Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 27. Januar 2004 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten nur noch über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 10.06.2002 bis zum 05.05.2003.
Der am 00.00.1963 geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt. Seit Juli 1981 war er als Maschineneinrichter bei der Firma T mit der Einstellung, Wartung und Reparatur von Maschinen beschäftigt, zuletzt im Dreischichtbetrieb. Seit 1999 litt der Kläger unter zunehmende Schlafstörungen. Trotz einer innerbetrieblichen Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz entwickelte sich in der Folgezeit eine depressive Symptomatik, mit weiterhin bestehenden Schlafstörungen und zunehmender Grübelneigung.
Der Kläger war zunächst arbeitsunfähig vom 16.03. bis 07.04.2000 (23 Kalendertage) wegen Schlafstörung, ab dem 27.03.2000 zusätzlich wegen einer psychischen Störung. Sodann war er vom 30.11.2000 durchgehend bis 01.04.2002 (488 Kalendertage) arbeitsunfähig, zunächst wegen einer depressiven Episode, später ab 08.05.2001 auch wegen einer nichtorganischen Schlafstörung (Insomie) und ab dem 22.11.2001 wegen wiederkehrender depressiver Störungen, schädlichem Gebrauch von Tabak sowie Ein- und Durchschlafstörungen.
Vom 22.11.2001 bis 20.01.2002 unterzog er sich einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der psychosomatischen Abteilung der X-Klinik. Der dortige ärztliche Direktor, Prof. Dr. C, stellte im Entlassungsbericht vom 01.02.2002 eine leichte bis mittelgradige depressive Episode, Schlafstörungen, Probleme am Arbeitsplatz sowie einen Nikotinabusus fest. Er entließ den Kläger als arbeitsunfähig, meinte aber, dass nach einer stufenweisen Wiedereingliederung die Leistungsfähigkeit für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit ohne besonderen Anforderungen an die geistig-psychische Belastbarkeit bei Meidung von Nachtschicht vollschichtig gegeben sei.
Nach einer vierwöchigen stufenweisen Wiedereingliederung im März 2002 arbeitete der Kläger am 02., 03. und 04. April wieder normal in der Frühschicht (6.00 bis 14.00 Uhr). Am 05.04.2002 erlitt er während der Arbeit einen Nervenzusammenbruch mit Verkrampfungen und Zittern, der nach seinen eigenen Angaben durch massives Drängen des Arbeitgebers, sich mit Nachtschichtarbeit einverstanden zu erklären, ausgelöst wurde. Am 08.04.2002 arbeitete der Kläger erneut in Frühschicht. An diesem Tag versuchte der Arbeitgeber ein weiteres Mal, den Kläger zu einem schon am 05. April geplanten Gespräch über die Arbeitsbedingungen zu veranlassen, was dieser jedoch ablehnte. Am 09.04.2002 traten während der Frühschicht Rückenbeschwerden ein, weshalb der Kläger um 12.00 Uhr seinen Arbeitsplatz verließ und Dr. C1 aufsuchte. Dieser bescheinigte noch am selben Tage Arbeitsunfähigkeit für die Zeit vom 10.04. bis 24.04.2002 wegen Lumboischialgie (M 54.4).
Auf Anfrage der Beklagten teilte Dr. C1 am 19.04.2002 mit, dass es sich bei der die Arbeitsunfähigkeit ab 10.04.2002 begründeten Krankheit nicht um dieselbe handele, die die Arbeitsunfähigkeit bis 01.04.2002 begründet habe. Auf Veranlassung des Arbeitgebers, der Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit hegte, wurde ein Gutachten vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) eingeholt. Der dortige Sachverständige Dr. M diagnostizierte am 22.04.2002 eine akute Lumboischialgie rechts (unklarer Genese) und eine wiederkehrende depressive Verstimmung. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Zweifel des Arbeitgebers an der Arbeitsunfähigkeit nicht berechtigt seien. Auf ergänzende Anfrage (24.02.2002) erklärte Dr. M, dass vorläufig beide der von ihm festgestellten Diagnosen die Arbeitsunfähigkeit ab 10.04.2002 bedingten.
Der Arbeitgeber des Klägers leistete Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 10.04. bis 21.05.2002.
Mit Bescheid vom 30.04.2002 stellte die Beklagte das Ende des Krankengeldanspruchs wegen Erschöpfen des 78-Wochen-Zeitraums am 14.05.2002 fest.
Hiergegen legte der Kläger am 10.05.2002 Widerspruch ein.
