Rev. d.Kl. zurückgewiesen.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 09.05.2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist die Gewährung von Arbeitslosengeld neben der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit von jedenfalls 17 Stunden wöchentlich.
Der Kläger bezog von der Beklagten bis 14.05.2003 Arbeitslosenhilfe. Ab 01.06.2003 nahm er eine selbständige Tätigkeit von mehr als 15 Stunden wöchentlich als Einzelhandelskaufmann (Handel mit Eisenbahnmodellen) auf, die von der Beklagten bis 31.05.2006 durch die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses gefördert wurde. Ab dem 30.08.2004 bis 15.01.2006 übte er zusätzlich eine beitragspflichtige Beschäftigung aus, zuletzt als Versandmitarbeiter mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden. Diese Tätigkeit wurde durch den Arbeitgeber gekündigt. Vor Aufnahme der versicherungspflichtigen Beschäftigung neben der selbständigen Tätigkeit erfolgte keine Kontaktaufnahme des Klägers mit der Beklagten.
Am 16.05.2006 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Er gab an, er übe nach wie vor seine selbständige Tätigkeit aus, daneben könne er 20 Stunden wöchentlich eine abhängige Beschäftigung ausüben. Die selbständige Tätigkeit übe er montags, mittwochs, donnerstags und freitags jeweils für 3 ½ Stunden und samstags für 3 Stunden aus. Das Gewerbe werfe jedoch nicht genug ab, um davon den Lebensunterhalt zu bestreiten. Eine Verkürzung der Ladenöffnungszeiten sei ihm nicht möglich. Er könne sein Gewerbe nicht auf einen Nebenerwerb ummelden und es unter 15 Stunden wöchentlich selbständig ausüben.
Mit Bescheid vom 25.07.2006 lehnte die Beklagte die Gewährung von Arbeitslosengeld mit der Begründung ab, dass er nicht arbeitslos sei, weil er eine mehr als kurzzeitige selbständige Tätigkeit ausübe. Mit seinem Widerspruch gegen diesen Bescheid machte der Kläger geltend, dass er in der Vergangenheit neben seiner selbständigen Tätigkeit eine beitragspflichtige Teilzeitbeschäftigung ausgeübt habe. Dies sei aufgrund der Öffnungszeiten seines Geschäfts am späten Nachmittag auch weiterhin ohne Weiteres möglich. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.08.2006 zurück und führte aus, dass nach der gesetzlichen Regelung bei der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich Arbeitslosigkeit nicht vorliege, so dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosengeld nicht gegeben seien. Hiergegen hat der Kläger am 29.08.2006 Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf erhoben. Er hat vorgetragen, dass er auch bei Ausübung der selbständigen Tätigkeit dem Arbeitsmarkt für eine versicherungspflichtige Beschäftigung von 20 Stunden wöchentlich zur Verfügung stehe. Dies habe er bereits in der Vergangenheit so praktiziert. Für diese Beschäftigung habe er auch Beiträge abgeführt und es könne nicht sein, dass er monatelang Beiträge gezahlt habe, ohne im Leistungsfall Ansprüche auf Leistungen geltend machen zu können.
Das Sozialgericht ist von dem Antrag des Klägers ausgegangen,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.07.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2006 zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld ab Antragstellung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat sich auf die Ausführungen im Verwaltungsverfahren bezogen. Im Übrigen hat sie ausgeführt, dass die Entrichtung von Beiträgen kein maßgebliches Tatbestandsmerkmal für die Zahlung von Arbeitslosengeld sei. Aus der Beitragszahlung, die unabhängig von dem Eintritt eines Versicherungsfalles erfolge, lasse sich kein Anspruch auf Arbeitslosengeld herleiten.
Mit Gerichtsbescheid vom 09.05.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung wörtlich ausgeführt: "Die Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid zu Recht die Gewährung von Arbeitslosengeld abgelehnt, da die Anspruchsvoraussetzugen nicht erfüllt sind.
Voraussetzung für die Gewährung von Arbeitslosengeld bei Arbeislosigkeit ist gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 SGB III das Vorliegen von Arbeitslosigkeit. Arbeitslos ist gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III, wer unter anderem vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit). Die Ausübung einer Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit oder Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger (Erwerbstätigkeit) schließt gemäß § 119 Abs. 3 SGB III die Beschäftigungslosigkeit nur dann nicht aus, wenn die Arbeitszeit weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt. Der Kläger übt unstreitig eine selbständige Beschäftigung von mehr als 15 Stunden wöchentlich aus. Allein die reinen Öffnungszeiten umfassen nach seinen Angaben 17 Stunden wöchentlich. Damit liegt Beschäftigungslosigkeit und damit Arbeitslosigkeit beim Kläger nicht vor. Die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosengeld sind daher nicht gegeben.
