Die Erinnerung der Erinnerungsführerin gegen die Gebührenberechnung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit L 9 AL 109/05 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I. Die Bundesagentur für Arbeit (Erinnerungsführerin) wendet sich gegen die Höhe der Pauschgebühr.
Der Rechtsstreit L 9 AL 109/05, der dem Erinnerungsverfahren zugrunde liegt, ist im Berufungsverfahren durch Beschuss des erkennenden Senats vom 17. Oktober 2005 nach § 158 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) abgeschlossen worden. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.2.2005 wurde als unzulässig verworfen, nachdem der Senat zuvor seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Berufungsfrist mit Beschluss vom 25.8.2005 abgelehnt hatte. Das Bundessozialgericht hat die gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss vom 17.10.2005 gerichtete Beschwerde als unzulässig verworfen.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Gerichts stellte den Abschluss des Verfahrens gebührenrechtlich einem Urteil gleich und veranlasste gemäß §§ 184 ff SGG die Anforderung der festgestellten vollen Gebühr i.H.v. 225,00 Euro bei der Bundesagentur für Arbeit (Feststellung der Gebührenschuld in dem Verzeichnis der Streitsachengebühren vom 4.11.2005). Dagegen wendet sich diese mit der Erinnerung vom 14.11.2005. Sie macht geltend, da der Rechtsstreit durch Beschluss nach § 158 Satz 2 SGG beendet worden sei, ermäßige sich die Gebühr gemäß § 186 SGG auf die Hälfte. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Der Bezirksrevisor (Erinnerungsgegner) beantragt, die Erinnerung der Beklagten als unbegründet zurückzuweisen und verweist auf Beschlüsse des Landessozialgerichts Berlin vom 2.3.2005 (L 2 SF 19/04 SF) sowie des Hessischen Landessozialgerichts vom 21.02.1994 (L-6/S-52/93 u.a.).
II. Die nach § 189 Abs. 2 Satz 2 SGG zulässige Erinnerung ist unbegründet.
Die Erinnerungsführerin schuldet der Staatskasse gemäß § 185 SGG die nach § 184 SGG volle, für Urteile geltende Pauschgebühr von 225 Euro. Das dem Erinnerungsverfahren zugrunde liegende Hauptsacheverfahren ist zwar nicht durch Urteil abgeschlossen worden, wohl aber durch einen Beschluss, der einem Urteil hinsichtlich der Pauschgebührenregelung gleichzustellen ist.
Die Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts haben für jede Streitsache, an der sie beteiligt sind, eine Gebühr zu entrichten. Die Gebühr entsteht, sobald die Streitsache rechtshängig geworden ist; sie ist für jeden Rechtszug zu zahlen (§ 184 SGG). Sie wird fällig, sobald die Streitsache durch Zurücknahme des Rechtsbehelfs, durch Vergleich, Anerkenntnis, Beschluss oder durch Urteil erledigt ist (§ 185 SGG). Wird eine Sache nicht durch Urteil erledigt, so ermäßigt sich die Gebühr auf die Hälfte (§ 186 Satz 1 SGG).
Die Regelung des 186 SGG, die allein nach ihrem Wortlaut nicht befriedigend ausgelegt werden kann, erfasst nicht nur Urteile im formalen Sinne. Gleichgestellt sind auch die Beschlüsse nach § 153 Abs. 4 SGG und § 158 Satz 2 SGG, denen ausdrücklich die Wirkung von Urteilen zuerkannt wird (Hess LSG, Beschluss vom 21.2.1994 – L 6 S 52/93 – E-LSG B-022; LSG Niedersachsen, Beschluss vom 22.8.1994 – L 4 S 10/94 – E-LSG B-040; LSG Berlin, Beschluss vom 2.3.2005 – L 2 SF 19/04 SF -; aA LSG Baden-Würrtemberg, Beschluss vom 3.1.1995 – L 9 KoB 223/94 – E-LSG B-042; für eine Ermäßigung der Gebühr auf die Hälfte bei Beschlüssen nach § 158 SGG, nicht dagegen bei Beschlüssen nach § 153 Abs. 4 SGG: Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage 2005, § 186 Rdnr 2; nach LSG Berlin, Beschluss vom 9.9.1993 – L 12 Z 1/94 – Breithaupt 1994, 174 und Zeihe, § 186 Rdnr 1a, soll sowohl bei Beschlüssen nach § 158 SGG und § 153 Abs. 4 SGG nur die halbe Gebühr anfallen).
