglich der HIB-Impfung mit der Begleitsubstanz Thiomersal damit gerade kein von den WHO-Kriterien geforderter sog positiver Re-Expositionsversuch für einen gesicherten Zusammenhang belegt. Insoweit ist nämlich übereinstimmend in allen im Verwaltungs-, Gerichts- und Berufungsverfahren beigezogenen medizinischen Äußerungen als Impfreaktion nach der ersten Impfung, u.a. mit dem HIB-Impfstoff, vom 01.04.1996 belegt, dass der Kläger am selben Abend nur eine etwas erhöhte Körpertemperatur aufwies, was wiederum als übliches Ausmaß einer Impfreaktion anzusehen ist und gerade nicht den Kriterien entspricht, die von der WHO für die Feststellung eines "wahrscheinlichen Zusammenhangs" gefordert werden.
Die Sachverständigen PD Dr. N und Dr. I haben keine anderslautenden überzeugenden Studien benannt, die einen Zusammenhang zwischen Impfungen und BNS-Anfällen auch nur vermuten. Soweit Studien durchgeführt worden sind, lehnen diese im Gegenteil einen Zusammenhang zwischen Impfung und neurologischen Schädigungen ab. Dieser von den Sachverständigen wiedergegebene aktuelle Stand der Wissenschaft spiegelt sich auch in den Arbeitsergebnissen der beim Robert-Koch-Institut eingerichteten Ständigen Impfkommission (STIKO) wider, wie sie im Epidemiologischen Bulletin veröffentlicht werden. Im diesbezüglich aktuellsten Epidemiologischen Bulletin Nr. 30 vom 02.08.2010 (S. 292) wird wegen der Erkenntnisse zu möglichen Impfkomplikationen auf das Epidemiologische Bulletin 25/2007 vom 22.06.2007 verwiesen. Dort wiederum wird – wie auch in den früheren AHP – eine Epilepsie als Komplikation etwa nach einer Impfung gegen Diphtherie und Tetanus nicht erwähnt und somit weder nach der damaligen noch der derzeitigen medizinisch-wissenschaftlichen Auffassung ernsthaft in Erwägung gezogen.
Eine Beweiserleichterung kann dem Kläger bei dieser Sachlage nicht zu Gute kommen. Das Impfschadensrecht normiert, nach welchem Rechtsmaßstab die Anerkennung eines Impfschadens zu erfolgen hat. Insbesondere lässt es die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Impfung und Impfschaden genügen. Lediglich dann, wenn sich dieser anspruchsbegründende Umstand auch unter der erleichterten Bedingung der Wahrscheinlichkeit nicht ermitteln lässt, geht es zu Lasten desjenigen, der daraus eine ihm günstige Rechtsfolge herleiten will (vgl. hierzu z.B. BSG Urteil vom 19.08.1981 – 9 RVi 5/80 – juris Rn. 23 ). Eine darüber hinausgehende Beweiserleichterung sieht das Gesetz nicht vor und ist auch hier nicht veranlasst.
