Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 29.06.2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Klägers werden auch im zweiten Rechtszug nicht erstattet. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung des Ereignisses am 14.03.1989 als Arbeitsunfall sowie die Gewährung einer Rente.
Der am 00.00.1951 geborene Kläger war in der Zeit vom 15.12.1976 bis 31.12.1991 als Hilfspfleger im St. W-Hospital in S angestellt. In der Zeit vom 14.03.1989 bis 31.12.1991 übte er die Beschäftigung nicht aus. Er war wegen "akuter Lumbago" im Zeitraum vom 14.03.1989 bis zum 11.09.1990 arbeitsunfähig. In der Zeit vom 04.12. bis 31.12.1990 nahm der Kläger an einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme teil. Im Rehabilitationsentlassungsbericht vom 15.01.1991 wurde u. a. eine chronisch rezidivierende Lumboischialgie links und rechts bei Instabilität L4/5 mit Bandscheibenvorfall und eine chronisch rezidivierende Cervicobrachialgie rechts bei Fehlhaltung diagnostiziert. Unter dem Punkt "Sozialanamnese" wurde ausgeführt, dass der Kläger angegeben habe, er leide seit ca. drei bis vier Jahren unter tiefsitzenden Kreuzschmerzen mit Ausstrahlung in das linke Bein und in die Lateralseite des linken Fußes. Die Schmerzen strahlten auch bis in das rechte Bein, jedoch insgesamt schwächer und dorsalseitig nur bis zum Knie, aus. Im Röntgenbild sei eine Instabilität L4/L5 und eine ausgeprägte Osteochondrose festgestellt worden.
Im Dezember 1994 erstattete die Barmer Ersatzkasse eine Anzeige nach § 1503 Reichsversicherungsordnung (RVO). Sie gab an, dass der Kläger seit dem 06.12.1993 an einer "Berufskrankheit vom 14.03.1989 Lumbago, Bandscheibenprolaps" wiedererkrankt sei. Daraufhin leitete die Beklagte ein Feststellungsverfahren hinsichtlich der Berufskrankheiten (BK) nach Nr. 2108 (BK 2108) und 2109 (BK 2109) der Berufskrankheitenverordnung (BKV) ein. Unter dem 08.04.1995 gab der Kläger an, dass er am 14.03.1989 erstmals Wirbelsäulenbeschwerden gehabt habe. Sie seien während des Nachtdienstes am 14.03.1989 aufgetreten. Ein 75 jähriger, ca. 80kg schwerer Patient habe beim Versuch aufzustehen, sein Bettgitter überstiegen. Dabei habe er sich mit einem Bein zwischen dem Bett und dem Gitter verhakt. Er habe den Patienten kopfüber bewusstlos über das Gitter hängend gefunden und ihn alleine in das Bett zurückgehoben. Dabei seien im Halswirbelsäulenbereich sofort Nackenschmerzen aufgetreten. Im Lendenwirbelsäulenbereich hätten sich ebenfalls starke Schmerzen bemerkbar gemacht. Die Beschwerden seien seitdem ständig mit unterschiedlicher Schmerzintensität je nach Bewegung und Belastung vorhanden. Nach dem Nachtdienst habe er aufgrund der Beschwerden sofort den Hausarzt aufgesucht. Die Beklagte zog Berichte der behandelnden Ärzte, einen Rehabilitationsentlassungsbericht aus Dezember 1990 sowie die im Auftrag der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) erstatteten Gutachten bei. Dr. S gab an, dass er den Kläger erstmals am 14.03.1989 wegen Schmerzen im Hals- und Lendenwirbelsäulenbereich mit Ausstrahlung in das linke Bein bis zur Großzehe behandelt habe. Der Kläger habe angegeben, dass beim Aufheben eines aus dem Bett gefallenen Patienten die Symptome erstmals aufgetreten seien. Der Orthopäde Dr. T gab im Bericht vom 19.06.1995 an, dass er den Kläger erstmals am 21.08.1989 behandelt habe, bei ihm eine Skoliose, eine Spondyloslisthesis LWK 5, eine Segmentlockerung L4/5, einen Bandscheibenprolaps L4/5, eine Patelladysplasie und ein Karpaltunnelsyndrom beidseits festgestellt habe. Der Kläger habe angegeben, dass er seit ca. zwei Jahren Rückenschmerzen in wechselnder Stärke mit Ausstrahlung in das linke Bein habe. Die Beklagte veranlasste eine gutachterliche Untersuchung des Klägers durch den Orthopäden Dr. G. Dieser kam im Gutachten vom 29.02.1996 zum Ergebnis, dass beim Kläger nicht mit Wahrscheinlichkeit eine bandscheibenbedingte Berufserkrankung der Lendenwirbelsäule im Sinne der BK Nr. 2108 vorliege. Durch Bescheid vom 22.05.1996 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK 2108 und einer BK 2109 ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies sie am 23.04.1999 zurück.