Dass auch das Beschlussverfahren nach § 158 Satz 1 SGG in der Berufungsinstanz im Rahmen der Festsetzung der Pauschgebühr einem Urteil gleichsteht, ergibt sich daraus, dass § 158 Satz 2 SGG dem Gericht die (gleichwertige) Möglichkeit einräumt, die Berufung durch Beschluss oder durch Urteil als unzulässig zu verwerfen. Auch sind gegen einen Beschluss nach § 158 SGG dieselben Rechtsmittel wie gegen ein Urteil gegeben (§ 158 Satz 3 SGG). Entsprechend wird der Beschluss auch hinsichtlich der Rechtsmittelbelehrung nicht anders als ein Urteil behandelt, an dessen Stelle er tritt (§ 158 Satz 4 SGG).
Zur sachgerechten Ermäßigung der Pauschgebühr nach § 186 Satz 1 SGG ist darauf abzustellen, ob die Berufungsinstanz im Hauptsacheverfahren durch Urteil oder eine einem Urteil gleichstehende Entscheidung beendet worden ist. Dies ist bei Sachverhalten nach § 153 Abs. 4 SGG in gleicher Weise wie bei § 158 Satz 2 SGG der Fall, weshalb eine unterschiedliche Behandlung nicht gerechtfertigt ist. Nicht maßgebend ist der Aufwand des Gerichts, insb die Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung. Für die Berücksichtigung dieses Aspektes finden sich – zumindest nach den Änderungen durch das 6. SGGÄndG – keine Anhaltspunkte (mehr). Zwar ist bei der Erledigung durch Urteil im Regelfall – anders als bei Beschlüssen – die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter und eine mündliche Verhandlung erforderlich. Dass dies jedoch regelmäßig – gegenüber einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG und § 158 Satz 2 SGG – mit einem Mehraufwand verbunden ist, lässt sich vermuten, stellt jedoch keine Grundlage für die gebührenrechtliche Feststellung dar. Zudem fällt auch bei Urteilen, die gemäß § 124 SGG nach einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im Einverständnis mit den Beteiligten ergehen, unstreitig die volle Pauschgebühr an.
Entscheidend für die Auslegung des § 186 SGG ist, dass – ausgehend von der Zielsetzung des § 186 SGG – eine Halbierung der Gebühr nur eintreten soll, wenn durch eine Erledigung des Rechtsstreits auf andere Weise, etwa durch Rücknahme, Anerkenntnis oder Vergleich das Gericht von der Notwendigkeit entbunden wird, das Verfahren streitig ("kontradiktorisch") zu entscheiden (LSG Berlin, Beschluss vom 2.3.2005 – L 2 SF 19/04 SF -). Nach dem Zweck des § 186 SGG soll eine Ermäßigung der Pauschgebühr die Bereitschaft der gebührenpflichtigen Leistungsträger fördern, "eine aussichtslose Rechtsverfolgung" aufzugeben und auf diese Weise die Gerichte zu entlasten (Meyer-Ladewig, aa0, § 186 Rdnr 1; BT-Ds I/4357 S. 33 zu § 133. Dieser Entlastungseffekt tritt nur ein, wenn das Gericht nicht durch Urteil oder Beschluss nach den §§ 153, 158 SGG entscheiden muss, sondern sich der Rechtsstreit durch verfahrensbeendende Erklärungen anderweitig erledigt.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 189 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 04.07.2006
Zuletzt verändert am: 04.07.2006