Rev. d.Kl. wird zurückgewiesen. Auf Verfassungsbeschwerde Zurückverweisung an das BSG
Neues Az. B 12 KR 20/10 R erledigt am 12.01.2011 durch Vergleich: Der Kläger nimmt die Revision zurück, soweit sie die Festsetzung der Krankenversicherungsbeiträge ab 0
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 13. Juni 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Berücksichtigung von kapitalisierten Versorgungsbezügen aus einer Direktversicherung bei der Bemessung der Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Bezüglich der Beiträge zur Pflegeversicherung (PV) hat das Sozialgericht (SG) das Verfahren abgetrennt.
Der am 00.00.1943 geborene Kläger, der bei verschiedenen Arbeitgebern in den Tätigkeitsfeldern Bauleitung und Abrechnung tätig war, bezieht seit dem 01.02.1998 eine Versichertenrente. Der Zahlbetrag lag ursprünglich bei 2.149,98 DM (1.099,27 EUR). Der Kläger ist seit Rentenbeginn in der KVdR bei der Beklagten pflichtversichert. Mit Schreiben vom 14.06.2004 zeigte die B Lebensversicherung AG der Beklagten die zum 01.05.2004 vertragsgemäß anstehende Auszahlung einer einmaligen Kapitalleistung in Höhe von 67.443,51 EUR an den Kläger an. Die Versicherungssumme betrug 54.105 EUR, das Überschussguthaben: 9.470 EUR, die Schlussüberschussanteile lagen bei 3.868,51 EUR. Es handelte sich um eine Direktversicherung gemäß § 40 b Einkommensteuergesetz (EStG). Diese hatte der damalige Arbeitgeber des Klägers, der Fa. I L Straßen- und Tiefbau in N, am 01.05.1979 mit der Rechtsvorgängerin der B Lebensversicherung AG, der D Lebensversicherung AG, abgeschlossen, und zwar in Form eines Einzelversicherungsvertrages über eine Versicherungssumme von 105.820 DM (54.104,91 EUR). Die monatlichen Beiträge in Höhe von 200 DM (102,26 EUR) zahlte zunächst ausschließlich der frühere Arbeitgeber des Klägers. Als dieser in Insolvenz geriet, übertrug er zum 01.01.1988 alle Rechte aus dem Versicherungsvertrag an den Kläger. Dieser Vertrag erhielt daraufhin lediglich eine neue Versicherungsnummer, blieb aber ansonsten – bis auf den Wechsel in der Person des Versicherungsnehmers und Beitragszahlers (nunmehr ausschließlich der Kläger) – unverändert.
Mit Bescheid vom 17.06.2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass für Lebensversicherungen seit dem 01.01.2004 Beitragspflicht zur Krankenversicherung (KV) bestehe, soweit diese in Beziehung zum früheren Erwerbsleben stünden. Dies gelte auch dann, wenn ausschließlich der Arbeitnehmer die Beiträge gezahlt habe, sich aber aufgrund einer früheren beruflichen Tätigkeit einem System der betrieblichen Altersvorsorge angeschlossen und von den Vorteilen – im Verhältnis zur privaten Vorsorge – profitiert habe. Die fällig gewordene betriebliche Altersversorgung des Klägers erfülle die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung. Ab dem 01.05.2004 müssten von den monatlichen Einnahmen aus der o. g. Kapitalleistung in Höhe von 562,03 EUR (67.443,51 EUR, dividiert durch 120 Monate) u. a. zusätzliche Beiträge zur KV in Höhe von 13,7 % entrichtet werden, und zwar aktuell in Höhe von 77,00 EUR monatlich.
Mit dem dagegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend, als Ausgangswert für die Bemessung der zusätzlichen Beiträge zur KV dürfe allenfalls auf das Kapital zurückgegriffen werden, das durch die ausschließliche Beitragszahlung seines früheren Arbeitgebers gebildet worden sei. Es handele sich nach Angaben der B Versicherung um lediglich 18.803,91 EUR. Daraus errechne sich ein monatlich zu berücksichtigender Betrag von (18.803,91 EUR: 120 Monate) 156,70 EUR, mithin eine zusätzliche Beitragsbelastung für die KV in Höhe von lediglich 21,47 EUR (13,7 % von 156,70 EUR). In der Folgezeit zahlte der Kläger nur die von ihm errechneten Beträge. Die Beklagte setzte das Mahnverfahren vorläufig aus.
Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 13.10.2004 als unbegründet zurück.
Zur Begründung seiner am 09.11.2004 zum SG Dortmund erhobenen Klage hat der Kläger ergänzend vorgetragen, die ausgezahlte Kapitalversicherung stelle bereits begrifflich keine Rente der betrieblichen Altersversorgung im Sinne von § 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) dar. Diese Versicherung sei lediglich bis zum 01.01.1988 als betriebliche Direktversicherung geführt worden. Nach dem Wechsel in der Person des Versicherungsnehmers und Beitragsverpflichteten habe keinerlei Beziehung zu dem früheren Arbeitgeber bestanden. Vielmehr habe er, der Kläger, die Lebensversicherung seitdem aus Privatmitteln bedient. Ab 1988 habe mithin keine betriebliche Altersversorgung mehr bestanden. Allenfalls sei derjeinige Betrag im Rahmen von § 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB V heranzuziehen, der bis zur Übertragung der Versicherung auf ihn, den Kläger, erwirtschaftet worden sei. Darüber hinaus bestünden aber auch verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Festsetzung der zusätzlichen Beiträge. Die Betragspflicht stelle einen verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigenden Eingriff in Art. 14 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) dar. Die unechte Rückwirkung der zum 01.01.2004 in Kraft getretenen Neuregelung im Verhältnis zum Auszahlungszeitpunkt im Mai 2004 sei nicht gerechtfertigt. Er habe zu Recht darauf vertrauen dürfen, dass ihm die gesamte angesparte Kapitalleistung zur Lebensführung im Alter zur Verfügung stehen werde. Auch habe er die Beiträge aus Verdienstanteilen geleistet, für die er bereits Abgaben entrichtet habe, unterliege also doppelt der Abgabepflicht.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 17.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.10.2004 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich zur Begründung auf den ihrer Auffassung nach rechtmäßigen angefochtenen Bescheid bezogen.
Das SG hat mit Beschluss vom 16.12.2004 das Verfahren bezüglich der Höhe der Beiträge zur Pflegeversicherung abgetrennt.
Mit Urteil vom 13.06.2006 hat das SG sodann die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Betragserhebung aus der Kapitalzusatzversorgung sei weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden. Die Voraussetzungen des § 229 Abs. 1 S. 3, S. 1 Nr. 5 i. V. m. § 237 S. 1 Nr. 2 und S. 2 SGB V in der ab dem 01.01.2004 geltenden Fassung des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes (GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2003, 2190) lägen vor. Bei dem Kläger als versicherungspflichtigem Rentner sei bei der Beitragsbemessung der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen zugrunde zu legen. Es handele sich um eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung, die an die Stelle von Versorgungsbezügen trete. Der hinreichende Zusammenhang zwischen dem Erwerb der Leistungen aus den beiden Lebensversicherungen und der früheren Berufstätigkeit des Klägers ergebe sich aus dem Umstand, dass der frühere Arbeitgeber des Klägers Versicherungsnehmer und der Kläger als Arbeitnehmer Versicherter gewesen sei, sog. Direktversicherung. Die Lebensversicherung habe der zusätzlichen Versorgung des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen im Alter oder bei Tod gedient, also der Sicherung des Lebensstandards nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben; damit sei eine Versorgungszusage aus einem konkreten Arbeitsverhältnis gewährleistet worden. Diese Zwecksetzung unterscheide die betriebliche Altersversorgung von sonstigen Zuwendungen des Arbeitgebers. Sie sei auch aus Anlass des Arbeitsverhältnisses zugesagt worden. Durch die Übertragung der Versicherung auf den Kläger habe die Versicherung diesen Charakter nicht verloren. Auch stehe der Zuordnung zu einer betrieblichen Altersversorgung nicht entgegen, dass der Kläger ab 1988 die Beiträge allein gezahlt habe.
