Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27.11.2018 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 61.782,24 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist im Rahmen eines Betriebsprüfungsverfahrens die Rechtmäßigkeit des gem. § 28 p Abs. 1 S. 5 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV) ergangenen Bescheides vom 10.7.2015, mit dem die Beklagte Sozialversicherungsbeiträge für den Beigeladenen zu 1) in Höhe von 61.782,24 Euro für die Jahre 2010 bis 2013 nachgefordert hat.
Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist laut Gesellschaftsvertrag vom 3.7.1995 der Entwurf, die Herstellung und der Betrieb von Papierprodukten aller Art. Seit 1995 hielten zunächst der Beigeladene zu 1) und sein Vater, H I, jeweils 50 % der Gesellschaftsanteile.
Am 20.12.1996 schloss die Klägerin mit dem Beigeladenen zu 1) einen Geschäftsführerdienstvertrag. Der Beigeladene zu 1) erhielt zu diesem Zeitpunkt ein Jahresgehalt von 211.936,00 DM brutto, zuzüglich Sonderzahlungen von insgesamt 13.000,00 DM und einer Tantieme abhängig vom Jahresgewinn. Für den weiteren Inhalt wird auf diesen Vertrag Bezug genommen.
Am 28.12.2000 übertrug der Beigeladene zu 1) einen Geschäftsanteil von 10 % an X S. Danach hielten H I 50 %, der Beigeladene zu 1) 40 % und X S 10 % der Gesellschaftsanteile. Am selben Tag wurde zwischen H I und dem Beigeladenen zu 1) durch Gesellschafterbeschluss eine Stimmbindungsvereinbarung geschlossen, wonach H I sich verpflichtete, ab sofort in Gesellschafterversammlungen der Gesellschaft stets "mit" dem Beigeladenen zu 1) abzustimmen, d.h. sein Stimmrecht so auszuüben, wie es von dem Beigeladenen zu 1) ausgeübt wird. Geschäftsführer sind ausweislich dieses Beschlusses der Beigeladene zu 1) und X S.
Der Gesellschaftsvertrag wurde am 13.12.2006 neu gefasst. Gem. § 8 Nr. 2 dieses Vertrages werden Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung grundsätzlich mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Der Beigeladene zu 1) übertrug einen weiteren Geschäftsanteil von 10 % auf X S. Danach hielten H I 50%, der Beigeladene zu 1) 30% und X S 20 % der Geschäftsanteile. Im Gesellschafterbeschluss vom 13.12.2006 blieb die Stimmbindungsvereinbarung vom 28.12.2000 ausdrücklich bestehen, der Beigeladene zu 1) und X S verpflichteten sich wechselseitig, ab sofort in Gesellschafterversammlungen der Gesellschaft stets ausschließlich gemeinsam abzustimmen, d.h. Beschlüsse nur übereinstimmend zu fassen.
Vom 26.5.2014 bis 20.4.2015 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch für den Prüfungszeitraum vom 1.1.2010 bis 31.12.2013.
Die Beklagte hörte die Klägerin am 20.4.2015 an zur beabsichtigten Feststellung der Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) und des X S für die Zeit ab 1.1.2010 bis 31.12.2013 und zur beabsichtigten Nachforderung von insgesamt 123.564,48 Euro.
Im Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH vom 9.6.2015 gab der Beigeladene zu 1) an, nur im Rahmen des Gesellschaftsvertrages zur Mitarbeit verpflichtet zu sein, die Mitarbeit sei in einem besonderen Arbeitsvertrag geregelt. Er unterläge nicht wie ein fremder Arbeitnehmer Weisungen der Gesellschaft und könne seine Tätigkeit in der Gesellschaft frei bestimmen und gestalten. Die monatliche Vergütung betrage 10.500,- Euro. Im Falle der Arbeitsunfähigkeit werde diese nicht weiter gezahlt.
Die Klägerin übersandte einen Bescheid der DAK bzgl. des Geschäftsführers S vom 26.4.2001, wonach bei diesem kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorläge. Weiterhin übersandte sie Kopien aus den Lohnkonten der Geschäftsführer. Sie vertrat die Auffassung, dass beide Geschäftsführer aufgrund der getroffenen Einstimmigkeitsvereinbarung seit dem Jahre 2006 stets Entscheidungen der Gesellschaft herbeiführen oder zumindest hätten verhindern können. Bei beiden Geschäftsführern sei eindeutig nicht von abhängigen Beschäftigungsverhältnissen auszugehen. Nach den jeweiligen Geschäftsführerdienstverträgen seien beide in der Bestimmung ihrer Arbeitszeit und Art und Ort der Arbeitsleistung frei, sie seien von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit worden und hätten die Übernahme von Bürgschaften bzw. Mitverpflichtungen bei den finanzierenden Banken in Höhe von jeweils fast 2 Millionen Euro abgegeben.
