Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die entstandenen außergerichtlichen Kosten des Beklagten.
Tatbestand:
Die Klägerin ist Diplom-Psychologin. Sie begehrt die bedarfsunabhängige Zulassung als Psychologische Psychotherapeutin. Streitig ist, ob sie im Zeitraum vom 25.06.1994 bis zum 24.06.1997 an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung teilgenommen hat.
Die Klägerin schloss das Studium der Psychologie 1994 als Diplom-Psychologin ab. Von April 1994 bis April 1997 war sie als Diplom-Psychologin in der Institutsambulanz und Tagesklinik der … beschäftigt. Das Ausbildungs- und Arbeitsverhältnis endete am … Schon seit dem … befand sie sich im Mutterschutz. Am … wurde ihr Sohn geboren … bescheinigte der Klägerin am … und sie habe im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Klinik in über 2.000 Stunden Patienten im Erwachsenenalter behandelt. Sie habe Einzeltherapien in Verhaltenstherapie im Delegationsverfahren durchgeführt. Die Delegation sei durch die ärztliche Leiterin der Institutsambulanz und die Abrechnung pro Schein sei über die Pauschale für nichtärztliche Leistungen erfolgt. Die Bezirksregierung … erteilte der Klägerin am … die Approbation als Psychologische Psychotherapeutin.
Mit Antrag vom … beantragte die Widerspruchsführerin beim Zulassungsausschuss für den Praxissitz in … die bedarfsunabhängige Zulassung gemäss § 95 Abs. 10 SGB V als Psychologische Psychotherapeutin
Im Februar … teilte die Klägerin dem Zulassungsausschuss mit, dass sie zusammen mit dem Diplompsychologen K … in H … E … -Straße eine Praxisgemeinschaft gründen wolle. Ein Mietvertrag über die Praxisräume wurde vorgelegt.
Der Zulassungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen für den Regierungsbezirk Arnsberg 11 lehnte mit Beschluss vom … den Antrag der Klägerin auf bedarfsunabhängige Zulassung als Psychologische Psychotherapeutin ab, weil die Klägerin im sog. Zeitfenster nicht an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung teilgenommen habe.
Gegen den Beschluss erhob die Klägerin fristgerecht Widerspruch, den der Beklagte mit Beschluss vom … zurückwies. Er führte zur Begründung aus:
Die Klägerin habe erst … begonnen, ihren beruflichen Mittelpunkt in H … aufzubauen. Die Vorbereitungen in der in seien noch nicht als schutzwürdiger Besitzstand zu bewerten. Die Geburt des Kindes könne nicht anspruchsbegründend berücksichtigt werden. Der Gesetzgeber habe in § 95 Abs.l l b SGB V derartige Fälle wie folgt geregelt: Für einen Psychotherapeuten, der in dem in Abs. 10 Satz l Nr. 3 genannten Zeitraum wegen der Betreuung und Erziehung eines Kindes in den ersten drei Lebensjahren keine Erwerbstätigkeit ausgeübt hat, wird der Beginn der Frist um die Zeit vorverlegt, die der Zeit der Kindererziehung in dem Dreijahreszeitraum entspricht.
Eine solche Vorverlegung sei hier nicht möglich, weil die Klägerin vor dem noch nicht in eigener Praxis psychotherapeutisch tätig gewesen sei. Ob der Berufungsausschuss die Regelung des Gesetzgebers betreffend die Erziehung und Betreuung eines Kindes als unzureichend ansehe und ob die gesetzgeberischen Vorgaben mit Art 6 Abs. 4 GG zu vereinbaren sei, bedürfe hier keiner Erörterung. Als Verwaltungsinstanz sei der Berufungsausschuss an das Gesetz gebunden, so dass es ihm nicht möglich wäre, eine mehr befriedigendere Lösung anzustreben.
Gegen den Beschluss, der am … zugestellt worden ist, hat die Klägerin am … Klage erhoben.
Sie trägt vor:
Sie habe bereits zu Beginn des Jahres selbständige Praxis in Kooperation mit ihrem Schwiegervater, Herrn Dr. C … K … geplant. Beabsichtigt sei eine Zusammenarbeit in Form einer Praxisgemeinschaft in dem Ärztehaus unter der Anschrift …, in der sich nunmehr auch ihre derzeitig Praxis befinde. Sie habe mündlich mit ihren Schwiegervater vereinbart, die Praxisräume unmittelbar nach Beendigung, ihrer Tätigkeit in der … zu übernehmen. Bis zum … sie dort im Rahmen ihrer Ausbildung in der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der gesetzlichen Versicherten in der Institutsambulanz und Tagesklinik der tätig gewesen. Sie habe in der … Patientenkontakte für den Betrieb der eigenen Praxis geknüpft. Bereits in dem so erworbenen Patientenstamm sei ein schutzwürdiger Besitzstand zu sehen.
