Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 13.04.2011 wird zurückgewiesen. Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.03. bis 31.07.2008.
Seit dem 01.04.2004 bewohnt der am 00.00.1969 geborene Kläger die Wohnung C-Straße 00, F, die nach seinen Angaben im Erstantrag ca. 49 qm groß ist. Die Grundmiete beträgt 370,00 EUR mtl … Die monatliche Vorauszahlung für Heiz- und Betriebskosten beträgt laut Mietvertrag 100,00 EUR. Nach Angaben des Klägers teilt sich die monatliche Vorauszahlung auf 84,92 EUR Betriebskosten und 15,08 EUR Heizkosten auf. Die Wohnung wird mit Fernwärme beheizt. Das Warmwasser wird durch einen Durchlauferhitzer erzeugt. Für einen Garagenstellplatz zahlt der Kläger zusätzlich eine Miete von 25,56 EUR mtl …
In der Zeit vom 01.06. bis 07.08.2007 bezog der Kläger Arbeitslosengeld I in Höhe von 39,50 EUR täglich. Ab dem 07.08.2007 erhielt er Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II von der Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagter), zuletzt in Höhe von 977,00 EUR mtl. bis zum 29.02.2007
Mit Schreiben vom 22.08.2007 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass seine Unterkunftskosten unangemessen seien. Als angemessen gälten Unterkunftskosten für einen Ein-Personen-Haushalt in Höhe von 217,50 EUR (Nettokaltmiete ohne Betriebs-, Neben- und Heizkosten). Die Unterkunftskosten des Klägers betrügen zurzeit 370,00 EUR und überstiegen damit den angemessenen Umfang um 152,50 EUR mtl … Er werde die unangemessenen Unterkunftskosten nur noch längstens bis zum 29.02.2008 übernehmen. Gegen diese Kostensenkungsaufforderung legte der Kläger Widerspruch ein, den der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 05.02.2008 als unzulässig verwarf.
Mit Schreiben vom 10.12.2007 und vom 27.12.2007 forderte der Beklagte den Kläger zur Vorsprache hinsichtlich des Ergebnisses seiner Bemühungen zur Senkung der Unterkunftskosten auf. Am 10.01.2008 sprach der Kläger vor. Laut internem Aktenvermerk über den Gesprächsinhalt gab der Kläger an, dass er keine Bemühungen zur Senkung der Unterkunftskosten unternommen habe. Durch Bescheid vom 10.01.2008 stellte der Beklagte fest, dass ab dem 01.03.2008 die der Höhe nach angemessenen Unterkunftskosten in Höhe von 217,50 EUR mtl. bei der Festsetzung der Hilfeleistung berücksichtigt werden. Mit weiterem Bescheid vom 10.01.2008 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 824,50 EUR mtl. (347,00 EUR Regelleistung + 317,50 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung + 160,00 EUR Zuschlag nach § 24 SGB II) für die Zeit vom 01.03. bis 31.07.2008.
Gegen die Höhe der bewilligten Leistungen nach § 22 Abs.1 SGB II legte der Kläger Widerspruch ein. Er begehrte die Übernahme der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 470,00 EUR mtl … Durch Widerspruchsbescheid vom 07.02.2008 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Durch Bescheid vom 18.03.2008 senkte der Beklagte das Arbeitslosengeld II um 104,00 EUR mtl. für die Zeit vom 01.04. bis 30.06.2008 abgesenkt. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, dem der Beklagte am 21.04.2008 abhalf. Durch Bescheid vom 06.06.2008 erhöhte der Beklagte wegen der Anpassung der Regelleistung die Leistungen für Juli 2008 auf 828,50 EUR.
Am 29.02.2008 hat der Kläger Klage erhoben.