Mit Bescheid vom 10.7.2015 forderte die Beklagte für den Prüfungszeitraum vom 1.1.2010 bis 31.12.2013 61.782,24 Euro von der Klägerin nach. Aufgrund zu geringer Beteiligung an der Klägerin und der daraus resultierenden zu geringen Rechtsmacht sei bei dem Beigeladenen zu 1) Sozialversicherungspflicht festzustellen. Sozialversicherungsbeiträge seien entsprechend nachzuzahlen. In den Anlagen bezifferte die Beklagte die nachzuzahlenden Sozialversicherungsbeiträge vom 1.1.2010 bis 31.12.2013 aufgrund Sozialversicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Bundesagentur für Arbeit. Bezüglich der Sozialversicherungspflicht des X S sei ein Bescheid der DAK vom 26.4.2001 eingereicht worden, aus dem hervorgehe, dass die Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Klägerin nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Es bestehe auch weiterhin keine Sozialversicherungspflicht.
Dagegen legte die Klägerin am 28.7.2015 Widerspruch ein. Sie führte aus, mit den getroffenen Stimmbindungsvereinbarungen komme dem Beigeladenen zu 1) die erforderliche Rechtsmacht zu, Einzelanweisungen an sich im Bedarfsfall jederzeit verhindern zu können. In dem Fall, dass sich alle Gesellschafter dieser Bindung unterworfen hätten, sei ein vereinbarungswidrig zustande gekommener Gesellschafterbeschluss ausnahmsweise gegenüber der Gesellschaft anfechtbar. Ergänzend werde vorgetragen, dass der Beigeladene zu 1) ein ganz erhebliches Unternehmerrisiko trage. Dieses sei nicht nur durch die Gesellschafterstellung sowie die Tantiemenregelung gegeben, sondern vielmehr insbesondere durch die Übernahme von Bürgschaften und Mitverpflichtungen bei den finanzierenden Banken in Höhe von fast 2 Millionen Euro.
Mit Widerspruchsbescheid vom 1.3.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte aus, die Stimmrechtsbindung sei für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Gesellschafter/Geschäftsführer nicht von Bedeutung. Sie sei von ihrer rechtlichen Qualität her als eine vom Gesellschaftsvertrag abweichende Handhabung zu bewerten. Es bleibe die im Gesellschaftsvertrag verankerte Rechtsmacht unangetastet. Auch die Bürgschaft lasse keinen anderen Schluss zu. Die Belastung eines Erwerbstätigen, der im Übrigen nach der tatsächlichen Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als abhängig Beschäftigter anzusehen sei, mit zusätzlichen Risiken rechtfertige nicht die Annahme von Selbständigkeit. Aufgrund des Kapitaleinsatzes von 30 % des Gesamtkapitals und dem daraus resultierenden Stimmrechtsanteil sei es dem Beigeladenen zu 1) nicht möglich, die Geschicke der Gesellschaft maßgeblich zu beeinflussen.
Hiergegen hat die Klägerin am 4.4.2016 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Köln erhoben. Sie hat ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und darauf hingewiesen, dass der Beigeladene zu 1) zwischen 1997 und 2006 für Verbindlichkeiten der Klägerin Bürgschaften in Höhe von 12.361.981,78 Euro übernommen habe. Es bestehe keine Weisungsgebundenheit des Beigeladenen zu 1) bezüglich Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsleistung. Es bestehe auch keine Weisungsgebundenheit wegen einer Beteiligung lediglich in Höhe von 30 % der Anteile. Den Bereich der laufenden Geschäftsführung erledige der Beigeladene zu 1) allein und eigenverantwortlich lediglich innerhalb der Grenzen des Gesellschaftervertrages (§ 7 Ziff. 4). Lediglich bei den darüber hinaus gehenden Geschäften bestehe eine Weisungsgebundenheit des Gesellschafter-Geschäftsführers an die Gesellschafterversammlung. An dieser Stelle setzten die streitgegenständlichen Stimmbindungsvereinbarungen an. Vorliegend hätten sich alle Gesellschafter der Stimmbindungsvereinbarung unterworfen. Insofern könnte der Gesellschafter-Geschäftsführer wegen der geltenden Stimmbindungsvereinbarung sogar seine eigene Abberufung als Geschäftsführer verhindern. Auch eine fehlende notarielle Beurkundung ändere hieran nichts.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 10.7.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.3.2016 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die angefochtenen Bescheide verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 27.11.2018 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, der Beigeladene zu 1) habe für seine Tätigkeit als Geschäftsführer bei der Klägerin im Zeitraum vom 1.1.2010 bis 31.12.2013 als abhängig Beschäftigter der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen. Der Beigeladene zu 1) vermöge auch nicht aufgrund der durch Gesellschafterbeschlüsse vom 28.12.2000 und 13.12.2006 vereinbarten Stimmbindung ihm unliebsame Weisungen der Klägerin mit einer für die sozialversicherungsrechtlichen Beurteilungen erforderlichen Rechtsmacht auszuschließen. Er könne rechtlich nicht verhindern, dass sich die Mitgesellschafter künftig von der Stimmbindungsvereinbarung lösten, um ggf. ihm unliebsame Weisungen gegen seinen Willen durchzusetzen. Eine nicht in die Satzung inkorporierte Stimmbindungsvereinbarung sei unabhängig von der Kündbarkeit nicht geeignet, die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmachtverhältnisse mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu verschieben. Denn solche Vereinbarungen genügten nicht dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit sozialversicherungsrechtlicher Tatbestände (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 14.3.2018, B 12 KR 13/17, juris Rn. 22). Für eine selbständige Tätigkeit spreche auch kein unternehmerisches Risiko, welches der Beigeladene zu 1) übernommen hätte. Auch aus der Übernahme von Bürgschaften folge nichts anderes. Denn mit der Übernahme dieser Risiken gingen keine weitergehenden rechtlichen Einflussmöglichkeiten auf die Gesellschaft einher. Die Klägerin habe auch keinen Vertrauensschutz für sich in Anspruch nehmen können.
