G e r i c h t s b e s c h e i d :
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I. Die Klage gegen den Bescheid vom 14.08.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.09.2019 wird abgewiesen.
\nII. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
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T a t b e s t a n d :
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\nStreitig ist die Gewährung einer Versorgungsrente nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
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Mit einem beim Beklagten am 20.12.2017 eingegangenen Antrag beantragte die 1967 geborene Klägerin, die den Beruf einer Altenpflegerin erlernt hat und von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer aufgrund eines mit Beginn einer Arbeitsunfähigkeit am 31.05.2015 eingetretenen Leistungsfalls seit dem 01.01.2017 bezieht, Entschädigungsleistungen als Opfer von sexuellem Missbrauch nach dem OEG. Sie gab an, durch den am 1904 geborenen und am 1990 verstorbenen Pfarrer H. im Zeitraum von 1972 bis 1977 in der Sakristei bzw. im Pfarrhaus der katholischen Kirche St. M. in L-Stadt missbraucht worden zu sein. Dies habe zu körperlichen und seelischen Gesundheitsstörungen wie chronischem Übergewicht, innerer Immigration und verzerrtem Selbstbild geführt. Hierdurch könne sie sich gegenüber anderen Menschen in keinster Weise abgrenzen.
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Anschließend sind beim Beklagten am 29.06.2018 weitere Anträge auf Opferentschädigung der Klägerin wegen Missbrauchshandlungen durch die Grundschullehrerin Frau H. in der Zeit von September 1973 bis Juli 1974, gegen den Schulbusfahrer Herrn G. in der Zeit von 1973 bis 1977, gegen den Schullehrer Herrn R. in der Zeit von September 1978 bis Juli 1980 und gegen einen unbekannten Radfahrer wegen einer Körperverletzung am 05.05.2018 eingegangen. Am 16.07.2018 gingen beim Beklagten ein weiterer Antrag auf Opferentschädigung der Klägerin wegen einem Diebstahl ihres Fahrrads im Juni 2017 und am 20.08.2018 wegen einer Brandstiftung am 29.08.2018 ein. Wegen der Missbrauchshandlungen und Straftaten wurden von der Klägerin jeweils Strafanzeigen bei den zuständigen Strafverfolgungsbehörden gestellt.
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Auf Nachfrage des Beklagten gab die Klägerin an, dass eine psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung in der Vergangenheit nicht stattgefunden habe. Der Beklagte hat zudem Befunde der behandelnden Ärzte und Krankenhäuser sowie die polizeilichen bzw. staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten beigezogen und bei der Klägerin hinsichtlich der Missbrauchshandlungen wegen vorhandenen Tatzeugen nachgefragt. Hierzu wurde mitgeteilt, dass Tatzeugen bezüglich Pfarrer H. alle verstorben seien. Als weitere Missbrauchsopfer von Pfarrer H. benannte die Klägerin die Ministranten W. sowie S. . Bezüglich der Lehrerin Frau H. und des Busfahrers wurde die gesamte Klasse 1a der Grundschule K-Stadt des Jahrganges 1972 benannt, im Einzelnen K. , B. , G. , S. , W. . Die Mitteilung des Namens und der aktuellen Wohnadresse ihrer älteren Schwester hat sie aufgrund deren schweren psychischen Erkrankung abgelehnt. Die befragte Lehrerin Frau H. teilte auf Nachfrage des Beklagten mit, während ihrer Dienstzeit weder Schülerinnen noch Schüler misshandelt zu haben. Von der Missbrauchsbeauftragten des Bistums C-Stadt, Frau K., wurde zur Auskunft gegeben, dass bezüglich des Pfarrers H. keine Missbrauchsfälle bekannt seien. Weitere Nachfragen bei der Grundschule K-Stadt sowie beim Staatlichen Schulamt D. wegen der Namen, Geburtsdaten und Wohnorte der ehemaligen Mitschüler der Klägerin der Klasse 1a des Jahrgangs 1972 ergaben keine Resultate, da eine Archivierung erst ab dem Jahr 1980 erfolgte. Die Strafverfahren gegen den Pfarrer H. und den Lehrer R. wurden nach Auskunft der Ermittlungsbehörden eingestellt, da diese bereits am 12.03.1990 bzw. 04.02.2016 verstorben waren, das Strafverfahren gegen die Lehrerin H. wurde wegen Verjährung eingestellt, der Schulbusfahrer Herr G. konnte nicht ermittelt werden, die weiteren Strafverfahren wurden eingestellt, da die Täter unbekannt waren.
