Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichtes Köln vom 16. April 2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) im Erstfeststellungsverfahren streitig.
Der am 00.00.1989 geborene Kläger stellte am 12.06.2002 einen Antrag auf Feststellung einer Behinderung und Anerkennung des Merkzeichens "H" (Hilflosigkeit). Zur Begründung wies er auf einen Diabetes mellitus Typ I hin. Dem Antrag fügte er einen Arztbericht von der Stationsärztin X, St. N-Krankenhaus E, vom 29.05.2002 bei.
Nach Einholung eines Befundberichtes von dem behandelnden Kinderarzt Dr. Q und Auswertung durch den versorgungsärztlichen Dienst stellte der Beklagte mit Bescheid vom 18.07.2002 einen GdB von 40 wegen der Behinderung "Insulinpflichtiger Diabetes mellitus" sowie die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "H" fest.
Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24.09.2002).
Am 10.10.2002 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Köln (SG) erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass ihm die für sein Alter kindgemäßen Dinge kaum möglich seien. Bei einem Kind seines Alters müsse ein anderer Maßstab zugrunde gelegt werden, als dies bei der GdB-Bewertung eines Erwachsenen der Fall sei.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 16.04.2003 abgewiesen. Der Senat verweist auf die Entscheidung.
Gegen das ihm am 29.04.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26.05.2003 Berufung eingelegt. Er ist weiterhin der Auffassung, dass der GdB mindestens 50 betrage. Zum einen sei die Diabeteserkrankung bei einem Schulkind ganz anders zu bewerten als bei einem Erwachsenen. Zum anderen ergäben sich aus seiner Erkrankung weitgehende Einschränkungen, insbesondere was seinen kindlichen Bewegungsdrang und die Ausübung des Sports angehe. Es seien häufige Unterzuckerungen aufgetreten. Dieser Zustand habe sich erst nach dem Einsetzen einer Insulinpumpe gebessert.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichtes Köln vom 16.04.2003 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 18.07.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2002 zu verurteilen, bei ihm ab Antragstellung einen GdB von mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Der Senat hat Befundberichte von dem behandelnden Kinderarzt Dr. Q vom 09.07.2003 und von Dr. E, Ärztin im N-Hospital E, vom 08.08.2003 eingeholt. Dr. Q hat eine ausgeprägte Hypoglykämieneigung beschrieben.
Des Weiteren hat der Senat das Diabetikertagebuch des Klägers beigezogen. Nach Auswertung dieses Buches hat der Beklagte unter Beifügung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. C vom 22.01.2004 die Auffassung vertreten, dass ein höherer GdB als 40 nicht gerechtfertigt sei. Nach Dr. C besteht eine konstante Einstellung des Diabetes mellitus ohne rezidivierende Hypoglykämien. In einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 13.05.2004 hat sie darauf hingewiesen, dass die Verordnung einer Insulinpumpe nach den Kriterien der Anhaltspunkte keine höhere Bewertung über einen GdB von 40 hinaus zulasse. Ihrer Stellungnahme hat ein ärztliches Attest für die Kostenübernahme einer Insulinpumpe des St. N-Hospitals E vom 01.04.2004 zugrunde gelegen, das der Kläger zu den Akten gereicht hatte. Danach bestand eine Indikation zur Insulinpumpenbehandlung, weil der Kläger eine deutlich gehäufte Neigung zu Hypoglykämien habe. Erste Ergebnisse nach Beginn der Pumpentherapie hätten eine bessere Stoffwechseleinstellung, eine Kompensation des labilen Diabetes, eine Einstellung im normnahen Bereich und eine Senkung der Hypoglykämierate aufgewiesen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger ist durch die angefochtene Verwaltungsentscheidung nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme liegen keine Behinderungen vor, die die Feststellung eines GdB von 50 rechtfertigen. Die beim Kläger vorliegende Zuckerkrankheit ist mit einem GdB von 40 zutreffend bewertet.
Gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX wird auf Antrag eines behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und der Grad der Behinderung festgestellt. Gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen ist nach § 69 Abs. 3 SGB IX der Gesamt-GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Dabei ist der GdB unter Heranziehung der vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AP 1996) festzustellen. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 09.04.1997, 9 RVs 4/95 m.w.N. sowie zuletzt Urteil vom 18.09.2003, B 9 SB 3/02 R) haben die AP 1996 normähnlichen Charakter und sind von den Sozialgerichten in der Regel wie untergesetzliche Normen anzuwenden.
