Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30.10.2002 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten auch im zweiten Rechtszug. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Arzneiregressen wegen unzulässiger Verordnungen in den Quartalen I/97 und II/97 in Höhe von insgesamt 4.365,09 DM.
Der Kläger nimmt als Internist in E an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Mit Wirkung vom 01.10.1991 erteilte ihm die Beigeladene zu 2) die Genehmigung zur Durchführung von Methadon-Substitutionsbehandlungen.
Die BKK Stadt E beantragte im März 1998 (Quartal I/97) wegen Verordnung codeinhaltiger Arzneispezialitäten bei den Patienten C, I und B. T und im Juni 1998 (Quartal II/97) außerdem bei den Patienten B, N und X die Feststellung eines sonstigen Schadens. Die Verordnungen ließen darauf schließen, dass es sich bei dem Patientenkreis um Drogenabhängige handele. Bei den verordneten Medikamenten (Dihydrocodeinhydrogentartat (DHC)) handele es sich um Arzneimittel mit hohem Abhängigkeitspotenzial. Die Substitution Drogenabhängiger mit Codeinpräparaten stelle keine Krankenbehandlung dar. Mit derartigen Substitutionsprogrammen könne lediglich versucht werden, Komplikationen im gesellschaftlichen sozialen Bereich (z.B. Beschaffungskriminalität) zu mildern oder aufzuheben. Durch die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB-Richtlinien) zur Methadon-Substitutionsbehandlung vom 01.10.1991 sei klargestellt worden, dass eine Substitutionstherapie allein bei i.v.-Heroinabhängigen und nur mit dem Methadon-Präparat L-Polamidon zur kassenärztlichen Versorgung gehöre. Eine psychosoziale Überbrückungstherapie bis zum Antritt der Entzugsmaßnahme oder etwa eine Stützungstherapie zur Reintegration in den Arbeitsprozess gehörten als rehabilitative Maßnahmen nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung.
Mit Bescheiden vom 24.02.1999 stellte der Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen E für die Quartale I/97 und Quartal II/97 Regresse in Höhe von 1361,69 DM und 3003,40 DM fest.
Mit seinem dagegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend, es sei ihm unverständlich, dass angesichts ca. 1700 toter suchtkranker Jugendlicher die Suchtkrankheit in den gesellschaftlich-sozialen Bereich abgedrängt werden könne. In der mündlichen Verhandlung vor dem Beklagten am 29.11.2000 führte der Kläger aus, er behandele seit 1989 Drogenabhängige und sei zusammen mit einigen Kollegen Pionier in dieser Arbeit gewesen sei. Er behandele ca. 65 Drogenabhängige im Quartal. Die Behandlung mit DHC sei zwar keine gängige Therapie. Er habe jedoch angenommen, dass die Krankenkassen im Sinne einer sozialen Verantwortung diese Behandlung mittragen würden. Durch die Verordnungen habe er ihnen erhebliche Kosten gespart, da durch seine Behandlungsweise eine Infektion mit HIV hätte vermieden werden können; die Behandlung von HIV-Patienten sei mit erheblich höheren Kosten verbunden. Zu seiner therapeutischen Vorgehensweise führte der Kläger aus, dass er montags, mittwochs und freitags Rezepte ausgegeben habe, wobei er die Dosierung individuell auf den jeweiligen Patienten abgestimmt habe. Laborkontrollen habe er regelmäßig durchgeführt.
Der Beklagte wies die Widersprüche mit Bescheid vom 23.04.2001 zurück, weil die strittigen Verordnungen von DHC in den streitigen Quartalen unzulässig gewesen seien. Denn der Kläger habe das Präparat nicht zur Krankenbehandlung sondern zur Drogensubstitution verordnet. Nach § 135 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) – Gesetzliche Krankenversicherung – dürften neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur abgerechnet werden, wenn die Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen abgegeben hätten, unter anderem über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode. Nach den am 02.07.1991 beschlossenen und am 01.10.1997 in Kraft getretenen NUB-Richtlinien sei nur die Methadonsubstitution unter bestimmten Voraussetzungen anerkannt worden. Die Substitution mit Codein-Präparaten sei dort nicht aufgeführt. Insoweit handele es sich um Leistungen, die nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung erfasst und deshalb als unzulässig zu bewerten seien.