Etwas Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger in der Vergangenheit neben seiner in gleichem Umfang ausgeübten selbständigen Tätigkeit eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat, für die Beiträge abgeführt wurden. Die Ausnahmeregelung des § 118 Abs. 3 Satz 2 SGB III, nach der die Fortführung einer mindestens 15 Stunden wöchentlich aber weniger als 18 Stunden wöchentlich umfassenden selbständigen Tätigkeit Beschäftigungslosigkeit nicht ausschloss, wurde bei der Reform des SGB III zum 01.01.2005 ersatzlos gestrichen. Eine entsprechende Ausnahmeregelung ist nunmehr im Gesetz nicht mehr enthalten.
Der Kläger irrt auch, wenn er meint, dass die Abführung von Beiträgen aus einer Teilzeitbeschäftigung schon deshalb rechtswidrig sein müssen, weil er nunmehr keine Leistungen beziehen könne. Durch Aufgabe seiner selbständigen Tätigkeit oder Reduzierung des Umfanges der selbständigen Tätigkeit auf weniger als 15 Stunden kann er die Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit herbeiführen, so dass Arbeitslosengeld gewährt werden könnte."
Gegen diesen ihm am 22.05.2007 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 22.06.2007 eingegangene Berufung des Klägers. Der Kläger wiederholt zunächst seinen erstinstanzlichen Vortrag und weist ergänzend darauf hin, dass das gefundene Ergebnis jedenfalls unbefriedigend sei und nach einer Lösung zugunsten des Klägers im Wege der Auslegung gesucht werden müsse. Es könne ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er sich zur Vermeidung weiterer Arbeitslosigkeit selbständig gemacht habe und wahrheitsgemäße Angaben über die Öffnungszeiten seines Ladens gemacht habe. Dies könne nicht im Sinne des Gesetzes sein. Im Übrigen sei er der Auffassung, dass § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB III in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung dem Sinn nach entsprechend herangezogen werden müsse. Immerhin habe die Anwendung der geltenden Gesetzeslage zur Konsequenz, dass er sich nicht einmal die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung erstatten lassen könne. Im Übrigen müsse man auch an einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch denken. Die Beklagte habe die Selbständigkeit des Klägers durch einen Existenzgründungszuschlag gefördert. Später habe er eine Halbtagstätigkeit aufgenommen. Die Beklagte hätte zumindest die Verpflichtung gehabt, ihn bei Aufnahme der Halbtagstätigkeit neben der Selbständigkeit darauf hinzuweisen, dass er auch dann, wenn er Abgaben zur Arbeitslosenversicherung für diese Halbtagstätigkeit abführe, hieraus keinen Anspruch auf die Gewährung von Arbeitslosengeld habe, wenn er die Ladenöffnungszeiten und den Umfang seiner Tätigkeit wie bisher beibehalte. Es sei rechtsmissbräuchlich, Leistungen einzunehmen mit dem sicheren Wissen, dass Gegenleistungen nicht zu erbringen seien. Der Beklagten müsse die Berufung auf die zur Zeit geltende Vorschrift des § 118 SGB III verwehrt werden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 09.05.2007 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie sieht weiterhin keine gesetzliche Möglichkeit, dem Klageantrag zu entsprechen. Für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch sieht sie keine Grundlage.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten mit der Kundennummer 000 Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die Beklagte hat zu Recht die Bewilligung von Arbeitslosengeld abgelehnt, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen, insbesondere weil der Umfang der selbständigen Tätigkeit des Klägers das Vorliegen von Arbeitslosigkeit ausschließt. Der Senat nimmt insoweit zunächst Bezug auf die Ausführungen auf Seite 4 des angefochtenen Gerichtsbescheids, denen er sich nach eigener Überprüfung gemäß § 155 Abs. 2 SGG anschließt.