Im anschließenden Verfahren vor dem Sozialgericht (SG) Münster, S 13 U 108/99, begehrte der Kläger die Anerkennung einer BK 2108. Nach Einholung eines Gutachtens des Chirurgen Dr. C wies das SG Münster durch Gerichtsbescheid vom 20.12.2000 die Klage ab. Im anschließenden Berufungsverfahren, L 15 U 28/01, holte das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten des Chirurgen Dr. B und nach § 106 SGG ein Gutachten des Orthopäden Dr. T1 ein. Im Erörterungstermin vom 29.07.2002 nahm der Kläger die Klage zurück.
Im April 2001 leitete die Beklagte ein Feststellungsverfahren hinsichtlich der Anerkennung des Ereignisses vom 14.03.1989 als Arbeitsunfall ein. Der Kläger gab an, dass er bei einer Routinekontrolle einen 75jährigen, ca. 80kg schweren Patienten bewusstlos, über das Bettgitter hängend, mit einem Bein im Bettgitter verklemmt, vorgefunden habe. Es habe akute Lebensgefahr bestanden. Da er alleine im Nachtdienst gearbeitet habe, habe sofortiger Handlungsbedarf bestanden. Beim Zurückheben des Patienten in sein Bett seien plötzlich sofort starke Schmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich, die bis in das linke Bein und in den großen Zeh ausstrahlten, aufgetreten. Es seien hierfür keine unmittelbaren Zeugen vorhanden. Der Vorfall sei nur bei der Übergabe an den Frühdienst erörtert worden. Er habe den Patienten aus Kniehöhe auf die Höhe von ca. 125 cm anheben müssen. Dabei habe er eine gebückte Haltung eingenommen. Bei stark gebückter Haltung sei es beim Anheben des bewusstlosen Patienten zu einer gleichzeitigen Verdrehung des Oberkörpers gekommen. Beim Hebevorgang sei es zu einem plötzlichen und unerwarteten Ereignis gekommen, als der Patient aufgrund seines Gewichtes ihm zu entgleiten drohte. Er habe bei halber Hebung nochmal nachfassen müssen. Die Beklagte zog die Akten über die Anerkennung einer BK 2108 und/oder einer BK 2109 bei. Auf Anfrage der Beklagten teilte der praktische Arzt Dr. S unter dem 07.05.2001 mit, dass er nach seinen Aufzeichnungen im März 1989 den Kläger ambulant wegen des Verdachtes auf einen Bandscheibenvorfall L4/5 behandelt habe. Die ehemalige Arbeitgeberin teilte mit, dass bei ihr kein Arbeitsunfall des Klägers gemeldet sei.