Zwischenzeitlich hatte sich der Kläger in fachorthopädische Behandlung bei Dr. X begeben. Dieser stellte in Folgebescheinigungen vom 25.04., 02.05., 14.05., 21.05. (durch seine Vertreterin Dr. G), 27.05. und 03.06.2002 weitere Arbeitsunfähigkeit wegen Lumboischialgie durchgehend bis 07.06.2002 fest.
Am 06.06.2002 bescheinigte wiederum der Hausarzt Dr. C1 Arbeitsunfähigkeit wegen Lumboischialgie fortlaufend bis zum 05.05.2003.
Am 14.06.2002 teilte Dr. X dem Hausarzt Dr. C1 in einem schriftlichen Befundbericht den Verlauf der orthopädischen Behandlung seit dem 25.04.2002 mit und wies darauf hin, dass er nach einer Computertomographie-Kontrolluntersuchung am 05.06.2002 dem Kläger mitgeteilt habe, dass von Arbeitsfähigkeit ab dem 10.06.2002 auszugehen sei. Dasselbe teilte Dr. X auf Anfrage telefonisch auch der Beklagten mit (Telefonvermerk Blatt 71 der Kassenakte).
Mit Bescheid vom 19.06.2002 stellte die Beklagte erneut das Erschöpfen des Anspruchs auf Krankengeld zum 14.05.2002 fest; sie verwies darauf, dass auf die der Arbeitsunfähigkeit ab 10.04.2002 zugrundeliegenden Diagnosen insgesamt 511 Tage anzurechnen seien, so dass ein Restanspruch von 35 Tagen bestanden habe. Der hiergegen am 08.07.2002 vom Kläger eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 05.11.2002).
Hiergegen hat der Kläger am 06.12.2002 vor dem Sozialgericht Aachen Klage erhoben. Er hat vorgetragen, nach der Entlassung aus der Reha-Klinik und seiner beruflichen Wiedereingliederung sei sein körperliches und psychisches Befinden wieder in Ordnung gewesen. Die am 09.04.2002 erstmals aufgetretenen Rückenbeschwerden seien eine neue Krankheit gewesen, die vorher nicht bestanden und keine Arbeitsunfähigkeit begründet habe. Diese Erkrankung sei auch die alleinige Ursache für die ab 10.04.2002 bestehende Arbeitsunfähigkeit gewesen. Die Lumboischialgie habe durchgehend bis zum 05.05.2003 bei ihm Arbeitsunfähigkeit begründet, wie sich aus den entsprechenden Bescheinigungen von Dr. C1 ergebe.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 30.04. und 19.06.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.11.2002 zu verurteilen, ihm aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit vom 10.04.2002 bis 05.05.2003 Krankengeld vom 22.05.2002 bis 05.05.2003 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts die Krankenunterlagen von Dr. L (Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Behandlungszeitraum vom 09.02.2001 bis zum 19.07.2001), Dr. X und Dr. C1 beigezogen. Des Weiteren hat es ein medizinisches Sachverständigengutachten von Prof. Dr. C eingeholt. Darin hat dieser die Auffassung vertreten, die akute rechtsseitige Schmerzsymptomatik (Lumboischialgie) sei als alleinige Ursache der Arbeitsunfähigkeit ab dem 10.04.2002 anzunehmen. Diese Arbeitsunfähigkeit sei jedoch zum 09.06.2002 beendet gewesen.
Mit Urteil vom 27.01.2004 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, dem Kläger auch für die Zeit vom 22.05 bis 09.06.2002 Krankengeld zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat sich das Sozialgericht auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. C und die beigezogenen Praxisunterlagen der behandelnden Ärzte gestützt. Soweit Dr. C1 als behandelnder Hausarzt über den 10.06.2002 hinaus Arbeitsunfähigkeit bescheinigt habe, sei ihm nicht zu folgen. Die von Dr. C1 ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen stimmten inhaltlich nicht mit dessen beigezogenen Tagesprotokollen über den Kläger überein.
Gegen das ihm am 09.02.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05.03.2004 unter Hinweis auf die vorliegenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von Dr. C1 Berufung eingelegt. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe sich über diese Bescheinigungen nicht hinwegsetzen dürfen. So habe Dr. X als behandelnder Orthopäde dem Kläger mündlich mitgeteilt, er könne ihm wegen seiner Lumboischialgie nicht weiter helfen, er solle sich von Dr. C1 weiter behandeln lassen. Nur weil Prof. Dr. C von der Ischialgieerkrankung des Klägers ab dem 06.06.2002 keine Kenntnis gehabt habe, habe dieser gestützt auf die unzutreffende Prognose des behandelnden Orthopäden eine nicht vorhandene Arbeitsfähigkeit des Klägers ab dem 10.06.2002 angenommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 27. Januar 2004 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 30. April 2002 und 19. Juni 2002, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. November 2002 zu verurteilen, ihm Krankengeld vom 10. September 2002 bis 05. Mai 2003 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für inhaltlich zutreffend.
