Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 13.11.2001 wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat auch die Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu tragen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Erteilung einer Auskunft über die anlässlich einer ärztlichen Behandlung abgerechneten Leistungen.
Der Kläger ist Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse, der Beklagte nimmt als Facharzt für Radiologische Diagnostik an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Der Kläger befand sich am 28.09.2000 bei dem Beklagten in ärztlicher Behandlung. Anschließend forderte er den Beklagten mehrfach, zuletzt mit Schreiben vom 16.01.2001 vergeblich auf, über die abgerechneten Leistungen und die von der Krankenkasse gezahlten Entgelte Auskunft zu erteilen.
Der Kläger hat am 14.03.2001 Klage erhoben, die er auf die Erteilung einer Auskunft über die vom Beklagten zu Lasten der Krankenkasse abgerechneten Leistungen beschränkt hat. Er hat geltend gemacht, dieser Anspruch ergebe sich aus § 305 Abs. 2 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Dieser Auskunftsanspruch stehe nicht unter einem Vorbehalt einer Ausgestaltung im Bundesmantelvertrag (BMV), da die Vertragspartner insoweit nur das Nähere regeln dürften. Unabhängig davon, dass es bedenklich sei, wenn die Vertragspartner des BMV bislang noch keine Regelung getroffen hätten, könnten sie auch den Auskunftsanspruch der Versicherten nicht ausschließen. Dem Beklagten sei es ohne weiteres möglich, die geforderte Auskunft über die abgerechneten Leistungen zu erteilen. Der Beklagte hat sich demgegenüber darauf berufen, zur Umsetzung des Auskunftsanspruchs seien vertragliche Regelungen nach § 305 Abs. 2 Satz 3 SGB V erforderlich. Insoweit bestehe eine Rechtskonkretisierungskompetenz der Vertragspartner. § 305 Abs. 2 Satz 1 SGB V räume den Versicherten keinen subjektiven Anspruch ein, sondern regele lediglich eine interne Verpflichtung innerhalb des Systems für die Vertragspartner des BMV. Aufgrund der Art und Weise der Vergütung der ärztlichen Leistungen sei es ihm auch überhaupt nicht möglich, das Entgelt für die abgerechneten Leistungen zu beziffern.
Das Sozialgericht hat Auskünfte von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein und dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) eingeholt. Während die KV Nordrhein in ihrer Stellungnahme vom 07.05.2001 die Auffassung vertreten hat, der Auskunftsanspruch der Versicherten sei erst nach einer Regelung im BMV erfüllbar, hat das BMG in seiner Auskunft vom 30.07.2001 die Auffassung vertreten, zwar setze die Auskunft bezüglich der von der Krankenkasse zu zahlenden Entgelte aufgrund der Komplexität der Vergütungsregelungen vertragliche Verfahrensregelungen zwischen den Spitzenverbänden und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung voraus. Eine Information über die abgerechneten Leistungen auf der Grundlage des einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) sei jedoch auch ohne Regelung nach Satz 3 möglich, so dass insoweit die Unterrichtungspflicht unabhängig von einer Regelung im BMV bestehe.
Mit Urteil vom 13.11.2001 hat das Sozialgericht den Beklagten antragsgemäß zur Erstattung einer schriftlichen Auskunft über die abgerechneten Leistungen verurteilt. Soweit der Versicherte lediglich eine Auskunft über die zu Lasten der Krankenkasse abgerechneten Leistungen verlange, bedürfe dieser Anspruch keiner näheren Ausgestaltung und Regelung. Die Informationspflicht bestehe unabhängig von der Ausgestaltung im BMV, soweit die vom Versicherten erbetene Auskunft dem Vertragsarzt möglich und zumutbar sei. Wenn auch die Auskunft über die von den Krankenkassen zu zahlenden Entgelte vor dem Hintergrund der derzeit geltenden Abrechnungsbestimmungen ohne nähere Ausgestaltung nicht möglich sei, treffe dies für die Auskunft über die vom Vertragsarzt abgerechneten Leistungen nicht zu.