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Einen unter dem Az.: S 13 VG 17/19 ER mit Schreiben vom 31.07.2019 von der Klägerin gestellten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat diese zurückgenommen und mit Schreiben vom 06.08.2019 eine Untätigkeitsklage unter dem Az.: S 13 VG 19/19 erhoben. Mit weiterem Schreiben vom 30.08.2019 hat die Klägerin unter dem Az: S 13 VG 20/19 Klage gegen den zwischenzeitlich vom Beklagten erteilten Bescheid vom 14.08.2019 erhoben. Die Untätigkeitsklage sowie die mangels durchgeführtem Vorverfahren unzulässige Klage gegen den Ablehnungsbescheid hat die Klägerin jeweils zurückgenommen.
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Mit streitigem Bescheid vom 14.08.2019 lehnte der Beklagte die von der Klägerin gestellten Anträge auf Beschädigtenversorgung ab. Die Vorfälle aufgrund derer eine Opferentschädigung geltend gemacht wurde, würden zum Teil bereits nicht die Voraussetzungen des § 1 OEG erfüllen, zum Teil seien sie darüber hinaus nicht nachgewiesen. Die Schilderungen des Verhaltens des Lehrers R. würden die Anforderungen an einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG nicht erfüllen. Gleiches treffe auf den Fahrraddiebstahl sowie den Zusammenstoß mit einem Fahrradfahrer zu. Hinsichtlich des geltend gemachten sexuellen Missbrauchs durch Herrn Pfarrer H. seien die anspruchsbegründenden Tatsachen des § 1 OEG nach Ausschöpfung aller Beweismittel nicht nachgewiesen. Der beschuldigte Pfarrer sei bereits verstorben und habe deswegen nicht mehr befragt werden können. Von der Missbrauchsbeauftragten des Bistums C-Stadt sei mitgeteilt worden, dass von diesem keine Missbrauchsfälle bekannt seien. Zeugen zu den Vorfällen konnten ebenso nicht ermittelt und einvernommen werden. Zudem bestünden Ungereimtheiten hinsichtlich der zeitlichen Einordnung der Vorfälle. Die Klägerin habe angegeben, im Herbst 1972, also mit noch nicht einmal fünf Jahren eingeschult worden zu sein. Ein Übergriff durch Herrn Pfarrer H. sei im Mai 1975 im Rahmen der Kommunionvorbereitung gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin mit erst sieben Jahren noch nicht im Kommunionunterricht gewesen sein können. Auch die zur Klärung des Sachverhalts beigezogenen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten hätten nach Auswertung zu keiner Aufklärung beigetragen. Somit würden letztlich zu viele Zweifel an den klägerischen Angaben verbleiben, als dass diese als im Vollbeweis nachgewiesen angesehen werden könnten. Nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast ginge dies zulasten der Klägerin. Auch körperliche und seelische Misshandlungen durch die Lehrerin Frau H. wie auch durch den Schulbusfahrer Herrn G. seien nicht nachgewiesen, ebenso finde sich kein Nachweis, dass der Brand im Juli 2018 den gesetzlichen Tatbestand erfülle. Ein unverschuldeter Beweisnotstand liege nicht vor. Die Klägerin habe durch das lange Zuwarten bis zur Anzeigenerstattung und erstmaligen Antragstellung nach dem OEG wesentlich dazu beigetragen, dass früher vorhandene Beweismittel nicht mehr verfügbar oder zu beschaffen seien. Damit habe sie den vorliegenden Beweisnotstand selbst verursacht.
