Auf Rev. d.Bekl. werden die Urteile des LSG und des SG aufgehoben!!! Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 28.02.2018 geändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 01.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2016 verurteilt, der Klägerin für die in der Zeit vom 25.02.2016 bis zum 15.08.2018 in Anspruch genommenen podologischen Behandlungen 285 EUR abzüglich gesetzlich zu leistender Zuzahlungen zu erstatten. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für ärztlich verordnete podologische Behandlungen der Klägerin zu übernehmen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu 2/3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr Leistungen in Form podologischer Behandlungen zu gewähren, und die Erstattung hierfür bereits entstandener Kosten.
Die 1970 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert und lebt alleine in einem eigenen Haushalt.
Sie leidet (seit dem 16. Lebensjahr zunehmend) unter einer genetisch bedingten Ataxie mit okulomotorischer Apraxie Typ II, einer schweren sensomotorischen Polyneuropathie mit ausgeprägten trophischen Störungen und Wundheilungsstörungen im Bereich der Füße sowie (seit 2006 mit Besserung seit Ende 2018) einer chronischen Wunde im Bereich der 2. und 3. Zehe links mit rezidivierenden Wundrosen (Erysipeln) und Wundinfektionen.
Die Wundrosen/-infektionen machten in der Vergangenheit wiederholt stationäre Krankenhausaufenthalte erforderlich. Die Wunde wurde bis Ende 2018 (z.T. täglich) durch einen Pflegedienst versorgt. Aufgrund ihrer (motorischen) Einschränkungen ist die Klägerin seit 1996 auf einen Rollator und seit 1998 auf einen Rollstuhl angewiesen. In dem (noch) streitigen Erstattungszeitraum war sie nicht von der Zuzahlungspflicht befreit.
Unter dem 22.09.2015 wurden der Klägerin durch ihre behandelnde Internistin Dr. X. zur "Vermeidung von drohenden Nagelwall- und Nagelbettschädigungen sowie Hautschädigungen wie Fissuren, Ulzera und Entzündungen" Heilmittel in Form von 3 podologischen Komplexbehandlungen verordnet.
Am 01.10.2015 legte sie diese Verordnung zur Genehmigung bei der Beklagten vor.
Mit Bescheid vom gleichen Tage lehnte die Beklagte den Antrag ab. Dies sei eine neue Behandlungsmethode, die nach den von der Beklagten zwingend zu beachtenden Vorgaben der Heilmittelrichtlinien (HMR) nicht genehmigungsfähig sei.
Dagegen wandte die Klägerin mit ihrem Widerspruch ein, die podologische Komplexbehandlung sei in den HMR ausdrücklich benannt und damit keine neue Behandlungsmethode. Auch wenn dieses Heilmittel nach den Richtlinien grundsätzlich zur Behandlung eines diabetischen Fußsyndroms zum Einsatz gebracht werden solle, komme eine Anwendung im Einzelfall auch bei anderen Erkrankungen in Betracht (Bezugnahme auf SG Leipzig, Urteil vom 16.09.2008 – S 8 KR 395/06). Aufgrund ihrer körperlichen Einschränkungen könne sie die Nagelpflege nicht selbst vornehmen. Die Selbstversorgung berge ein ganz erhebliches Gefährdungspotential. Dem Widerspruch war ein Arztbrief der Diabetespraxis N B. GmbH vom 16.11.2015 an Dr. X. beigefügt, wonach dort eine Erkrankung an Diabetes mellitus Typ II ausgeschlossen werden konnte.
Der von der Beklagten hinzugezogene Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) kam am 09.12.2015 und 04.01.2016 zu dem Ergebnis, dass eine Kostenübernahme durch die Beklagte nicht zu erfolgen habe, weil dies nach den HMR nur bei Vorliegen eines Diabetes mellitus der Fall sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.05.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Nach Abschnitt E., § 27 der HMR (i.V.m. §§ 32, 34, 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V) seien Maßnahmen der podologischen Therapie nur dann verordnungsfähige Heilmittel, wenn sie der Behandlung krankhafter Schädigungen am Fuß in Folge Diabetes mellitus (diabetisches Fußsyndrom) dienten. Die podologische Therapie komme nur in Betracht bei Patientinnen und Patienten mit einem diabetischen Fußsyndrom, die ohne diese Behandlung unumkehrbare Folgeschädigungen der Füße wie Entzündungen und Wundheilstörungen erlitten. Eine Diabetes-Erkrankung liege bei der Klägerin jedoch nicht vor. Im Übrigen habe das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen in einem Beschluss vom 30.03.2009 – L 16 B 26/09 KR- bestätigt, dass die Regelungen der HMR verbindlich seien und der Ausschluss der podologischen Therapie bei anderen als in der Richtlinie genannten Erkrankungen nicht zu beanstanden sei.