Er hat vorgetragen, dass seine Unterkunftskosten angemessen seien, da seine Wohnung teilmöbliert und ohne Hinterlegung einer Mietkaution an ihn vermietet worden sei. Ihm sei ein Umzug aus dem Stadtteil C nicht zumutbar. Wegen der Lage seiner Wohnung habe er eine zentrale Verkehrsanbindung und eine gute Infrastruktur. Er sei innerhalb seines Wohnumfeldes sozial voll integriert. Änderungen hierzu seien kontraproduktiv. Seine Wohnung liege in "Schlosspark-Nähe" – einer begehrten Wohnlage -. Die Besonderheit des regionalen Wohnungsmarktes müsse entsprechend gewürdigt werden. Vergleichbare Objekte bzw. ein ähnlicher Wohnungsstandard seien nach seiner Einschätzung, wenn überhaupt, nur teurer zu finden. Des Weiteren sei die psychosoziale Situation seiner Familie zu berücksichtigen. Seine Schwester und sein Vater hätten sich im Jahre 2007 Operationen unterziehen müssen, die insbesondere bei seiner Schwester wegen einer Krebserkrankung mit enormen psychischen Belastungen verbunden gewesen seien. Die Familie wohne ca. 5 Minuten Fußweg von ihm entfernt, so dass er sich um sie kümmern könne. Er müsse sich nicht auf "Schrott-Immobilien" oder in "soziale Brennpunkte" verweisen lassen. Diese stünden bei Zugrundelegung der irreal niedrigen Mietobergrenze des Beklagten zwangläufig nur zur Auswahl. Ein zumutbarer Wohnraum zu dem von dem Beklagen für angemessen gehaltenen Mietzins stehe nicht zur Verfügung.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Bescheide vom 10.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.02.2008 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, die tatsächlichen Unterkunftskosten für die Wohnung C-Straße 00 in Höhe von 370,- EUR Kaltmiete zuzüglich 100,- EUR Neben- bzw. Betriebskosten auch für die Zeit vom 01.03.2008 voll zu gewähren und insoweit 762,50 EUR an ihn auszukehren
2. festzustellen, dass mangels rechtswirksamer Kostensenkungsaufforderung seitens des Beklagten die sog. 6-Monats-Frist in Bezug auf die Absenkung der Unterkunftskosten nicht zu laufen begonnen hat und die Kosten der Wohnung deshalb schon aus rein formalen Gründen voll zu übernehmen sind
3. die Angemessenheit der Unterkunftskosten grundsätzlich festzustellen
4. den Beklagten zu verurteilen, den nachzuzahlenden Betrag zuzüglich Zinsen in gesetzlicher Höhe zu zahlen
5. den an ihn zu zahlenden Betrag einschließlich Zinsen konkret zu beziffern
6. die überlange Verfahrensdauer festzustellen und etwaig dadurch entstandene Nachteile auszugleichen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, dass im Stadtgebiet genügend Wohnraum zu seinen ermittelten Höchstgrenzen vorhanden sei.
Durch Urteil vom 13.04.2011 hat das Sozialgericht Duisburg die Klage abgewiesen. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihm am 30.06.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.07.2011 Berufung eingelegt.
Er verfolgt sein Begehren weiter. Der Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, seine Unterkunftskosten abzusenken. Voraussetzung für die Feststellung, dass seine Unterkunftskosten unangemessen seien, sei die Durchführung einer Einzelprüfung sowie die Vorlage eines Prüfberichtes, inwieweit günstige Wohnungen in ausreichender Menge am Ort zur Verfügung stünden. Dies habe der Beklagte unterlassen. Des weiteren sei der Beklagte nicht berechtigt, für das gesamte Stadtgebiet die gleichen Angemessenheitskriterien anzuwenden, sondern müsse jeden Einzelfall prüfen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 13.04.2011 zu ändern und stellt die Klageanträge zu 1. bis 5. aus dem erstinstanzlichen Verfahren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Beklagte hat die Ergebnisse der Zeitungsauswertung von Wohnungsangeboten aus Dezember 2007 und Januar 2008 übersandt. Der Senat hat die Mietspiegel der Stadt F 2005, 2007 und 2009 sowie die Betriebskostenspiegel Nordrhein-Westfalen 2006 und 2007 des Deutscher Mieterbundes Nordrhein-Westfalen e.V. beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Beklagten sowie der beigezogenen Akten des Sozialgerichts Duisburg S 14 (29) AS 248/08, S 29 AS 94/08 ER , S 29 AS 90/08 und S 29 AS 5/09 ER Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Richtiger Beklagter ist die Stadt F. Sie ist gehört zu den Kreisen und kreisfreien Städte, die ab dem 01.01.2012 als kommunaler Träger i.S.v. § 6a Abs. 2 SGB II zugelassen sind (Anlage zu § 1 Kommunalträger-Zulassungsverordnung i.d.F. der Zweiten Verordnung zur Änderung der Kommunalträger -Zulassungsverordnung vom 14.04.2011, BGBl. I, 645, in Kraft ab dem 01.01.2012 nach Artikel 2 der Verordnung) und ist damit nach § 6b SGB II alleiniger Träger der Leistungen nach dem SGB II in ihrem örtlichen Zuständigkeitsbereich. Als Funktionsnachfolgerin nach § 76 Abs. 3 SGB II hat die Stadt F die Aufgaben des Jobcenters F als gemeinsame Einrichtung i.S.v. § 44b Abs.1 SGB II zum 01.01.2012 übernommen. Bei einer Funktionsnachfolge – wie im vorliegenden Fall – ist ein Beklagtenwechsel zulässig (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9.Aufl., § 99 Rn 6a m.w.N.).