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Der hiergegen von der Klägerin mit Schreiben vom 30.08.2019 eingelegte Widerspruch, wurde damit begründet, dass der Entscheidungsverantwortliche des Beklagten, Herr M., als aktives Mitglied einer Kircheninstitution hochgradig befangen sei. Der sexuelle Missbrauch habe ab Herbst 73 stattgefunden, mit acht Jahren und fünf Monaten sei die Klägerin zum Kommunionunterricht gekommen. Pfarrer H. hätte aufgrund seines Geburtsjahrgangs nach Unterzeichnung der Demokratieverträge niemals in die Nähe von Kindern kommen dürfen. Einen Beweisnotstand habe sie nicht selbst verursacht. Vor 30 bis 40 Jahren sei niemand gegen einen Pfarrer aufgestanden. Ein Versuch ihrer Mutter, den Pfarrer bei der Polizei in D. anzuzeigen, sei abgewimmelt worden.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 17.09.2019 hat der Beklagte den Widerspruch nach Überprüfung zurückgewiesen. Der Nachweis bezüglich eines sexuellen Missbrauchs durch Pfarrer H. habe nicht geführt werden können. Eine Befragung der älteren Schwester, der die Klägerin nach eigener Schilderung von einem der Vorfälle berichtet habe, sei von dieser verweigert worden. Ein unverschuldeter Beweisnotstand liege nicht vor, da die Klägerin mit einer Antragstellung über 40 Jahre zugewartet und eine Zeugenbefragung selbst vereitelt habe. Auch die weiteren Misshandlungen bzw. Übergriffe und Schadensereignisse seien entweder nicht nachgewiesen oder würden die Voraussetzungen eines tätlichen Angriffs im Sinne des OEG nicht erfüllen.
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Hiergegen hat die Klägerin erneut am 26.09.2019 Klage zum Sozialgericht (SG) Augsburg erhoben. Mit gerichtlichem Beschluss vom 15.11.2019 wurde der Klägerin auf ihren Antrag Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt und Frau Rechtsanwältin F. beigeordnet. Diese hat nach Akteneinsicht zur Begründung der Klage mitgeteilt, dass Klagegegenstand ausschließlich der sexuelle Missbrauch durch den Pfarrer H. im Zeitraum zwischen 1973 und 1977 sein solle. Dessen Taten, wie das Anfassen des Intimbereichs der Klägerin mit der Hand, das Streicheln der Scheide sowie der Brust als auch das Schlagen ins Gesicht würden Straftaten gemäß des OEG darstellen. Die Klägerin leide bis heute an den seelischen Folgen dieser Übergriffe. Deren Beweisnot sei unverschuldet, da ihr eine frühere Geltendmachung der Ansprüche aufgrund der erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht möglich gewesen sei. Ende der siebziger bzw. Anfang der achtziger Jahre habe sie ihre Mutter dazu gebracht, mit ihr aufgrund der Übergriffe eine Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Dort seien trotz der konkreten Schilderungen keine weiteren Ermittlungen vorgenommen worden. Es werde angeregt, weitergehende Ermittlungen bezüglich der von der Klägerin genannten Zeugen, die als Ministranten zur damaligen Zeit tätig waren bzw. der genannten Kommunionkinder des Jahrgangs der Klägerin, vorzunehmen.
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Der Beklagte verweist in seiner Klageerwiderung darauf, dass aufgrund der Schilderungen der Klägerin ein Vorfall im Jahr 1972 und in 1979 oder 1980 gewesen sein müsste. Diesbezüglich und auch hinsichtlich der anderen Taten, die nicht mehr geltend gemacht werden, bestehe Erläuterungsbedarf. Hinsichtlich eines unverschuldeten Beweisnotstands sei eine Vernehmung der benannten Zeugen zunächst zu versuchen. Hinsichtlich der Verschuldensfrage sei zu klären, warum die Klägerin nicht mit Erreichen der Volljährigkeit Anzeige gegen den im Jahr 1990 verstorbenen Pfarrer H. erstattet hat. Auch hätte man die Mutter als „Zeugin vom Hörensagen“ befragen können, ebenso wie deren Schwester, deren Befragung die Klägerin verweigere.
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Im Rahmen der Beweiserhebung hat das Gericht daraufhin von der DRV Bund die im Rentenverfahren erstellten Gutachten des Neurologen Dr. R. vom 11.07.2017, der Orthopädin Frau Dr. N. vom 19.04.2018 sowie der Neurologin Frau Dr. B. vom 01.10.2018 beigezogen und wegen der als Zeugen benannten Mitschüler*innen beim Staatlichen Schulamt im Landkreis D. Ermittlungen angestellt. Anschließend wurden aufgrund des Ergebnisses der Ermittlungen schriftliche Zeugenaussagen von L. , M. , K. und J. eingeholt. Diese haben jeweils mitgeteilt, dass zwar die Beichte in der Sakristei bei geschlossener aber nicht verschlossener Tür erfolgt sei, Erinnerungen an schlechte Erfahrungen oder besondere Vorkommnisse bestünden allerdings nicht.
