Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.02.2007 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten besteht Streit über die Frage, in welchem Umfang die Beklagte dem Kläger Kosten zu erstatten hat, die durch seine anwaltliche Vertretung im Widerspruchsverfahren entstanden sind.
Der als Facharzt für Innere Medizin in F zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Kläger legte gegen die Honorarbescheide für die Quartale III/99, II/00 bis II/02 und IV/02 bis III/04 Widerspruch ein. Der Widerspruch richtete sich gegen die Begrenzung des maximal abrechenbaren Punktzahlvolumens (Individualbudget (IB)). Zur Begründung seines Widerspruchs ließ der Kläger durch seine mit Vollmacht vom 16.03.2005 beauftragten Vertreter vortragen, das ihm zugestandene IB liege unterhalb des durchschnittlichen Punktzahlengrenzwerts der Fachgruppe. Ausweislich seiner Praxiszahlen sei jedoch ersichtlich, dass sowohl die durchschnittliche Behandlungfallzahl als auch der durchschnittliche Leistungsbedarf pro Quartal kontinuierlich gestiegen sei. Im Hinblick auf die hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG) sei festzustellen, ob ein Anspruch auf eine höhere Wachstumsrate als 3 % zuzugestehen sei. Die Bevollmächtigten baten um eine zeitnahe Zurverfügungstellung der Berechnungen und eine Rückäußerung dahingehend, inwieweit kurzfristig eine Erledigung des Verfahrens durch Anpassung des IB s und entsprechende Nachvergütung erreicht werden könne.
Die Beklagte gab mit Bescheid vom 12.07.2005 unter Zurückweisung im Übrigen den Widersprüchen insoweit statt, als nach den Prüfungen der Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Honorarverteilungsvertrag (HVV) dem IB des Klägers jährlich ein erlaubter Zuwachs in Höhe von 10 % des durchschnittlichen Punktzahlengrenzwertes der Fach-/Untergruppe max. bis zum Fachgruppendurchschnitt zugeordnet und die aus Vorquartalen jährliche Zuordnung des erlaubten Zuwachses in der genannten Höhe der Abrechnung für die Quartale II/00 bis II/02 und IV/02 bis III/04 zu Grunde gelegt werde. Klage gegen diesen Bescheid wurde nicht erhoben.
Sodann liquidierten die Bevollmächtigten des Klägers mit Kostennote vom 26.09.2005 nach einem Gegenstandswert von 96.349,87 EUR Gebühren in Höhe von 4.420,99 EUR, die sich wie folgt zusammensetzten:
1,3fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG i.V.m. §§ 2, 13, 14 RVG 1.760,20 EUR
1,5fache Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV RVG i.V.m. §§ 2, 12, 14 RVG 2.031,00 EUR
Postentgeldpauschale nach Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme: 3.811,20 EUR
16 % MwSt. nach Nr. 7008 VV RVG 609,79 EUR
Gesamt: 4.420,99 EUR
Mit Bescheid vom 25.01.2006 gab die Beklagte dem Kostenerstattungsantrag in Höhe von 2.065,03 EUR statt. Darüber hinausgehenden Kosten würden nicht erstattet, weil die Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV RVG i.V.m. §§ 2, 12, 14 RVG mangels Ursächlichkeit der anwaltlichen Mitwirkung für die Erledigung des durchgeführten Widerspruchsverfahrens nicht liquidationsfähig sei.
Hiergegen richtete sich die am 24.02.2006 erhobene Klage. Objektive Voraussetzungen für die Entstehung der Erledigungsgebühr sei, dass sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledige. Diese Voraussetzungen lägen unstreitig vor. Es genüge ein Tätigwerden in Richtung auf den später erzielten Erfolg. Worin dieses Tätigwerden besteh e, sei – wie bei der Einigungsgebühr – unerheblich. Sie könne auch in einem Einwirken auf den Auftraggeber bestehen, sich mit einer Teilaufhebung zufrieden zu geben.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 25.01.2006 zu verurteilen, ihm die Kosten seiner anwaltlichen Vertretung auch hinsichtlich der Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV RVG i.V.m. §§ 2, 13, 14 RVG zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vertrat die Beklagte unter Hinweis auf eine Entscheidung des BSG vom 09.08.1995 (Az.: 9 RVs 7/94) die Auffassung, ein Tätigwerden des Bevollmächtigten über das normale Prozessmaß hinaus habe nicht vorgelegen.