Bei ihr bestehe zudem die Besonderheit, dass allein die Geburt ihres Kindes der Grund dafür gewesen sei, weshalb sie nicht bereits ab dem … in ihrer Praxis tätig werden konnte. Bei einer hypothetischen Betrachtungsweise hätte sie für den Fall, dass sie sich gegen die Geburt ihres Kindes entschieden hätte, ab dem … bei durchschnittlich 5 bis 7 Behandlungsfällen an 5 Werktagen bis zum … ca. 300 Therapiestunden abrechnen können.
Diese fiktive Möglichkeit müsse in einer verfassungskonformen Auslegung des § 95 Abs.10 S.l Z.3 SGB V berücksichtigt werden. Eine zu enge Auslegung des Begriffes "Teilnahme" in dieser Vorschrift würde aufgrund der zu eng gefassten Ausnahmevorschrift des § 95 Abs.l l b SGB V gegen den Schutzgedanken des Artikel 6 Abs.4 des Grundgesetzes verstoßen. Außerdem müsse bei der Auslegung das Europa-Recht und die Richtlinie 76/207/EWG zur Verwirklichung der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zuganges zu Beschäftigung, Berufsausbildung und zum beruflichen Aufstieg herangezogen werden. Danach müsste sie so gestellt werden, als hätte keine Schwangerschaft stattgefunden.
Die Klägerin beantragt,
den Beschluss des Beklagten vom … aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr eine bedarfsunabhängige Zulassung als psychologische Psychotherapeutin für den Praxissitz …, zu erteilen.
Der Beklagte beantragte
die Klage abzuweisen
Sie wiederholt die Argumente aus der Begründung des angefochtenen Beschlusses.
Die Beigeladenen schließen sich dem Antrag des Beigeladenen an.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Vortrages der Beteiligten zur Sach- und Rechtslage wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Beschluss des Beklagten vom … ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs.2 des Sozialgerichtsgesetzes.(SGG)
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine bedarfsunabhängige Zulassung als psychologische Psychotherapeutin gemäß § 95 Abs.10 des Sozialgesetzbuches V.(SGB V) Es fehlen die Voraussetzungen des § 95 Abs.10 Satz l Ziffer 3 SGB V. Die Klägerin hat nicht in dem dort festgelegten Zeitraum vom … bis zum … (Zeitfenster) an der psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten teilgenommen.
Unter dem Begriff der Teilnahme ist in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 11,8.2000 – Az. B 6 KA 52/00 R) die Tätigkeit eines Psychotherapeuten in niedergelassener Praxis für die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zu verstehen, wobei diese Tätigkeit im Zeitfenster einen bestimmten Mindestumfang erreicht haben muss.
Die Klägerin hat in dem sogenannten Zeitfenster keine Tätigkeit in eigener Praxis vorzuweisen. Ihre Ausbildung als klinische Psychotherapeutin war erst Ende März beendet. Am 15.4.1997 lief ihr Arbeits- und Ausbildungsvertrag mit der aus und bereits ab dem befand sich die Klägerin im Mutterschutz.
Bei diesem Ablauf ist auch der § 95 Abs. 11 b nicht auf den Fall der Klägerin nicht anwendbar. Diese Vorschrift re-gelt die Fälle, in denen die Psychotherapeuten wegen der Betreuung eines Kindes in der Zeit vom bis zum keine Erwerbstätigkeit ausüben konnten und damit auch nicht eigenständig für die Versicherten tätig sein konnten. Privilegiert werden sollen durch diese Vorschrift die Psychotherapeuten, die vor den Betreuungs- und Erziehungszeiten im Dreijahreszeitraum schon selbständigen Tätigkeitszeiten aufzuweisen hatten. Da die Klägerin bis zum in einem Arbeits- und Ausbildungsverhältnis gestanden hat und bis zum Ende des Zeitfensters am keine eigenständige Praxis betrieben hat, gehört sie nicht zu dem privilegierten Personenkreis.
Der Auffassung der Klägerin, dass eine verfassungskonforme Auslegung des § 95 Abs.10 ihren Anspruch begründe, vermochte das Gericht nicht zu folgen.
Eine verfassungskonforme Auslegung unter Beachfung des Art.6 Abs.4 Grundgesetz erscheint der Klägerin geboten, weil § 95 Abs.11 b nicht diejenigen Psychotherapeutinnen schützt, die ihre Kinder vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit in eigener Praxis geboren haben. Darin sieht sie einen Verstoß gegen den Verfassungsauftrag zum Schutz und zur Fürsorge für die Mütter. Diesen Auftrag sieht nur als erfüllt an, wenn die fiktive Betrachtung angestellt wird, wieviel Behandlungsstunden die Psychotherapeutin hätte abrechnen können, wenn sie sich gegen das Kind entschieden hätte.