Am 01.06.2016 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Münster erhoben.
Zur Begründung hat sie ergänzend einen Ambulanzbericht der neurologischen Klinik der Uni-Klinik C vom 06.07.2016 vorgelegt, wonach sich der (neurologische) Befund verschlechtert habe und nunmehr gleichzusetzen sei mit einem schweren diabetischen Fußsyndrom (mit häufigen Rhagadenbildungen, schlecht heilenden Wunden und Wundinfektionen). Empfohlen werde eine regelmäßige podologische Therapie, um weitere Wunden und Superinfektionen zu verhindern.
Die Klägerin hat in der Fassung ihres Begehrens durch das Sozialgericht beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 01.10.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2016 zu verurteilen, der Klägerin die Kosten für eine podologische Komplexbehandlung zu bewilligen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an ihrer Rechtsauffassung festgehalten und zur Bestätigung auf eine Auskunft des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) vom 04.05.2016 in einem Verfahren vor dem Sozialgericht Gießen – S 7 KR 244/15 – verwiesen, worin Einzelheiten zu den Hintergründen der Einführung der podologischen Therapie bei diabetischem Fußsyndrom ausgeführt sind. Ferner wird in der Auskunft darauf hingewiesen, dass es sich bei der Fußpflege um eine bloße, grundsätzlich dem Verantwortungsbereich der Versicherten zugewiesene Hygienemaßnahme handele. Mittels podologischer Therapie würden Krankheiten bzw. Krankheitsfolgeerscheinungen am Fuß behandelt, was primär eine vertragsärztliche Aufgabe sei. Die beschränkte Verordnungsfähigkeit der podologischen Therapie sei sachlich begründet (Hinweis auf LSG Berlin Brandenburg, Urteil vom 23.07.2014 – L 9 KR 54/11). Eine Ausweitung des Verordnungsspektrums auf andere Krankheitsbilder könne zu einer wesentlichen Änderung bzw. Ausweitung des Indikationsbereiches führen. Hierfür sei jedoch die vorherige Durchführung des dafür vorgesehenen Verfahrens erforderlich (§ 138 SGB V i.V.m. § 2 Abs. 3 VerfO). Ein Antrag zur Durchführung eines solchen Verfahrens sei bisher nicht gestellt worden.
Ferner hat die Beklagte auf Ausführungen des MDK in dem Verfahren vor dem Sozialgericht Gießen – S 7 KR 244/15 – Bezug genommen, wonach die "Vergleichbarkeitsregel" bei zugelassenen Heilmitteln nicht bzw. allenfalls nur dann gelte, wenn die Voraussetzungen nach dem Beschluss des Bundeverfassungsgerichts vom 06.12.2005 – 1 BvR 347/98 – erfüllt seien. Im Übrigen weise das diabetische Fußsyndrom viele medizinische Besonderheiten auf, die es rechtfertigten, die podologische Therapie (nur) für diese Erkrankung zuzulassen. Anderslautende Gerichtsentscheidungen könnten eine eingehende Prüfung des GBA nicht ersetzen.
Die Klägerin habe im Übrigen nicht belegt, welche podologischen Leistungen im Einzelnen überhaupt erbracht worden seien. Es sei unerheblich, dass die Klägerin ihre Fußnägel nicht selber schneiden könne, da es hier um ein Heilmittel und damit um eine Maßnahme der Krankenbehandlung und nicht um eine Pflegeleistung gehe. Eine regelmäßige podologische Kontrolle der Füße auf etwaige Verletzungen entfalle, weil schon eine chronische Wunde bestehe, die regelmäßiger ärztlicher Kontrolle und Wundversorgung bedürfe, die podologisch nicht geleistet werden könne.
Schließlich sähen die HMR podologische Therapie nur bis zum Wagner-Stadium 0 vor. Die Behandlung von Hautdefekten und Entzündungen (Wagner-Stadium 1-5) sowie von eingewachsenen Zehennägeln seien den vertragsärztlich zu erbringenden Leistungen zugewiesen. Die Einschränkungen der Klägerin gingen über das Wagner-Stadium 0 hinaus. Sie könne daher selbst dann nicht mit ihrem Klagebegehren durchdringen, wenn man mit ihr eine erweiternde Anwendung der HMR für zulässig halte.