Das Sozialgericht hat die Klagen zu Recht abgewiesen.
Soweit der Kläger die Gewährung von höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.03. bis 31.07.2008 begehrt, ist die Klage unbegründet (I). Die übrigen Klagen sind – wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat – unzulässig (II – V).
I. Mit dem Klageantrag zu 1) hat der Kläger eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 2 und Abs. 4 SGG erhoben. Streitgegenstand der Klage sind die Bescheide vom 10.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.02.2008, mit denen der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.03 bis 31.07.2008 bewilligt hat. Des Weiteren ist der Bescheid vom 06.06.2008, mit dem der Beklagte die angefochtenen Bescheide für den Monat Juli 2008 ersetzt hat, nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden. Der Kläger hat sein Begehren auf Gewährung von höheren Leistungen nach dem SGB II weder zeitlich noch betragsmäßig beschränkt. Da auch keine Beschränkung des Streitgegenstandes auf Berechnungselemente des Leistungsanspruchs, insbesondere nicht auf Berechnungselemente der Kosten für Unterkunft und Heizung, möglich ist (vgl. hierzu Bundessozialgericht (BSG) Urteile vom 15.04.2008 – B 14/7b AS 34/06 R = juris Rn 21 und vom 19.05.2011 – B 4 AS 139/10 R = juris Rn 17), ist der Leistungsanspruchs des Klägers unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Mithin ist Gegenstand des Klageantrags zu 1) das Begehren des Klägers auf Gewährung von höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als bewilligt für die Zeit vom 01.03 bis 31.07.2008.
Der Kläger ist nicht beschwert i.S.v. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Ihm steht gegenüber dem Beklagten kein Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für Zeit vom 01.03 bis 31.07.2008 zu.
Der Kläger hat zwar im streitbefangenen Zeitraum die Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen nach dem SGB II nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II insofern dem Grunde nach erfüllt, als er in diesem Zeitraum das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet sowie seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik gehabt hat und erwerbsfähig gewesen ist. Dahinstehen kann, ob er hilfebedürftig i.S.v. §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 SGB II gewesen ist. Auf keinen Fall steht ihm ein höherer Anspruch als bewilligt zu.
Für den streitbefangen Zeitraum hat der Beklagte dem Kläger die in § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II i.d.F. bis 31.12.2010 vorgesehene Regelleistung für Alleinstehende in voller Höhe gewährt. Die Höhe der für den Kläger anzusetzende Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts ergibt sich aus den Bestimmungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II i.d.F. bis zum 31.12.2010, wonach die Regelleistung für Alleinstehende ab dem 01.07.2007 347,00 EUR mtl. und ab dem 01.07.2008 351,00 EUR beträgt. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Vorschriften über die Höhe der Regelleistung, u. a. die des § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II, mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärt. Daraus folgt aber nicht, dass einem Hilfebedürftigen ein höherer Anspruch auf Leistungen für einen zurückliegenden Zeitraum – wie im vorliegenden Fall – zusteht, vielmehr gilt die Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II in der jeweils anzuwendenden Fassung bis zum 31.12.2010 fort. Der Gesetzgeber ist nur verpflichtet die Regelleistung für die Zukunft neu festzusetzen (BVerfG Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 = nach juris Rn 210 ff; Beschluss vom 18.02.2010 – 1 BvR 1523/08 -, Beschluss vom 24.03.2010 – 1 BvR 395/09 – ; BSG Urteil vom 17.16.2010 – B 14 AS 17/10 R = nach juris Rn 16). Das Vorliegen eines Mehrbedarfs nach § 21 SGB II i.d.F. bis 31.12.2010 oder eines Sonderbedarfs nach § 23 Abs. 3 SGB II i.d.F. bis zum 31.12.2010 sowie einer atypischen Bedarfslage ist nicht ersichtlich. Die Höhe des Zuschlags nach § 24 SGB II i.d.F. ab dem 01.08.2006 (Gesetz vom 02.12.2006, BGBl. I 2742; a.F.) – 160,00 EUR – ist unter Beachtung der Begrenzung des Anspruchs in § 24 Abs. 3 Nr. 1 SGB II a. F. vom Beklagten zutreffend berechnet worden.