Dagegen hat der Kläger am 21.05.2001 Klage erhoben und vorgetragen, Ziel der Substitution sei die Krankheitsbekämpfung, denn bei der Drogenabhängigkeit handele es sich um eine Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne. Daneben diene sie auch dazu, die Komplikationen im gesellschaftlich-sozialen Bereich zu mildern oder aufzuheben. Die reine Abstinenzbehandlung habe sich insbesondere im Hinblick auf die hohe Abbruchrate als unzureichend erwiesen. Im Übrigen führe die Substitutionsbehandlung auch zu einer Abnahme der mit der Heroinabhängigkeit verbundenen Mortalitätsrate und mindere zusätzlich das Risiko einer HIV- oder Hepatitiserkrankung. Die fehlende Anerkennung der DHC-Substitutionsbehandlung durch den Bundesausschuss führe nicht automatisch zum Ausschluss der Leistungspflicht der Krankenkassen. Sofern der Bundesausschuss für eine Behandlung noch keine Empfehlung abgegeben habe, komme eine Leistungspflicht der Krankenkassen dann in Betracht, wenn eine geeignete anerkannte Behandlungsmethode noch nicht zur Verfügung stehe und die in Frage stehende Behandlung den Voraussetzungen entspreche, die § 2 SGB V allgemein für die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung aufstelle. Danach müssten die Leistungen in Qualität und Wirksamkeit dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. In der Zeit von 1989 bis 1998 sei die Substitution mit Methadon nur einer begrenzten Anzahl schwerkranker Drogenabhängiger vorbehalten geblieben. Diese Voraussetzungen hätten die von ihm mit DHC substituierten Patienten nicht erfüllt, so dass eine Substitution mit Metadon von vorneherein ausgeschlossen gewesen wäre. Weil eine anerkannte Behandlungsmethode nicht zur Verfügung gestanden habe und er diese Drogenabhängigen nicht ihrem Schicksal habe überlassen wollen, habe er sie mit DHC behandeln müssen. Diese Art von Substitutionsbehandlung habe in Qualität und Wirksamkeit dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprochen. Er habe das DHC in absteigender Dosierung verordnet und begleitend ärztliche Untersuchungen sowie unangemeldete Urinkontrollen vorgenommen. Diese Untersuchungen und Kontrollen seien kostenmäßig erstattet worden, so dass das Rückerstattungsverlangen hinsichtlich der Kosten für das DHC inkonsequent und nicht nachvollziehbar sei. Zudem seien einige Patienten "clean" geworden. Die diesbezügliche Erfolgsrate entspräche annähernd jener der Substitution mit Methadon, die er nach Änderung der rechtlichen Situation ab 1998 durchgeführt habe. Die DHC-Substitution sei demnach auch unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebots gemäß § 12 Abs. 1 SGB V ausreichend und zweckmäßig gewesen. Sie habe auch nicht das Maß des Notwendigen überschritten, da sie für den Behandlungserfolg unvermeidlich, zwangsläufig und unentbehrlich gewesen sei. Da eine Abstinenztherapie nicht durchführbar gewesen sei, habe eine Alternative zur DHC-Substitution nicht zur Verfügung gestanden.
Der Kläger hat beantragt,
den Beschluss des Beklagten aus der Sitzung vom 29.11.2000 (Bescheid vom 23.04.2001) aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, neu unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über den Widerspruch des Klägers zu entscheiden.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das SG hat mit Urteil vom 30.10.2002 die Klage abgewiesen. Nach den NUB-Richtlinien vom 02.07.1991 sei unter bestimmten Voraussetzungen lediglich die Methadon- Substitution und nicht auch die Substitution mit codeinhaltigen Präparaten anerkannt worden. Hinsichtlich der Drogensubstitution mit codeinhaltigen Präparaten sei auch nicht ersichtlich, dass eine Entscheidung des Bundesausschusses willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen blockiert oder verzögert worden sei. Dass zunächst nur die Substitution mit Methadon und nicht auch mit Codein-Präparaten anerkannt worden sei, sei nicht zu beanstanden, denn die Substitution mit codeinhaltigen Präparaten sei sehr umstritten. Sie sei besonders schwer zu kontrollieren; außerdem ließe sich durch Urinuntersuchungen nicht der Nachweis erbringen, ob der Patient neben Codein-Präparaten auch Heroin verwendet habe. Der Kläger hätte sich bezüglich der in den Prüfanträgen der Beigeladenen zu 1) aufgeführten Patienten um die Genehmigung zur Methadon-Substitution bemühen können. Dem Vortrag des Klägers, ihm seien die im Rahmen der DHC-Substitutionsbehandlung vorgenommenen Untersuchungen vergütet worden, so dass der Regress für das DHC nicht nachvollziehbar sei, sei entgegenzuhalten, dass insoweit unterschiedliche Prüfgremien tätig würden.