Der Beklagte rügt im Berufungsverfahren, das Sozialgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass ein isolierter Unterrichtungsanspruch bezüglich der abgerechneten Leistungen bestehe. Der Informationsanspruch sei eingeräumt worden, um Kostentransparenz zu schaffen und auf diese Weise das Inanspruchnahmeverhalten der Versicherten zu beeinflussen. Ein isolierter Auskunftsanspruch bezüglich der abgerechneten Leistungen könne dieses gesetzgeberische Ziel nicht erfüllen. Der Beklagte hält an seiner Auffassung fest, dass sich erst durch die Umsetzung im BMV der in § 305 Abs. 2 SGB V vorgegebene rechtliche Rahmen zu einem subjektiven Anspruch verdichte, so dass insoweit eine Rechtskonkretisierungskompetenz der Vertragspartner des BMV bestehe. Schon aufgrund der mit der Auskunftserteilung verbundenen Kostenbelastung für die Ärzte habe der Gesetzgeber die Ausgestaltung in die Hände der Vertragspartner gelegt, damit gegebenenfalls die Belastung ausgeglichen werde.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 13.11.2001 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und meint weiterhin, ein Auskunftsanspruch ergebe sich schon aus dem Gesetz und sei nicht von einer Regelung der Vertragspartner des BMV abhängig.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet, das Sozialgericht hat den Beklagten zu Recht zur Erteilung der Auskunft über die abgerechneten Leistungen verurteilt.
Nach § 305 Abs. 2 Satz 1 SGB V unterrichten die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte die Versicherten schriftlich über die zu Lasten der Krankenkasse abgerechneten Leistungen und die von der Krankenkasse zu zahlenden Entgelte innerhalb von vier Wochen nach Ablauf des Quartals, in dem die Leistungen in Anspruch genommen worden sind. Gemäß Satz 3 a.a.O. regeln die Vertragspartner nach § 82 SGB V (also die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung) das Nähere in den Bundesmantelverträgen.
§ 305 Abs. 2 SGB V ist entgegen der Auffassung des Beklagten (die offenbar von den Verbänden der Krankenkassen und den Organisationen der Ärzte und Krankenhäuser geteilt wird, vgl. Stelzer, ZfS 2002, 289, 294) nicht nur eine Rahmenvorschrift, die der rechtskonstitutiven Umsetzung durch die Regelung im BMV (bzw. soweit es um den Auskunftsanspruch gegenüber den Krankenhäusern geht im Vertrag nach § 305 Abs. 2 Satz 4 2. Halbsatz SGB V) bedarf. Vielmehr besteht ein Anspruch unmittelbar kraft Gesetzes, die behauptete "Rechtskonkretisierungskompetenz" der Vertragspartner besteht nicht.
Nach seinem eindeutigen Wortlaut räumt § 305 Abs. 2 Satz 1 SGB V den Versicherten einen gegen den Vertragsarzt gerichteten subjektiven Anspruch auf Auskunft ein, der unabhängig von der Ausgestaltung im BMV ist. Die Vertragspartner dürfen nur das "Nähere" regeln, also die Ausgestaltung und Umsetzung des Anspruchs. Dass aber der Gesetzgeber den Anspruch nicht von dieser Regelung im BMV hat abhängig machen wollen, zeigt insbesondere der Vergleich mit leistungsrechtlichen Bestimmungen, mit denen der Gesetzgeber ausdrücklich festgelegt hat, dass ein Leistungsanspruch nur in den in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 SGB V festgelegten Ausnahmefällen bestehe (vgl. §§ 28 Abs. 1 S. 9; 30 Abs. 1 S. 5 SGB V).