Gegen das ihr am 3.12.2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28.12.2018 Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen und vertritt weiterhin die Auffassung, der Beigeladene zu 1) sei nicht abhängig beschäftigt gewesen. Es fehle an der Weisungsgebundenheit, wie im Anstellungsvertrag (dort § 5) bestätigt werde. Da sich die in der Stimmbindungsvereinbarung getroffene Regelung auch mit Ausnahme von Grundlagengeschäften auf sämtliche Fragen beziehe, werde dem Beigeladenen zu 1) eine umfassende, beherrschende Rechtsmacht eingeräumt, die in vergleichbaren Fällen der eines Gesellschafters mit Sperrminorität gleichkomme. Die Übernahme finanzieller Risiken, ohne dass damit eine unmittelbare Gegenleistung in Form eines "Plus" an Gestaltungsfreiheit bezüglich der eigenen Arbeitsleistung, sondern lediglich eine Gewinnchance verbunden sei, sei vielmehr gerade weiteres Indiz für das von dem Beigeladenen zu 1) getragene unternehmerische und wirtschaftliche Risiko und damit für dessen weisungsfreie Tätigkeit für die Klägerin. Die Klägerin übersendet den Betriebsprüfungsbescheid vom 25.9.2018 sowie den Haftungsbescheid des Finanzamtes Sankt Augustin vom 23.11.2007 und weist darauf hin, dass durch die Beklagte in früheren Bescheiden und Protokollen der Schlussbesprechung keine Beanstandungen bezüglich des Beigeladenen zu 1) vorgebracht worden seien. Sie erklärt, dass es eine Geschäftsordnung für die Geschäftsführung nicht gegeben habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27.11.2018 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 10.7.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.3.2016 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, der Beigeladene zu 1) sei weisungsgebunden gewesen. Er habe nach § 1 des Geschäftsführerdienstvertrages u.a. nach den von der Gesellschafterversammlung erteilten Weisungen die Geschäfte geführt. Da er lediglich 30 % der Geschäftsanteile gehalten habe, habe er dem Weisungsrecht aus den Beschlüssen der Gesellschafterversammlungen unterlegen. Die bezeichneten Stimmbindungsvereinbarungen seien nicht in die Satzung der Klägerin aufgenommen worden. Diese stellten somit eine schuldrechtliche Vereinbarung dar, die jederzeit hätte gekündigt werden können. Eine solche Stimmbindungsvereinbarung könne die im Gesellschaftsvertrag festgelegten Rechtsmachtverhältnisse nicht außer Kraft setzen. Auch ein Unternehmerrisiko sei für den Beigeladenen zu 1) nicht gegeben gewesen. So habe er eine feste, erfolgsunabhängige Vergütung gehabt. Dass er zusätzlich noch erfolgsabhängige Vergütungsbestandteile erhalten habe, ändere daran nichts. Sie übersendet den Betriebsprüfungsbescheid vom 12.5.2010 sowie die Prüfmitteilung vom 11.12.2014.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
I. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 10.7.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.3.2016. Regelungsinhalt dieses Verwaltungsakts ist nach dem für die Auslegung von Verwaltungsakten maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont (§ 133 BGB entsprechend; vgl. zur Auslegung von Verwaltungsakten Schneider-Danwitz, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 39 Rn. 43 m.w.N.; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 35 Rn. 71 mit umfassenden Nachweisen) die Feststellung einer Beitragsschuld der Klägerin aus der Betriebsprüfung für den Zeitraum vom 1.1.2010 bis zum 31.12.2013 zu gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung in Höhe von 61.782,24 EUR wegen Beschäftigung des Beigeladenen zu 1). Hinsichtlich des Nacherhebungszeitraums folgt dies aus der für die Auslegung von Verwaltungsakten mitheranzuziehenden Anlage des Verwaltungsaktes, die eine Beitragsschuld in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung für den Zeitraum vom 1.1.2010 bis zum 31.12.2013 ausweist.
II. Die am 28.12.2018 schriftlich eingelegte Berufung der Klägerin gegen das ihr am 3.12.2018 zugestellte Urteil des SG Köln vom 27.11.2018 ist zulässig, insbesondere ohne gerichtliche Zulassung statthaft (§§ 143, 144 SGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 151 Abs. 1, 64 Abs. 1, Abs. 2, 63 SGG).
III. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Köln vom 27.11.2018 ist nicht begründet. Die für das Rechtsschutzbegehren der Klägerin (vgl. § 123 SGG) statthafte (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Altern. 1 SGG) und im Übrigen zulässige, insbesondere nach §§ 87 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 90 SGG fristgerecht erhobene Anfechtungsklage ist unbegründet. Der Bescheid vom 10.7.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.3.2016 beschwert die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil er nicht rechtswidrig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
Die Beklagte hat in formell und materiell nicht zu beanstandender Weise eine Beitragsschuld der Klägerin aufgrund der Betriebsprüfung (§ 28p Abs. 1 SGB IV) wegen Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) für den Zeitraum vom 1.1.2010 bis zum 31.12.2013 in Höhe von 61.782,24 EUR sowie eine Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung vom 1.1.2010 bis zum 31.12.2013 festgestellt.
1. Ermächtigungsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV. Nach dieser Vorschrift erlassen die Träger der Rentenversicherung die erforderlichen Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege-, und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung gegenüber den Arbeitgebern.
2. Der Bescheid vom 10.7.2015 ist formell rechtmäßig, insbesondere ist die Klägerin vor Erlass dieses sie belastenden Bescheides am 20.4.2015 ordnungsgemäß angehört worden (§ 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch [SGB X]).
3. Der Bescheid ist auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden. Die Feststellung einer Beitragsschuld zur gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung wegen Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) für den Zeitraum vom 1.1.2010 bis zum 31.12.2013 in Höhe von 61.782,24 EUR und die Feststellung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung vom 1.1.2010 bis zum 31.12.2013 sind nicht zu beanstanden.
a) Nach § 28e Abs. 1 SGB IV hat der Arbeitgeber – vorliegend die Klägerin – den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die bei ihm (versicherungspflichtig) beschäftigten Personen zu zahlenden Beiträge u.a. zur gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung (§ 28d Sätze 1 und 2 SGB IV) zu entrichten.
aa) Der Versicherungspflicht in diesen Zweigen der Sozialversicherung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI], § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Hieraus folgt die Beitragspflicht für das aus dem Beschäftigungsverhältnis erzielte Arbeitsentgelt (§ 14 Abs. 1 SGB IV i.V.m. § 162 Nr. 1 SGB VI, § 342 SGB III).
Der Beigeladene zu 1) war in dem Zeitraum vom 1.1.2010 bis zum 31.12.2013 bei der Klägerin gegen Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV) beschäftigt.
Fehlen – wie im vorliegenden Fall – in Bindungswirkung erwachsene (§ 77 SGG) Feststellungen zum sozialversicherungsrechtlichen Status, beurteilt sich das Vorliegen einer Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 SGB IV. Hiernach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (st. Rspr.; vgl. BSG, Urteil v. 14.3.2018, B 12 KR 13/17 R, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; Urteil v. 16.8.2017, B 12 KR 14/16 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 31; Urteil v. 31.3.2017, B 12 R 7/15 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 30; Urteil v.30.4.2013, B 12 KR 19/11 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 21; jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl. BVerfG, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil v. 23.5.2017, B 12 KR 9/16 R, SozR 4-2400 § 26 Nr. 4).
Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom – wahren und wirksamen – Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Auf dieser Grundlage ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der abhängigen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (vgl. hierzu im Einzelnen BSG, Urteil v. 24.3.2016, B 12 KR 20/14 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 29; Urteil v. 18.11.2015, a.a.O.; Urteil v. 29.7.2015, a.a.O.).
Diese Maßstäbe gelten auch für Geschäftsführer einer GmbH (BSG, Urteil v. 14.3.2018, a.a.O.; Urteil v. 11.11.2015, B 12 KR 10/14 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 28; Urteil v. 29.7.2015, B 12 KR 23/13 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 24), und zwar ungeachtet der konkreten Bezeichnung des der Geschäftsführertätigkeit zugrunde liegenden Vertrags. Ist ein am Kapital der GmbH beteiligter zum Geschäftsführer bestellt, ist eine die Weisungsgebundenheit ausschließende Rechtsmacht gegeben, der mehr als 50 v.H. der Anteile am Stammkapital hält. Ein Geschäftsführer, der nicht über diese Kapitalbeteiligung verfügt und damit als Mehrheitsgesellschafter ausscheidet, ist grundsätzlich abhängig beschäftigt. Er ist ausnahmsweise nur dann als Selbstständiger anzusehen, wenn er exakt 50 v.H. der Anteile am Stammkapital hält oder ihm bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende ("echte" oder "qualifizierte"), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist. Demgegenüber ist eine "unechte", auf bestimmte Gegenstände begrenzte Sperrminorität nicht geeignet, die erforderliche Rechtsmacht zu vermitteln (BSG, Urteil v. 19.9.2019, B 12 R 25/18 R, juris; Urteil v. 14.3.2018, a.a.O.; Urteil v. 11.11.2015, B 12 R 2/14 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 27; Urteil v. 11.11.2015, B 12 KR 10/14 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 28; Urteil v. 29.6.2016, B 12 R 5/14 R, juris). Eine umfassende Sperrminorität ist vorliegend jedoch nicht gegeben, da sie nicht die gesamte Unternehmenstätigkeit erfasst, sondern nur einen Teil, auch wenn es sich hierbei für die Klägerin um Beschlussgegenstände von wesentlicher Bedeutung handelt.