Mit Gerichtsbescheid vom 22.02.2007 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben. Der Kostenerstattungsanspruch, der sich nach § 63 des Sozialgesetzbuches (SGB) X richte, sei zwischen den Beteiligten dem Grunde nach nicht streitig, denn die Beklagte habe Kosten in Höhe von 2.065,03 EUR erstattet. Der weitergehende Kostenerstattungsanspruch des Klägers ergebe sich aus Nr. 1002 VV RVG. Danach entstehe die Erledigungsgebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt habe. Die Erledigungsgebühr sei ihrem Karakter nach einer Erfolgsgebühr, denn sie setze zunächst voraus, dass der den Auftraggeber belastende Verwaltungsakt aufgehoben oder zu seinen Gunsten geändert worden sei. Diese Voraussetzungen lägen vor, denn die Beklagte habe unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG zu den Zuwachsmöglichkeiten für unterdurchschnittlich abrechnende Altpraxen, die diesbezüglichen Regelungen im Honorarverteilungsmaßstab bzw. Honorarverteilungsvertrag angepasst, dass IB des Klägers neu berechnet und ihm für die streitigen Quartale 192.699,74 EUR nachvergütet. Darüber hinaus sei auch die weitere Voraussetzung in Form der Erledigung der Rechtssache durch anwaltliche Mitwirkung gegeben. Unter anwaltlicher Mitwirkung sei mehr als bloße Kausalität zu verstehen. Verlangt werde eine besondere, nicht nur unwesentliche und gerade auf die außergerichtliche Erledigung gerichtete Tätigkeit des Anwalts. Eine solche Mitwirkung werde dann nicht angenommen, wenn der Rechtsanwalt an der Erledigung durch eine Tätigkeit nur in dem Umfang mitwirke, die nicht über das Hinaus gehe, was von ihm im Rahmen seiner Bevollmächtigung zu erwarten sei. Alleine eine Widerspruchsbegründung, auch wenn sie überzeugend sei, reiche für sich allein deshalb auch dann nicht aus, wenn die Behörde infolge der Begründung dem Widerspruch abhelfe. Erforderlich sei ein gezielt auf die einvernehmliche Beilegung des Streits gerichtetes Tätigwerden des Rechtsanwalts. Dieses Tätigwerden könne dabei auch in einer Einwirkung auf den Auftraggeber bestehen, sich mit einer Teilaufhebung zufrieden zu geben. Ein solches Tätigwerden sei vorliegend gegeben. Die Widerspruchsbegründung vom 15.03.2005 sei allein hierfür nicht ausreichend, auch wenn die Bevollmächtigten bereits auf die Möglichkeit einer endgültigen Erledigung ohne gerichtliche Beanspruchung hingewiesen hätten. Die Beklagte sei angesichts der Rechtsprechung des BSG und den von hier daraufhin geänderten HVM-Regelungen gehalten gewesen, in den noch offenen Widerspruchsverfahren auch von sich aus zu prüfen, ob die Voraussetzungen für einen Zuwachs nach §§ 7, 13 HVM gegeben und den Widersprüchen abzuhelfen gewesen sei. Das mitursächliche Tätigwerden sei hier vielmehr darin zu sehen, dass der Bevollmächtigte des Klägers auf diesen eingewirkt habe, mit dieser Teilabhilfe zu frieden zu geben und für den noch streitigen Teil nicht mehr den Klageweg zu beschreiten. Der Bevollmächtigte des Klägers habe unbestritten vorgetragen, sowohl schriftlich als auch telefonisch insoweit auf den Kläger eingewirkt zu haben. Nicht wesentlich seien hingegen die materiellen Erfolgsaussichten eines etwaigen Klageverfahrens angesichts der Rechtsprechung des BSG. Auch wenn die Beratung des Rechtsanwalts hinsichtlich der Erfolgsaussichten eines Klageverfahrens sicher zu den Grundpflichten eines Auftrags gehöre, spreche das vorliegend nicht gegen das Entstehen der Erledigungsgebühr. Unter Einbeziehung der Teilabhilfe und dem damit einhergehenden Teilerfolg habe die Tätigkeit des Bevollmächtigten dazu geführt, dass sich die Rechtssache ohne Inanspruchnahme der Gerichte vollständig erledigt habe. Für dieses Bemühen sei die Erledigugnsgebühr nach Nr. 1002 VV RVG anzusetzen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten vom 29.03.2007. Die Entstehung der Erledigungsgebühr setze voraus, dass sich die Sache durch die anwaltliche Mitwirkung erledige. Unter anwaltlicher Mitwirkung sei mehr als bloße Kausalität zu verstehen, verlangt werde eine besondere nicht nur unwesentliche und grade auf die außergerichtliche Einigung gerichtete Tätigkeit des Anwalts. Eine solche Mitwirkung sei vorliegend nicht gegeben, denn der Bevollmächtigte des Klägers habe nicht mehr getan, als das was von ihm im allgemeinen Rahmen seiner Bevollmächtigung zu erwarten sei. Der Kläger habe sich gegen die IB-Budgetierung gewandt, seinem Begehren sei mit Bescheid vom 12.07.2005 stattgegeben worden. Ein darüber hinausgehendes Begehren habe nicht bestanden, so dass auch kein Fall nur der Teilabhilfe vorliege.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.02.2007 die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.02.2007 zurückzuweisen.
