Die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet sofern der Kläger der Beklagten bis zum 18.05.2009 eine Sicherheit in Höhe von 126.000,00 EUR durch selbstschuldnerische Bürgschaft stellt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Gründe:
Der statthafte und im Übrigen zulässige Antrag ist im tenorierten Umfang begründet.
Rechtsgrundlage für die begehrte einstweilige Regelung ist § 86b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn nach § 85 Abs. 4 Satz 9 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) hat die Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie ihre Änderung oder Aufhebung keine aufschiebende Wirkung. Dasselbe gilt – wie hier – für Bescheide der Honorarrückforderung (LSG NRW, Beschluss vom 15.01.2003 – L 10 B 22/02 KA ER – in MedR 2003, 598 = GesR 2003, 115 f.; Steinhilper in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2. Auflage, 2006, § 17 Rdn. 51; a.A. Dahm MedR 2004, 253, 254).
1. Grundvoraussetzung für den Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung ist ein Rechtsschutzbedürfnis. Zwar ist die Zulässigkeit der Antragstellung nicht an ein irgendwie geartetes Vorverfahren geknüpft. Indessen gilt auch hier, dass im Interesse der Entlastung der Gerichte das Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen ist, wenn der Beteiligte sein Begehren erkennbar auch außergerichtlich durchsetzen kann oder der Versuch, eine Aussetzung durch die Behörde zu erreichen, nicht von vornherein aussichtslos erscheint (vgl. Düring in: Jansen, SGG. 3. Auflage, 2009, § 86b Rdn. 3). Ein solcher Antrag wäre auch noch nach Klageerbebung zulässig, denn ab diesem Zeitpunkt können sowohl die Verwaltung als auch das Gericht die sofortige Vollziehung anordnen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG. 9. Auflage, § 86a Rdn. 21). Dieser Ansatz wiederum ist dahin einzuschränken, dass zwar beide Stellen zuständig sind, indessen die sofortige Vollziehung zunächst bei der Verwaltung zu beantragen ist. Erst wenn ein solcher Antrag erkennbar aussichtslos ist, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Entscheidung des Gerichts. Der gegenteiligen Entscheidung des BSG vom 17.01.2007 – B 6 KA 4/07 R – folgt der Senat nicht. Zwar führt das BSG aus, dass § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG im Gegensatz zu § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gerade nicht voraussetze, dass sich der Antragsteller zunächst an die Verwaltung wenden muss, um eine Entscheidung der zuständigen Behörde über die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG zu erhalten. Das trifft zwar zu, greift indessen zu kurz. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass § 80 Abs. 6 VwGO das allgemeine Rechtschutzbedürfnis lediglich normativ konkretisiert. Hieraus lässt sich nicht schlussfolgern, dass für das SGG Abweichendes gilt. Das Rechtsschutzbedürfnis ist Grundvoraussetzung dafür, dass ein Gericht sich in der Sache mit dem angetragenen Rechtsstreit befasst, denn jede Rechtsverfolgung setzt ein Rechtsschutzbedürfnis voraus (vgl. Keller, a.a.O., vor § 51 Rdn. 16; vgl. auch Jung in: Jansen, SGG, 3. Auflage, 2009, § 51 Rdn. 8 f.), mithin ist ein Antrag nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG vorrangig.
Vorliegend ist das Rechtsschutzinteresse im Ergebnis zu bejahen. Zwar hatte der Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung (Schriftsatz vom 20.02.2009) keinen Antrag nach § 86a Abs. 3 Satz 1 SGG gestellt. Ob und inwieweit der Kläger einen solchen Antrag auf den Hinweis des Senats vom 02.03.2009 nachgeholt hat, lässt sich seinem Vorbringen nicht hinreichend sicher entnehmen. Zwar verweist er darauf, einen solchen Antrag gestellt zu haben (Schriftsatz vom 11.03.2009). Indessen ist ein solcher Antrag dem Senat nicht vorgelegt worden. Letztlich kann dies dahin stehen, denn dem Schreiben der Beklagten vom 08.03.2009 ist zu entnehmen, dass sie die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Sofortvollzugs nach § 86a Abs. 3 Satz 1 SGG nicht als gegeben ansieht.
2. Nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht entscheidet nach Ermessen aufgrund einer Interessenabwägung. Bei den Entscheidungen nach § 86b Abs. 1 SGG hat eine Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen stattzufinden. Dabei steht eine Prüfung der Erfolgsaussichten zunächst im Vordergrund. Auch wenn das Gesetz keine materiellen Kriterien für die Entscheidung nennt, kann als Richtschnur für die Entscheidung davon ausgegangen werden, dass das Gericht dann die aufschiebende Wirkung wiederherstellt, wenn der angefochtene Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig ist und der Betroffene durch ihn in subjektiven Rechten verletzt wird. Umgekehrt besteht am Vollzug eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes kein öffentliches Interesse (Düring in: Jansen, § 86b Rdn. 11). Sind die Erfolgsaussichten nicht offensichtlich, müssen die für und gegen eine sofortige Vollziehung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen werden. Dabei ist die Regelung des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu beachten, dass in den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG die Vollziehung ausgesetzt werden soll, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Auch über diese ausdrückliche Regelung hinaus ist das aus den Regelungen des § 86a SGG hervorgehende gesetzliche Regel-Ausnahmeverhältnis zu beachten: In den Fallgruppen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGG ist wesentlich, dass der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine davon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen (BVerfG, Beschluss vom 10.10.2003 – 1 BvR 2025/03 – zu § 80 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)). In den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG haben Widerspruch und Klage hingegen grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Für die sofortige Vollziehung ist ein öffentliches Vollzugsinteresse oder ein überwiegendes Interesse eines Beteiligten erforderlich. Nur dann wird (ausnahmsweise) die sofortige Vollziehung angeordnet. Das Gericht hat insbesondere zu berücksichtigen, wie schwerwiegend die Beeinträchtigung durch die aufschiebende Wirkung gerade im grundrechtsrelevanten Bereich ist. Bei Eingriffen in die Berufsfreiheit müssen die Gründe für den Sofortvollzug in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Eingriffs stehen und ein Zuwarten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptverfahrens ausschließen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 28.08.2007 – 1 BvR 2157/07 -; 11.02.2005 – 1 BvR 276/05 -; BVerfG, NJW 2003 S. 3618, 3619; vgl. auch Düring a.a.O. ; Senatsbeschluss vom 19.03.2009 – L 11 B 20/08 KA ER -).
Hiernach ergibt sich:
Wie in den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 bis 3 SGG hat der Gesetzgeber mit der Regelung des § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 85 Abs. 4 Satz 9 SGB V zum Ausdruck gebracht, dass das Vollziehungsinteresse grundsätzlich vorrangig ist. Hiernach kann ausgesetzt werden, wenn der angefochtene Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig ist und der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt wird (Keller a.a.O., § 86b Rdn. 12f.). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung vermag sich der Senat nicht die Überzeugung davon zu verschaffen, dass die angefochtene Entscheidung der Beklagten offenbar rechtswidrig ist. Hierzu ist in entsprechender Anwendung des § 153 Abs. 2 SGG auf das Urteil des SG zu verweisen. Das Berufungsvorbringen führt zu keiner anderen Einschätzung. Mit dem Vorbringen, der angefochtene Bescheid sei bereits formell rechtswidrig, hat sich das SG auseinandergesetzt. Ob und inwieweit der Vortrag des Klägers rechtserheblich ist, dass der am Zustandekommen des angefochtenen Bescheides mitwirkende Dr. Romberg befangen ist, mag dahinstehen. Sollte es hierauf ankommen, bedarf es insoweit weiterer Sachaufklärung. Die Behauptungen des Klägers im Schriftsatz