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Von der Bevollmächtigten der Klägerin wurde hierzu mitgeteilt, dass durch die Zeugenaussagen eindeutig bestätigt sei, dass Pfarrer H. die Beichten nicht wie üblich im Beichtstuhl, sondern in der Sakristei abgenommen habe. Dieser habe sich gezielt diese Gelegenheit verschafft, hierdurch mit der Klägerin ungestört völlig allein in dem Raum zu sein und dies dann auch entsprechend ausgenutzt.
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Der Beklagte weist darauf hin, dass es nicht ersichtlich sei, welche Schlüsse man daraus ziehen solle, dass die Beichte nicht in der Anonymität des Beichtstuhls, sondern im Rahmen eines Beichtgesprächs abgenommen wurde. Soweit darin ein Indiz für die in den Raum gestellten Missbrauchshandlungen gesehen werden könne, werde angeregt, eine Stellungnahme des erzbischöflichen Ordinariats des Bistums C-Stadt einzuholen, auch dazu, ob und inwieweit es in der damaligen Zeit für die Abnahme der Beichte von Kindern bindende Vorgaben gegeben habe. Es sei nicht ersichtlich, wie die Klägerin vorliegend den Vollbeweis für die behaupteten Missbrauchshandlungen führen wolle.
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Hier zur hat die Bevollmächtigte der Klägerin deren Stellungnahme übersandt, auf die verwiesen wird (Blatt 141 bis 147 der Gerichtsakte).
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Der Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 17.03.2021 mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) oder im schriftlichen Verfahren gemäß § 124 SGG einverstanden erklärt. Zugleich gab er an, dass nach seiner Auffassung derzeit noch kein zulässiger Klageantrag vorliege. Hierzu wurde von der Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 07.04.2021 der Klageantrag konkretisiert und mitgeteilt, dass mit einer Entscheidung im schriftlichen Wege kein Einverständnis bestehe, da nach Auffassung der Klägerin die Entscheidung von höchstem öffentlichen Interesse sei.
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Die Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,
\ndie Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 14.08.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.09.2019 zu verurteilen, wegen der gesundheitlichen Schädigungen infolge des sexuellen Missbrauchs der Klägerin durch Pfarrer H. im Zeitraum 1973 bis 1977 Versorgung nach dem OEG in vollem Umfang zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt,
\n die Klage abzuweisen.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten sowie der Gerichtsakte verwiesen. Beigezogen waren zudem die Gerichtsakten zu den Az.: S 13 VG 17/19 ER, S 13 VG 19/19 und S 13 VG 20/19.
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\nE n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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\nDas Gericht konnte gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die zu entscheidende Angelegenheit mit keinen besonderen Schwierigkeiten verbunden und der Sachverhalt hinlänglich geklärt ist. Die Rechte der Beteiligten gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG wurden gewahrt, da sie zur Absicht des Gerichts, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, gehört wurden. Nicht maßgeblich ist die Auffassung der Klägerin, dass die Entscheidung „von höchstem öffentlichen Interesse“ sei. Ein besonderes öffentliches Interesse am Klageverfahren der Klägerin ist für das Gericht nicht ersichtlich.
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Das SG C-Stadt ist das für die Entscheidung örtlich und sachlich zuständige Gericht. Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist im Übrigen auch zulässig. Die Klage ist in der Sache jedoch nach Überzeugung des Gerichts nicht begründet, da die Ausführungen des Beklagten in den erteilten Bescheiden rechtlich nicht zu beanstanden sind. Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG in ihren Rechten verletzt, da diese rechtmäßig sind. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Versorgung nach dem OEG.
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Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG erhält derjenige, der im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG besteht aus drei Gliedern (tätlicher Angriff, Schädigung und Schädigungsfolgen), die durch einen Ursachenzusammenhang miteinander verbunden sind. Grundsätzlich bedürfen diese drei Glieder der Kausalkette des Vollbeweises. Für die Kausalität selbst genügt gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG die Wahrscheinlichkeit. Abweichend vom grundsätzlichen Erfordernis des Vollbeweises des schädigenden Ereignisses sind nach § 6 Abs. 3 OEG i.V.m. § 15 Satz 1 Kriegsopfer-Verwaltungsverfahrensgesetz (KriegsopfVwVfG) die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, der Entscheidung zugrunde zu legen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verlorengegangen sind, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen.