Die Beklagte ist nicht verpflichtet, im streitbefangenen Zeitraum die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 470,00 EUR mtl. zu übernehmen. Der Anspruch des Klägers auf Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II beläuft sich auf insgesamt 313,13 EUR bzw. ab dem 01.06.2008 auf 313,58 EUR, die sich aus angemessenen Unterkunftskosten von 298,05 mtl. EUR bzw. ab dem 01.06.2008 von 298,50 EUR mtl. (1) und Heizkosten von 15,08 EUR (2) zusammensetzen.
1. Die angemessenen Unterkunftskosten belaufen sich für die Zeit vom 01.03 bis 30.05.2008 auf 298,05 EUR mtl. (217,50 EUR + 80,55 EUR) bzw. für die Zeit vom 01.06. bis 31.07.2008 auf 298,50 EUR mtl. (217,50 EUR + 81,00 EUR) (a). Auf dem Wohnungsmarkt hat für den Kläger die konkrete Möglichkeit bestanden, eine als abstrakt angemessen eingestufte Wohnung anzumieten (b). Ein Umzug ist dem Kläger in den kommunalverfassungsrechtlichen Grenzen der Stadt F objektiv und subjektiv möglich gewesen (c). Der Kläger hat insofern auch keinen Bestandschutz genossen (d).
a. Die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft ist nach Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 13.04.2011 – B 14 AS 106/10 R = juris Rn 15) unter Zugrundelegung der sogenannten Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu ermitteln: Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu bestimmen. Alsdann ist der maßgebliche örtliche Vergleichsraum festzulegen. Im nächsten Schritt ist unter Berücksichtigung des angemessenen einfachen Wohnungsstandards festzustellen, welche Nettokaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche für die angemessene Wohnungsgröße auf dem Wohnungsmarkt des maßgeblichen Vergleichsraumes zu zahlen ist, um die nach der Produkttheorie angemessene Nettokaltmiete zu ermitteln. Zu der Nettokaltmiete sind noch die kalten Betriebskosten hinzuzurechnen.
Die vom Beklagte angesetzte Referenzmiete von 217,50 EUR ist nicht beanstanden. Die angemessene Wohnungsgröße beträgt für Alleinstehende in Nordrhein-Westfalen und damit auch in der Stadt F 45 qm (BSG Urteil vom 17.12.2009 – B 4 As 27/09 R = juris Rn 16ff). Als den maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum hat das Sozialgericht zutreffend das gesamte Stadtgebiet von F zugrundegelegt (vgl. BSG Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 R = juris Rn 18). Unter Zugrundelegung dieses räumlichen Vergleichsraums ist die Berechnung des Sozialgerichts zur Ermittlung des angemessenen Quadratmeterpreises auf Grund der Datenlage des Mietspiegels 2007 für die Stadt F, gültig ab dem 01.07.2007 nicht zu beanstanden.
Der qualifizierte Mietspiegel 2007 beruht zwar nicht wie der Mietspiegel 2005 (vgl. hierzu: BSG Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 R = juris Rn 28) auf einer Datenerhebung. Vielmehr handelt es sich um eine Fortschreibung des auf einer empirischen Datenerhebung beruhenden Mietspiegels 2005, wobei die ausgewiesenen Mietrichtwerte in den Mietspiegeln 2005 und 2007 identisch sind. Da die im qualifizierten Mietspiegel 2009 für die Stadt F, gültig ab dem 01.07.2009, ausgewiesenen Mietrichtwerte aber identisch mit denen des Mietspiegels 2005 sind, stellen die im Mietspiegel 2007 ausgewiesenen gleichlautenden Mietrichtwerte nach Auffassung des Senats eine brauchbare Datengrundlage dar, um den angemessenen abstrakten Quadratmeterpreis im Oktober 2008 zu ermitteln (vgl. Urteil vom 20.11.2010 – L 19 AS 29/09 – ). Denn der Mietspiegel 2009 beruht wie der Mietspiegel 2005 auf einer zeitlich begrenzten – von Mai bis Oktober 2009 durchgeführten Datenerhebung im gesamten Vergleichsraum – dem Stadtgebiet F -. Dabei sind Gegenstand der Beobachtung Mietwohnungen von 35 bis 150 qm gewesen und ausschließlich Nettokaltmieten erhoben worden. Die unterschiedlichsten Interessengruppen am Wohnungsmarkt der Stadt F sind an der Erstellung des Mietspiegels beteiligt gewesen und die Auswertung des Datenmaterials ist auf Grund objektiver statistischer Kriterien von der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses vorgenommen worden. Da sich die Mietrichtwerte in den Mietspiegeln 2005 und 2009, die jeweils auf Datenerhebungen beruhen, nicht geändert haben, ist auch von einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt in der Zeit vom 01.07.2007 bis zum 30.06.2009, die vom Mietspiegel 2007 erfasst wird, nicht auszugehen.