Die für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit notwendige Rechtsmacht, die den Gesellschafter-Geschäftsführer in die Lage versetzt, die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen oder zumindest ihm nicht genehme Weisungen verhindern zu können, muss gesellschaftsrechtlich eingeräumt sein. Außerhalb des Gesellschaftsvertrags bestehende Vereinbarungen über die Ausübung von Stimmrechten, wirtschaftliche Verflechtungen oder tatsächliche Einflüsse kraft familiärer Verbundenheit oder überlegenen Wissens ("Kopf und Seele") sind nicht zu berücksichtigen. Sie vermögen die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmachtverhältnisse nicht mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu verschieben, weil sie nicht dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände genügen (BSG, Urteil v. 14.3.2018, a.a.O. mit umfangreichen weiteren Nachweisen).
(1) Der Senat ist ausgehend von diesen Maßstäben zu der Überzeugung gelangt, dass der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit als Geschäftsführer im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV nach Weisungen verrichtet hat. Er konnte sich nicht auf gesellschaftsrechtlich gesicherter Grundlage etwaigen Weisungen der Gesellschaft jederzeit wirksam widersetzen.
(a) Der Beigeladene zu 1) besaß im Zeitraum vom 1.1.2010 bis 31.12.2013 nicht die Rechtsmacht, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Er besaß lediglich einen Gesellschaftsanteil von 30 % (und damit nicht mindestens 50 % Geschäftsanteil). Damit war der Beigeladene zu 1) nicht in der Lage, ihm ungenehme Weisungen der Gesellschaft abzuwehren. Denn er wäre nicht in der Lage, aus eigener Rechtsmacht eine Mehrheit in der Gesellschafterversammlung aufzubringen, wobei nach dem hier im streitigen Zeitraum von 2010 bis 2013 geltenden § 8 Abs. 1 des Gesellschaftervertrages vom 13.12.2006 die einfache Mehrheit (51 %) erforderlich gewesen wäre. Soweit es tatsächlich nicht zum Streitfall gekommen sein sollte, bzw. in einem solchen eine einvernehmliche Lösung herbeigeführt worden ist, ist dies nicht relevant, da es abstrakt auf die bestehende Rechtsmacht ankommt (BSG, Urteil v. 14.3.2018, a.a.O.; Urteil v. 11.11.2015, B 12 R 2/14 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 27; Urteil v. 11.11.2015, B 12 KR 10/14 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 28; Urteil v. 29.6.2016, B 12 R 5/14 R).
Auch unter Berücksichtigung der in den Gesellschafterbeschlüsse vom 28.12.2000 und 13.12.2006 getroffenen Vereinbarungen ergibt sich nichts anderes. Zunächst betrifft die Vereinbarung vom 13.12.2006 nur Teilbereiche, in denen eine Stimmrechtsbindung gelten soll. Ausgenommen sind "sogenannte Grundlagengeschäfte wie die Änderung der Satzung, die Veräußerung der Gesellschaft oder die Zustimmung zur Übertragung von Anteilen". Weiterhin bestehen auch keine Stimmrechtsbindungen zwischen allen Gesellschaftern. Nach der Vereinbarung, die in den Gesellschafterbeschluss vom 28.12.2000 aufgenommen worden ist, besteht eine Stimmrechtsbindungsvereinbarung zwischen dem Beigeladenen zu 1) und seinem Vater H I, nach der in den Gesellschafterbeschluss vom 13.12.2006 aufgenommenen Stimmrechtsbindungs-vereinbarung besteht eine solche zwischen dem Beigeladenen zu 1) und dem Mitgeschäftsführer und Gesellschafter X S. Es fehlt aber an einer Stimmrechtsbindungsvereinbarung zwischen H I und X S. Dies könnte im Falle einer Verhinderung oder eines Ausschlusses des Beigeladenen zu 1) (§ 47 Abs. 4 GmbHG) von der Abstimmung relevant werden, so dass in diesem Fall keine Stimmrechtsbindung greifen würde. Zudem ist für den Senat nach § 133 BGB entsprechender Auslegung nicht ersichtlich, dass, auch wenn die Stimmrechtsbindungsvereinbarungen der Form nach mit "Gesellschafterbeschluss" überschrieben wurden, es sich tatsächlich um Gesellschafterbeschlüsse handeln würde. Denn es handelt sich insofern um rechtsgeschäftliche Vereinbarungen zwischen einzelnen – und nicht allen – Gesellschaftern und nicht um Ergebnisse von Abstimmungen gem. § 47 GmbHG.
Maßgeblich ist, dass es sich bei den Stimmrechtbindungsvereinbarungen vom 28.12.2000 und 13.12.2006 lediglich um Vereinbarungen außerhalb des Gesellschaftsvertrages (Satzung) handelt. Es fehlt jedoch an einer durch Gesellschaftsvertrag zustande gekommene Vereinbarung (vgl. BSG, Urteil vom 14.3.2018, a.a.O., m.w.N.). Eine solche liegt für den Zeitraum vom 1.1.2010 bis 31.12.2013 nicht vor.