Gegen das am 18.11.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10.12.2002 Berufung eingelegt und vorgetragen, das SG habe nicht berücksichtigt – obwohl insoweit bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen worden sei -, dass zum einen die Substitution mit DHC in der Praxis nicht etwa umstritten gewesen, sondern vielmehr anhand von wissenschaftlichen Studien ausreichend erprobt und das in Deutschland am häufigsten angewandte medizinische Therapieverfahren bei Drogenabhängigkeit gewesen sei, und zum anderen die Substitution mit DHC im Verhältnis zur Substitution mit Methadon ergebnisbezogen zu keinen gravierenden Unterschieden geführt habe. Nicht berücksichtigt worden sei auch die ebenfalls unter Beweis gestellte Tatsache, dass die Substitution mit DHC im Vergleich zur Substitution mit Methadon Vorteile insoweit habe, als auch die Entzugserscheinungen bei anderen Süchten bekämpft wurden, so dass für polytoxikomane Abhängige die Substitution mit DHC sinnvoller sei. Zudem sei diese ausschließlich dann angezeigt, wenn eine Therapiefähigkeit für eine Methadon-Behandlung erst hergestellt werden müsse bzw. Methadon aufgrund substanzbezogener Nebenwirkungen nicht anwendbar sei. Hätte das SG die in der Klageschrift unter Beweis gestellten Ergebnisse der medizinischen Forschung berücksichtigt und ggf. Beweis eingeholt, so wäre es im Hinblick darauf, dass zum Zeitpunkt des Erlasses der NUB-Richtlinien im Herbst 1991 für die Substitution mit DHC ausreichend vergleichbare positive Behandlungsresultate vorlagen, zwangsläufig zu dem Ergebnis gekommen, dass die Entscheidung des Bundesausschusses, nur die Substitution mit Methadon und dann auch nur für Schwerstkranke anzuerkennen, sehr wohl als willkürlich anzusehen sei. Der Hinweis, er hätte sich um die Genehmigung der Substitutionsbehandlung mit Methadon bemühen können, sei nicht haltbar. Abgesehen davon, dass einige der in den Prüfanträgen aufgeführten Patienten aufgrund der langwierigen und rigiden Aufnahmemodalitäten bis zu einer Entscheidung über die Aufnahme in das Methadonprogramm bereits verstorben wären, seien zwei dieser Patienten polytoxikoman und somit eine Substitution mit DHC ohnehin sinnvoller gewesen. In der letzten mündlichen Verhandlung hat der Kläger gegenüber dem Senat wiederholt, dass bei den mit DHC substituierten Patienten die in den für die streitigen Quartale geltenden NUB-Richtlinien geforderten Indikationen nicht vorgelegen hätten. Der Patient B. T sei erst Ende 2002 – aufgrund der Erweiterung der Voraussetzungen durch die Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs 1 SGB V (BUB-Richtlinien) – in das Methadonprogramm aufgenommen worden. Bei dem Patienten I, der später "clean" geworden sei, hätten die Voraussetzungen für die Aufnahme in das Methadonprogramm auf der Grundlage der 1997 geltenden Richtlinien ebenfalls nicht vorgelegen. Der Patient X wäre – ungeachtet des Umstandes, dass er polytoximan gewesen sei – auch aus sonstigen Gründen nicht in das Methadonprogramm aufgenommen worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30.10.2002 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 23.04.2001 zu verurteilen, seinen Widerspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates neu zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30.10.2002 zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Regress ist rechtmäßig.
Die Gremien der Wirtschaftlichkeitsüberprüfung und damit auch der Beklagte sind im Rahmen der ihnen in § 106 Abs. 1 SGB V übertragenen Verpflichtung, die Einhaltung des in den §§ 12 Abs. 1, 70 Abs. 1 S. 2 SGB V normierten Wirtschaftlichkeitsgebots im Einzelfall zu gewährleisten, auch befugt, Regresse wegen unzulässiger Verordnung von Arzneimitteln festzusetzen. Die Prüfung der Wirtschaftlichkeit erfolgt nach den Bestimmungen der Prüfvereinbarung. Ermächtigungsgrundlage hierfür ist § 106 Abs. 2 S. 4 SGB V. Danach können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die in § 106 Abs. 1 SGB V vorgesehenen Prüfungen (Auffälligkeitsprüfung, Zufälligkeitsprüfung) hinaus andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren.
