Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 24. März 1997 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die 1961 geborene Klägerin begehrt Entschädigung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz – OEG).
Sie beantragte im November 1991 bei dem Beklagten Beschädigten-Versorgung nach dem OEG und gab an, von W. H. (H) am 26.06.1991 in ihrem Schlafzimmer durch zwei Messerstiche verletzt worden zu sein. Sie leide infolgedessen an Atemnot, Angstzuständen und Schlaflosigkeit.
Der Beklagte zog u.a. ärztliche Behandlungsunterlagen und Ermittlungs- und Strafakten bei. Daraus – und aus den im an schließenden gerichtlichen Verfahren beigezogenen Ermittlungsakten (Staatsanwaltschaft Wuppertal, 26 Js 610/91, 32 Js 648/91 sowie 26 Js 120/92, Staatsanwaltschaft Köln, 90 Js 143/91) – ergibt sich:
Während ihrer Tätigkeit als Schließerin in der Justizvollzugsanstalt (JVA) R. verliebte sich die Klägerin in den etwa sieben Jahre jüngeren H, der bereits mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten war und in der JVA eine Strafhaft verbüßte. Nachdem H in Erfahrung gebracht hatte, daß die Klägerin im Falle des Todes ihres Ehemannes eine hohe Abfindung und eine Lebensversicherung erhalten würde, versuchte er, die Klägerin zur Tötung ihres Ehemannes durch Manipulation an dessen Fahrzeug zu bewegen. Aus Angst, H zu verlieren, erklärte die Klägerin sich schließlich bereit, die Tat durch Ablassen der Bremsflüssigkeit des Fahrzeugs durchzuführen. Da sie einerseits jedoch ihren Mann nicht töten wollte, anderseits sich aber dem Drängen des H nicht widersetzen konnte, ließ sie nur eine so geringe Menge der Bremsflüssigkeit ab, daß ihr Ehemann nicht zu Schaden kam. H versuchte anschließend, die Klägerin zu einer Tötung ihres Ehemanns durch eine Spritzeninjektion zu überreden. Diesem Bestreben widersetzte sich die Klägerin; ihre Beziehung zu H setzte sie allerdings fort. Nach Aufgabe ihrer Tätigkeit als Justizbedienstete wurde die Klägerin als Bürokauffrau in der Privatwirtschaft tätig. Sie trennte sich von ihrem Ehemann und setzte sich für die vorzeitige Haftentlassung des H ein. Dieser zog im November 1990 zu der Klägerin, die zwischenzeitlich im Haus ihrer Eltern O (Stiefvater und Mutter) wohnte, und ließ sich von dieser unterhalten. Im Dezember ließ H das Fahrzeug der Klägerin ohne deren Wissen ausschlachten und behielt den Erlös für sich. Wenige Tage später veranlaßte er die Klägerin mit dem Vorbringen, er werde erpreßt, zur Zahlung von 500 DM. Während der gleichen Zeit hob er mit ihrer Scheckkarte über 8.000 DM von ihrem Konto ab, so daß dieses keine Deckung mehr aufwies. Im Januar 1991 beschädigte H, der keinen Führerschein hatte, bei einer Fahrt den Wagen des Stiefvaters der Klägerin, den er sich ohne dessen Wissen genommen hatte, total. Seine Adoptivmutter deckte ihn, in dem sie angab, das Fahrzeug geführt zu haben. Dazu waren auch die zuvor befragte Klägerin und ihr Stiefvater O bereit gewesen, nicht aber ihre Mutter. Aus Rachegedanken gegenüber der Mutter der Klägerin und in dem Wissen, daß das Haus der Familie O mit 750.000 DM versichert war, daß Frau O eine Lebensversicherung über 50.000 DM abgeschlossen hatte und daß die Klägerin Alleinerbin war, beschloß H, deren Haus anzuzünden, so daß die Eheleute O getötet würden und das Haus zerstört würde. Die Klägerin, der er seinen Plan darlegte, versuchte, ihn davon abzubringen. Im Februar 1991 belastete Frau O H bei einer polizeilichen Vernehmung wegen des Autounfalls. Es kam deshalb am 01.02.1991 zu einer Auseinandersetzung zwischen H und Frau O , in deren Folge H zusammen mit der Klägerin das Haus verließ. Später sonderte sich H ab, nahm nicht unbeträchtliche Mengen Alkohol zu sich und setzte am frühen Morgen des 02.02.1991 das Haus der Eheleute O in Brand. Danach begab er sich zu der bei Bekannten weilenden Klägerin und berichtete ihr über seine Tat. Am nächsten Tag gab die Klägerin gegenüber der Polizei an, H, auf den der erste Tatverdacht gefallen war, sei zur Tatzeit bei ihr gewesen. Der Brandschaden betrug etwa 100.000 DM; die sechs im Haus wohnenden Personen kamen nicht zu Schaden. Die Klägerin liebte den Kläger weiter und lebte noch einige Wochen mit ihm zusammen. Dann zog H zu seiner Mutter und wandte sich B H. zu. Die Klägerin, die zwischenzeitlich eine eigene Wohnung gemietet hatte, traf er nur noch sporadisch. Während dieser Zeit suchte die Klägerin nach einer neuen Bekanntschaft und gab mehrere Kontaktanzeigen auf.