Die Beklagte holte anschließend ein Gutachten des Ärztlichen Direktors der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Duisburg, Priv.-Doz. Dr. L, ein. Dieser führte im Gutachten vom 10.06.2003 aus, dass es sich bei dem Ereignis vom 14.03.1989 um keinen Unfall gehandelt habe. Denn der Ereignisablauf vom 14.03.1989 sei nicht geeignet gewesen, rechtlich wesentlich eine Bandscheibenschädigung im unteren Lendenwirbelsäulenbereich des Klägers herbeizuführen. Unter Berücksichtigung der Schilderung des Geschehens durch den Kläger habe es sich bei dem Ereignis vom 14.03.1989 um einen zielgerichteten willentlichen Hebevorgang gehandelt, nach dem der Kläger über das Auftreten von lumboischialgieformen Beschwerden geklagt habe. Röntgenologisch habe beim Kläger eine knöcherne Verletzung im Bereich der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule ausgeschlossen werden können. Medizinischerseits sei die Entstehung einer traumatischen Bandscheibenschädigung ohne gleichzeitige knöcherne Verletzung der angrenzenden Wirbel nicht zu begründen. Es sei bekannt, dass eher eine knöcherne Verletzung entstehe, als dass eine traumatische Bandscheibenschädigung eintrete. Röntgenologisch seien bei dem Kläger Verschleißveränderungen im Bereich der Wirbelsäule nachgewiesen, hauptbefundlich hätte zum Unfallzeitpunkt im Bereich der Lendenwirbelsäule eine Spondylolyse L5/S1 rechts bei Spondylarthrose L 4/5 und L 5/S1 beidseitig belegt werden können. Bei der Spondylolyse (Verankerungsstörung) komme es zu einer unvollständigen Verknöcherung der Wirbelgelenkproportion des betreffenden Wirbels. Es resultiere im betroffenen Segment eine verminderte Stabilität mit Vorwärtsverschiebung (Spondyloslisthesis), die beim Kläger röntgenologisch dokumentiert sei. Unstrittig sei, dass in einem betroffenen Segment aufgrund dieser Instabilität eine vorzeitige Bandscheibendegeneration resultiere. Beim Kläger seien exakt im betroffenen Segment Bandscheibenschädigungen nachgewiesen worden. Somit sei der ursächliche Zusammenhang zwischen den nachgewiesenen Bandscheibenveränderungen der Segmente L 4/5 und L 5/S1 und der beschriebenen Spondyloslisthesis medizinisch naheliegend. Als konkurrierende Faktoren sei weiterhin eine Torsionsskoliose der Wirbelsäule bekannt. Durch Bescheid vom 25.09.2003 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 14.03.1989 als Arbeitsunfall und die Gewährung einer Entschädigung ab.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte am 25.03.2004 zurück.
Mit der am 19.04.2004 erhobenen Klage hat der Kläger die Anerkennung des Ereignisses vom 14.03.1989 als Arbeitsunfall sowie die Gewährung einer Rente begehrt. Er hat die Auffassung vertreten, dass der Hebevorgang vom 14.03.1989 im Rahmen einer Notfallversorgung als Arbeitsunfall zu beurteilen sei. Es habe sich um eine ungewöhnliche, überraschende und auch unkoordinierte Kraftanstrengung gehandelt, die keineswegs als zielgerichtet in der konkreten Situation beurteilt werden könne. Bei der Prüfung der Kausalität sei zu berücksichtigen, dass er über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren in seiner beruflichen Tätigkeit schwerste Lasten in verdrehter Haltung habe heben müssen. Er habe sich möglicherweise oder gar wahrscheinlich einen degenerativen Schaden zugezogen, welcher zunächst klinisch stumm geblieben sei. Durch den Hebevorgang vom 14.03.1989 habe sich dieser wesentlich klinisch stumme Schaden akut bis zur völligen Erwerbsunfähigkeit verschlimmert. Der Hebevorgang sei somit für den Eintritt des Erfolgs wesentliche Tatsache, welche nicht hinweggedacht werden könne. Dadurch sei der Lendenwirbelsäulenschaden entstanden.