Vorliegend gilt die zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNo) und den Krankenkassen geschlossene Prüfvereinbarung vom 26.10.1993, ergänzt durch die Nachträge vom 22.04.1996, 13.05.1997, 22.12.1997 und 21.07.1998 (Rhein. Ärzteblatt 8/96, 12/97, 6/98, 9/98).
Gem. § 15 Abs. 1 Nr. 3 Prüfvereinbarung in der Fassung vom 22.04.1996 (Rhein. Ärzteblatt 8/96, S. 58) prüft der Prüfungsausschuss auf Antrag der Krankenkassen, ihrer Verbände, der von ihnen benannten Stellen oder der KVNo auch, ob der Vertragsarzt bei Verordnungen in ungerechtfertigter Weise Rechtsverordnungen oder Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen unbeachtet gelassen bzw. unwirtschaftliche Arzneimittelanwendungen veranlasst hat.
Die Verordnung von DHC als Substitutionsmittel für suchtkranke Patienten war in den streitigen Quartalen unzulässig.
Nach § 12 Abs. 1 S. 2 SGB V dürfen Vertragsärzte keine Leistungen verordnen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind. Das gilt erst Recht für Leistungen, die nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen erfasst werden (BSG, Urteil vom 19.07.1999 -6 RKa 27/95- ; Urteil vom 14.03.2001 -B 6 KA 19/00 R-, SozR 3-2500, § 106 Nr. 52). Die Krankenbehandlung umfasst auch die Versorgung mit Arzneimitteln (§ 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB V). Die Leistungspflicht der Krankenkassen für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden ist so lange ausgeschlossen, bis diese vom zuständigen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen als zweckmäßig anerkannt sind (BSG, Urteil vom 16.09.1997 -1 RK 28/95-, BSGE 81, 54 ff.). Für die Behandlung Suchtkranker mit DHC lag eine entsprechende Anerkennung nicht vor.
Der Regress wäre allerdings ausnahmsweise dann ausgeschlossen, wenn die Verordnung von DHC zur Drogensubstitution, für die keine Empfehlungen des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen i.S.d. § 135 Abs. 1 SGB V vorlag, nach § 13 Abs. 3 SGB V erstattungsfähig wäre. Das ist der Fall, wenn die fehlende Anerkennung der neuen Methode auf einem Mangel des gesetzlichen Leistungssystems beruht. In diesen Fällen setzt die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse voraus, dass allgemein anerkannte Behandlungsmethoden nicht zur Verfügung stehen oder bei einer bestimmten Gruppe von Patienten nicht eingesetzt werden können. Ferner müssen die Erprobung abgeschlossen und über die Qualität und Wirkungsweise der neuen Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Das setzt einen Erfolg der Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen voraus. Dabei muss sich der Erfolg aus wissenschaftlich einwandfrei geführten Statistiken über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der neuen Methode ablesen lassen (BSG, Urteil vom 05.07.1995 -1 RK 6/95-,SozR 3-2500 § 27 Nr.5).
Diese Anforderungen sind hinsichtlich der Drogensubstitution mit DHC nicht erfüllt. Denn es stand in den streitigen Quartalen eine allgemein anerkannte Methode für die Behandlung Suchtkranker zur Verfügung. Nach den damals geltenden NUB-Richtlinien vom 04.12.1990 in der Fassung vom 16.02.1994 (ArbBl., 2/91, S. 33; BAnz Nr. 1994, S. 3150; zur Rechtsnormqualität der Richtlinien s. BSG, Urteil vom 20.03.1996 -6 Ka 62/94-, BSGE 78, 70 ff.) war bei bestimmten Indikationen die Drogensubstitution mit Methadon als vertragsärztliche Leistung anerkannt ( Ziff. 2.1 NUB-Richtlinien). Bei der Verordnung waren die Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) und der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) (§ 2a BtMVV: Zur Substitution im Rahmen der Behandlung einer Betäubungsmittelabhängigkeit darf der Arzt nur Levomethadon, Methadon oder ein zur Substitution zugelassenes Betäubungsmittel verschreiben … ) zu beachten (Ziff. 2.11 der NUB-Richtlinien). Codein und DHC gehörten noch 1997 zu den zwar verkehrsfähigen, aber nicht verschreibungsfähigen Betäubungsmitteln (§ 3, Anl. II des BtMG i.d.F. vom 