Unter Zugrundelegung der Datenlage des Mietspiegels 2007 ist die Ermittlung eines Quadratmeterpreises für einen Ein-Personen-Haushalt von 4,82 EUR im streitbefangenen Zeitraum als angemessen i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II durch das Sozialgericht nicht zu beanstanden. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen des Sozialgerichts (§ 153 Abs. 2 SGG). Die aus dem Mietspiegel abgeleitete Referenzmiete von 216,90 EUR (45 x 4,82 EUR) liegt unter der vom Beklagten angesetzten Referenzmiete von 217,50 EUR für einen Ein-Personen-Haushalt. Damit übersteigt die tatsächliche Grundmiete von 370,00 EUR die angemessene Miete von 217,50 EUR.
Ebenfalls übersteigen die tatsächlichen Betriebskosten von 84,92 EUR mtl. die angemessenen Betriebskosten von 80,55 EUR mtl. bzw. von 81,00 EUR mtl. ab dem 01.06.2008. Ausgehend von 84,92 EUR monatlicher Betriebskostenvorauszahlung beläuft sich beim Ansatz der angemessenen Größe von 45 qm (vgl. hierzu BSG Urteil vom 02.07.2009 – B 14 AS 33/08 R = juris Rn 32) der Quadratmeterpreis bei den Betriebskosten für die Wohnung des Klägers auf 1,89 EUR. Da die Stadt F im streitbefangenen Zeitraum über keinen örtlichen Betriebskostenspiegel verfügt hat, ist zur Ermittlung der abstrakt angemessenen Betriebskosten der im Mai/Juni 2007 veröffentlichte Betriebskostenspiegel des Deutschen Mieterbundes Nordrhein-Westfalen e.V. für Nordrhein-Westfalen 2006 bzw. für die Zeit ab Juni 2008 der am 05.05.2008 veröffentlichte Betriebskostenspiegel 2007 für Nordrhein-Westfalen heranzuziehen (vgl. zur Ermittlung der abstrakt angemessenen Betriebskosten: BSG Urteil vom 13.04.2011 – B 14 AS 106/10 R = juris Rn 27 m.w.N.). Nach Abzug der Kosten für Heizung und Warmwasser, die nicht zu den Kosten der Unterkunft i.S.v. § 22 Abs. 1 SGB II zählen, weist der Betriebskostenspiegel 2006 für Nordrhein-Westfalen einen Quadratmeterpreis von 1,79 EUR bzw. der Betriebskostenspiegel 2007 für Nordrhein-Westfalen von 1,80 EUR auf. Damit betragen die abstrakt angemessenen Betriebskosten im streitigen Zeitraum 80,55 EUR (45 x 1,79 EUR) bzw. ab dem 01.06.2008 auf 81,00 EUR (45 x 1,80 EUR).
Die abstrakt angemessenen Unterkunftskosten belaufen sich demnach für die Zeit vom 01.03. bis 30.05.2008 auf 298,05 EUR (217,50 EUR + 80,55 EUR) bzw. für die Zeit vom 01.06. bis 31.07.2008 auf 298,50 EUR (217,50 EUR + 81,00 EUR).