Das Sozialgericht hat die Beteiligten in einem richterlichen Schreiben sowie in einem am 15.03.2017 durchgeführten Erörterungstermin auf die Entscheidungen des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein vom 11.02.2015 – L 5 KR 10/15 ER – und des Sozialgerichts Nürnberg vom 10.12.2015 – S 11 KR 299/14 – hingewiesen. In dem Erörterungstermin haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung in der Sache durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Das Sozialgericht hat danach noch Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens bei Prof. Dr. med. H. (Chefarzt der II. Medizinische Klinik – Allgemeine Innere Medizin Schwerpunkte u.a. Ernährungsmedizin/Diabetologie, des G-hospitals in N.). Der Sachverständige hat ausgeführt, dass die Klägerin selbst aufgrund ihrer motorischen Störungen und Fingerdeformitäten eine Fußpflege bei sich nicht durchführen könne. Ferner komme es u.a. bedingt durch die autonome schwere Polyneuropathie mit trophischen Störungen zu rezidivierenden Wundinfektionen der Füße. Aufgrund der neurologischen Erkrankung sei eine podologische Therapie erforderlich. Ohne medizinische Fußpflege sei davon auszugehen, dass Folgeschäden (rezidivierende Infekte im Bereich der unteren Extremitäten) – noch häufiger – auftreten werden. Die Erkrankung sei mit dem Wagner-Stadium 0 mindestens vergleichbar. Am linken Fuß sei eher vom Wagner-Stadium I-II auszugehen, da bereits ein Hautdefekt entstanden sei.
In der Zeit von Februar 2016 bis Februar 2017 hat die Klägerin am 25.02., 07.04., 19.05., 30.06., 17.08., 12.10. und 07.12.2016 sowie am 02.02.2017 podologische Teil- bzw. Komplexbehandlungen des rechten Fußes bei der Praxis für Podologie I. in Anspruch genommen und hierfür jeweils 15 EUR bezahlt.
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 28.02.2018 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, "der Klägerin aufgrund der ärztlichen Verordnung die Kosten für eine podologische Komplexbehandlung i.H.v insgesamt 120 EUR [ ] zu zahlen, sowie zukünftig die Kosten für notwendige und verordnete podologische Komplexbehandlungen der aktuell gültigen Vertragsätze entsprechend zu übernehmen."
Die Klägerin habe einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die podologische Fußpflege gemäß § 13 Abs. 3 SGB V. Darüber hinaus stehe ihr auch ein Anspruch auf Kostenübernahme für podologische Komplexbehandlungen im Rahmen der Sachleistungsgewährung gemäß § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V i.V.m. § 32 Abs. 1 SGB V in verfassungskonformer Auslegung (Art. 2 Abs. 2 S. 1, 3 GG) zu.
Zwar dürfe nach den Vorgaben der HMR bei der Klägerin eine podologische Komplexbehandlung grundsätzlich nicht durchgeführt werden, weil bei ihr kein diabetisches Fußsyndrom vorliege. Entgegen der Auffassung der Beklagten seien durch die HMR Ausnahmeentscheidungen der Gerichte jedoch nicht ausgeschlossen. Denn die Richtlinien entfalteten unmittelbare Verbindlichkeit nur gegenüber den kassenärztlichen Vereinigungen bzw. den Verbänden der Krankenkassen, die in ihre Satzungen entsprechende Bestimmungen aufnehmen müssten (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 05.05.1988 – 6 RKa 27/87). Die Richtlinien seien für die Gerichte dann nicht maßgeblich, wenn sie auf einer unrichtigen Auslegung höherrangigen Rechts beruhten oder ihr Inhalt sachlich unvertretbar sei (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 16.12.1993 – 4 RK 5/92; SG Nürnberg, Urteil vom 10.12.2015 – S 11 KR 299/14 und LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 11.02.2015 – L 5 KR 10/15 ER). Die Ablehnung des Antrags der Klägerin auf medizinische Fußpflege sei mit ihrem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG unvereinbar, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die Erforderlichkeit der medizinischen Fußpflege feststehe. Die Klägerin könne die Fußpflege nicht selbst durchführen. Zudem bestehe die unmittelbare und konkrete Gefahr, dass ohne regelmäßige medizinische Fußpflege besondere Folgeschäden bei der Klägerin aufträten. Dies ergebe sich aus dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H., dem die Kammer bei ihrer Beurteilung folge.
Dagegen richtet sich die am 26.03.2018 eingelegte Berufung der Beklagten.
