Rev. des Kl. zurückgewiesen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.05.2013 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die teilweise Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen.
Ab dem 01.06.1996 übte der Kläger aufgrund eines Arbeitsvertrages eine Tätigkeit als technischer Betriebsleiter für das Transportunternehmen seiner damaligen Ehefrau aus. Er wurde zur Sozialversicherung angemeldet und für ihn wurden entsprechende Beiträge abgeführt.
Am 30.09.2005 stellte der Kläger bei der BKK Aktiv als zuständiger Einzugsstelle einen Antrag auf sozialversicherungsrechtliche Beurteilung seiner Beschäftigung als selbstständige Tätigkeit. De facto sei er als Unternehmer tätig geworden und nicht abhängig beschäftigt gewesen.
Mit Bescheid vom 05.12.2005 stellte die BKK Aktiv dagegen fest, bei der Tätigkeit des Klägers vom 01.06.1996 bis 31.12.2002 habe es sich um ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis gehandelt.
Die dagegen vom Kläger nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Anfechtungsklage hatte teilweise Erfolg. Mit Urteil im Verfahren S 34 KR 173/06 gegen die BKK Aktiv, in dem die Beklagte beigeladen war, hob das Sozialgericht Düsseldorf den Bescheid vom 05.12.2005 auf. Es stellte fest, der Kläger habe in der Zeit vom 01.01.2000 bis 31.12.2002 nicht in einem die Versicherungspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis bei seiner Ehefrau gestanden. Das Urteil wurde rechtskräftig.
Der Kläger beantragte unter dem 17.12.2009, ihm die von ihm getragenen Arbeitnehmerbeiträge für die Zeit vom 01.01.2000 bis 31.12.2002 zu erstatten. Die Beklagte berief sich demgegenüber für die Zeit bis zum 30.11.2000 auf Verjährung und lehnte mit Bescheid vom 30.03.2010 die Beitragserstattung für den Zeitraum vom 01.01.2000 bis 30.11.2000 ab. Zwar könne ein Feststellungsbescheid wie derjenige vom 05.12.2005 grundsätzlich Rückwirkung haben. Er könne aber nicht nachträglich als formelle Rechtsgrundlage der Beitragszahlung in solchen Zeiträumen qualifiziert werden, für die der Anspruch der Beklagten auf Beitragserhebung sowie ein eventueller Anspruch auf Beitragserstattung bereits verjährt seien.
Mit dem angefochtenen Urteil vom 14.05.2013 hat das Sozialgericht die nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 18.06.2010) vom Kläger rechtzeitig erhobene Klage abgewiesen. Die Erstattungsansprüche des Klägers hinsichtlich der bis 2000 entrichteten Beiträge seien nach § 27 Abs. 2 S. 1 SGB IV Ende 2004 verjährt gewesen und damit auch im Zeitpunkt seines Antrags an die Einzugsstelle am 29.08.2005. Die Entscheidung der Beklagten, sich auf die Verjährung zu berufen, sei auch nicht ermessensfehlerhaft, weil ein Fehlverhalten der Einzugsstelle nicht ersichtlich sei. Soweit der Kläger auf die mögliche Klärung der Versicherungspflicht verzichtet habe, wirke dies zu seinen Lasten. Der Bescheid der BKK Aktiv vom 05.12.2005 stehe auch unter Berücksichtigung des BSG-Urteils vom 13.09.2006 – B 12 AL 1/05 R der Verjährung nicht entgegen. Die bis zum 30.11.2000 entrichteten Beiträge seien nicht aufgrund dieses Bescheides entrichtet worden, da zu einem früheren Zeitpunkt kein Bescheid über die Versicherungspflicht ergangen sei. Der Bescheid vom 05.12.2005 könne nicht rückwirkend zur Rechtsgrundlage für die Entrichtung der im Zeitpunkt seines Erlasses bereits gemäß § 25 SGB IV verjährten Beitragsansprüche werden. Die bis zum 30.11.2000 entrichteten Beitragsansprüche seien in diesem Zeitpunkt bereits verjährt gewesen und hätten deshalb von der Einzugsstelle auch mit dem Bescheid nicht mehr geltend gemacht werden können. Zudem sei der Bescheid auch nicht bindend geworden, weil ihn das SG Düsseldorf mit dem Urteil vom 30.07.2009 aufgehoben habe.