Der Kläger erfüllt auch nicht die Voraussetzungen für die Gewährung der sog Kannversorgung gemäß § 60 Abs. 1 IfSG i.V.m. § 61 S. 2 IfSG. Eine Versorgung ist nach diesen Vorschriften mit Zustimmung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales in Nordrhein-Westfalen zu gewähren, wenn ein ursächlicher Zusammenhang nur deshalb nicht als wahrscheinlich angenommen werden kann, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht. Nach Teil C Nr. 4b VMG ist eine Kannversorgung zu prüfen, wenn über die Ätiologie und Pathogenese des als Schädigungsfolge geltend gemachten Leidens keine durch Forschung und Erfahrung genügend gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Auffassung herrscht und entsprechend die ursächliche Bedeutung von Schädigungstatbeständen für die Entstehung oder den Verlauf des Leidens nicht mit Wahrscheinlichkeit beurteilt werden kann. In diesen Fällen ist die Kannversorgung zu gewähren, wenn ein ursächlicher Einfluss des geltend gemachten schädigenden Tatbestandes in den wissenschaftlichen Arbeitshypothesen als theoretisch begründet in Erwägung gezogen wird (Teil C Nr. 4b bb VMG). Dabei reicht die allein theoretische Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs nicht aus. Denn die Verwaltung ist nicht ermächtigt, bei allen Krankheiten ungewisser Genese immer die Möglichkeit des Ursachenzusammenhangs – die so gut wie nie widerlegt werden kann – ausreichen zu lassen (BSG Urteil vom 10.11.1993 – 9/9a RV 41/92 – SozR 3-3200 § 81 Nr. 9 m.w.N.). Es genügt nicht, wenn ein Arzt oder auch mehrere Ärzte einen Ursachenzusammenhang nur behaupten. Vielmehr ist es erforderlich, dass diese Behauptung medizinisch-biologisch nachvollziehbar begründet und durch wissenschaftliche Fakten, in der Regel statistische Erhebungen (vgl. BSG Urteil vom 12.12.1995 – 9 RV 17/94 – SozR 3-3200 § 81 Nr. 13), untermauert ist. Die Fakten müssen – in Abgrenzung zu den Voraussetzungen der Pflichtversorgung – (noch) nicht so beschaffen sein, dass sie bereits die überwiegende medizinische Fachwelt überzeugen. Die niedrigere Schwelle zur Kannversorgung ist bereits dann überschritten, wenn die vorgelegte Begründung einschließlich der diese belegenden Fakten mehr als die einfache Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs belegt ("qualifizierte" Möglichkeit, vgl. Rösner, MedSach 1990, S. 4 oder "gute" Möglichkeit vgl. BSG Urteil vom 12.12.1995 – 9 RV 17/94 – a.a.O. sowie Urteil vom 17.07.2008 – B 9/9a VS 5/06 R – juris) und damit zumindest einen eingeschränkten Personenkreis der Fachmediziner überzeugt ("Mindermeinung").
Das West-Syndrom des Klägers ist eine Erkrankung, bei der es im Hinblick auf die als schädigende Ereignisse angenommenen Impfungen erkennbar an einer fundierten, einen Ursachenzusammenhang bejahenden medizinischen Lehrmeinung fehlt. Dies zeigen bereits die oben angegebenen, von der STIKO im Epidemiologischen Bulletin 2007, Nr. 25 veröffentlichten Arbeitsergebnisse. Derzeit gibt es keine wissenschaftlichen Fakten oder Hinweise, die eine Verursachung der BNS-Anfälle durch eine der beim Kläger vorgenommenen Impfungen annehmen oder gar beweisen könnten. Vielmehr haben Studien eine Evidenz für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Impfungen und neurologischen Schädigungen verneint, so auch der Sachverständige Prof. Dr. L in seinem Gutachten für den Senat vom 06.01.2009. Ein anderes Ergebnis kann auch nicht dadurch gewonnen werden, dass der Sachverständige Dr. I als einziger den Ursachenzusammenhang rundheraus für wahrscheinlich hält. Diese Meinung ist – wie bereits ausgeführt – erkennbar zweifelhaft und mit den medizinischen Fakten in diesem Fall nicht ohne Weiteres in Einklang zu bringen. Jedenfalls fehlt es hier für eine Kannversorgung an einer diese tatbestandlich zumindest stützenden wissenschaftlichen (Minder-)Meinung in der Medizin.
Der Senat hat sich nicht veranlasst gesehen, die Zulassungsakten des verabreichten Impfstoffes "Infanrix" und auch nicht die Nutzen-Lastenanalyse bezogen auf den verabreichten Impfstoff beizuziehen, wie dies der Kläger hilfsweise beantragt hat. Aus dem Antrag selbst ergibt sich nicht, wegen welcher Inhalte konkret diese Akten bzw. Nutzen-Analysen überhaupt von Relevanz sein sollten. Bei ergänzender Berücksichtigung des Vortrags im klägerischen Schriftsatz vom 07.04.2009 zu den Umständen der Zulassung von Infanrix-Impf-Präparaten und der Vermutung, dass eventuell ein nicht ausgereiftes Präparat beim Kläger geimpft worden sei, gilt, dass die Impfstoffe, die dem Kläger von April 1996 bis Juni 1996 injiziert wurden, auch damals bereits allgemein getestet und zugelassen waren. Dass sich aus den Akten Hinweise auf eine gänzlich andere Bewertung der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung ergeben, hat der Kläger nicht behauptet. Dafür bieten sich auch keine Anhaltspunkte.