Am 25.06.1991 kam H unangemeldet in die Wohnung der Klägerin, in der sich auch B H. aufhielt. Seinen Vorschlag, "zu dritt ins Bett zu gehen", lehnten die Klägerin und B H. ab, worauf H einerseits und B H. und die Klägerin andererseits in der Wohnung getrennt übernachteten. B H. verließ die Wohnung am Vormittag des nächsten Tages. Gegen 14.50 Uhr erklärte H, der mit seinem etwa 12 cm langen Butterflymesser spielte, der Klägerin, sein Großvater habe ihm gesagt, in lebendes Fleisch zu stechen sei anders, als ein Schnitzel zu schneiden. Danach stach er mit dem Messer leicht durch den Pullover der Klägerin. Diese erklärte ihm daraufhin, im Wohnzimmer könne er dies ohnehin nicht machen, weil die Leute durch das Fenster sehen könnten. Sie ging ins Schlafzimmer, dunkelte dieses ab und setzte sich auf die Bettkante. Nachdem sie gesagt hatte "Wenn´s schon sein muß, dann gib mir wenigstens einen Kuß dabei", stach H, der ihr ins Schlafzimmer gefolgt war, ihr mit dem Messer in die linke Brust und anschließend in die linke obere Hälfte des Rückens. Danach hielt er der schreienden Klägerin den Mund zu, reichte ihr dann aber das Telefon und verließ die Wohnung. Bei ihrer ersten Vernehmung im Krankenhaus gab die Klägerin wahrheitswidrig eine unzutreffende Täterbeschreibung; der Täter sei ihr vollkommen unbekannt. Am nächsten Tag schilderte sie jedoch gegenüber der Kriminalpolizei den gesamten Sachverhalt. Dies führte letztlich zu der Verurteilung des H durch das Landgericht Wuppertal zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Jahren wegen versuchten Mordes in sechs tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit besonders schwerer Brandstiftung sowie der versuchten Anstiftung zum Mord (Urteil vom 23.12.1992, 25 Ks 26 Js 610/91 – 16/92 V -). Zudem wurde Anklage gegen H wegen gefährlicher Körperverletzung der Klägerin er hoben; das Verfahren wurde jedoch im Hinblick auf das Verfahren wegen versuchten Mordes in sechs Fällen nach § 154 Abs. 2 der Strafprozeßordnung (StPO) eingestellt (43 Ls 90 Js 143/91 – 98/91). In den Strafverfahren (25 Ks 26 Js 120/92) wurde die Klägerin von der Nervenärztin Dr. J untersucht. Diese kam in ihrem Gutachten vom 10.06.1992 zu dem Schluß, daß die Klägerin sich H unterworfen und durch Treue, Hilfsbereitschaft, Verzeihen und Großzügigkeit versucht habe, seine Liebe zu gewinnen bzw. zu erhalten. Die aus psychiatrischer Sicht bestehenden Auffälligkeiten hätten die Fähigkeit der Klägerin, das Unrecht ihres Tuns einzusehen, nicht gemindert. Die Klägerin wurde wegen versuchten Mordes und Strafvereitelung angeklagt; verurteilt wurde sie wegen vollendeter Strafvereitelung zu 150 Tagessätzen von je 30 DM (Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 10.12.1992, 25 Ks 26 Js 120/92 bzw. 610/91 -16/92V).