Der Senat hat zur Aufklärung des Sachverhalts die früheren Arbeitskollegen des Klägers S und L1 als Zeugen vernommen und Dr. C1 als sachverständigen Zeugen gehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird die Terminsniederschrift vom 30.11.2005 (Bl. 258 bis 264 der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den der beigezogenen Kassenakte der Beklagten Bezug genommen, diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und statthafte Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht und mit überzeugenden Gründen durch Urteil vom 27.01.2004 einen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld vom 10.06.2002 bis 05.05.2003 verneint. Zur Begründung bezieht sich der Senat gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die zutreffenden erstinstanzlichen Entscheidungsgründe, denen er sich nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage voll inhaltlich anschließt.
Ergänzend ist lediglich darauf hinzuweisen, dass selbst wenn man mit dem Sozialgericht von einer erstmals am 09.04.2002 aufgetretenen Erkrankung ausgeht, zur Überzeugung des Senats nach der Beweisaufnahme vom 30.11.2005, gestützt auf das Gutachten von Prof. Dr. C, das im Wege des Urkundenbeweises gewürdigt werden konnte, jedenfalls feststeht, dass der Kläger ab dem 10.06.2002 seine bisherige Tätigkeit wieder vollwertig und vollschichtig ausüben konnte. So hat insbesondere der Zeuge S bekundet, dass zwar Lasten bis zu 30 kg gehoben werden mussten, dies jedoch nur mit Hilfe anderer Arbeitnehmer. Soweit Dr. C1 bei seiner Beurteilung verblieben ist, folgt ihm der Senat nicht. Der behandelnde Hausarzt hat im Ergebnis keine anderen Befunde als Prof. Dr. C erhoben. Auch wenn das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. C kein positives und negatives Leistungsvermögen explizit aufgeführt hat, lässt es trotzdem den Schluss auf eine Arbeitsfähigkeit ab dem 10.06.2002 zu, worauf das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat.
Soweit der Kläger aus dem Umstand der weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von Dr. C1 den Schluss ziehen will, dass die Beklagte an dessen Leistungsbeurteilung gebunden ist, folgt ihm der Senat ebenfalls nicht. Mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 28.11.2005 ? B 1 KR 30/04 R ?: zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR 4), der sich der Senat vollinhaltlich anschließt, ist den ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen kein höherer Beweiswert beizumessen als den vorliegenden Gutachten. Diese Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen führen nicht dazu, dass die beklagte Krankenkasse zwingend vom Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit hätte ausgehen müssen. Der Kläger durfte nach den Umständen des Falles auch nicht darauf vertrauen, dass ihm schon allein deshalb Krankengeld zustand, weil ihm der behandelnde (Vertrags-)Arzt Arbeitsunfähigkeit bescheinigt hatte. Bei konkreter Würdigung der beigezogenen Praxisunterlagen kann ein solcher Schluss, wie aufgeführt, gerade nicht gezogen werden. So fehlen insbesondere in den beigezogen Praxisunterlagen von Dr. C1 jegliche Hinweise auf die vom Kläger behauptete hinzugetretene Erkrankung am 06.06.2002. Im Gegenteil wird durch die Praxisunterlagen des Facharztes Dr. X und den nachvollziehbaren begründeten, in sich schlüssigen, Ausführungen des erstinstanzlichen Sachverständigen eine Arbeitsfähigkeit des Klägers ab dem 10.06.2002 belegt. Soweit Dr. C1 im Termin zur Erörterung der Streitsache am 30.11.2005 hiermit inhaltlich konfrontiert worden ist, konnte er seine gegenteilige Auffassung nicht nachvollziehbar belegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183 und 193 SGG. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 192 SGG (sog. Mutwillenskosten) nicht Gebrauch gemacht, da das bestenfalls ungewöhnliche Verhalten des Prozessbevollmächtigten im Termin zur mündlichen Verhandlung in diesem Falle nicht zu Lasten des Klägers gehen sollte.
Für die Zulassung der Revision hat der Senat keine Veranlassung gesehen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt sind, § 160 Abs. 2 SGG.
Erstellt am: 14.06.2006
Zuletzt verändert am: 14.06.2006