Der Vortrag im Berufungsverfahren gibt zu keiner anderen Beurteilung Anlass. Für eine weitere Anwendung des § 118 Abs. 3 Satz 2 SGB III über den 31.12.2004 hinaus sieht der Senat mit dem Sozialgericht keine Rechtsgrundlage. Die bis zum 31.12.2004 geltende Ausnahmevorschrift, nach der die Fortführung einer mindestens 15 Stunden wöchentlich, aber weniger als 18 Stunden wöchentlich, umfassenden selbständigen Tätigkeit Beschäftigungslosigkeit nicht ausschloss, ist vom Gesetzgeber bewusst ersatzlos gestrichen worden. Eine Übergangsregelung wie z.B. § 434 j SGB III für andere Fälle fehlt (vgl. Brand in Niesel, SGB III, 4. Auflage 2007, § 119 Randnr. 29). Auch im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kann die Regelung nicht weiter oder entsprechend angewendet werden. Der Kläger ist erst im Januar 2006 arbeitslos geworden. Die abhängige Beschäftigung hat er zwar bereits am 30.08.2004 aufgenommen, als § 118 Abs. 3 Satz 2 SGB III noch Geltung hatte, aber ein Kontakt zur Beklagten hat dieserhalb nicht stattgefunden. Anlass zu einer spontanen Beratung durch die Beklagte sieht der Senat weder im Zeitpunkt der Aufnahme der unselbständigen Tätigkeit noch um den 01.01.2005 herum, dem Zeitpunkt der Gesetzesänderung. Zudem ist völlig offen, was der Kläger getan hätte, wenn er über die Gesetzesänderung zum 01.01.2005 und die möglichen Folgen für ihn belehrt worden wäre. Der Inhalt des Schriftsatzes vom 22.06.2007 spricht eher dafür, dass er bei Kenntnis der Gesetzeslage nicht den Umfang seiner selbständigen Tätigkeit herabgesetzt hätte, was er ja auch selbst nach Kenntnis der Gesetzeslage nicht getan hat, sondern eher die abhängige Beschäftigung nicht weiter fortgeführt hätte. Dies kann aber dahinstehen, da jedenfalls über den sozialrechtlichen Herstellunganspruch nicht die Tatsache ungeschehen gemacht werden kann, dass der Kläger jedenfalls 17 Stunden selbständig wöchentlich gearbeitet hat. Die 17 Stunden Öffnungszeiten des Geschäftes sind jedenfalls dem Kläger als Arbeitszeit zuzurechnen (auch vgl. Niesel, a.a.O., Randnr. 30).
Auch die Gewährung von Teilarbeitslosengeld nach § 150 SGB III ist nicht möglich. Diese Vorschrift setzt voraus, dass eine versicherungspflichtige Beschäftigung verloren geht, die neben einer weiteren versicherungspflichtigen Beschäftigung ausgeübt worden ist und eine versicherungspflichtige Beschäftigung gesucht wird. Hier hat der Kläger neben dem Verlust seiner versicherungspflichtigen Beschäftigung keine weitere versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt, sondern eine selbständige. Der Senat hält diese Regelung für verfassungsrechtlich unbedenklich. Angesichts der doch gravierenden Unterschiede zwischen selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung konnte der Gesetzgeber eine Regelung für den Verlust einer abhängigen Beschäftigung bei Fortbestehen einer weiteren abhängigen Beschäftigung treffen, ohne aus Gleichbehandlungsgründen gezwungen gewesen zu sein, auch den – davon abzuweichenden – Fall zu regeln, dass die abhängige Beschäftigung bei Fortbestehen einer selbständigen Beschäftigung verloren geht, in gleicher Weise zu regeln.
Der Senat hält es auch für hinnehmbar, dass der Kläger trotz Beitragszahlung keine Leistungen erhält. Der Kläger hatte es selbst in der Hand, die Voraussetzungen des § 119 SGB III für eine Zahlung für Arbeitslosengeld durch Reduzierung des Umfangs seiner selbständigen Tätigkeit herbeizuführen. Hierauf ist er spätestens in dem angefochtenen Gerichtsbescheid hingewiesen worden. Zum Zeitpunkt der Zustellung des Gerichtsbescheids war die zweijährige Rahmenfrist des § 124 SGB III noch nicht abgelaufen. Gleichwohl hat der Kläger seine selbständige Tätigkeit wie im bisherigen Umfang weitergeführt.
Klage und Berufung konnten somit keinen Erfolg haben. Das angefochtene Urteil war zu bestätigen.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil er der Frage grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat, ob der Gesetzgeber § 118 Abs. 3 Satz 2 SGB III ab 01.01.2005 ohne Übergangsregelung streichen durfte und ob eine dem § 150 SGB III entsprechende Regelung für einen Fall der vorliegenden Art unterbleiben durfte.
Erstellt am: 04.05.2010
Zuletzt verändert am: 04.05.2010