vom 12.02.2003 reichen hierzu nicht aus. Nach summarischer Prüfung kann sich der Senat gleichermaßen nicht die Überzeugung davon verschaffen, dass die angefochtenen Bescheide offensichtlich materiell rechtswidrig sind. Zutreffend verweist der Kläger zwar darauf, dass das SG keine Feststellungen zur Frage getroffen hat, ob und inwieweit er die Unrichtigkeit der Abrechnung zumindest grob fahrlässig verursacht hat. Das führt indessen nicht weiter. Das BSG folgert aus der Funktion der Sammelerklärung, dass die Garantiefunktion dann entfällt, wenn sich (auch nur in einzelnen Fällen) deren Unrichtigkeit herausstellt, es sei denn, es handelt sich um ein schlichtes Versehen (vgl. Steinhilper, a.a.O. § 17 Rdn. 10 unter Bezugnahme auf BSG SozR 3-55550 § 35 Nr. 1). Können die angemeldeten Leistungen nicht oder nicht nach den Leistungslegenden des EBM erbracht worden sein (Falschabrechnung), ist die Abrechnung in vorgenanntem Sinn unrichtig und dann sachlich-rechnerisch von der KV zu korrigieren. Die Vierteljahres-Erklärung verliert dann ihren Erklärungswert (Steinhilper a.a.O. Rdn. 38). Ausgehend hiervon führen die Angriffe des Klägers gegen die sozialgerichtliche Entscheidung jedenfalls derzeit zu Bewertung, dass die Berufung nicht offenkundig aussichtslos ist. Der Kläger weist auf eine Vielzahl von rechtlichen Fragestellungen hin, denen im Berufungsverfahren vertiefend nach zu gehen ist. Ungeachtet dessen ist der angefochtene Bescheid nicht offenkundig rechtwidrig. Die Ausführungen des SG (S. 6-8 des Urteils) legen es nach derzeitiger Bewertung der Sach- und Rechtslage trotz des Berufungsvorbringens eher nahe, dass der Kläger falsch abgerechnet hat. Ist sonach der angefochtene Bescheid nicht offensichtlich rechtswidrig, kann insoweit nicht ausgesetzt werden. Zwar ist der angefochtene Beschluss des Beklagten sonach nicht offensichtlich rechtswidrig, im Übrigen sind die Erfolgsaussichten indessen eher schwer abzuschätzen. Das Vorbringen des Klägers wirft eine Reihe von noch zu beantwortenden Rechtsfragen auf. Deren Klärung bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Sind die Erfolgsaussichten nicht offensichtlich, müssen die für und gegen eine sofortige Vollziehung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen werden. Interessengesichtspunkte für die Abwägungsentscheidung sind insoweit die wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten, insbesondere eine unbillige Härte, eine Grundrechtsrelevanz und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (z.B. Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz). Die Abwägungskriterien des § 86b Abs. 2 können herangezogen werden (Keller, a.a.O., § 86b Rdn. 12g; Düring, a.a.O., § 86b Rdn. 11 ff.). In Anwendung dieser Gesichtspunkte gelangt der Senat zur Überzeugung, dass eine Aussetzung der sofortigen Vollziehung nur gegen Sicherheitsleistung in Betracht kommt. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis des § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 95 Abs. 4 Satz 9 SGB V spricht grundsätzlich für den Vollzug. Hierfür sprechen auch die eher schwer einzuschätzenden Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens. Andererseits berücksichtigt der Senat sowohl die Verfahrensdauer als auch Zeiten des Nichttätigseins zugunsten des Klägers. Der Gesundheitszustand des Klägers ist insoweit irrelevant. Gegen einen Aufschub spricht, dass die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung ein besonders hohes Rechtsgut ist. Dieser widerstreitenden Interessenlage ist Rechnung zu tragen, indem der Vollzug des angefochtenen Bescheides gegen Sicherheitsleistung einzustellen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Sie berücksichtigt, dass der Kläger schon durch eine im Verwaltungsverfahren mittels einer der Beklagten zu stellenden Sicherheitsleistung in Höhe von 126.000,00 EUR hätte Aufschub erlangen können.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 27.10.2010
Zuletzt verändert am: 27.10.2010