Nach Auswertung der Ermittlungsakten lehnte der Beklagte den Versorgungsantrag der Klägerin mit Bescheid vom 23.06.1992 und Widerspruchsbescheid vom 10.11.1994 als unbegründet ab. Die Klägerin sei nicht Opfer eines tätlichen feindseligen Angriffs geworden. Es habe sich vielmehr um eine einvernehmliche Körperverletzung gehandelt, bei der es durch Unvorsichtigkeit, Ungeschicklichkeit oder die besondere Situation zu den schweren Verletzungen gekommen sei. Zudem habe sie selber für die Tat eine wenigstens gleichwertige Ursache gesetzt. Im übrigen sei es auch unbillig, ihr Entschädigung zu gewähren; denn sie sei kein unschuldiges Gewaltopfer, bei dem die staatlichen Schutzvorkehrungen versagt hätten. Ferner habe sie den Täter durch falsche Angaben bei der Polizei zu schützen versucht.
Die Klägerin hat am 12.12.1994 Klage erhoben und beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 23.06.1992 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.11.1994 bei ihr eine restriktive Ventilationsstörung, verbunden mit einer posttraumatischen Neurose, als Schädigungsfolge anzuerkennen und Beschädigtenrente nach dem OEG nach einer MdE von 40 ab 26.06.1991 zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht (SG) Köln hat H als Zeugen vernommen; dieser hat u.a. ausgesagt, daß die Klägerin nicht mit den Verletzungen einverstanden gewesen sei, sie habe keinen Anlaß für die Verletzungen gegeben.
Ferner hat das SG Beweis erhoben durch Einholung von Sachverständigengutachten. Der Chefarzt der Lungenklinik K., Prof. Dr. Z , hat in seinem Gutachten vom 07.02.1996 eine mittelschwere restriktive Ventilationsstörung beschrieben. Diese sei aber nur zum geringen Teil auf das Ereignis vom 26.06.1991 zurückzuführen; vergleichbare Veränderungen bestünden nämlich bei Übergewicht, das auch bei der Klägerin vorliege. Die schädigungsbedingte MdE betrage 10%. Der Neurologe und Psychiater Dr. S , Universität zu K , hat in seinem Gutach ten vom 22.09.1996 als Schädigungsfolge eine posttraumatische Neurose mit einer MdE von 40 v.H. angegeben.
Das SG hat den Beklagten mit Urteil vom 24.03.1997 verurteilt, bei der Klägerin eine mittelschwere restriktive Ventilationsstörung im Sinne einer Verschlimmerung als Schädigungsfolge nach dem OEG anzuerkennen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei Opfer einer Gewalttat; es sei nicht dar auf zu schließen, daß die Klägerin mit der Tat einverstanden gewesen wäre. Die MdE wegen der Folgen der Lungenverletzung betrage 10 v.H. Weitere Schädigungsfolgen seien nicht festzustellen. Schon aus den Vorgutachten ergebe sich, daß die Klägerin willkürliche Verfälschungstendenzen gezeigt und nur sehr eingeschränkt mitgearbeitet habe.
Gegen dieses am 29.04.1997 zugestellte Urteil richten sich die Berufungen beider Beteiligten (Berufungen vom 22.05.1997 bzw. 28.05.1997).
Die Klägerin bezieht sich im wesentlichen auf das Gutachten des Dr. S.