Gegen die der Beitragsbemessung aus Kapitalleistungen zugrunde liegende, ab dem 01.01.2004 geltende Neuregelung in § 229 Abs. 1 S. 3 SGB V bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liege nicht vor. Vielmehr würde erstmals ab 2004 eine Gleichstellung der regelmäßig wiederkehrenden Leistungen, die an die Stelle von Versorgungsbezügen träten, mit diesen realisiert. Dies fordere auch der Grundsatz der Beitragsgerechtigkeit. Der Kläger könne sich ebenfalls nicht auf den Schutz seines Vertrauens in die Unveränderlichkeit gesetzlicher Regelungen berufen. Es liege nur eine verfassungsrechtlich zulässige sog. unechte Rückwirkung vor. Auch ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG sei nicht ersichtlich. Vermögen sei nicht grundsätzlich gegen die Auferlegung öffentlich-rechtlicher Geldleistungspflichten geschützt; eine Erdrosselungswirkung liege nicht vor. Auch stehe dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Die Regelung des § 229 Abs. 1 S. 3 SGB V sei notwendig gewesen, um die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung zu erhalten. Auch müsse der Kläger lediglich rund 15 % der Versorgungsbezüge innerhalb eines Zeitraumes von 10 Jahren in Form von Beiträgen einsetzen.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 29.06.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger durch diese am 17.07.2006 Berufung eingelegt. Er bezieht sich zur Begründung auf seinen bisherigen Vortrag und weist ergänzend darauf hin, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages im Jahre 1979 niemand – weder er noch sein Arbeitgeber oder die D Lebensversicherung AG – auch nur ansatzweise die Vorstellung gehabt hätten, dass der Auszahlungsbetrag bei Fälligkeit von der Beklagten beitragserhöhend berücksichtigt werden würde. Auch habe im Jahre 1988 eine Lösung von der früheren Direktversicherung stattgefunden. Ergebnisse privater Altersvorsorge aber unterfielen nicht der Beitragspflicht.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 13.06.2006 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 17.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.10.2004 aufzuheben (sinngemäß:, soweit eine Beitragserhebung aus Versorgungsbezügen zur gesetzlichen Krankenversicherung erfolgt ist). Er regt an, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet das erstinstanzliche Urteil als zutreffend.
Der Senat hat eine ergänzende Auskunft der B Lebensversicherung AG vom 21.11.2006 eingeholt. Diese hat mitgeteilt, dass sich nach der Übertragung der Eigenschaft des Versicherungsnehmers auf den Kläger zum 01.01.1988 an den Versicherungskonditionen nichts geändert habe. Es sei sowohl bei der Versicherungssumme von 105.820 DM als auch bei einem Monatsbeitrag in Höhe von 200 DM verblieben, dessen Zahlung allerdings der Kläger an Stelle seines früheren Arbeitgebers übernommen habe. Es entspreche gerade dem Sinn und Zweck einer Direktversicherung, dass ein ausgeschiedener Arbeitnehmer diese entweder privat als persönliche Lebensversicherung oder über einen neuen Arbeitgeber wieder als Direktversicherung fortführen könne, um dadurch eine zusätzliche Altersvorsorge aufzubauen. Die weitere Möglichkeit, den bereits bestehenden Vertrag beitragsfrei zu stellen und eine neue Versicherung abzuschließen, sei dagegen wirtschaftlich wenig sinnvoll. Es entstünden bei einem Neuabschluss zusätzliche, neue Abschlusskosten. Durch das inzwischen höhere Eintrittsalter und der damit auch gestiegenen Sterbewahrscheinlichkeit wäre ein höherer Risikobeitrag zur Absicherung des Todesfallrisikos zu entrichten. Dadurch hätte für den Sparanteil nur noch ein geringerer Beitragsanteil zur Verfügung gestanden. Im Ergebnis wäre damit zur Finanzierung der Versicherungsanteil ein höherer Beitragsaufwand erforderlich gewesen. Als weiterer Nachteil hätte die Gefahr geänderter Gesundheitsverhältnisse bestanden mit der Folge, dass ein Neuabschluss gar nicht, nur zu einem erhöhten Beitrag oder nur mit Ausschlüssen für den Leistungsfall in Frage gekommen wäre.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Prozessakte verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und statthafte Berufung des Klägers, die eine Beitragsforderung von mehr als einem Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 S. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -), ist nicht begründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht und mit überzeugenden Gründen durch Urteil vom 13. Juni 2006 die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 17.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.10.2004 ist rechtmäßig. Diese hat in zutreffender Anwendung von §§ 229 und 248 SGB V dem Grunde und der Höhe nach zu Recht festgestellt, dass der Kläger über einen Zeitraum von zehn Jahren ab dem 01.05.2004 von den Einnahmen aus der Lebensversicherung in Höhe von monatlich 562,03 EUR (67.443,51 EUR, dividiert durch 120 Monate) zusätzliche Beiträge zur Krankenversicherung entrichten müsse, und zwar in Höhe von ursprünglich 77,00 EUR monatlich (Beitragssatz 13,7 %).
