Der Bescheid vom 25. November 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. April 2000 wird abgeändert und die Beklagte verpflichtet, den … Oktober 19 … als Geburtsdatum zugrunde zu legen, soweit Rechte oder Pflichten davon abhängig sind, dass eine bestimmte Altersgrenze erreicht oder überschritten ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Kläaers in Höhe von 1/2.
Tatbestand:
Der Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte für den Kläger ein anderes Geburtsdatum als bisher berücksichtigen muss.
Der im ehemaligen Jugoslawien geborene Kläger lebt seit 1971 in der Bundesrepublik Deutschland. Am 26. Oktober 1971 erteilte ihm die Landesversicherungsanstalt für das Saarland die Versicherungsnummer … und richtete unter dieser Nummer ein Versicherungskonto ein.
Mit seinem Antrag vom 22. Januar 1992, ihm eine neue Versicherungsnummer mit dem Geburtsdatum … Januar 19 … zu erteilen, blieb er vor dem erkennenden Gericht in dem Klageverfahren S 13 J 47/98 ohne Erfolg.
Am 27. Oktober 1999 beantragte der Kläger erneut, das bisherige Geburtsdatum … Oktober 19 … in das Geburtsdatum … Januar 19 … abzuändern. Zur Begründung fügte er Auszüge in serbo-kroatischer Sprache und deutscher Übersetzung aus dem Geburtsregister der Bundesrepublik Jugoslawien, Republik Montenegro, Gemeinde Plav, vom 09. Juni 1997 und 17. August 1999 sowie eine "Beglaubigung" der Islamischen Gemeinschaft der Republik Montenegro vom 16. Juli 1999 bei. Außerdem überreichte er das Original und die deutsche Obersetzung eines Urteils des Militärgerichts in Mostar vom 24. Oktober 1947, in dem sein Vater, A … L …, zu 18 Jahren Zwangsarbeit verurteilt wurde. Zur Person des Beschuldigten A … L … heißt es in dem Urteil wörtlich: " …verheiratet mit H … K … aus G … Vater von vier Kindern: R …, R …, B … und N …"
Mit Schreiben vom 25. November 1999 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass das behauptete Geburtsjahr 1944 nach wie vor nicht nachgewiesen sei. Das Militärurteil könne nur belegen, dass der Kläger vor der Verhaftung seines Vaters gezeugt worden sein müsse, nicht jedoch, dass der Kläger bereits 1944 geboren worden sei.
Dagegen hat der Kläger am 27. Dezember 1999 Widerspruch erhoben und vorgetragen, dass das Geburtsdatum " … Oktober 19 … nicht stimmen könne, wie sich aus dem Militärurteil vom 24. Oktober 1947 ergebe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. April 2000 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück, weil sich aus dem Militärurteil nicht folgern lasse, dass der Kläger tatsächlich am … Oktober 19 … (gemeint:. Januar 19 … ) geboren sei.
Hiergegen hat der Kläger am 11 Mai 2000 Klage erhoben und geltend gemacht, dass er ausweislich des Militärurteils bereits gelebt habe, als sein Vater am 26. Juni 1947 verhaftet worden sei.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Bescheid vom 25. November 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. April 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den … Januar 19 … , hilfsweise den … Oktober 19 …, als Geburtsdatum zugrunde zu legen, soweit Rechte oder Pflichten davon abhängig sind, dass eine bestimmte Altersgrenze erreicht oder überschritten ist.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich in ihrer Klageerwiderung im Wesentlichen auf die Gründe des Widerspruchbescheids und trägt ergänzend vor, dass die Berücksichtigung eines anderen Geburtsdatums nur dann in Betracht kommen könne, wenn die Urkunde ein exaktes Geburtsdatum mit "Tag, Monat und Jahr" enthalte.
Die Kammer hat das Urteil des Militärgerichts in Mostar vom 24. Oktober 1947 aus der serbischen in die deutsche Sprache übersetzen lassen. Insofern wird auf die Übersetzung des Dolmetschers N. S … aus Dortmund vom 18. Dezember 2000, BL 44 bis 51 der Gerichtsakte, Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsakte (Versicherungsnummer: … verwiesen. Beide Akten sowie die Streitakten aus dem Beweissicherungsverfahren S 16 J 158/93 und dem Klageverfahren S 16 J 13/95 (wiederaufgenommen unter dem Aktenzeichen: S 13 J 47/98) des erkennenden Gerichts waren Gegenstand der Beratung und Entscheidung.
Die Beteiligten haben sie mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist teilweise begründet.
Der Kläger ist beschwert (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgehchtsgesetz (SGG)), soweit ihm die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden versagt, den 24. Oktober 1947 als Geburtsdatum zu berücksichtigen. Im Übrigen sind die Bescheide rechtmäßig.