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Während der Anwendungsbereich des OEG grundsätzlich auf Schädigungshandlungen nach dessen Inkrafttreten am 16.5.1976 beschränkt ist, erhalten nach § 10a Abs. 1 Satz 1 OEG auch solche Personen, die in der Zeit vom 23.05.1949 bis zum 15.05.1976 geschädigt worden sind, auf Antrag Versorgung, solange sie
\n1. allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt sind und
\n2. bedürftig sind und
\n3. im Geltungsbereich dieses Gesetzes ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.
\nDies bedeutet, dass die mutmaßlichen Übergriffe bis 1976 nur dann einen Leistungsanspruch auslösen, wenn diese allein zur Schwerbeschädigung geführt haben, was gemäß § 31 Abs. 2 BVG einen Grad der Schädigung (GdS) von 50 erfordert. Nach Auffassung des Gerichts bedarf es keiner entsprechenden Prüfung anhand einer sozialmedizinischen Begutachtung der Klägerin.
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Nach Überzeugung des Gerichts ist vielmehr bereits ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff auf die Klägerin durch die vorgetragenen Missbrauchshandlungen durch den Pfarrer H. im streitgegenständlichen Zeitraum nicht nachgewiesen. Nach den Grundsätzen im sozialgerichtlichen Verfahren sind die anspruchsbegründenden Tatsachen grundsätzlich im Vollbeweis, d. h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachzuweisen. Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit verstehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt, d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000, Az.: B 9 VG 3/99 R; C. in Meyer-Ladewig/C./Leitherer/S.t, SGG-Kommentar, § 128 Rn. 3b).
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Die Angaben der Klägerin sind auch in der Gesamtschau ihrer Aussagen, der vorgelegten Unterlagen und der Zeugenaussagen nicht nachgewiesen und auch nicht glaubhaft. Insofern kann dahinstehen, ob der Anwendungsbereich von § 15 KriegsopfVwVfG hier überhaupt eröffnet ist, wogegen immerhin der Umstand spricht, dass die Klägerin erst mehr als 40 Jahre nach den vermeintlichen Übergriffen Ansprüche geltend gemacht hat (vgl. BSG, Urteil vom 13.12.1994, Az: 9/9a RV 9/92). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht in Bezug auf den zu fordernden Vollbeweis für den schädigenden Vorgang nicht zu der vollen Überzeugung gelangt, dass Pfarrer H. die Klägerin missbraucht hat. Zeugen für die von der Klägerin dargelegten Missbrauchshandlungen gibt es nicht. Vielmehr haben die Befragten mit Schüler*innen bzw. Kommunionkinder angegeben, dass zwar die Beichte in der Sakristei bei geschlossener Tür durch Pfarrer H. abgenommen wurde, Missbrauchshandlungen oder besondere Erinnerungen im Zusammenhang mit dem Beichtvorgang allerdings nicht in Erinnerung sind. Allein aufgrund einer geschlossenen, aber nicht verschlossenen Sakristeitür auf eine Missbrauchshandlung zu schließen liegt fern. Auch die Missbrauchsbeauftragte der Diözese hat auf Nachfrage angegeben, dass zu Pfarrer H. keine Missbrauchsvorwürfe bekannt sind. Weitere Personen oder Tatzeugen sind nicht vorhanden oder konnten nicht ermittelt werden. Die Schwester oder Mutter der Klägerin als „Zeuginnen vom Hörensagen“ stehen nicht mehr zur Verfügung. Ebenso sind in Betracht kommende polizeiliche Ermittlungen aufgrund einer zeitnahen Strafanzeige durch die Klägerin nicht vorhanden. Die erst im Dezember 2017 von der Klägerin getätigte Strafanzeige hat zu keinem Ergebnis geführt, das Verfahren wurde aufgrund eines Verfahrenshindernisses eingestellt, da der beschuldigte Pfarrer H. bereits im März 1990 verstorben war.
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Das Gericht schließt sich somit auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin im Klageverfahren der Begründung der oben genannten Bescheide des Beklagten an und macht sich diese zu Eigen.
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Nach alledem war die Klage daher abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Erstellt am: 25.01.2022
Zuletzt verändert am: 25.01.2022