(b) Hierbei geht der Senat davon aus, dass nur eine im Gesellschaftsvertrag selbst und unmittelbar angelegte Regelung in der Lage ist, eine sozialversicherungsrechtlich beachtliche Weisungsfreiheit zu gewährleisten. Dieses Verständnis entnimmt der Senat nicht zuletzt der jüngsten höchstrichterlichen Rechtsprechung, in der das BSG ausdrücklich betont hat, dass eine "außerhalb des Gesellschaftsvertrags (Satzung) zustande gekommene, sich auf die Stimmverteilung auswirkende Abrede" für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung ohne Bedeutung ist (BSG, Urteil v. 14.3.2018, B 12 KR 13/17 R, juris, Rn. 18 a. E). Der Senat schließt sich dieser Sichtweise ausdrücklich an. Allein diese ermöglicht in der gebotenen Verlässlichkeit und Sicherheit, dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände zu genügen. Dieses Gebot hat das BSG wiederholt in den Mittelpunkt seiner rechtlichen Beurteilungen gerückt (BSG, Urteil v. 29.7.2015, B 12 KR 23/13 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 24, Rn. 29 f. m.w.N., BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 17, Rn. 32). Jedwede außerhalb der Satzung selbst statuierte Abrede birgt – jedenfalls abstrakt – die Gefahr eines Rechtsmissbrauchs, durch eine nachträgliche, dem Ziel der rückwirkenden Generierung von Versicherungsfreiheit dienenden missbräuchlichen Abänderung zuvor getroffener Abreden. Dieses Risiko wird dann entscheidend gemindert, wenn nur im Gesellschaftsvertrag selbst verankerte und im Fall der Satzungsänderung dem notariellen Beurkundungsgebot (§§ 53 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, 54 GmbHG) unterliegende Abänderungen Maßstab der zu beurteilenden Rechtsmacht sind.
Auf unmittelbar gesellschaftsvertraglich verankerter Grundlage sind keine Regelungen getroffen worden, die es dem Beigeladenen zu 1) ermöglicht hätten, bei der Ausübung seiner Tätigkeit jederzeit weisungsfrei agieren zu können.
Nach § 7 Abs. 4 GesV bedürfen (nur) Beschlüsse zum Erwerb, Belastung oder Veräußerung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten, der Erwerb von Unternehmen und Beteiligungen aller Art sowie deren Veräußerung, die Gewährung oder Inanspruchnahme von Bank- oder ähnlichen Geldkrediten, die den durchschnittlichen Monatsumsatz des vorangegangenen Geschäftsjahres übersteigen, die Gewährung von Sicherheiten außerhalb des normalen Geschäftsverkehrs, die Übernahme von Bürgschaften, Versorgungszusagen sowie alle sonstigen Geschäfte, die über den Geschäftsbereich des Unternehmens hinausgehen der Zustimmung aller Gesellschafter. In anderen Fällen genügt gem. § 8 Abs. 2 GesV die einfache Mehrheit.
(c) Die hiernach bestehende Weisungsgebundenheit des Beigeladenen zu 1) wird durch den Inhalt des geschlossenen Geschäftsführerdienstvertrages vom 20.12.1996 untermauert. Dieser enthält die Regelungselemente, die für ein Beschäftigungsverhältnis typisch sind: Nach § 1 dieses Vertrages führt der Beigeladene zu 1) die Geschäfte der Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrages, der Geschäftsordnung für die Geschäftsführung (diese dort genannte Geschäftsordnung existierte entsprechend den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 27.11.2019 tatsächlich nicht) sowie der von der Gesellschafterversammlung erlassenen Weisungen unter Berücksichtigung dieses Vertrages. Damit wird die Gebundenheit des Beigeladenen zu 1) von den in der Gesellschafterversammlung erlassenen Weisungen unterstrichen. Der Beigeladene zu 1) erhielt nach § 4 ein festes monatliches Bruttoeinkommen sowie eine feste Sondervergütung zahlbar im November und Dezember. Es besteht ein Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall (§ 9) und auf Urlaub (§ 10). Damit unterlag der Beigeladene zu 1) einem umfassenden Weisungsrecht der Klägerin. Dieses war sicherlich – aufgrund der verrichteten Tätigkeit als Geschäftsführer – zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert worden. Insoweit sind Freiheiten bei Diensten höherer Art üblich (vgl. BSG, Urteil vom 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, juris). Ebenso gehört es zur Aufgabe des Geschäftsführers, Aufsicht über die ihm unterstellten Arbeitnehmer auszuüben, woraus sich ebenfalls die Eingliederung in den Betrieb ergibt.