Der Hauptantrag ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte bei der Entscheidung über altersabhängige Rechte oder Pflichten zukünftig den … Januar 19 … als Geburtsdatum zugrunde legt.
Denn nach § 33a Abs. 1 des Ersten Buches des Soziaigesetzbuches (SGB l) ist das Geburtsdatum maßgebend, das sich aus der ersten Angabe des Berechtigten oder Verpflichteten oder seiner Angehörigen gegenüber einem Sozialleistungsträger oder, soweit es sich um eine Angabe im Rahmen des Dritten oder Sechsten Abschnitts des Vierten Buches handelt, gegenüber dem Arbeitgeber ergibt, soweit Rechte oder Pflichten davon abhängig sind, dass eine bestimmte Altersgrenze erreicht oder nicht überschritten ist. Von diesem Geburtsdatum darf nach § 33a.Abs. 2 Nr. 2 SGB l nur abgewichen werden, wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, dass sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Absatz 1 ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt.
Das Urteil des Militärgerichts in Mostar vom 24. Oktober 1947 ist ein taugliches Beweismittel im Sinne dieser Vorschrift. Denn es ist eine Urkunde, deren Original ausgestellt worden ist, bevor der Kläger im Oktober 1971 gegenüber der Landesversicherungsanstalt für das Saarland den, … Oktober 19 … als den Tag seiner Geburt angab.
Allerdings geht aus dieser Urkunde keinesfalls hervor, dass der Kläger tatsächlich am … Januar 19 … geboren ist. Aus ihr läßt sich lediglich folgern, dass der Kläger bei der Verkündung des Urteils am 24. Oktober 1947 bereits gelebt hat, d.h. spätestens an diesem Tag geboren sein muss.
Dagegen ist der Auszug aus dem Geburtsurkundenbuch der Bundesrepublik Jugoslawien, Republik Montenegro. Gemeinde Plav vom 09. Juni 1997 kein taugliches Beweismittel im Sinne des § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB i, weil diese Urkunde nach 1971 erstellt worden ist. Aus ihr folgert die Kammer lediglich, dass der Kläger ein Sohn des A … L … ist, der am 24. Oktober 1947 durch das Militärgericht zu 18 Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden ist.
Mit dem Hilfsantrag hat der Kläger dagegen Erfolg.
Die Beklagte muss gem. § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB l von dem bisherigen Geburtsdatum abweichen und stattdessen den. Oktober 19 als Geburtsdatum zugrunde zu legen, soweit.Rechte oder Pflichten davon abhängig sind, dass eine bestimmte Altersgrenze erreicht oder überschritten ist.
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 33a Abs. 2 Satz 1 SGB l sind erfüllt. Das Urteil des Militärgerichts in Mostar vom 24. Oktober 1947 ist eine Urkunde, deren Original vor dem 26. Oktober 1971 ausgestellt worden ist. Aus dieser Urkunde ergibt sich auch ein anderes Geburtsdatum" als der 06. Oktober 1948.
Die Kammer ist zunächst davon überzeugt, dass der Kläger als Sohn des A … L … im Tatbestand des Militärurteils vom 24. Oktober 1947 erwähnt wird. Denn sie hält es für ausgeschlossen, dass der Vater des Klägers zwei Söhne mit demselben Namen hatte. Es steht zur Überzeugung der Kammer ferner fest, dass der Kläger am 24. Oktober 1947 bereits gelebt haben muss, weil er sonst im Tatbestand des Militärurtejis vom selben Tage nicht als Kind des Verurteilten erwähnt worden wäre. Daraus folgert die Kammer, dass das Geburtsdatum, das der Kläger der Landesversicherungsanstalt für das Saarland im Oktober 1971 angegeben hat, unrichtig ist. Folglich ergibt sich aus dem Urteil des Militärgerichts in Mostar "ein anderes Geburtsdatum"
Läßt sich nämlich mit Hilfe einer Alturkunde im Sinne des § 33 Abs. 2 Nr. 2 SGB l beweisen, dass der Betroffene mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits an einem bestimmten Tag gelebt hat, so ist zumindest dieser Tag als Geburtstag zugrunde zu legen. Unerheblich ist dabei, ob sich aus der Urkunde das konkrete Geburtsdatum nach Tag, Monat und Jahr ergibt. Für diese Auslegung sprechen Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck des § 33a SGB l.