Mit seiner gegen das am 31.05.2013 zugestellte Urteil am 01.07.2013 (Montag) rechtzeitig erhobenen Berufung macht der Kläger geltend, das Sozialgericht sei zu Unrecht von einer Verjährung der streitbefangenen Beiträge ausgegangen. Genau wie im Urteil des BSG vom 13.09.2006 – B 12 AL/05R sei ein Verwaltungsakt der Einzugsstelle rückwirkend ergangen, der vollumfänglich zu einer Rückbewirkung von Rechtsfolgen ex tunc geführt habe. Eine nur teilweise Rückbewirkung sei gesetzlich nicht vorgesehen. Der Kläger habe am 05.12.2005 keinen Anspruch auf Beitragserstattung gehabt, weil die Einzugsstelle die Beiträge als zu Recht entrichtet beurteilt habe. Nach der Rechtsprechung des BSG könne ein Erstattungsanspruch frühestens nach Aufhebung des Pflichtbescheides, hier also am 30.07.2009, entstehen. Der rückwirkende Pflichtbescheid sei ein Rechtsgrund für die Beitragszahlung gewesen, dessen Wirksamkeit auch nicht auf vier Jahre beschränkt gewesen sei. Zu Unrecht habe das Sozialgericht insoweit die Rechtslage auf der Grundlage des stattgebenden Urteils des SG Düsseldorf gegen die Einzugsstelle nach der Bescheidaufhebung beurteilt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.05.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2010 zu verurteilen, ihm die vom 01. Januar bis 30. November 2000 zu Unrecht entrichteten Beiträge in Höhe von 1104,34 EUR zu erstatten,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Vertreter der Beklagten beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte beruft sich auf ihre Bescheide und die Gründe des angefochtenen Urteils. Der Bescheid vom 05.12.2005 stelle nicht die rückwirkende Rechtsgrundlage der Beitragsentrichtung dar, weil er nicht rechtskräftig geworden sei. Träfe die Rechtsauffassung des Klägers zu, dann würden bereits verjährte Ansprüche auf Rückerstattung objektiv zu Unrecht entrichtete Beiträge jederzeit wiederbelebt werden und damit die Verjährungsregelung umgegangen werden können.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und die Gerichtsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen durchsetzbaren Anspruch auf Erstattung der für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30.11.2000 entrichteten Beiträge in Höhe von 1104,34 EUR. Zwar war der Kläger im streitbefangenen Zeitraum nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Für ihn sind deshalb im Sinne von § 26 Abs. 2 SGB IV zu Unrecht Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abgeführt worden, wie zwischen den Beteiligten aufgrund des rechtskräftigen Urteils im Verfahren S 34 KR 163/06 feststeht. Der Kläger hat auch auf Grund dieser Beiträge keine Leistungen in Anspruch genommen. Seinem Anspruch aus § 26 Abs. 2 SGB IV auf Erstattung der zu Unrecht entrichteten Beiträge steht indes dauerhaft die von der Beklagten ermessensfehlerfrei erhobene Einrede der Verjährung entgegen.
Nach § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Erstattung zu Unrecht entrichtete Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet worden sind.
Entstanden ist der Erstattungsanspruch des Klägers nach § 26 Abs. 2 Satz 1 SGB IV unmittelbar von Gesetzes wegen jeweils in dem Zeitpunkt, in dem die Beiträge für seine Tätigkeit rechtsgrundlos entrichtet worden sind. Denn bei einer derartigen schlichten Zahlung ohne zu Grunde liegenden Verwaltungsakt entsteht der Erstattungsanspruch unmittelbar, wenn ein materiell – rechtlicher Rechtsgrund für die Beitragsentrichtung fehlt (vgl. Waßer in: jurisPK-SGB IV, 2. Aufl. 2011, § 26 SGB IV, Rn. 62 ff. mwN).
Mit dem Ablauf des Jahres der Anspruchsentstehung begann nach § 27 Abs. 2 S. 1 SGB IV die vierjährige Verjährungsfrist zu laufen. Die Erstattungsansprüche des Klägers aus dem Jahr 2000 sind deshalb mit Ablauf des Jahres 2004 verjährt. Dem steht nicht der nach Ablauf der Verjährungsfrist am 05.12.2005 von der zuständigen Einzugsstelle erlassene Bescheid entgegen, der vorübergehend eine Beitragspflicht des Klägers unter anderem für den streitbefangenen Zeitraum festgestellt hatte. Denn das Urteil des Sozialgerichts im Verfahren S 34 KR 173/06 hat diesen Bescheid später vollständig aufgehoben und damit die Rechtslage rückwirkend neu gestaltet (vgl. Humpert in Jansen, SGG, 4. Aufl. 2012, § 131 Rn. 2 mwN). Eine solche Aufhebung eines Verwaltungsaktes wirkt grundsätzlich – und so auch hier – auf den Zeitpunkt seines Erlasses zurück (vgl. Gerhard in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 113 Rn. 39 mwN). Indem das Sozialgericht den Verwaltungsakt vollständig aufgehoben hat, hat es zwischen den Beteiligten wieder den rechtlichen Zustand hergestellt, der bestanden hätte, wäre der Beitragsbescheid nie erlassen worden. Wie zudem der Tenor des Kassations- und Feststellungsurteils im genannten Verfahren bestätigt, der maßgeblich den Umfang der Rechtskraft bestimmt und die Beteiligten bindet, stand der Kläger seit dem 01.01.2000 nicht in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis.