(2) Der Beigeladene zu 1) ist im streitigen Zeitraum auch in einem für ihn fremden Betrieb, nämlich dem der Klägerin, tatsächlich eingegliedert tätig geworden. Alleinige Unternehmensträgerin war die als juristische Person des Privatrechts mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestaltete GmbH selbst (vgl. § 13 Abs. 1 GmbHG). Diese ist von den als Gesellschaftern dahinterstehenden juristischen oder natürlichen Personen unabhängig (vgl. hierzu nur BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr. 7, Rn. 21 m.w.N.) und von den verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen getrennt zu betrachten (vgl. BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr. 17 Rn. 18).
(3) Hinzu kommt, dass für eine selbstständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) sprechende Gesichtspunkte nicht in einem die Gesamtabwägung relevanten Umfang gegeben sind.
(a) Mangels einer im Gesellschaftsrecht wurzelnden Rechtsmacht rechtfertigt die Übernahme von Bürgschaften durch den Beigeladenen zu 1) zugunsten der Klägerin ebenfalls keine anderslautende Beurteilung (BSG, Urteil v. 29.7.2015, B 12 KR 23/13 R, Rn. 27), zumal mit diesen weiterreichende statuarisch verankerte Einflussmöglichkeiten des Beigeladenen zu 1) auf die Willensbildung der Klägerin nicht einhergegangen sind. Die übernommenen Bürgschaftsverpflichtungen vermitteln kein unternehmerisches Risiko, sondern lösen lediglich ein etwaiges Haftungsrisiko des Beigeladenen zu 1) aus (BSG, Urteil v. 29.7.2015, B 12 KR 23/13 R, juris; Senat, Urteil v. 20.4.2016, L 8 R 761/15). Unter dem Gesichtspunkt tatsächlicher wirtschaftlicher Einflussmöglichkeiten besteht keine Vergleichbarkeit mit einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer (BSG Urteile vom 19.9.2019, B 12 R 25/18 R, Rn. 16, juris und vom 29.8.2012 – B 12 KR 25/10 R – BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr. 17, Rn. 26).
(b) Der Beigeladene zu 1) verfügte über keine eigene Betriebsstätte, auf die er im Rahmen der hier streitigen Auftragsbeziehung zurückgegriffen hat.
(c) Ein wesentliches unternehmerisches Risiko des Beigeladenen zu 1) bestand im Rahmen der zu beurteilenden Auftragsbeziehung gleichfalls nicht. Maßgebendes Kriterium für ein unternehmerisches Risiko ist nach den von dem BSG entwickelten Grundsätzen (vgl. etwa BSG, Urteil v. 25.1.2011, B 12 KR 17/00 R, SozR 2001, 329, 331; BSG, Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, juris, Rn. 27; BSG, Urteil v. 28.9.2011, B 12 R 17/09 R, USK 2011-125), der sich der Senat in seiner ständigen Rechtsprechung bereits angeschlossen hat (vgl. nur Senat, Urteil v. 22.4.2015, L 8 R 680/12), ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlusts eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen und persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft (vgl. schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr. 17 S. 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 13 S. 36 m.w.N.; BSG Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, juris Rn. 27; BSG, Urteil v. 28.9.2011, B 12 R 17/09 R, USK 2011-125, juris Rn. 25 f.) oder größere Verdienstmöglichkeiten gegenüberstehen (etwa BSG, Urteil v. 31.3.2015, B 12 KR 17/13 R, juris, Rn. 27).
(aa) Ihre Arbeitskraft musste der Beigeladene zu 1) angesichts der anstellungsvertraglich vereinbarten Festvergütung nicht mit der Gefahr des Verlustes einsetzen. Die Ausschüttung von Tantiemen fällt demgegenüber nicht gravierend ins Gewicht, da auch bei Arbeitnehmern Gewinnbeteiligungen nicht unüblich sind.
(bb) Die Ausübung der Tätigkeit als Geschäftsführer hat auch einen substanziell relevanten, mit einem Verlustrisiko verbundenen Kapitaleinsatz nicht erfordert. Die Möglichkeit, dass die Klägerin Verluste machen könnte, die sich auch auf den Beigeladenen zu 1) auswirkten, folgt aus der Stellung des Beigeladenen zu 1) als Gesellschafter, nicht aus seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit für die Klägerin.
(4) In der gebotenen Gesamtabwägung aller für und gegen die Annahme einer abhängigen Beschäftigung sprechenden Merkmale entsprechend ihrem Gewicht überwiegen zur Überzeugung des Senats im Gesamtbild die für die Annahme einer Beschäftigung sprechenden Indizien deutlich.
bb) Tatbestände, die eine Versicherungsfreiheit des Beigeladenen zu 1) in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung begründen könnten, sind nicht erkennbar und wurden auch nicht vorgetragen.
b) Die Höhe der Beitragsforderung ist nicht zu beanstanden. Einwände hat die Klägerin insoweit auch nicht erhoben.
c) Die Beitragsforderung für den Zeitraum vom 1.1.2010 bis zum 31.12.2013 ist auch nicht verjährt. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Beiträge, die nach dem Arbeitsentgelt oder dem Arbeitseinkommen zu bemessen sind, werden spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des Monats fällig, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit, mit der das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt wird, ausgeübt worden ist oder als ausgeübt gilt (§ 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV).