Das Sozialgericht setze seine eigenen Billigkeitserwägungen an die Stelle der Kompetenz des GBA. Im Übrigen sei es unzutreffend, dass die Richtlinien des GBA nur für die kassenärztlichen Vereinigungen und die Verbände der Krankenkassen verbindlich seien. Das angeführte Urteil des Bundessozialgerichts (vom 05.05.1988 – 6 RKa 27/87) sei noch zur Rechtslage nach der RVO ergangen und damit nicht mehr maßgeblich. Inzwischen gelte insoweit § 91 Abs. 6 SGB V, wonach die Beschlüsse des GBA für die Träger nach Abs. 1, deren Mitglieder und Mitgliedskassen sowie für die Versicherten und Leistungserbringer verbindlich seien. Den Richtlinien des GBA komme nach ständiger Rechtsprechung die Qualität untergesetzlicher Rechtsnormen zu. Die Verbindlichkeit der Richtlinien sei nur in den Fällen eines Systemmangels sowie bei singulären Erkrankungen und lebensbedrohlichen Erkrankungen ohne Standardtherapie durchbrochen. Keiner der genannten Fälle liege hier vor. Soweit das Sozialgericht seine Entscheidung auf Art. 2 GG stütze, sei dem entgegenzuhalten, dass sich ein Anspruch auf bestimmte Sozialleistungen unmittelbar aus dem Grundgesetz nicht herleiten lasse.
Im Übrigen werde die Wunde der Klägerin regelmäßig durch einen Pflegedienst versorgt. Wegen der Wundrose und rezidivierenden Infektionen befinde sie sich in laufender ärztlicher Überwachung und ggf. Behandlung. Es sei nicht ersichtlich, dass daneben noch regelmäßig medizinische Fußpflege zur Abwendung von Schädigungen medizinisch notwendig sei. Sofern die Klägerin ihre Nägel nicht selber schneiden könne, sei dies ggf. als Maßnahme der Pflege nach dem SGB XI anzusehen.
Ferner sei die (Ausnahme-)Regelung unter E., § 27 Abs. 3 der HMR im Anschluss an das Urteil des Bundessozialgerichts vom 16.11.1999 – B 1 KR 9/97 R nur auf Druck des Bundesgesundheitsministeriums gegen den Willen des GBA in die Richtlinien aufgenommen worden. Aussagekräftige wissenschaftliche Studien zur Notwendigkeit und zum Nutzen der medizinischen Fußpflege gebe es – selbst bei Diabetes mellitus – weiterhin nicht. Da eigentlich schon die podologische Therapie bei Diabetes mellitus nicht zur Kassenleistung habe gemacht werden dürfen, komme eine Erweiterung des Anwendungsbereiches erst recht nicht in Betracht.
Schließlich habe der GBA auf Antrag der Patientenvertretung nunmehr erst mit Beschluss vom 17.05.2018 überhaupt das Beratungsverfahren zur Überprüfung und Überarbeitung der HMR und des Heilmittel-Katalogs zur Verordnungsfähigkeit von Maßnahmen der podologischen Therapie für dem diabetischen Fußsyndrom vergleichbare funktionelle/strukturelle Schädigungen der Haut- und der Zehennägel bei entsprechend nachweisbaren Gefühls- und/oder Durchblutungsstörungen der Füße eingeleitet.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 28.02.208 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es gehe ihr nicht lediglich darum, die Fußnägel geschnitten zu bekommen, sondern um eine kompetente und qualifizierte Leistung der medizinischen Fußpflege, für die ein Pflegedienst weder die Qualifikation noch die technische Ausstattung aufweise.
Die Klägerin hat nach Februar 2017 am 30.03., 18.05., 06.07., 30.08. und 25.10.2017 sowie am 03.01., 28.02., 25.04., 20.06. und 15.08.2018 weitere podologische Behandlungen bei der Praxis für Podologie I. zu je 15 EUR bzw. am 25.04., 20.06. und 15.08.2018 zu je 20 EUR in Anspruch genommen und bezahlt. Auch hierbei wurde jeweils nur der rechte Fuß behandelt. Danach wurden ab Oktober 2018 weitere podologische Behandlungen nunmehr an beiden Füßen durchgeführt, wofür die Praxis für Podologie I. der Klägerin jeweils 41 EUR in Rechnung stellte.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
A) Die Berufung ist zulässig aber im Wesentlichen unbegründet.
I. Die Statthaftigkeit der auch im Übrigen zulässigen Berufung ergibt sich aus § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG und § 144 Abs. 1 S. 2 SGG. Denn das Sozialgericht hat die Beklagte nicht nur zur Erstattung von 120 EUR an die Klägerin, sondern auch zukunftsoffen zur Übernahme von Kosten für die Inanspruchnahme podologischer Komplexbehandlungen nach vertragsärztlicher Verordnung verurteilt.
II. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist damit nicht nur die Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung podologischer Behandlungskosten für die Vergangenheit, sondern auch die (Feststellung der) Verpflichtung zur Tragung zukünftiger Behandlungskosten.
III. Das angefochtene Urteil ist unter Verstoß gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG) ergangen. Denn das Sozialgericht hat nach Einholung des Einverständnisses der Beteiligten zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG) noch Beweis erhoben und danach – ohne nochmalige Einholung des Einverständnisses der Beteiligten – ohne mündliche Verhandlung in der Sache entschieden (vgl. dazu Keller in Meyer-Ladewig u.a., 12. Auflage 2017, § 124 Rn. 3d, 4a).