Eine im Sinn der Verfassungskonformität erweiterte Auslegung des § 95 Abs.10 ist unter Berücksichtigung der vorgeschlagenen Fiktion ausgeschlossen. Die Verwendung der Fiktion widerspricht dem Normzweck des § 95 Abs.10 S.l Zif.3. Sie wendet sich damit gegen das Fundament der Vorschrift und erweitert sie nicht.
§ 95 Abs.10 S.l Z.3 ist als Härtefallregelung gedacht. Er soll aber nicht jede Härte ausgleichen, sondern mit der Wendung "teilgenommen haben" macht er den Härteausgleich vom dem Vorhandensein einer schützenswerten Substanz abhängig. Diese besieht aus einer selbständigen psychotherapeutischen Tätigkeit, die in einem bestimmten Umfang im Zeitfenster erbracht worden sein muss. Nur bei Vorhandensein eines solchen Besitzstandes läge eine Härte vor, die darin bestünde, dass ein Psychotherapeut, der sich schon eine
Existenzgrundlage geschaffen hatte, aufgrund einer bedarfsabhängigen Zulassung an einem anderen Ort neu anfangen müsste.(vergl. BSG a.a.O.). Nach Auffassung der Klägerin müsste statt der bestehenden Praxis als schützenswerte Substanz bereits die Verdienstchance, die ohne die Geburt des Kindes bestanden hätte, zur Grundlage der Prüfung nach § 95 Abs.10 S.l Z.3 gemacht werden. Aus dem Wortlaut und der Zweckrichtung dieser Vorschrift geht aber deutlich hervor, dass der Gesetzgeber das nicht gewollt hat.
§ 95 Abs.10 S.l Z.3 ist mit der geschilderten Zweckrichtung nicht verfassungswidrig und verstößt auch nicht gegen das Diskriminierungsverbot der Europa – Richtlinie 76/207/EWG.
Eine Diskriminierung der Psychotherapeutinnen mit Geburten vor Praxisgründung liegt schon deshalb nicht vor, weil ihnen das Zulassungsrecht den Weg in die selbständige Ausübung ihres Berufes nicht versperrt. Sie werden nur auf den Weg der bedarfsabhängigen Zulassung verwiesen. Das ist aber der Regelfall für die Zulassung von Ärzten und psychologischen Psychotherapeuten zur vertragsärztlichen Versorgung. Die oben beschriebene Gruppe der Psychotherapeutinnen wird daher bei der Verteilung der Praxissitze nicht schlechter behandelt als andere Bewerber.
Durch die Verweisung auf die bedarfsabhängige Zulassung können den Psychotherapeutinnen zwar Nachteile entstehen. Sehr häufig wird der zugeteilte Praxisort vom Wohnort entfernt liegen. Solche Nachteile reichen aber nach Auffassung des Gerichts nicht aus, um den Gesetzgeber zu einer Praxissitzzuteilung ohne Rücksicht auf den Bedarfsplan zu verpflichten, wie das bei der von der Klägerin begehrten bedarfsunabhängigen Zulassung der Fall ist. Artikel 6 Abs.4 GG verpflichtet zwar den Gesetzgeber zum Schutz und zur Fürsorge für die Mutter. Er enthält aber keine Entscheidung darüber im welchem Umfang in welcher Weise dieser vorzunehmen ist.(vergl. BVerfGE 11,105; 43,108). Dem Gesetzgeber steht deshalb ein Gestaltungsfreiraum zu, in dem er unterschiedliche Rechtsgüter und Wertvorstellungen abwägen kann. Bei der Zulassung von Psychotherapeuten war es die bedarfsgerechte und flächendeckende Versorgung der Versicherten mit psychotherapeutischen Leistungen, die abzuwägen war mit den Nachteilen, die für Psychotherapeutinnen entstanden, deren Kinder vor der Praxisgründung geboren worden waren. Da sich deren Nachteile nur mittelbar aus der Notwendigkeit einer bedarfsorientierten Zulassung ergeben und nur einen Teil der Mütter betreffen, liegt kein Verstoß gegen Art.6 Abs.4 GG vor. Nach durchgehender Auffassung der Rechtsprechung ist der Gesetzgeber durch die Verfassung nicht gehalten, jede mittelbare Auswirkung von Gesetzen nach dem Grundsatz des Mutterschutzes zu regeln (vergl. BVerwGE 91,134).Das muss erst recht gelten, wenn außer dem Mutterschutz noch andere Gemeinwohlinteressen bei der Normfindung zu berücksichtigen sind.
Aufgrund dieser Sach- und Rechtslage konnte dem Begehren der Klägerin nicht stattgegeben werden. Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Erstellt am: 21.08.2006
Zuletzt verändert am: 21.08.2006