Durch Urteil vom 29.06.2005 hat das SG Münster die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das am 08.07.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 01.08.2005 Berufung eingelegt. Er verfolgt sein Begehren weiter. Die Tatsache, dass er vor dem 14.03.1989 wegen Wirbelsäulenbeschwerden nicht arbeitsunfähig und in der Lage gewesen sei, mehr als zehn Jahre die schwere körperliche Tätigkeit eines Krankenpflegers auszuüben, spreche dagegen, dass eine Schadensanlage für die Entstehung des Bandscheibenschadens in der Lendenwirbelsäule von überwiegender Bedeutung gewesen sei. Vielmehr werde durch diese Tatsache die überwiegende Bedeutung einer Schadensanlage widerlegt. Akute Krankheitsbilder, die in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit einer das betriebliche Maß überschreitenden schweren körperlichen Belastung aufträten, könnten als Arbeitsunfall anerkannt werden. Dies sei bei ihm der Fall. Es sei auch vom SG unberücksichtigt geblieben, dass er möglicherweise aufgrund seiner schweren beruflichen Tätigkeit einen degenerativen Schaden erlitten habe, welcher stumm geblieben sei. Dieser habe sich dann durch den Hebevorgang vom 14.03.1989 akut verschlimmert bis zur Erwerbsunfähigkeit.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 29.06.2005 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.09.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2004 zu verurteilen, das Ereignis vom 14.03.1989 als Arbeitsunfall anzuerkennen und ihm Verletztenrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Beim Kläger habe am 14.03.1989 eine erheblich vorgeschädigte Wirbelsäule bestanden, so dass die am 14.03.1989 ausgeführten pflegerischen Tätigkeiten nicht ursächlich im Sinne eines Unfallgeschehens für die weiteren Veränderungen seien.
Der Senat hat die Schwerbehindertenakte des Versorgungsamtes Münster, die Akten der Beklagten hinsichtlich der Anerkennung einer BK 2108 und BK 2109, die Akten des SG Münster, S 16 (4) An 99/97 und S 13 U 108/99, die Behandlungsunterlagen von Dr. S sowie radiologischen Aufnahmen aus dem Jahre 1989 bis 2003 beigezogen.
Anschließend hat der Senat den Orthopäden Dr. W mit der Erstattung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragt. Durch Beschluss vom 24.05.2006 hat der Senat den Antrag des Klägers, den Sachverständigen Dr. W wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, zurückgewiesen. Im Gutachten vom 24.06.2006 ist Dr. W zum Ergebnis gelangt, dass sich keine Gesundheitsstörungen feststellen lassen, die mit ausreichender Sicherheit ursächlich auf das in Frage stehende Ereignis zurückzuführen seien. Bei Abwägen der Pro- und Kontrakriterien lasse es sich nicht wahrscheinlich machen, dass das in Frage stehende Ereignis zumindest wesentlich teilursächlich für die später festgestellten Gesundheitsstörungen gewesen sei. Wahrscheinlich sei vielmehr, dass das Ereignis zur (erstmaligen oder erneuten) Manifestation eines vorbestehenden und möglicherweise bis dahin klinisch stummen Bandscheibenleidens geführt habe. Das Ereignis habe insofern die Symptomatik ausgelöst, sei hierfür aber nicht wesentlich teilursächlich gewesen. Es lasse sich durch gesicherte Befundtatsachen nicht nachweisen, dass es sich bei dem in Frage stehenden Ereignis zu einer Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse an der unteren Lendenwirbelsäule des Klägers, etwa im Sinne eines akut aufgetretenen Bandscheibenvorfalls, gekommen sei. Die geklagten Beschwerden und dokumentierten Befunde seien vereinbar mit der Annahme, dass am 14.03.1989 beim Kläger eine akute Lumboischialgie aufgetreten sei. Ein solches Krankheitsbild lasse aber