Dieser (wesentliche) Verfahrensfehler bleibt jedoch folgenlos, weil den Beteiligten im Berufungsverfahren (nachträglich) rechtliches Gehör gewährt wurde. Im Übrigen hat der Senat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens von der Möglichkeit einer Zurückverweisung (nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG) absehen, da die Sache entscheidungsreif war.
III. Die Berufung ist überwiegend unbegründet, weil das Begehren der Klägerin zulässig und im Wesentlichen begründet ist.
1. Dabei geht es unter Zugrundelegung des erstinstanzlich geltend gemachten und im Termin zur mündlichen Verhandlung am 28.03.2019 ausdrücklich beschränkten Begehrens der Klägerin neben der Feststellung der zukünftigen Leistungsverpflichtung der Beklagten nur noch um die Erstattung von Behandlungskosten für die Zeit vom 25.02.2016 bis zum 15.08.2018.
2. Das Erstattungsbegehren ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 SGG) statthaft und auch sonst zulässig.
Das Begehren auf Sicherstellung der zukünftigen Versorgung mit podologischen Leistungen stellt sich als zulässige Feststellungsklage im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG dar. Soweit das Sozialgericht das Begehren der Klägerin in dieser Hinsicht offenbar als (unbeschränkten) Leistungs- bzw. Verpflichtungsantrag gefasst hat, ist dies unschädlich, weil ein Feststellungsantrag als "Minus" in einem Leistungsantrag enthalten sein kann (vgl. Keller a.a.O. § 55 Rn. 2). Auch das erforderliche Feststellungsinteresse (vgl. dazu Keller a.a.O. Rn. 15 ff.) ist gegeben, da aufgrund der angefochtenen Bescheide Unsicherheit darüber besteht, ob die Klägerin die begehrten Leistungen (bei entsprechender Verordnung) zukünftig wird in Anspruch nehmen dürfen.
3. Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist begründet.
Der Bescheid vom 01.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2016, gegen dessen formelle Rechtmäßigkeit keine Bedenken bestehen, ist materiell rechtswidrig und die Klägerin dadurch beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Sie hat einen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die ihr für die Inanspruchnahme podologischer Leistungen in der Zeit vom 25.02.2016 bis zum 15.08.2018 entstanden sind.
Da – angesichts eines Zeitraumes von fast vier Monaten zwischen Verordnung und der ersten Inanspruchnahme einer podologischen Behandlung – weder ein Notfall im Sinne von § 76 Abs. 1 S. 2 SGB V noch eine unaufschiebbare Leistung im Sinne von § 13 Abs. 3 S. 1 (1. Var.) SGB V in Rede steht und die Beklagte innerhalb der in § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V genannten Frist über den Antrag vom 01.10.2015 entschieden hat, kann sich der Erstattungsanspruch nur aus § 13 Abs. 3 S. 1 (2. Var.) SGB V ergeben.
Die Voraussetzungen dieser Regelung sind erfüllt, weil die Beklagte den Antrag abgelehnt hat, obwohl die Klägerin einen Primäranspruch auf podologische Leistungen hatte (dazu a)), der Beschaffungsweg eingehalten wurde (dazu b)) sowie die Kosten in der geltend gemachten Höhe notwendig waren und tatsächlich (d.h. verbindlich) entstanden sind (dazu c)) – vgl. zu den Tatbestandsmerkmalen im Einzelnen etwa Schifferdecker in, Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand: Dezember 2018, § 13 SGB V Rn. 63 ff.
a) An den Tagen, an denen die Klägerin im streitigen Zeitraum podologische Leistungen von der Praxis für Podologie I. erhalten und sie sich diese somit selbst beschafft hat (25.02., 07.04., 19.05., 30.06., 17.08., 12.10. und 07.12.2016, am 02.02., 30.03., 18.05., 06.07., 30.08. und 25.10.2017 sowie 03.01., 28.02., 25.04., 20.06. und 15.08.2018) stand ihr gegen die Beklagte ein Primäranspruch auf Versorgung mit podologischen Leistungen zu. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 32 SGB V i.V.m. den HMR nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V
aa) Bei der podologischen Therapie handelt es sich um eine (ärztlich verordnete) Dienstleistung, die einem Heilzweck dienen oder einen Heilerfolg sichern soll und nur von entsprechend ausgebildeten Personen erbracht werden darf. Sie ist damit – bei allen Abgrenzungsschwierigkeiten im Übrigen (vgl. dazu Nolte in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand: 2018, § 32 SGB V Rn. 7 ff.) ein Heilmittel im Sinne von § 32 SGB V (vgl. im Übrigen § 2 Abs. 1 S. 2 der HMR), was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist.