b. Für eine Referenzmiete von 217,50 EUR sind im streitbefangenen Zeitraum auf dem Wohnungsmarkt des gesamten Stadtgebietes von F Wohnungen konkret verfügbar gewesen. Die vom Beklagten im Verfahren vorlegten Ergebnisse der Wohnungsmarktbeobachtung, die auf einer Auswertung von Mietangeboten in Stadtteilzeitungen in 14-tägigem Abstand im Dezember 2007, Januar 2008 und März 2008 beruhen, belegen, dass im streitbefangenen Zeitraum wie auch im Zeitraum davor auf dem Wohnungsmarkt im gesamten Stadtgebiet von F Wohnungen mit einer Referenzmiete von 217,50 EUR konkret verfügbar gewesen sind.
c. Dem Kläger ist die Kostensenkung durch einen Umzug in einen anderen Stadtteil nach Ablauf der Sechs-Monatsfrist nach Zugang der Kostensenkungsaufforderung im Juli 2007 möglich und zumutbar gewesen. Es sind keine tatsächlichen oder rechtlichen Hinderungsgründe ersichtlich, die einem Wohnungswechsel des Klägers durch einen Umzug in einen anderen Stadtteil i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II entgegengestanden haben. In der Regel sind Kostensenkungsbemühungen einem Hilfebedürftigen zumutbar, da die Senkung der unangemessenen Unterkunftskosten zu den Obliegenheiten eines Hilfebedürftigen gehört (Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 22 Rdz. 55). Einem Umzug entgegenstehende Gründe, wie eine Behinderung, gesundheitliche Gründe, die Ausübung eines Umgangsrechts (vgl. hierzu BSG Urteil vom 13.04.2011 – B 14 AS 106/10 R = juris Rn 37m.w.N.) sind nicht ersichtlich. Die vom Kläger angeführten Gründe der affektiven Bindung an das Wohnumfeld und des Verlustes des sozialen Umfelds sind unbeachtlich (BSG Urteil vom 13.04.2011 – B 14 AS 106/10 R = juris Rn 38). Ebenso begründet der vom Kläger geltend gemachte Grund des Angewiesenseins seines Vaters auf eine Begleitperson auf Wegen außerhalb des Hauses keine subjektive Unzumutbarkeit des Umzugs. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf erstinstanzlichen Gründe (§ 153 Abs. 2 SGG).
d. Der in der Regel sechs Monate dauernde befristete Bestandsschutz im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II ist zu Beginn des streitbefangenen Zeitraums, am 01.03.2008 abgelaufen gewesen. Mit Schreiben vom 22.08.2007 ist der Kläger über die Unangemessenheit der Grundmiete ohne Betriebs-, Neben- und Heizkosten belehrt und vom Beklagten zur Kostensenkung aufgefordert worden. Durch das Schreiben ist der Kläger in die Lage versetzt worden, Maßnahmen der Kostensenkung zu ergreifen. Der Inhalt des Kostensenkungsaufforderungsschreibens ist nicht zu beanstanden. Der Hinweis über die unangemessenen Mietkosten hat allein Aufklärungs- und Warnfunktion, damit der Hilfebedürftige Klarheit über die aus Sicht des Leistungsträgers angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft und ggf. die Heizung und einen Hinweis auf die Rechtslage erhält. Es genügt die Angabe des aus der Sicht des Leistungsträgers als angemessen angesehenen Mietpreises (BSG Urteil vom 01.06.2010 – B 4 AS 78/09 R = juris Rn 15 m.w.N.). Eine solche Angabe ist vorliegend erfolgt.
2. Der Beklagte hat die tatsächlichen Heizkostenvorauszahlungen in Höhe von 15,08 EUR übernommen. Die tatsächlich angefallenen Heizkosten sind auch im streitigen Zeitraum in gesamter Höhe zu übernehmen. Unabhängig davon, ob Anhaltspunkte für ihre Unangemessenheit bestehen, sind die tatsächlichen Heizkosten vorliegend in entsprechender Anwendung von § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II zu übernehmen, da eine Kostensenkungsaufforderung hinsichtlich der Heizkosten vom Beklagten nicht erteilt worden ist (vgl. BSG Urteil vom 24.11.2011 – B 14 AS 121/10 R = juris Rn 18). Ein Abzug wegen Warmwassererzeugung über die Heizung ist nicht vorzunehmen, da das Warmwasser dezentral über Durchlauferhitzer erzeugt wird.