Im Rahmen der sprachlich-grammatikalischen Wortlautinterpretation ist vom "natürlichen Wortlauf" auszugehen, wobei der gesetzliche und allgemeine Sprachgebrauch zu beachten sind. Im allgemeinen Sprachgebrauch versteht man unter einem "Geburtsdatum" die Angabe des Geburtstages nach dem Kalender. Der … Oktober 19 … ist ein Datum, das sich kalendermäßig bestimmen läßt, und an dem der Kläger geboren sein kann. Zwar hält es die Kammer für wahrscheinlich, dass der Kläger in Wirklichkeit vor diesem Tag geboren worden ist. Dem Militärurteil läßt sich aber kein konkreter, anderer Tag entnehmen, so dass hitfsweise auf das Verkündungsdatum des Urteils rekurriert werden muss.
Auch bei logisch-systematischer Auslegung bestehen keine Bedenken, hilfsweise auf den, … Oktober 19 … als Geburtsdatum des Klägers zurückzugreifen. Denn der Gesetzgeber hat mit der Einführung des § 33a Ahs. 3 SGB l die Aussagekraft des Geburtsdatums in der Versicherungsnummer geändert. Seitdem ist nur noch maßgebend, welches Geburtsdatum der Versicherte anfangs angegeben oder später mit einer Alturkunde nachgewiesen hat. Damit hat der Gesetzgeber die Verbindung zum "wahren" Geburtsdatum gelockert (BSG, Urteil vom 31. März 1998, Az.: B 8 Kn 5/95 R). Folglich darf aus systematischer Sicht anstelle des erwiesenermaßen unrichtigen Geburtsdatums ein mutmaßlich ebenso falsches Geburtsdatum berücksichtigt werden. Denn nach § 2 Abs. 2 Satz 2. 2. HS SGB l sind Normen so auszulegen, dass die sozialen Rechte des Versicherten möglichst weitgehend verwirklicht werden. Zieht man den … Oktober 19 … als Geburtsdatum heran, so könnte der Kläger (in Zukunft) altersabhängige Rechte bereits 12 Monate früher (z.B. Regelattersrente ab November 2012 statt November 2013) verwirklichen. Deshalb erscheint es sozialversicherungsrechtlich geboten, zumindest das Ausstellungsdatum einer (Alt-)Urkunde als Geburtsdatum zu berücksichtigen, wenn sich aus ihr ergibt, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits gelebt hat, deshalb das bisherige Geburtsdatum unrichtig ist und das Ausstellungsdatum dem "wahren" Geburtsdatum näher kommt.
Mit § 33a SGB l will der Gesetzgeber – ausweislich der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 17/8994, S. 67) – vermeiden, dass Sozialleistungen aufgrund von Geburtsdatenänderungen mißbräuchlich in Anspruch genommen werden. Außerdem soll den Versicherungsfrägern und den Gerichten der Sozialgerichtsbärkeit die (zeit- und kostenintensive) Prüfung erspart werden, ob ein – im Regelfall Jahrzehnte zurückliegendes – Geburtsdatum zutrifft oder nicht (BSG. Urteil vom 31. März 1998, Az.: B 8 Kn 11/95 R; Seewald, Kasseler Kommentar, § 33a Rn. 3).
Mit diesem gesetzgeberischen Zwecken ist es vorliegend vereinbar, den … Oktober 19 … als Geburtsdatum des Klägers zu berücksichtigen. Denn an der Echtheit des Militärurteils und an der Richtigkeit des Verkündungsdatums besteht kein Zweifel, so dass die Gefahr eines mißbräuchlichen Bezugs von Sozialleistungen auszuschließen ist. Da sich das Verkündungsdatum aus der Urkunde selbst ergibt, ist keine zeitintensive Überprüfung dieses Datums erforderlich. Der (finanzielle) Aufwand, den die Übersetzung des Urteils erfordert (hat), bleibt dem Versicherungsträger bzw. der Landeskasse auch in anderen Fällen nicht erspart, weil § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB l neben deutschen auch ausländische "Alturkunden" erfasst.
Mit Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck des § 33a SGB l wäre es folglich nicht zu vereinbaren, den Kläger an dem nachweislich falschen Geburtsdatum festzuhalten und damit gleichzeitig zu verhindern, dass er altersabhängige soziale Rechte vorzeitig. d.h. 12 Monate früher, geltend machen kann.
Die Vorschrift § 33 Abs. 2 SGB l räumt der Beklagten kein Ermessen ein. Sind die Voraussetzungen erfüllt, muss sie – schon um dem Betroffenen Dispositionen im Hinblick auf den Ruhestand zu ermöglichen – von dem bisherigen Geburtsdatum abweichen und das neue berücksichtigen.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG und trägt dem Umstand Rechnung, dass der Kläger mit seinem Hauptantrag unterliegt und nur mit seinem Hilfsantrag obsiegt.
Erstellt am: 10.08.2003
Zuletzt verändert am: 10.08.2003