Heilmittel, die nicht nach § 34 SGB V von der Versorgung ausgeschlossen sind, dürfen (nach Maßgabe der HMR) erbracht/angewendet werden. Da § 34 SGB V seit 2010 keine Vorschriften zu Heilmitteln mehr enthält (vgl. Nolte a.a.O. Rn. 24 ff.) kommt es für die (Nicht-)Anwendbarkeit eines Heilmittels damit letztlich auf den Inhalt der HMR an.
Ausdrücklich ausgeschlossen ist die podologische Therapie in der Anlage 1 der HMR nicht. Sie ist unter Abschnitt E (§§ 27 ff.) der HMR vielmehr ausdrücklich vorgesehen und näher geregelt. Dort (§ 28 Abs. 4 Nr. 3) ist insbesondere auch die (hier verordnete) pK (=Hornhautabtragung + Nagelbearbeitung) genannt und definiert.
Nach § 27 Abs. 1 S. 1 der HMR ist die Erbringung der podologischen Therapie jedoch von der Diagnose eines diabetischen Fußsyndroms abhängig, worunter die Klägerin unbestritten nicht leidet.
bb) Dies führt im Ergebnis aber nicht zu einem Leistungsausschluss für die Klägerin, weil die elektive Beschränkung der podologischen Behandlung in § 27 Abs. 1 S. 1 der HMR auf Versicherte mit diabetischem Fußsyndrom aufgrund eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) rechtswidrig und damit (insoweit) unwirksam ist. Dies kann der Senat selbst beurteilen und feststellen, weil es sich bei der HMR um eine untergesetzliche Rechtsnorm handelt (ähnlich BSG, Urteil vom 16.11.1999 – B 1 KR 9/97 R Rn. 28).
(1) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber zwar nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt aber das Gleichheitsgrundrecht, wenn er bei Regelungen, die Personengruppen betreffen, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Dabei sind dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der jeweiligen Regelung umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (zum Ganzen BVerfG, Urteil vom 28.01.2003 – 1 BvR 487/01 – Rn. 25 m.w.N.).
(2) Davon ausgehend verstößt es gegen Art. 3 Abs. 1 GG in § 27 Abs. 1 S. 1 der HMR die podologische Behandlung auf Personen zu beschränken, die unter einem diabetischen Fußsyndrom leiden, d.h. Personen von dieser Leistung auszuschließen, bei denen zwar kein diabetisches Fußsyndrom besteht, aber vergleichbare Risiken und Einschränkungen vorliegen. Denn es ist in dieser Hinsicht kein sachlicher Grund für eine Differenzierung zwischen den beiden Personengruppen ersichtlich.
Dies ergibt sich im Wesentlichen schon aus der Entwicklung des Abschnitts E. der HMR. Die Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Regelungen als Reaktion auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 16.11.1999 – B 1 KR 9/97 R – in die HMR eingefügt wurden. Das Bundessozialgericht hat in dieser Entscheidung (a.a.O. Rn. 24 ff.) in allgemeiner Form Ausführungen dazu gemacht, unter welchen Voraussetzungen es gerechtfertigt bzw. geboten sein kann, bestimmte Maßnahmen nicht (nur) der Körperpflege, sondern der Krankenbehandlung im Sinne von § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V und damit der Heilmittelversorgung zuzuschlagen. Der dort entschiedene Sachverhalt betraf (zufällig) eine Versicherte, die unter einem diabetischen Fußsyndrom litt. Dies war aber nur Anlass für die Entscheidung des Bundessozialgerichts. Die dort angestellten (allgemeinen) Erwägungen zur Differenzierung von Körperpflege und Heilmittelversorgung sind auf Krankheitsbilder, die zu ähnlichen Einschränkungen und Risiken führen, ohne weiteres übertragbar.
Auch im Übrigen sind keine Gesichtspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich, die eine Alleinstellung des diabetischen Fußsyndroms in dieser Hinsicht begründen könnten.
(3) Das bei der Klägerin bestehende Krankheitsbild ist mit dem eines diabetischen Fußsyndroms im Wesentlichen vergleichbar. Zwar liegen bei ihr nicht die für das diabetische Fußsyndrom charakteristischen Angiopathien vor. Es bestehen aber eine schwere sensomotorische Polyneuropathie sowie wesentliche Gefühls- und Wundheilungsstörungen, die es wie beim diabetischen Fußsyndrom (vgl. § 27 Abs. 1 S. 2 der HMR) wegen der erhöhten Verletzungsgefahr und dem Risiko, nicht heilende Wunden zu verursachen, plausibel machen, die Nagelpflege von podologischem Fachpersonal durchführen zu lassen.