Demnach beläuft sich der Anspruch des Klägers auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.03. 2008 bis 31.05.2008 auf insgesamt 820,13 EUR mtl. (347,00 EUR + 160,00 EUR + 313,13 EUR), gerundet auf 820,00 EUR nach § 41 Abs. 2 SGB II i.d.F. bis zum 31.03.2011 (a.F.). Zum 01.06.2008 erhöht sich der Leistungsanspruch auf 820,58 EUR (347,00 EUR + 160,00 EUR + 313,13 EUR), gerundet auf 821,00 EUR nach § 41 Abs. 2 SGB II a.F., und ab dem 01.07.2008 auf 824,58 EUR mtl. (351,00 EUR + 160,00 EUR + 313,13 EUR), gerundet auf 825,00 EUR nach § 41 Abs. 2 SGB II a.F … Der Beklagte hat dem Kläger in der Zeit vom 01.03 bis 30.06.2008 Leistungen in Höhe von 824,50 EUR mtl. sowie ab dem 01.07.2008 in Höhe von 828,50 EUR bewilligt.
II. Soweit der Kläger im Klageantrag zu 2) neben seinem Leistungsanspruch die Feststellung begehrt, dass die ihm erteilte Kostensenkungsaufforderung unwirksam ist, ist die Klage, bei der es sich um eine Feststellungsklage nach § 55 Nr. 1 SGG handelt, unzulässig. Zwar kann nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden. Zwingende Prozessvoraussetzung für eine solche Feststellungsklage ist aber das Interesse des Klägers an der alsbaldigen Feststellung. Ein solches Feststellungsinteresse ist vorliegend nicht gegeben, weil das Rechtsverhältnis, dessen Feststellung begehrt wird, nämlich die fehlende Berechtigung des Beklagten zur Vornahme einer Absenkung der Unterkunftskosten wegen einer unwirksamen Kostensenkungsaufforderung, bereits Gegenstand der gleichzeitig anhängigen Leistungsklage ist, so dass über dieses Rechtsverhältnis im Rahmen dieser Leistungsklage entschieden wird (vgl. zur Subsidiarität der Feststellungsklage: BSG Urteil vom 25.04.1984 – 8 RK 30/83 = juris Rn 9; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 55 Rn 19f m.w.N.).
III. Der Klageantrag zu 3), gerichtet auf die Feststellung der Angemessenheit der tatsächlichen Unterkunftskosten des Klägers ist ebenfalls unzulässig, da dieser Antrag gegenüber dem Klageantrag zu 1) subsidiär ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 55 Rn 19f).
IV. Der Senat legt den Klageantrag zu 4), den Beklagten zu verurteilen, den nachzuzahlenden Betrag zuzüglich Zinsen in gesetzlicher Höhe zu zahlen, dahingehend aus, dass der Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Verzinsung des sich aus seinem Klageantrag zu 1) ergebenden Nachzahlungsbetrages begehrt. Dieses Begehren ist unstatthaft. Eine Verpflichtung des Beklagten zur Verzinsung eines Nachzahlungsbetrages kann sich allenfalls aus § 44 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) ergeben, da im sozialgerichtlichen Verfahren keine Prozesszinsen entsprechend § 291 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verfahren betreffend Sozialleistungsansprüche anfallen (vgl. BSG Urteil vom 13.07.2010 – B 8 SO 10/10 R = juris Rn 12 m.w.N.). Eine Entscheidung des Beklagten über einen Zinsanspruch des Klägers nach § 44 SGB I ist bislang nicht ergangen. Damit ist die Klage als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 2 und 4 SGG wegen des Fehlens eines Verwaltungsaktes unzulässig. Der Kläger kann sein Begehren auch nicht in Form einer Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG verfolgen, da zwischen ihm und dem Beklagten hinsichtlich des Zinsanspruchs aus § 44 SGB I kein Gleichordnungsverhältnis besteht.
V. Soweit der Kläger im Klageantrag zu 5) die konkrete Bezifferung des sich aus dem Klageantrag zu 1) ergebenden Nachzahlungsbetrags einschließlich Zinsen begehrt, ist die Leistungsklage wegen Fehlens eines Rechtschutzbedürfnisses unzulässig. Im Fall der Stattgabe einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 2 und Abs. 4 SGG ergibt sich in einem Höhenstreit – wie im vorliegenden Fall – die Höhe der nachzahlenden Leistungen aus dem Tenor der Entscheidung. Des Weiteren ist die Klage auf Bezifferung der Zinsen unstatthaft, weil schon die Klage auf Verzinsung unzulässig ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Erstellt am: 03.04.2012
Zuletzt verändert am: 03.04.2012