Der beim Kläger im Funktionssystem "Stoffwechsel" bestehende Diabetes mellitus Typ I ist mit einem GdB von 40 richtig bewertet. Nach Nr. 26.15 Seite 119 AP 1996 wird ein Diabetes mellitus, der durch Diät und alleinige Insulinbehandlung gut einstellbar ist, mit einem GdB von 40 bewertet. Mit einem GdB von 50 ist eine Zuckererkrankung, die schwer einstellbar ist (häufig bei Kindern), auch gelegentliche, ausgeprägte Hypoglykämien, zu bewerten. Nach dem Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirats beim BMGS (Tagung vom 05.11.2003) gilt dies nur bei einem Diabetes mellitus Typ I.
Zur Überzeugung des Senats handelt es sich unter Berücksichtigung der beigezogenen ärztlichen Berichte, insbesondere des Diabetikertagebuches, um einen gut einstellbaren Diabetes mellitus Typ I. In dem Bericht des behandelnden Kinderarztes Dr. Q wird zwar von einer Neigung zu Hypoglykämien gesprochen. Eine deutlich gehäufte Neigung zu Hypoglykämien wird auch in dem Attest des St. N-Hospitals E vom 01.04.2004 erwähnt.
Zutreffend hat jedoch Dr. C in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Januar 2004 darauf hingewiesen, dass nach dem Diabetikertagebuch eine konstante Einstellung des Diabetes mellitus ohne rezidivierende Hypoglykämien besteht. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass eine Hypoglykämie bei Kindern und Erwachsenen erst bei einer Verminderung des Blutzuckers unter 2,8 mmol/l (50 mg/dl) vorliegt (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 258. Auflage 1997). Eine derartige Verminderung des Blutzuckers ist im Diabetikertagebuch des Klägers nicht festgehalten.
Auch das Tragen einer Insulinpumpe rechtfertigt keinen höheren GdB. Der Sachverständigenbeirat ist von seiner im Beschluss vom 06.11.1984 vertretenen Auffassung, dass bei Insulindosierpumpenträgern der GdB wie bei einem mit Insulin schwer einstellbaren Diabetiker zu beurteilen sei, abgerückt. In der Tagung vom 26.03.2003 wurde die Gültigkeit des Beschlusses vom 06.11.1984 verneint.
Ebensowenig rechtfertigt das jugendliche Alter des Klägers eine höhere Bewertung seiner Zuckerkrankheit. Soweit in den Anhaltspunkten ausgeführt wird, dass ein "Diabetes mellitus, schwer einstellbar (häufig bei Kindern)" mit einem GdB von 50 zu bewerten ist, wird deutlich, dass bei Kindern kein anderer Maßstab als bei einem Erwachsenen gelten soll. Der in den Anhaltspunkten insoweit festgelegte Maßstab entspricht den gesetzlichen Regelungen. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX in Verbindung mit § 30 Abs. 1 Satz 5 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit bei jugendlichen Beschädigten nach dem Grade zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt.
Die vom Senat vertretene Auffassung steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung anderer Landessozialgerichte und des Bundessozialgerichts. In seinem Urteil vom 27.04.1995 bestätigt das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (Breithaupt 1995, 950), dass kein höherer GdB deswegen festgestellt werden könne, weil der Behinderte ein Kleinkind sei. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 29.08.1990, 9a/9 RVs 7/89) fehlt es sogar an einer gesetzlichen Grundlage, soweit die Verwaltungspraxis in Übereinstimmung mit den Anhaltspunkten im Kindesalter Hilflosigkeit unter erleichterten Voraussetzungen zubillige. Erfordere ein unverändertes Krankheitsbild vermehrte Hilfeleistungen im Kindesalter, haben diese Mehrleistungen für den Nachteilsausgleich "H" keine Bedeutung. Nur die Hilfe, die auch ein ebenso kranker Erwachsener benötige, sei vom -kindlichen- Alter unabhängig.
Weitere Gesundheitsstörungen, die einen Einzel-GdB von mindestens 10 bedingen, liegen beim Kläger nicht vor. Ein höherer GdB als 40 ist nicht gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Erstellt am: 25.02.2005
Zuletzt verändert am: 25.02.2005