Die wegen der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) für den Zeitraum vom 1.1.2010 bis zum 31.12.2013 nacherhobenen Pflichtbeiträge sind hiernach nicht verjährt. Denn die vierjährige Verjährung war zunächst gem. § 25 Abs. 2 SGB IV im Betriebsprüfungszeitraum vom 26.5.2014 bis zum Erlass des Bescheides vom 10.7.2015 gehemmt, woran sich die Hemmung gem. § 52 Abs. 1 Satz 1 SGB X bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit dieses Bescheides anschloss.
d) Ein der Nachforderung von Beiträgen und Feststellung der Versicherungspflicht entgegenstehender Vertrauensschutz der Klägerin nach Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) ist nicht ersichtlich. Aus dem Betriebsprüfungsbescheid vom 12.5.2010 (Prüfzeitraum 1.4.2006 bis 31.12.2009) ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das Versicherungsverhältnis des Beigeladenen zu 1) oder die an diesen erbrachte Zahlungen einer Prüfung unterzogen worden wären. Nicht ausreichend hierfür ist, wenn der Haftungsbescheid des Finanzamtes T vom 23.11.2007 der Beklagten vorgelegen hat, ohne dass die Beklagte diesen zur Grundlage einer eigenen Regelung gemacht hat.
Arbeitgeber konnten aus beanstandungsfreien Betriebsprüfungen nach bisheriger Rechtsprechung in der Regel keine Rechte herleiten. Betriebsprüfungen hatten danach nur den Zweck, die Beitragsentrichtung im Interesse der Versicherungsträger und der Versicherten sicherzustellen. Ihnen kam keine Entlastungswirkung für den Arbeitgeber zu, weil sie nicht umfassend oder erschöpfend sein müssen und sich auf bestimmte Einzelfälle oder Stichproben beschränken dürfen (vgl. § 11 Beitragsverfahrensverordnung [BVV]). Eine materielle Bindungswirkung aufgrund einer Betriebsprüfung konnte sich nur insoweit ergeben, als Versicherungs- und Beitragspflicht sowie -höhe im Rahmen der Prüfung personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch gesonderten Verwaltungsakt festgestellt wurden (BSG Urteil vom 29.7.2003 – B 12 AL 1/02 R – SozR 4-2400 § 27 Nr. 1 Rn. 20; BSG Urteil vom 30.10.2013 – B 12 AL 2/11 R – BSGE 115, 1 = SozR 4-2400 § 27 Nr. 5, Rn. 24; BSG Urteil vom 18.11.2015 – B 12 R 7/14 R – juris Rn. 18). Diese Rechtsprechung hat das BSG insbesondere im Hinblick auf die Grundrechtsrelevanz (Berufsausübungsfreiheit, Art 12 Abs. 1 GG) der Indienstnahme der Arbeitgeber für den Beitragseinzug (vgl. dazu Schlegel, Die Indienstnahme des Arbeitgebers in der Sozialversicherung, Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht 2004, 265 ff) und angesichts der Einführung des § 7 Abs. 4 Satz 2 BVV (m.W.v. 1.1.2017 durch das Sechste Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 11.11.2016, BGBl. I 2500) fortentwickelt. Danach ist davon auszugehen, dass Betriebsprüfungen insoweit auch eine Schutzwirkung für Arbeitgeber zukommt, seit den Betriebsprüfungsstellen aufgegeben wurde, die geprüften Sachverhalte offenzulegen (BSG, Urteil vom 19.9.2019, B12 R 25/18 R, Rn. 31, juris), also erst ab dem 1.1.2017.
Die Klägerin kann sich aber nicht auf die beanstandungsfreie vorangegangene Betriebsprüfung berufen, da diese keine Regelungen bezüglich der Versicherungspflicht oder -freiheit des Beigeladenen zu 1) enthält. Eine materielle Bindungswirkung kann sich auch weiterhin nur insoweit ergeben, als Versicherungs- und/oder Beitragspflicht im Rahmen der Prüfung personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch Verwaltungsakt festgestellt worden sind (BSG, Urteil vom 19.9.2019, a.a.O., Rn. 32). Gleiches gilt für vorangegangene Prüfberichte.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Kosten der Beigeladenen sind weder erstattungsfähig, noch sind diese mit Kosten zu belasten, da diese von einer Antragstellung abgesehen haben (vgl. § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
V. Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG sind nicht gegeben.
VI. Der Streitwert ist für das Berufungsverfahren gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG) auf 61.782,24 EUR festzusetzen.
Der auf Aufhebung des Betriebsprüfungsbescheides der Beklagten vom 10.7.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.3.2016 gerichtete Antrag der Klägerin betrifft eine bezifferte Geldleistung im Sinne von § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG, nämlich die festgesetzte Beitragsforderung für die Zeit vom 1.1.2010 bis zum 31.12.2013 in Höhe von 61.782,24 EUR (vgl. Senat, Beschluss v. 21.2.2011, L 8 R 954/10 B, juris).
Erstellt am: 11.08.2020
Zuletzt verändert am: 11.08.2020