Bestätigt wird diese Auslegung durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. § 305 Abs. 2 SGB V ist durch das 2. Gesetz zur Neuordung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung (2. GKV-NOG) vom 23.06.1997 (BGBl. I, 1520) eingefügt worden. Der Gesetzentwurf sah zunächst noch eine Auskunft nur auf Antrag vor. Zur Begründung wurde ausgeführt, durch die Regelung solle ein Anspruch des Versicherten begründet werden, vom Leistungserbringer zeitnah über die jeweils in Anspruch genommenen Leistungen und deren Kosten unterrichtet zu werden. Das Recht des Versicherten, von seiner Krankenkasse umfassend über die in einem Kalenderjahr in Anspruch genommenen Leistungen und deren Kosten unterrichtet zu werden (§ 305 Abs. 1 SGB V) sollte hiervon unberührt bleiben (BT-Drucks. 13/6087, Seite 30). Im Gesetzgebungsverfahren erhielt Absatz 2 seine jetzige Fassung durch den Beschluss des 14. Ausschusses (BT-Drucks. 13/7264, Seite 37). Nach der Gesetz gewordenen Fassung besteht nunmehr auf der einen Seite die Unterrichtungspflicht unabhängig von einem Verlangen des Versicherten ("von Amts wegen"), auf der anderen Seite beschränkt sich die Auskunftspflicht auf die vom Arzt (selbst) abgerechneten Leistungen, während sich nach der Fassung des Gesetzentwurfs ("erbrachte Leistungen") der Auskunftsanspruch auch auf die vom Arzt veranlassten Leistungen erstreckt hätte (vgl. insoweit BT-Drucks. 13/6087, Seite 30). Unverändert ist aber bei den Ausschussberatungen von einer – einem Anspruch des Versicherten korrespondierenden – Auskunftspflicht der Leistungserbringer ausgegangen worden (BT- Drucks. 13/7264, Seite 56).
Die Annahme einer Rechtskonkretisierungskompetenz der Parteien des BMV im Rahmen des § 305 Abs. 2 SGB V geht offenbar von dem zum Anspruch auf Krankenbehandlung (§ 27 Abs. 1 SGB V) vom Bundessozialgericht (BSG) entwickelten Konkretisierungskonzept (grundlegend BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 4) aus. Insoweit nimmt das BSG an, dass § 27 Abs. 1 SGB V nur ein öffentlich- rechtliches Rahmenrecht auf Krankenbehandlung einräumt, das einer weiteren Konkretisierung bedarf. Im ersten Schritt obliegt insoweit zunächst dem Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen durch die Richtlinien nach § 92 Abs. 1 SGB V die Ausgestaltung des Leistungsrahmens. Die Feststellung der im Einzelfall für die Behandlung erforderlichen Sach- und Dienstleistungen ist dann im Rahmen dieser Richtlinien der Erkenntnis des behandelnden Vertrags- (bzw. Krankenhaus-) arztes überantwortet (vgl. eingehend dazu Schmidt in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, SGB V, § 27 Rdnrn. 11 ff). Dieses Konkretisierungskonzept beruht auf der Prämisse, dass vor allem wegen der medizinisch-wissenschaftlichen Komplexität der Regelungsmaterie eine gesetzlich eindeutige Regelung von (konkreten) Leistungsansprüchen auf Krankenbehandlung nicht möglich sei. Diese Schwierigkeit besteht aber bei dem Auskunftsanspruch nicht. Der Gesetzgeber hat insoweit klar sowohl den Anspruchsberechtigten wie den Anspruchsverpflichteten als auch den Inhalt der zu erteilenden Auskunft (abgerechnete Leistungen und zu zahlende Entgelte) festgelegt. Für den stationären Bereich ist nicht ersichtlich, inwiefern die Krankenhäuser nicht in der Lage sein sollen, diese Auskünfte zu erteilen, so dass es keinen Grund dafür gibt, warum eine Auskunft von einer vertraglichen Konkretisierung abhängig sein soll. Im ambulanten Bereich ist zwar nicht zu verkennen, dass die Auskunft über die von den Krankenkassen zu zahlenden Entgelte jedenfalls nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von vier Wochen nach Quartalsende erteilt werden kann. Die gesetzliche Formulierung ist auch insoweit unscharf, als die Krankenkassen für die vom Vertragsarzt abgerechneten Leistungen nicht unmittelbar ein Entgelt zahlen. Vielmehr entrichten sie an die Kassenärztlichen Vereinigungen eine Gesamtvergütung (§ 85 SGB V), die (derzeit) nach Kopfpauschalen berechnet wird. Allerdings erfolgt die Vergütung der ärztlichen Behandlung im Verhältnis zwischen Vertragsarzt und KV nach Maßgabe des EBM (§ 87 Abs. 1 S. 1 SGB V) nach Einzelleistungen, so dass der Arzt für die von ihm anlässlich der Behandlung eines Versicherten abgerechneten Leistungen letztlich doch ein "von der Krankenkasse zu zahlen des" Entgelt erhält. Beziffern kann der Arzt dieses Entgelt (derzeit) nur deshalb nicht, weil zwar die punktmäßige Bewertung der Leistungen (durch den EBM) feststeht, nicht aber der Punktwert, der schwankt und häufig erst längere Zeit nach Ablauf des Quartals endgültig feststeht. Gleichwohl ist nicht ersichtlich, inwiefern diese Problematik eine Konkretisierung des Auskunftsanspruchs erfordern soll. Davon abgesehen, dass ohnehin auch die Vertragspartner des BMV insoweit keine Lösung in Gestalt eines festen Punktwertstreffen könnten, ist es dem Vertragsarzt ohne weiteres möglich, die Auskunft auf der Grundlage des letzten bekannten Abrechnungspunktwertes unter Hinweis auf die Vorläufigkeit des Betrages zu erteilen (so auch Stelzer, a.a.O., Seite 297). Da im Regelfall der endgültige Betrag kaum wesentlich von dem vorläufigen abweichen wird, wird das Ziel der Schaffung von mehr Transparenz auch durch die Angabe einer vorläufigen Entgelthöhe erreicht.
Unabhängig davon stellt sich hier die Frage nach der Erforderlichkeit einer vertraglichen Regelung bezüglich der Auskunft über die Entgelthöhe nicht. Der Kläger hat seinen Auskunftsanspruch auf die Information über die vom Beklagten abgerechneten Leistungen beschränkt. Diese Auskunft kann der Beklagte, wie das Sozialgericht zutreffend erkannt hat, ohne weiteres erteilen. Er stellt dies auch nicht in Frage, sondern meint, es sei nicht möglich, den Auskunftsanspruch auf die angerechneten Leistungen zu beschränken. Entgegen seiner Auffassung ist der vom Kläger erhobene Anspruch aber kein aliud gegenüber dem umfassenden Auskunftsanspruch, sondern als minus in dem gesetzlichen Anspruch enthalten. Es ist nicht ersichtlich, warum die Beschränkung, nur über die abgerechneten Leistungen informiert zu werden, nicht zulässig sein soll. Keineswegs wird das Ziel der Vorschrift verfehlt, wenn nur über die abgerechneten Leistungen informiert wird. Der Auskunftsanspruch dient zwar auch der Stärkung des Kostenbewusstseins, gleichzeitig aber eben falls der Erhöhung der Transparenz der Leistungserbringung (so zu dem gegen die Krankenkassen gerichteten Auskunftsanspruch nach § 305 Abs. 1 SGB V die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 11/2237, Seite 238). Durch eine Auskunft über die abgerechneten Leistungen wird jedenfalls Transparenz in diesem Bereich geschaffen, so dass der Normzweck zumindest teilweise erreicht wird.
Erst Recht kann nicht angenommen werden, der Auskunftsanspruch bestehe wegen der Notwendigkeit einer Regelung zur Verteilung der entstehenden Kosten nur bei Schaffung einer entsprechenden Vereinbarung. Der insoweit behauptete Aufwand von angeblich 1 Milliarde DM jährlich ist im Gesetzgebungsverfahren erörtert worden, war aber für den Ausschuss ersichtlich kein Grund, von der Auskunftspflicht abzusehen (vgl. BT-Drucks. 13/7264, Seite 56). Nach der gesetzlichen Konzeption ist die Auskunft für den Versicherten kostenlos zu erteilen, so dass mangels gegenteiliger Regelung im BMV der in Anspruch genommene Arzt die entstehenden Kosten zu tragen hat. Auch wenn wegen der möglichen Höhe der Kosten für die Auskünfte eine Kostenverteilung zwischen den Kassenärzten und den Krankenkassen geboten sein mag, hängt der Anspruch des Versicherten doch rechtlich nicht von einer entsprechenden vertraglichen Ausgestaltung ab (ebenso Stelzer, a.a.O., Seite 305).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, da er den hier zu entscheidenden Fragen grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) beigemessen hat.
Erstellt am: 26.04.2005
Zuletzt verändert am: 26.04.2005