Der weitere hilfsweise gestellte Antrag, Beweis zu erheben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage: "Lässt die Tatsache, dass das West-Syndrom atypisch verlaufen ist, einen Rückschluss darauf zu, dass ein West-Syndrom in den ersten Lebensmonaten unabhängig vom Impfereignis zum Ausbruch gekommen wäre?" ist als bloße Anregung zu amtsseitiger Sachaufklärung abzulehnen. Der Senat sieht dafür nach der umfangreichen Beweiserhebung gemäß §§ 103,106 SGG keine sachlich begründete Veranlassung. Wollte der Kläger – was der Senat im Wege der Auslegung hilfsweise als dann noch allein interessengerecht zugrundelegt – damit den Antrag auf Anhörung eines weiteren Arztes seines Vertrauens nach § 109 SGG stellen, so ist auch dem nicht nachzukommen. Denn in formeller Hinsicht muss ein solcher Antrag klar und unmissverständlich gestellt sein (BSG Beschluss vom 23.10.1957 – 4 RJ 42/57 – juris Rn. 11 = SozR § 109 SGG Nr 8). Das ist hier schon mangels Benennung eines Arztes oder konkretisierbarer Anhaltspunkte zu dessen Feststellung nicht der Fall (vgl. BSG Urteil vom 22.06.1977 – B 10 RV 67/76 – juris Rn 22; zustimmend auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 109 Rn 4 mwN). Zur inhaltlichen Begründung eines solchen Anhörungsverlangens bedarf es allerdings, nachdem der Kläger von seinem Antragsrecht nach § 109 SGG bereits Gebrauch gemacht hat, der Darlegung besonderer Umstände. Das ist jedoch für die Frage der fachärztlichen weiteren Begutachtung zum atypischen Verlauf des West-Syndroms und dem Rückschluss darauf, ob ein West-Syndrom in den ersten Lebensmonaten unabhängig vom Impfereignis zum Ausbruch gekommen wäre, hier nicht geschehen. Das Beweisthema stellt nur eine Umformulierung der bereits vom Sozialgericht und vom Senat gestellten umfangreichen wesentlichen Beweisfragen zur Kausalität der Impfungen im Falle des Klägers unter Beachtung des Erkenntnisstandes in der (fach-)medizinischen Wissenschaft dar. Ein weitergehender Erkenntnisgewinn aufgrund dieser rein sprachlich aufzufassenden Umformulierung ist – neben allen Ausführungen in den Gutachten sowohl nach § 106 SGG als auch gemäß § 109 SGG – insoweit nicht vom Kläger dargetan worden.
Soweit vom Kläger schließlich weiter hilfsweise beantragt worden ist, den Sachverständigen Dr. I zur Erläuterung seines Gutachtens gemäß § 109 SGG zu hören, folgt der Senat auch diesem Antrag nicht. Es handelt sich um eine bloß wiederholende Anregung, da der Senat bereits eine ergänzende schriftliche Äußerung des Dr. I vom 15.12.2009 zu dem Gutachten nach § 109 SGG vom 28.10.2009 eingeholt hatte. Abgesehen davon geht es dem Kläger anscheinend auch nicht um die Behebung von Zweifeln im Zusammenhang mit den bisherigen sachverständigen Äußerungen von Dr. I, dann hätte er diese Punkte benennen können und müssen. Vielmehr sollte mit dessen persönlicher Befragung anscheinend auf die gerichtliche Überzeugungsbildung – im Termin unter Beteiligung der ehrenamtlichen Richter – Einfluss genommen werden. Dies legen nämlich die Ausführungen im Schriftsatz des Klägers vom 26.01.2011 nahe, wonach sich der Senat von der Glaubwürdigkeit des Sachverständigen durch dessen persönliche Befragung überzeugen möge.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) nicht als gegeben angesehen.
Erstellt am: 15.06.2011
Zuletzt verändert am: 15.06.2011