Dass die genannten Einschränkungen tatsächlich durchgehend vorgelegen haben und weiterhin vorliegen ergibt sich nicht nur aus dem Ambulanzbericht der neurologischen Klinik der Uni-Klinik Bochum vom 06.07.2016, sondern auch aus dem ausführlichen und schlüssigen Gutachten des Prof. Dr. H. vom 20.09.2017, gegen das auch die Beklagte insoweit keine Einwände vorgetragen hat und dem der Senat bei der Beurteilung des vorliegenden Falles folgt.
Auf die motorischen Einschränkungen der Klägerin, die sie davon abhalten, die Nagelpflege aus diesen Gründen selbst durchzuführen, stellt der Senat demgegenüber ausdrücklich nicht ab. Denn durch diese Einschränkungen verwirklicht sich – worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat – ein Risiko, welches nicht von der Krankenversicherung, sondern durch die Pflegeversicherung zu decken ist (vgl. zu dieser Frage auch schon LSG NRW, Urteil vom 22.11.2018 – L 16 KR 305/18)
(4) Liegt bei der Klägerin eine dem diabetischen Fußsyndrom vergleichbare Erkrankung vor, ist der Ausschluss von der Heilmittelversorgung insoweit wegen des Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG unwirksam und sie muss (zumindest) nach Maßgabe der HMR einen Anspruch auf entsprechende Versorgung haben.
cc) Selbst wenn man einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht bejahen und – wie die Beklagte – davon ausgehen wollte, dass es sich bei er podologischen Behandlung von Erkrankungen jenseits des diabetischen Fußsyndroms um ein "neues Heilmittel" im Sinne von § 138 SGB V handelt (vgl. dazu Nolte a.a.O. Rn. 30 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 19.03.2002 – B 1 KR 36/00 R Rn. 21 sowie so Roters in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand: Dezember 2018, § 138 SGB V Rn. 3 m.w.N; a.A. insoweit wohl BSG, Urteil vom 16.11.1999 – B 1 KR 9/97 R Rn. 29), würde sich an dem Ergebnis voraussichtlich nichts ändern, weil viel dafürspricht, dass auch die Voraussetzungen eines Systemversagens erfüllt sind (vgl. zu den Anforderungen an die Begründung eines Systemversagens in dieser Hinsicht etwa BSG, Urteil vom 11.05.2017 – B 3 KR 17/16 R Rn. 56 sowie Roters a.a.O. Rn. 11 und 24 m.w.N.). Dies kann hier mit Blick auf die Ausführungen unter bb) letztlich aber ebenso offenbleiben wie eine Beurteilung des Einwands der Beklagten, dass der GBA erst jüngst (mit Beschluss vom 17.05.2018) das Beratungsverfahren zur Überprüfung der HMR zur Verordnungsfähigkeit von Maßnahmen der podologischen Therapie wieder eingeleitet hat.
dd) Finden die Regelungen des Abschnitts E. der HMR damit grundsätzlich auch Anwendung auf die Klägerin bzw. das bei ihr vorliegende Krankheitsbild, scheitert ihr Leistungsanspruch nicht daran, dass die Voraussetzungen der §§ 27 ff. der HMR im Übrigen nicht erfüllt sind.
§ 27 Abs. 3 S. 2 der HMR, wonach die Behandlung von Hautdefekten und Entzündungen (Wagner-Stadium 1 bis Wagner-Stadium 5) sowie die Behandlung von eingewachsenen Fußnägeln der Heilmittelversorgung ausdrücklich entzogen und der ärztlichen Behandlung (§ 28 SGB V) zugewiesen sind (vgl. zur Zulässigkeit dieser Beschränkungen LSG NRW, Beschluss vom 23.02.2012 – L 1 KR 449/11 NZB mit Anmerkung Kerber in jurisPR-MedizinR 7/2012 Anm. 2; LSG Berlin Brandenburg, Urteil vom 11.10.2017 – L 9 KR 299/16 Rn. 30 sowie nachgehend BSG, Urteil vom 19.12.2018 – B 1 KR 34/17 R), greift nicht ein. Denn die hier in Rede stehende Behandlung erfolgte am rechten Fuß der Klägerin in Form von podologischen Teil- oder Komplexbehandlungen. D.h. es fanden bei der Klägerin Hornhautabtragungen und/oder Nagelbearbeitungen im Sinne von § 28 Abs. 4 der HMR statt. Um die Behandlung eingewachsener Zehennägel ging es nicht. Nach den Feststellungen des Prof. Dr. H., denen sich der Senat anschließt und die von der Beklagten insoweit nicht bestritten werden, bestanden – jedenfalls in dem hier zur Beurteilung gestellten Zeitraum vom 25.02.2016 bis zum 15.08.2018 am rechten Fuß auch keine Hautdefekte oder Entzündungen, die dem Wagner-Stadien 1-5 (analog) zuzuordnen wären. Die Behandlung an dem rechten Fuß erfolgte vielmehr gerade deshalb, um der Entstehung von Hautdefekten und/oder Entzündungen – wie sie am linken Fuß bereits bestanden – vorzubeugen.
