Auf die Gegenvorstellung des Erinnerungsführers wird der Beschluss vom 03.06.2015 abgeändert. Die Kostenrechnung vom 22.01.2014 wird aufgehoben.
Gründe:
I.
Mit Kostenrechnung vom 22.01.2014 ist der Erinnerungsführer zu 17/20 für die Verfahrensgebühr im Verfahren L 11 KA 72/08 in Anspruch genommen worden. Hiergegen legte der Erinnerungsführer am 23.05.2014 Erinnerung ein mit dem Vortrag, das Rubrum des zugrundeliegenden Urteils sei falsch. Kläger sei nicht die Gemeinschaftspraxis gewesen, sondern deren Gesellschafter. Die Berufung sei allein durch Dr. C im eigenen Namen eingelegt worden. Die Erinnerung ist mit Beschluss vom 03.06.2015 zurückgewiesen worden mit der Begründung, dass eine Erinnerung nur auf die Verletzung des Kostenrechts, nicht aber auf angebliche Fehler der zugrundeliegenden Kostengrundentscheidung gestützt werden könne.
Hiergegen hat der Kläger am 07.07.2015 "Rechtsbeschwerde" eingelegt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, er habe am 14.03.2007 mit Dr. O eine neue Gemeinschaftspraxis gegründet und am 01.07.2007 das ihm von Dr. C an der Praxiseinrichtung übertragene Miteigentum in die neue Gemeinschaftspraxis eingebracht. Die Gemeinschaftspraxis Dres. C und O sei aufgelöst und nicht mit ihm fortgesetzt worden. Er sei daher nicht Kostenschuldner geworden.
II.
Der Beschluss vom 03.06.2015 ist unanfechtbar. Das Rechtsinstitut der "Rechtsbeschwerde" gibt es im Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht. Der Senat wertet das Schreiben vom 07.07.2015 jedoch als Gegenvorstellung.
Bei der Gegenvorstellung handelt es sich um einen außergesetzlichen Rechtsbehelf, der auf die Überprüfung ergangener gerichtlicher Entscheidungen durch dieselbe Instanz und denselben Spruchkörper zielt, der sie erlassen hat (BGH, Beschluss vom 09.11.2010 – IX ZA 46/10 -). Unabhängig von der Frage, ob die Gegenvorstellung auch nach Einführung der Anhörungsrüge durch Einfügung des § 178a in das SGG zum 01.01.2005 mit Anhörungsrügegesetz vom 09.12.2004 (BGBl. I, S. 3220) weiterhin generell zulässig ist (bejahend: BSG, Beschluss vom 25.02.2010 – B 11 AL 22/09 C – m.w.N.; zum Meinungsstand: Frehse in Jansen, SGG, 4. Auflage, 2012, § 178a Rdn. 6 ff), ist eine Gegenvorstellung jedenfalls ausnahmsweise in Fällen greifbarer und in der Sache nicht hinnehmbarer Gesetzeswidrigkeit statthaft.
So liegt es hier. Die angegriffene Entscheidung beruht auf einem eindeutigen Tatsachenirrtum, über den der Erinnerungsführer mangels Beteiligung am Gerichtsverfahren den Senat nicht vor Urteilsverkündung aufklären konnte (zur Statthaftigkeit der Gegenvorstellung bei eindeutigem Tatsachenirrtum: BSG, Beschluss vom 16.07.2003 – B 13 RJ 106/03 B -). Das Gericht ging sowohl im Urteil vom 29.02.2012 als auch bei Erlass der Kostenrechnung vom 22.01.2014 davon aus, dass Dr. C für die Praxisgemeinschaft Berufung eingelegt hatte. Ihm war nicht bekannt, dass die Praxisgemeinschaft bereits vor Einlegen der Berufung aufgelöst war und Dr. C nur im eigenen Namen und weder für die Praxisgemeinschaft noch für den Erinnerungsführer handelte und handeln konnte. Die Prozessbeteiligten haben den Senat – zum Nachteil des am Verfahren nicht beteiligten Erinnerungsführers – nicht über den Zeitpunkt des Ausscheidens von Dr. C aus der Gemeinschaftspraxis bzw. deren Auflösung aufgeklärt.
Unter Berücksichtigung des nunmehr bekannt gewordenen Sachverhalts ist die Erinnerung begründet. Da der Erinnerungsführer am Gerichtsverfahren nicht beteiligt war, kann er seine Zahlungspflicht auch im Erinnerungsverfahren überprüfen lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 30.04.1955 – VI ZR 19/54 -; BFH, Beschluss vom 04.07.1978 – VII E 9/77 -).
Zwar gilt eine Gemeinschaftspraxis – entgegen der Auffassung des Erinnerungsführers – ungeachtet der zivilrechtlichen Vereinbarungen zur Auseinandersetzung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts vertragsarztrechtlich selbst im Fall der Vollbeendigung als fortbestehend und bleibt bis zur Abwicklung ihrer Rechtsbeziehungen beteiligtenfähig i.S.d. § 70 Nr. 1 SGG. Die Gemeinschaftspraxis wird in vertragsarztrechtlicher Hinsicht als fortbestehend angesehen, solange sie noch Pflichten aus ihrem Status zu erfüllen hat oder ihr hieraus noch Rechte zustehen (BSG, Urteil vom 07.02.2007 – B 6 KA 6/06 R -; Senat, Urteil vom 13.02.2008 – L 11 KA 1/06 -). Ob der Erinnerungsführer – insbesondere aufgrund der Übernahme des Gesellschaftsanteils von Dr. C mit Vertrag vom 09.06.2007 – für die Verbindlichkeiten der Gemeinschaftspraxis Dres. C und O haftet (vgl. zum Gedanken der "Unternehmenskontinuität" BSG, Urteil vom 07.02.2007 a.a.O., Urteil vom 27.06.2007 – B 6 KA 27/06 R -; Senat, Urteil vom 13.02.2008 a.a.O.), kann jedoch dahinstehen. Denn die Gemeinschaftspraxis haftet nicht für die streitgegenständlichen Gerichtskosten. Dr. C war zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung am 14.07.2008 nicht mehr Mitglied der Gemeinschaftspraxis. Nach Auflösung der Gemeinschaftspraxis wird diese im Prozess grundsätzlich durch die nur noch gemeinschaftlich geschäftsführungsbefugten bisherigen Praxispartner vertreten, sofern nicht gegenüber dem Gericht eine abweichende Vereinbarung nachgewiesen wird. Mehrere nur gemeinschaftlich geschäftsführungs- und vertretungsbefugte Praxispartner müssen einen zur Vertretung der Gemeinschaftspraxis im gerichtlichen Verfahren bestellten Prozessbevollmächtigten auch gemeinsam bevollmächtigen (§ 73 Abs. 1 SGG; BSG, Urteil vom 07.02.2007 – B 6 KA 6/06 R -). Hier lag hingegen nur eine von Dr. C ausgestellte Prozessvollmacht vor. Dieser war nicht mehr geschäftsführungs- und vertretungsbefugter Geschäftsführer. Er konnte daher weder die Gemeinschaftspraxis noch den Erinnerungsführer vertreten. Seine Prozessführung ist auch nicht im Nachhinein von der Gemeinschaftspraxis bzw. deren Gesellschaftern genehmigt worden (§ 177 BGB).
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 18.11.2015
Zuletzt verändert am: 18.11.2015