Selbst wenn man von diesen Rechtskraftwirkungen absieht, erschließt sich nicht, auf welche Weise der Bescheid vom 05.12.2005 die einmal eingetretene Verjährung rückwirkend wieder hätte beseitigen können. Zum einen, darauf haben die Beklagte und das Sozialgericht zutreffend hingewiesen, konnte der Bescheid vom 05.12.2005 rückwirkend keine Rechtsgrundlage mehr für die Beitragserhebung im Jahr 2000 schaffen. Denn Beitragsansprüche der Beklagten für das Jahr 2000 waren – ebenso wie umgekehrt etwaige Erstattungsansprüche – mit Ablauf des Jahres 2004 und damit bei Bescheiderlass im Jahr 2005 verjährt, vgl. § 25 Abs. 1 S. 1 und § 27 Abs. 2 S. 1 SGB IV.
Nach Ansicht des Senates würde es zum anderen der Funktion der Verjährungsregeln, Rechtsfrieden zu stiften und Rechtssicherheit zu schaffen (vgl. Palandt/Heinrichs, 66. Aufl. 2007, Rn. 7 ff. vor § 194 m.w.N.), eklatant widersprechen, wollte man mit dem Kläger die Möglichkeit annehmen, ohne zeitliche Begrenzung nachträglich eine einmal eingetretene Verjährung durch den Erlass eines Beitragsbescheids rückwirkend wieder zu beseitigen. Bei der Anwendung der Verjährungsregeln des bürgerlichen Rechtes sind sich Rechtsprechung und Kommentarliteratur einig, dass eine einmal eingetretene Verjährung nicht wieder beseitigt werden kann, wenn nicht der Schuldner im Nachhinein ausdrücklich auf die Verjährungseinrede verzichtet (vgl. PWW/Kessler, BGB, § 212 Rn. 7; Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl. 2007, § 212 Rn. 2 m.w.N). Es ist keine dogmatische Rechtfertigung ersichtlich, die Verjährung der Erstattungsansprüche des Klägers anders zu behandeln, weil für sie nach § 27 Abs. 3 S. 1 SGB IV die Vorschriften des BGB über Neubeginn und Wirkung der Verjährung sinngemäß gelten.
Die vom Kläger gewünschte Rechtsfolge hätte zudem das ungereimte Ergebnis, dass ein zu seinen Lasten ergangener und später als rechtswidrig aufgehobener Feststellungsbescheid ihn besser stellen würde, als er sich ohne den Erlass dieses Bescheides stünde. Denn ohne den Bescheid vom 05.12.2005 wären die Erstattungsansprüche des Klägers unzweifelhaft und auch nach seiner Ansicht verjährt.
Der Senat sieht sich mit seiner Rechtsauffassung schließlich nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, auf die sich der Kläger stützen möchte. Das vom Kläger zitierte Urteil des BSG vom 13.09.2006 (Az. B 12 AL 1/05 R, juris) betrifft eine wertungsmäßig wesentlich anders gelagerte Konstellation. Im vom BSG entschiedenen Fall waren die Ansprüche des dortigen Klägers auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge gerade noch nicht verjährt als ein später aufgehobener Bescheid rückwirkend zu Unrecht die Pflicht zur Beitragszahlung festgestellt hatte. Da auch der entsprechende Beitragsanspruch des Sozialversicherungsträgers noch nicht verjährt war, mag in dieser Lage ein später aufgehobener Bescheid zeitweilig einen rückwirkenden Rechtsgrund für die Beitragszahlung geschaffen haben, der dann den Verjährungsbeginn hinderte. Eine Beseitigung einer bereits eingetretenen Verjährung lässt sich aber nach Ansicht des Senats aus dem zitierten BSG-Urteil nicht ableiten.
Da die Beklagte die Einrede der Verjährung auch ermessensfehlerfrei erhoben hat, hindert sie dauerhaft die Durchsetzung des Erstattungsanspruchs des Klägers. Das Sozialgericht hat seine Klage daher zu Recht abgewiesen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Die Revision hat der Senat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen, weil er die angesprochene grundsätzliche Rechtsfrage angesichts der vom Kläger mitgeteilten Rechtsauffassung anderer (Landes)Sozialgerichte für klärungsbedürftig hält.
Erstellt am: 09.06.2015
Zuletzt verändert am: 09.06.2015