keine gesicherten Rückschlüsse auf die Bedeutung des Ereignisses für dessen Verursachung zu. Eine akut aufgetretene neurologische Symptomatik, die ein Hinweis für einen frischen Bandscheibenvorfall wäre, sei nicht gesichert. Für den Unfallzusammenhang spreche, dass der Kläger angebe, vor dem in Frage stehendem Ereignis beschwerdefrei gewesen zu sein und das Vorerkrankungsregister insofern leer sei. Dies lasse allerdings keine gesicherten Ruckschlüsse auf die Bedeutung des Ereignisses und den Zeitpunkt der Entstehung der Bandscheibenschäden zu. Gegen den Zusammenhang spreche, dass es bei dem in Frage stehenden Ereignis nicht begründbar zu einer unkontrollierten unphysiologischen Belastung der unteren Lendenwirbelsäule gekommen sei, die allgemein als geeignet angesehen werden könne, einen traumatischen Bandscheibenvorfall zu verursachen. Auch seien keine strukturellen Begleitverletzungen der die Bandscheibe sichernden Strukturen festgestellt worden. Zum Unfallzeitpunkt hätten degenerative Veränderungen der unteren Lendenwirbelsäule in Form einer Zwischenwirbelraumhöhenminderung L 4/5, eine Verschiebung der Wirbelkörper L 4/5 und L 5/S1 gegeneinander sowie spondylarthrotischer Veränderungen der Wirbelgelenke vorgelegen, die zu ihrer Entstehung lange Zeit benötigten. Das Ereignis sei im Hinblick auf die Manifestation eines Bandscheibenleidens austauschbar mit Ereignissen des täglichen Lebens ohne Unfallcharakter.
Der Senat hat Auszüge aus Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufsgruppe, Krankheit, 8. Auflage (S. 529 bis 534) beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der beigezogenen Schwerbehindertenakte des Versorgungsamtes Münster und der Akten des SG Münster, S 16 (4) An 99/97 und S 13 U 108/99, Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Der Kläger ist nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, das Ereignis vom 14.03.1989 als Arbeitsunfall anzuerkennen und dem Kläger Rente zu gewähren. Denn es handelte sich bei dem Ereignis am 14.03.1989 nicht um einen Arbeitsunfall i. S. v. § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII), früher § 548 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO). In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) lässt der Senat offen, ob der Rentenanspruch des Klägers noch nach dem Recht der Reichsversicherungsordnung (RVO) oder bereits nach den Vorschriften des am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen SGB VII zu beurteilen ist (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 27.06.2006 – B 2 U 9/05 R -). Nach der Übergangsregelung des § 214 Abs. 3 SGB VII gelten – abweichend von der Grundregel des § 212 SGB VII – die Vorschriften über Renten, Beihilfen, Abfindungen und Mehrleistungen auch für Versicherungsfälle vor dem In-Kraft-Treten des Gesetzes, wenn diese Leistungen nach dem In-Kraft-Treten erstmals festzusetzen sind. Wie die zuletzt genannte Wendung zu verstehen ist, ob damit der Zeitpunkt gemeint ist, in dem die materiellen Voraussetzungen für den Leistungsbezug erfüllt sind, oder aber der Zeitpunkt, in dem erstmals durch Verwaltungsakt über die Leistung entscheiden wird, ist umstritten und durch die Rechtsprechung bisher nicht geklärt (siehe dazu das Urteil vom 20. Februar 2001 – B 2 U 1/00 R – HVBG – Info 2001, 839, wo die Frage ebenfalls offen gelassen wurde). Obwohl im vorliegenden Fall von der Beantwortung der Streitfrage abhängt, welches Recht anzuwenden ist, sieht der Senat auch weiterhin von einer Klärung ab, weil die für den Anspruch des Klägers maßgeblichen Vorschriften des alten und des neuen Rechts in den streitigen Punkten inhaltlich übereinstimmen.