Zur Begründung bezieht sich der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden erstinstanzlichen Entscheidungsgründe, denen er sich nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage vollinhaltlich anschließt. Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:
Die Lebensversicherung verliert ihren Charakter als Versorgungsbezug nicht dadurch, dass sie ab 1988 ausschließlich der Kläger durch Eigenleistungen finanziert hat. Das Bundessozialgericht -BSG- hat bereits in seinem Urteil vom 26.03.1996 (Az.: 12 RK 21/95, Sozialrecht -SozR- 3-2500 § 229 Nr. 13; siehe auch Urt. vom 21.8.1997, Az.: 12 RK 35/96, www.jurisweb.de, und Urt. vom 11.10.2001, Az.: B 12 KR 4/00, www.jurisweb.de oder zuletzt auch Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht -LSG-, Urt. vom 03.03.2006, Az.: L 5 KR 89/04, www.jurisweb.de, und LSG Baden-Württemberg, Urt. vom 11.04.2006, Az.: L 11 KR 804/06, www.jurisweb.de) entschieden, dass es in dem Fall, dass ein Versorgungsbezug aus einer Direktversicherung gezahlt wird, unerheblich ist, ob er im Einzelfall ganz oder zum Teil auf Leistungen des Arbeitgebers beruht oder allein auf Leistungen des Arbeitnehmers bzw. des Bezugsberechtigten. Der Charakter als Direktversicherung ist auch nicht durch die Insolvenz des Arbeitgebers und Übertragung der Versicherung auf den Kläger verloren gegangen. Wie der Kläger selbst vorträgt und das Versicherungsunternehmen bestätigt hat, sind die Versicherungsbedingungen – unter Vergabe lediglich einer neuen Versicherungsnummer – unverändert geblieben. Die mit dem Abschluss der Direktversicherung im Jahre 1979 bis zu der zum 01.01.1988 vollzogenen Übertragung der Eigenschaft als Versicherungsnehmer von dem früheren Arbeitgeber auf den Kläger erwachsenen Vorteile sind dem Kläger erhalten geblieben. Die B Lebensversicherung AG hat mitgeteilt, dass bei Neuabschluss einer Lebensversicherung im Jahre 1988 eine Reihe von Nachteilen verbunden gewesen wären. Die weiter bestehende Anknüpfung an das Arbeitsverhältnis, die die Regelungen der §§ 1b und 4 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz) gerade sicherzustellen helfen, rechtfertigt die Erhebung von Beiträgen aus der Direktversicherung auch in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer – wie hier – über einen langen Zeitraum oder ggf. auch ausschließlich die Beitragslast getragen hat (siehe BSG, Urteile vom 13.09.2003, Az. B 12 KR 25/05 R, B 12 KR 26/05 R, B 12 KR 29/05 R, B 12 KR 1/06 R, B 12 KR 17/06 R, bisher nur in Form der Pressemitteilung veröffentlich auf www.bundessozialgericht.de).
Ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit des Art. 20 Abs. 2 und 3 GG ist nicht ersichtlich. Da die Kapitalleistung erst nach dem 01.01.2004 fällig wurde, liegt, wie der Kläger zutreffend vorträgt, lediglich eine sog. unechte Rückwirkung vor. Regelungen, die nämlich nur mit Wirkung für die Zukunft in bestehende Rechtspositionen eingreifen, sind verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig und genügen dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip. Eine solche Wirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (Bundesverfassungsgericht -BVerfG-, Entscheidungssammlung BVerfGE 95, 64, 86 – ständige Rechtsprechung). Von unechter Rückwirkung wird auch gesprochen, wenn eine Norm künftige Rechtsfolgen von Gegebenheiten aus der Zeit vor ihrer Verkündung abhängig macht (BVerfGE 72, 200, 242; 79, 29, 45 ff.). Bei einer unechten Rückwirkung wird danach ein Tatbestand geregelt, der zwar vor der Verkündung des Gesetzes begonnen hat, aber noch nicht vollständig abgeschlossen oder bereits vor Verkündung "in Kraft gesetzt" worden ist (BVerfGE 97, 67, 79). Eine echte Rückwirkung wird dagegen angenommen, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (BVerfGE 57, 361, 391) bzw. wenn die Rechtsfolgen für einen vor der Verkündung liegenden Zeitpunkt eintreten sollen und nicht für einen nach oder mit der Verkündung beginnenden Zeitraum (BVerfGE 72, 200, 242). Während die unechte Rückwirkung bereits verfassungsrechtlich unbedenklich ist, wenn das vom Gesetzgeber verfolgte Gemeinwohlinteresse das Vertrauen des Bürgers auf Fortbestand einer ihn begünstigenden Rechtslage überwiegt, bedarf die echte Rückwirkung einer besonderen Rechtfertigung (BVerfGE 72, 200, 257). Vorliegend hatte der Arbeitgeber des Klägers zwar die Lebensversicherung bereits 1979 abgeschlossen. Diese gelangten aber erst am 01.05.2004, das heißt nach dem Stichtag der Änderung des § 229 SGB V durch das GMG, zur Auszahlung. Es liegt damit ein Fall unechter Rückwirkung vor, so dass der Kläger grundsätzlich in seinem Vertrauen nicht geschützt wird. Der Gesetzgeber hat aufgrund der weiten Gestaltungsfreiheit im Sozialrecht die Möglichkeit, eine Rechtsposition zum Nachteil der Versicherten für die Zukunft zu ändern. Eine unechte Rückwirkung ist ausnahmsweise unzulässig, wenn das Gesetz einen Eingriff vornimmt, mit dem der Betroffene nicht zu rechnen brauchte, wobei das Vertrauen auf den Fortbestand gesetzlicher Vorschriften regelmäßig nicht geschützt wird, und zudem das Vertrauen des Betroffenen schutzwürdiger ist als die mit dem Gesetz verfolgten Anliegen. Beide Voraussetzungen, die zusammen vorliegen müssen, sind hier nicht erfüllt. Denn die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung mussten aufgrund der seit langer Zeit eingeleiteten Reformen der gesetzlichen Krankenversicherung, die auch die Finanzierung der Leistungen der Krankenversicherung betroffen haben, mit einer stärkeren Heranziehung zur Finanzierung der Leistungen rechnen. Außerdem ist das Anliegen des Gesetzgebers, ein höheres Maß an Beitragsgerechtigkeit bei der Behandlung von Kapitalabfindungen zu erreichen, mit dem Grundsatz der solidarischen Finanzierung (§ 3 SGB V) und dem Versicherungsprinzip zu vereinbaren. Ob und in welchen Umfang Übergangsregelungen notwendig sind, ergibt sich aus einer Abwägung des gesetzlichen Zwecks mit der Beeinträchtigung der Betroffenen. Hierbei ist gleichfalls zu berücksichtigen, dass dem Gesetzgeber ein erheblicher Spielraum zur Verfügung steht. Es spielt dabei eine Rolle, wie gewichtig die Beeinträchtigung ist angesichts des Motivs des Gesetzgebers, die Kapitalabfindungen als Versorgungsbezüge gleich zu behandeln. Unter dem Gesichtspunkt der Beitragsgerechtigkeit und der beabsichtigten Verhinderung von Umgehungsmöglichkeiten ist insoweit ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip nicht zu erkennen.