Sie beantragt,
das Urteil des SG Köln vom 24.03.1997 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 23.06.1992 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.11.1994 bei ihr
– eine restriktive Ventilationsstörung im Sinne der Entstehung,
– sowie eine posttraumatische Neurose
als Schädigungsfolgen anzuerkennen und ihr Versorgung nach einer Minderung der Erwerbsfähig keit um 40 v.H. ab 26.06.1991 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Köln vom 24.03.1997 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen, sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt ergänzend,
die Berufung des Beklagten abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, die Klägerin sei nicht Opfer einer Gewalttat i.S.d. OEG; denn es habe kein Verletzungsvorsatz bestanden. Vielmehr habe eine einverständliche Tätigkeit im Rahmen eines geschlechtlichen Beisammenseins vorgelegen; eine feindliche Willensrichtung bestehe auch dann nicht, wenn eine derartige Verhaltensweise außer Kontrolle gerate. Zudem habe die Klägerin durch ihre Verhaltensweise wesentlich zu der Tat beigetragen; im übrigen sei es auch unbillig, ihr Entschädigung zu gewähren. Die Klägerin habe um die Unberechenbarkeit, Gefährlichkeit und Hemmungslosigkeit des Täters gewußt und sich bei seinem abwegigen Ansinnen in eine nicht kalkulierbare Gefahr begeben. Des weiteren habe sie den Täter geschützt und da mit nicht alles ihr Mögliche zur Aufklärung der Tat beigetragen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, die o.a. Ermittlungs- und Strafakten, die Akten des Landgerichts Köln (21 O 26/94) und die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet; die Berufung der Klägerin ist hingegen unbegründet.
Die Klägerin ist durch die Bescheide des Beklagten vom 23.06.1992 und 10.11.1994 nicht beschwert, denn sie hat keinen Anspruch auf Beschädigten-Versorgung nach dem OEG. Sie ist zwar Opfer einer Gewalttat i.S.d. § 1 Abs. 1 OEG; Leistungen sind ihr aber deshalb zu versagen, weil ihr die Schädigung selber zugerechnet werden muß (§ 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 OEG).
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG erhält derjenige, der infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, auf seinen Antrag wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes.
Die Körperverletzung der Klägerin am 26.06.1991 beruht auf einem vorsätzlichem, rechtswidrigen tätlichen Angriff des H. Entgegen der Auffassung des Beklagten wurde der Angriff auf die Gesundheit der Klägerin in feindseliger Absicht geführt; die Klägerin hat in diesen Angriff insbesondere nicht eingewilligt. H hat wissentlich und willentlich auf die Klägerin eingestochen. Auch aus seiner Aussage vor dem SG, es sei irgendwie über ihn gekommen, ergibt sich kein Anhaltspunkt für eine Einschränkung oder gar einen Ausschluß seiner Steuerungsfähigkeit oder einen fehlenden Verletzungsvorsatz. Der Senat geht mit dem SG aufgrund der glaubhaften Angaben der Klägerin gegenüber der Nervenärztin Dr. J zwar auch davon aus, daß die Klägerin damit einverstanden war, mit H den Beischlaf auszuüben und dabei auch mit dem Messer verletzt zu werden. Ihre Einwilligung erstreckte sich aber – auch für H erkennbar – nicht auf die dann tatsächlich ausgeführten und ihr Leben gefährdenden Messerstiche in Brust und Rücken. Von einer solch weitgehenden, an vollständige Selbstaufgabe grenzenden, dann aber rechtlich unbeachtlichen Einwilligung könnte allenfalls bei – nicht vor liegendem – gänzlichen Verlust des Lebenserhaltungswillens oder – ebenfalls nicht bestehender – absoluter Hörigkeit der Kläger in ausgegangen werden.
Der Klägerin stehen gleichwohl keine Versorgungsleistungen zu.
Nach § 2 Abs. 1 OEG sind Leistungen zu versagen, wenn der Geschädigte die Schädigung verursacht hat oder wenn es aus sonstigen, insbesondere in seinem eigenen Verhalten liegenden Gründen unbillig wäre, Entschädigung zu gewähren. Zudem können nach § 2 Abs. 3 OEG Leistungen versagt werden, wenn der Geschädigte es unterlassen hat, das ihm Mögliche zur Aufklärung des Sachverhalts beizutragen.