Ein Arbeitsunfall ist der Unfall eines Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit) (§ 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII). Ein Unfall ist ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod geführt hat ( § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist nach § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zum Unfallereignis geführt und letzteres einen Gesundheitsschaden (haftungsbegründende Kausalität) verursacht hat (BSG, Urteil vom 12.04.2005, – B 2 U 11/04 R -).
Ausgehend von den Angaben des Klägers über den Geschehensablauf am 14.03.1989, die der Senat als wahr unterstellt, übte der Kläger beim Anheben des Patienten eine versicherte Tätigkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 SGB VII, früher § 539, aus. Jedoch ist die haftungsbegründende Kausalität zwischen dem Anheben des Patienten am 14.03.1989 – als zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper des Klägers einwirkendes Ereignis i. S. d. § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII – und dem am gleichen Tag beim Kläger aufgetretenen Lendenwirbelsäulenbeschwerden nicht gegeben.
Gesundheits- oder Körperschäden sind Folgen eines zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, wenn sie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf das Ereignis zurückzuführen sind. Die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs zwischen einem Körper- und Gesundheitsschaden und einem Ereignis ist gegeben, wenn bei vernünftigem Abwägen aller Umstände die auf dem Unfall beruhenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann und wenn die gegen den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Faktoren außer Betracht bleiben können, d. h. nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden. Entscheidend ist, ob der Gesundheitsschaden rechtlich wesentlich allein auf der (nicht versicherten) ruhenden Krankheitsanlage oder rechtlich wesentlich auch auf dem Unfallereignis beruht. Die Tatsachen, auf die sich die Abwägung stützt, müssen voll bewiesen sein.
Nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme ist nicht hinreichend wahrscheinlich, dass das Anheben eines Patienten am 14.03.1989 nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung für die ab dem 14.03.1989 beim Kläger aufgetretenen Lendenwirbelsäulenbeschwerden im Sinne der Entstehung oder Verschlimmerung ursächlich ist. Im Sozialrecht werden nur solche Ursachen als rechtserheblich angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Entritt wesentlich mitgewirkt haben. "Wesentlich" ist nicht damit ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annährend gleichwertig". Auch eine nicht annährend gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben.
Das SG hat zutreffend einen Ursachenzusammenhang im Sinne der Entstehung zwischen dem Ereignis vom 14.03.1989 – Anheben des Patienten – und den Lendenwirbelsäulenbeschwerden verneint. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die Entscheidungsgründe und sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Die im Berufungsverfahren durchgeführte Beweisaufnahme bestätigt die Feststellungen des SG. Der Sachverständige Dr. W hat nachvollziehbar und überzeugend begründet dargelegt, dass die vom SG zur Beurteilung des Kausalzusammenhangs herangezogenen Beurteilungskriterien nach LOB zum Zusammenhang zwischen einem Unfall und einer Bandscheibenverletzung dem herrschenden wissenschaftlichen Erkenntnisstand mit Modifikationen entsprechen. Die Annahme eines Ursachenzusammenhangs zwischen einer zeitlich begrenzten körperlichen Belastung und einer Bandscheibenverletzung im Sinne der Entstehung erfordert nach herrschendem wissenschaftlichen Erkenntnisstand den Nachweis von (strukturellen) Begleitverletzungen – wie z. B. knöcherne Verletzungen, Kapselbandverletzungen des Bewegungssegments, Bone bruise der Deck- und Grundplatten -. Solche Verletzungen sind nach den übereinstimmenden Feststellungen von Dr. W und Priv.-Doz. Dr. L, dessen für die Beklagte erstattetes Gutachten im Wege des Urkundenbeweises verwertet wird, beim Kläger nicht objektivierbar. Auch die den Kläger behandelnden Ärzte beschreiben solche Verletzungen nicht.
Nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme ist auch nicht hinreichend wahrscheinlich, dass das Ereignis vom 14.03.1989 – Anheben des Patienten – im Sinne der (einmaligen oder richtunggebenden) Verschlimmerung ursächlich für die Lendenwirbelsäulenbeschwerden ist. Zwar trat in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang nach dem Ereignis vom 14.03.1989 beim Kläger eine akute Lumbagosymptomatik auf, wobei nicht auszuschließen, aber auch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwiesen ist, dass das Ereignis zu einer Verlagerung des bereits vorbestehenden zerrütteten Bandscheibengewebes in den Segmenten der unteren Lendenwirbelsäule in die Nähe einer Nervenwurzel führte. Dies allein genügt aber nicht für die Annahme einer haftungsbegründenden Kausalität. Vielmehr ist das Ereignis in Hinblick auf das Auftreten einer akuten Lumboischialgiesymptomatik austauschbar mit Ereignissen des täglichen Lebens ohne Unfallcharakter. Insoweit stützt sich der Senat auf die Feststellungen des Sachverständige Dr. W, der nach Auswertung der radiologischen Aufnahmen aus März 1989 zum Ergebnis gelangt ist, dass beim Kläger zum Zeitpunkt des Ereignisses vom 14.03.1989 eine schon längere Zeit zuvor entstandene Zerrüttung des Bandscheibengewebes in den beiden unteren Segmenten der Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenvorwölbungen und knöchernen Reaktionen der Wirbelgelenke bestand. Bei degenerativen bandscheibenbedingten Veränderungen bedarf es keiner äußeren Gewalteinwirkung, um aus einer klinisch stummen oder beschwerdearmen Symptomatik eine heftige klinische Symptomatik zu verursachen. Dabei ist weiterhin zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Anheben des Patienten am 14.03.1989, ausgehend von den Angaben des Klägers, um keinen Vorgang mit unphysiologischer Belastung der Lendenwirbelsäule, sondern um einen willentlich gesteuerten Hebeakt – auch wenn eine erhebliche Kraftanstrengung erforderlich war – handelte. Die Einwirkung einer von außen zusätzlich unkontrolliert einwirkenden und die physiologischen Schutzmechanismen der Wirbelsäule außer Kraft setzenden Komponente ist nicht erkennbar.
Der Senat sieht keinen Anlass, an der Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen Dr. W zu zweifeln. Das Gutachten ist in sich widerspruchsfrei, nachvollziehbar und schlüssig begründet. Es beruht auf einer kritischen Auswertung des Akteninhalts unter Berücksichtigung des aktuellen medizinischen Erkenntnisstandes. Die Feststellungen von Dr. W, der aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit als gerichtlicher Sachverständiger bei der Beurteilung von Unfallschäden am Halte- und Bewegungsapparates über die erforderliche Sachkunde zur Beurteilung von traumatischen Bandscheibenvorfällen bzw. von traumatisch verursachten Lendenwirbelsäulenbeschwerden verfügt, stimmen im wesentlichen mit den Ausführungen des von der Beklagten gehörten Chirurgen Priv.-Doz. Dr. L überein. Priv.-Doz. Dr. L hat ebenfalls das Vorliegen von strukturellen Begleitverletzungen als Hinweis auf eine traumatische Bandscheibenschädigung verneint und das Vorliegen von erheblichen Verschleißveränderungen in der Lendenwirbelsäule beschrieben, aufgrund derer akute Erscheinungen beim Kläger durch jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit hätten ausgelöst werden können. Dr. W und Priv.-Doz. Dr. L haben übereinstimmend festgestellt, dass zum Unfallzeitpunkt beim Kläger radiologisch das Bestehen einer Spondyloslisthesis im Segment L 5/S1 nachweisbar ist, die nach herrschenden medizinischen Erkenntnisstand geeignet ist, in den betroffenen Segment eine Bandscheibenschädigung hervorzurufen.
Da das Ereignis vom 14.03.1989 kein Arbeitsunfall ist, ist ein Anspruch auf Rente nach § 56 Abs. 1 SGB VII (früher § 581 Abs. 1 RVO), nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Erstellt am: 06.03.2008
Zuletzt verändert am: 06.03.2008