b) Da die Klägerin zunächst die ärztliche Verordnung vorgelegt und sich die podologischen Leistungen erst nach Ablehnung durch die Beklagte selbst beschafft hat, ist der Beschaffungsweg eingehalten. Obwohl die Verordnung vom 22.09.2015 nur drei Behandlungen auswies, musste die Klägerin vor Inanspruchnahme weiterer podologischer Leistungen nicht zunächst neue Verordnungen bei der Beklagten einreichen. Denn diese hat mit der angefochtenen Ablehnung hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie sich aufgrund des Nichtbestehens eines diabetischen Fußsyndroms bei der Klägerin grundsätzlich nicht für leistungsverpflichtet hält (vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch Nolte a.a.O. Rn. 3).
c) Die Klägerin hat in dem Zeitraum vom 25.02.2016 bis zum 15.08.2018 (für 15 Behandlungen á 15 EUR und 3 Behandlungen á 20 EUR) grundsätzlich einen Erstattungsanspruch i.H.v. insgesamt 285 EUR. Durch die aktenkundigen Quittungen ist hinreichend belegt, dass die Praxis für Podologie I. Beträge in dieser Höhe gefordert und die Klägerin die Forderungen beglichen hat. Wie bereits dargelegt, war die podologische Behandlung des rechten Fußes auch richtlinienkonform indiziert. Mit Blick auf die aus den Quittungsbelegen ersichtlichen Behandlungstermine bestehen ferner keine Bedenken gegen die Behandlungsfrequenz. Dies gilt ebenso für die jeweils in Rechnung gestellten Beträge der Höhe nach, die sich offenbar an den Beträgen orientieren, die aufgrund der Vergütungsliste für podologische Leistungen – Leistungsverzeichnis – (Anlage 3a zu dem Vertrag nach § 125 SGB V zwischen dem Verband Deutscher Podologen e.V. und dem Zentralverband der Podologen und Fußpfleger Deutschlands e.V. sowie den Ersatzkassen) auch mit der Beklagten abrechenbar gewesen wären.
Da die Klägerin nicht von der Zuzahlungspflicht (nach §§ 61 f. SGB V) befreit gewesen ist, ist der von ihr zu erbringende Zuzahlungsbetrag allerdings noch von dem Erstattungsanspruch abzuziehen.
4. Die Feststellungsklage ist ebenfalls begründet.
Unter einem im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG feststellungfähigen Rechtsverhältnis versteht man Rechtsbeziehungen zwischen Personen oder zwischen Personen und Gegenständen, die sich aus einem Sachverhalt aufgrund einer Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (vgl. Keller a.a.O. § 55 Rn. 4a m.w.N.).
Davon ausgehend ist hier unter Hinweis auf die Ausführungen oben unter 3., a) festzustellen, dass die Beklagte die Klägerin auf vertragsärztliche Verordnung nach Maßgabe des § 32 SGB V i.V.m. den HMR mit podologischen Leistungen zu versorgen hat. Nach dem für die Entscheidung des Senats maßgebenden Gutachten des Prof. Dr. H. konnte das Bestehen eines Leistungsanspruches ("dem Grunde nach") einstweilen nur für den rechten Fuß festgestellt werden. Die Beklagte wird bei ihrer (erneuten) Entscheidung über den Leistungsanspruch der Klägerin ab dem 10.10.2018 zu beachten haben, dass sich der Anspruch – je nach Umfang der Hautdefekte bzw. Infektionsstatus – auf die Behandlung eines, ggf. aber auch auf die Behandlung beider Füße erstrecken kann.
B) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193 Abs. 1 S. 1, 183 SGG.
Bei der Kostenverteilung war angemessen zu berücksichtigen, dass die Klägerin mit Blick auf den Erstattungsanspruch nur für die Zeit bis zum 15.08.2018 durchgedrungen ist und dabei (klarstellend) noch die gesetzlichen Zuzahlungen in Abzug zu bringen waren. Vor diesem Hintergrund erscheint es dem Senat sach- und interessengerecht, die Beklagte nur zu 2/3 an der Tragung der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu beteiligen.
C) Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Erstellt am: 02.01.2020
Zuletzt verändert am: 02.01.2020