Ebenso fehlt es an einem Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, auch im Hinblick auf die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG). Denn die von dem Kläger angegriffene gesetzliche Neuregelung ist zur Erreichung der oben genannten Ziele geeignet und erforderlich. Es ist auch nicht zu erkennen, dass die Mehrbelastung an Beiträgen in der gesetzlichen Krankenversicherung für den Kläger unzumutbar wäre. Denn der aufgrund der Neuregelung sich ergebende Monatsbeitrag ab 01.05.2004 in Höhe von 77,00 EUR stellt im Verhältnis zum Einkommen des Klägers, das bei rund 1.150 EUR liegt, mit rund 6,7 % keine hohe Belastung dar. Dies gilt auch bezüglich der innerhalb von 10 Jahren zu zahlenden zusätzlichen Beiträge zur KV in Höhe von rd. 9.240 EUR im Verhältnis zu dem vom Kläger während der Laufzeit der Lebensversicherung erwirtschafteten Überschussguthaben des Klägers in Höhe von 13.338,51 EUR, Verzinsungen nicht mitgerechnet. Die Beitragsbelastung liegt im Übrigen nicht einmal bei der Hälfte des ausschließlich durch seinen ehemaligen Arbeitgeber erwirtschafteten Anteils von 18.803,91 EUR. Nicht berücksichtigt sind weiter die nicht unerheblichen steuerlichen Gewinne des Klägers während der Laufzeit der Lebensversicherung. Die Einzahlungen sind lediglich mit dem – günstigen – Pauschalsteuersatz versteuert worden, während das Einkommen des Klägers um die Einzahlungen vermindert versteuert wurde.
Auch im Übrigen erachtet der Senat die Vorschrift für verfassungskonform. Die Neuregelung sollte gerade Umgehungsmöglichkeiten bei der Beitragspflicht für Versorgungsbezüge beseitigen (BT-Drucks. 15/1525 S. 139) und demnach zu einer gleichmäßigen Behandlung aller Betroffenen führen (vgl. Peters, in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Loseblattsammlung, Stand: Januar 2006, § 229 SGB V, RdNr. 16). Deswegen verstößt die Neuregelung auch nicht gegen Art. 3 GG, sondern dient gerade der Gleichbehandlung aller Versicherten. Die Einbeziehung der Versorgungsbezüge in die Beitragspflicht ist vom BVerfG nicht nur gebilligt, sondern wegen des genannten Solidaritätsprinzips sogar für geboten erachtet worden (vgl. BVerfGE 79, 223, 237 ff.). Die gegen die Urteile des BSG vom 30. März 1995 (Az.: 12 RK 9/93, SozR 3-2500 § 229 Nr. 8, und Az.: 12 RK 29/94, SozR 3-2500 § 229 Nr. 7) erhobenen Verfassungsbeschwerden sind vom BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen worden (vgl. Beschlüsse des BVerfG vom 21.09.1995 – 1 BvR 1764/95 und 1 BvR 1765/95 und Urt. des BSG vom 24.08.2005, Az.: B 12 KR 29/04 R, www.jurisweb.de).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Im Hinblick darauf, dass zur Zeit der mündlichen Verhandlung die schriftlichen Urteilsgründe der Entscheidungen des BSG vom 13.09.2006 zu den Az. B 12 KR 25/05 R, B 12 KR 26/05 R, B 12 KR 29/05 R, B 12 KR 1/06 R, B 12 KR 17/06 R (letzteres betreffend die Entscheidung des erkennenden Senates vom 02.03.2006, Az.: L 16 (2) KR 139/05) noch nicht vorlagen, hat der Senat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Erstellt am: 24.01.2011
Zuletzt verändert am: 24.01.2011