Unter Berücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens steht fest, daß die Klägerin die Schädigung verursacht hat. Verursachung i.S.d. § 2 Abs. 1 Alt. 1 OEG bedeutet nach der auch im Opferentschädigungsrecht anwendbaren versorgungsrechtlichen Kausalitätstheorie nicht nur einen nicht hinwegzudenkenden Tatbeitrag, sondern ein Verhalten, das neben dem Beitrag des rechtswidrig handelnden Angreifers für den Eintritt des Erfolges wesentlich, d.h. eine annähernd gleichwertige Bedin gung ist (Bundessozialgericht (BSGE) 49, 104, 105 f; BSGE 50, 95,96; BSGE 52, 281, 283,284). In den Fällen einer schweren Körperverletzung (z.T. mit Todesfolge) hat das BSG dementsprechend Entschädigungsansprüche verneint, wenn der Getötete bzw. Verletzte einer ständigen Gefahr zum Opfer gefallen ist, aus der er sich bei einem Mindestmaß an Selbstverantwortung selbst hätte befreien können (BSGE 57, 168) oder wenn er sich bewußt der Gefahr einer Schädigung ausgesetzt hat (BSGE 77, 18). Bei einer einfachen Körperverletzung wurde bereits in einer voraus gegangen Beleidigung ein Leistungsauschließungsgrund gesehen, wenn der Verletzte mit der Körperverletzung nach alltäglicher Erfahrung hätte rechnen müssen (BSG SozR 3800 § 2 Nr. 4).
Die entsprechende Anwendung dieser Rechtsgedanken rechtfertigt die Entscheidung des Beklagten, der Klägerin Leistungen zu versagen.
Die Klägerin hat sich sogar nicht nur bewußt bzw. zumindest grob fahrlässig in die Gefahr der gesundheitlichen Schädigung durch H begeben. Vielmehr hat sie zu einem überwiegenden Teil den Geschehensablauf beherrscht und das Verhalten des H aktiv in erheblichem Maß gefördert. Sie hat damit wesentlich zum Erfolgseintritt beigetragen. Dies ergibt sich im wesentlichen aus folgenden Umständen:
Der Klägerin, bei der nach dem Gutachten der Dr. J keine Einschränkung der Einsichtsfähigkeit bestand, war bereits aufgrund ihrer Tätigkeit als Justizbedienstete die kriminelle Veranlagung des H bekannt.
Sie hat in der Zeit ihres Zusammenlebens mit H zudem das ständige Anwachsen seiner Gewaltbereitschaft bis hin zum Versuch der Tötung von Menschen unmittelbar miterlebt.
Trotz dieser Kenntnis hat sie H nicht nur weiter bei sich auf genommen und finanziell unterstützt, sondern sogar versucht, seine Taten zu decken.
Selbst nachdem H sich von ihr getrennt und B H. zugewandt hatte, hat die Klägerin ihn am 25.06.1991 wieder bei sich auf genommen und in ihrer Wohnung nächtigen lassen, statt ihn unverzüglich aus der Wohnung zu weisen.
Am Tattag hat die Klägerin dann nicht nur Zärtlichkeiten des H, sondern auch zugelassen, daß dieser sie mit dem ersten Messerstich zumindest so an der Brust verletzte, daß Blut austrat. Die Klägerin hat diese Handlungen nicht unverzüglich unterbunden, obwohl ihr das ohne weiteres möglich war. Sie hatte H nämlich bereits am Vortag das Messer, als er mit diesem hantierte, abgenommen und in eine Schublade gelegt.
Vielmehr hat sie H, obwohl dieser seine Neigungen und Wünsche nicht nur durch den ersten Messerstich, sondern auch durch seine Worte über ein "Schneiden in lebendes Fleisch" unmißverständlich kundgetan hatte, aktiv zu einer Fortsetzung seines Tuns veranlaßt. Sie hat ihn in ihr Schlafzimmer geführt, dieses verdunkelt und H dann auch noch aufgefordert "Wenns schon sein muß, dann gib mir wenigstens einen Kuß dabei."
Dieses Verhalten der Klägerin ist unter Abwägung aller Umstände dem des H zumindest annähernd gleichwertig mit dessen Tatbeitrag.
Auf Fragen einer Unbilligkeit der Entschädigung aus sonstigen Gründen kommt es angesichts dieser Feststellungen nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz.
Anlaß, die Revision zuzulassen, bestand nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 19.08.2003
Zuletzt verändert am: 19.08.2003