01.10.1994 in BGBl I, S. 359 ff., 376). Die unter Ziff. 2.2 der oben genannten NUB-Richtlinien aufgelisteten Indikationen (Drogenabhängigkeit bei opioidpflichtigen Schmerzzuständen; Drogenabhängigkeit bei Aids-Kranken; Drogenabhängigkeit bei Patienten, die sich einer unbedingt notwendigen stationären Behandlung wegen einer akuten oder schweren Erkrankung unterziehen müssen und denen gegen ihren Willen nicht gleichzeitig ein Drogenentzug zuzumuten ist; Drogenabhängigkeit in der Schwangerschaft, unter der Geburt und bis zu sechs Wochen nach der Geburt; Drogenabhängigkeit bei vergleichbaren schweren Erkrankungen) machen deutlich, dass besondere Umstände des Einzelfalles gegeben sein müssen, die eine – jedenfalls zeitweilige – Substitution zweckmäßig und notwendig erscheinen lassen, weil dem Suchtkranken eine vorübergehend ein Entzug jeder Droge nicht zugemutet werden kann und das Ziel einer Drogenabstinenz nicht sofort erreichbar ist (BSG, Urteil vom 05.07.1995 -1RK 6/95-, a.a.O.) Daraus folgt, dass die Substitution nur eingeleitet werden durfte, wenn eine Entgiftungs- bzw. eine Entziehungsmaßnahme wegen der damit einhergehenden Belastung im Hinblick auf andere Krankheiten oder Schwangerschaft/Geburt nicht begonnen werden konnte. Als weitere Voraussetzung sahen die in den streitigen Quartalen geltenden NUB-Richtlinien eine intensive ärztliche Betreuung und regelmäßige Kontrolluntersuchungen vor, um die mit der Verwendung von Drogenersatzmitteln einhergehenden Gefahren gering zu halten und den Gebrauch andere Drogen auszuschließen.
Die aufgezeigte Zielsetzung und die dargelegten Voraussetzungen, die auch für eine in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung fallende Drogensubstitution mit DHC in dem streitigen Zeitraum zu fordern war, sind vorliegend nicht gegeben. In den in Rede stehenden Fällen diente die Substitution mit DHC weder der Vorbereitung für die Eingliederung der Suchtkranken in das Methadonprogramm nach den seinerzeit geltenden NUB-Richtlinien (BSG, Urteil vom 14.03.2001 -B 6 KA 19/00 R-, SozR 3-2500 § 106 Nr. 52) noch war sie als Vorstufe zu einer auf Suchtfreiheit zielenden Behandlung zu werten (BSG, Urteil vom 18.10.1995 -6 RKa 3/93-, SozR 3-5500 § 17 Nr. 2). Denn die vom Kläger behandelten Suchtkranken erfüllten von vornherein nicht die Voraussetzungen für die Übernahme in das Methadonprogramm. Ebenso ergeben sich schon aus dem Vorbringen des Klägers keine Anhaltspunkte für das Vorliegen der vorstehend aufgeführten Indikationen und damit für die Notwendigkeit einer Substitution mit DHC. Denn die substituierten Patienten litten weder an schwerwiegenden weiteren Krankheiten noch waren sonstige in den NUB-Richtlinien aufgeführte Indikationen gegeben, die die Einleitung einer Entgiftungs- bzw. Entziehungsmaßnahme entgegenstanden. Die bei dem Patienten X vorliegende Polytoximanie (Pschyrembel: Abhängigkeit von verschiedenen Suchtstoffen) stellt eine derartige weitere Krankheit jedenfalls nicht dar.
Der Umstand, dass nach den BUB-Richtlinien vom 28.10.2002 (Dt. Ärzteblatt 2003,Heft 3, A 144 ff.) die Voraussetzungen zur Durchführung der substitutionsgestützten Behandlung auch schon beim Vorliegen einer manifesten Opiatabhängigkeit (ohne weitere Indikation) mit dem Ziel der schrittweisen Wiederherstellung der Betäubungsmittelabstinenz einschließlich der Besserung und Substituierung des Gesundheitszustandes (§ 3) gegeben sind und die Substitutionsmittel verwendet werden dürfen, die gem. der BtMVV für diesen Zweck zugelassen sind (§ 6) – dazu gehören auch Codein und Dihydrocodein (DHC), § 2 BtMVV -, führt nicht weiter. Denn der zeitliche Abstand von mehr als fünf Jahren erlaubt nicht den Schluss, dass die oben genannten Patienten auch schon 1997 nicht mehr auf die damals anerkannten Behandlungsmethoden verwiesen werden durften.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aF.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 23.03.2004
Zuletzt verändert am: 23.03.2004