Die Voraussetzungen der Nr. 1002 VV RVG seien gegeben. Nach der Rechtsprechung des BSG setze die Erledigungsgebühr voraus, dass die anwaltliche Mitwirkung kausal für die Erledigung der Rechtssache gewesen sei. Voraussetzung sei insoweit ein besonderes Bemühen um eine Einigung, sei es auch nur durch Einwirkung auf den Mandanten oder die Behörde. Die Beklagte könne sich nicht der Tatsache entziehen, dass sie dem Begehren des Klägers nur im Rahmen einer Teilabhilfe nachgekommen und insofern eine Beschwer verblieben sei. Gerade das Bemühen gegen die bestehende Teilabhilfe keine Klage zu erheben und den Kläger zu überzeugen, von einem Verfahren abzusehen, werde durch die Erledigungsgebühr honoriert.
Der Senat hat die zwischen dem Kläger und seinem Bevollmächtigten nach Erlass des Widerspruchsbescheides geführte Korrespondenz sowie zwei vom Kläger an die Beklagte gerichtete Schreiben beigezogen. Auf den Inhalt der Schriftsätze des Bevollmächtigten des Klägers vom 21.07.2005 und 09.08.2005 sowie der Schreiben vom 09.08.2002 und 07.02.2005 wird verwiesen.
Wegen der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und dem Verwaltungvorgang der Beklagten sowie auf den Vortrag der Beteiligten im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht den Bescheid vom 25.01.2006 abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 2.355,96 EUR zu zahlen, da der Kläger Anspruch auch auf Erstattung der nach Nr. 1002 VV RVG angefallenen Erledigungsgebühr hat.
Hierzu verweist der Senat zunächst auf die zutreffenden und ausführlichen Gründe des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.02.2007, die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).
Darüber hinaus weist der Senat klarstellend und ergänzend auf Folgendes hin: Das BSG hat am 07.11.2006 in mehreren Verfahren (Az. B 1 KR 23/06 R, B 1 KR 22/06 R und B 1 KR 13/06 R) entschieden, dass ein Rechtsanwalt für die Mitwirkung an der Erledigung eines isolierten Vorverfahrens durch Abhilfebescheid dann eine Erledigungsgebühr verlangen kann, wenn er eine über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende besondere Tätigkeit entfaltet hat. Eine solche qualifizierte erledigungsgerichtete Mitwirkung, die über das Maß desjenigen hinausgehe, dass schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren abgegolten werde, erfordere auch die Regelungssystematik, der Sinn und Zweck der Regelung sowie die Entstehungsgeschichte der Nr. 1002 VV RVG.
Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich vorliegend bei dem Tätigwerden des klägerischen Prozessbevollmächtigten um ein qualifiziertes erledigungsgerichtetes Tätigwerden als Mitwirkung im Sinne des genannten Gebührentatbestandes, denn es ist, wie bei der allgemeinen Tätigkeit nicht nur auf Verfahrensförderung ausgerichtet, sondern stellt eine besondere Mitwirkung im Hinblick auf die Verfahrenserledigung dar. Das ergibt sich aus der Tatsache, dass die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid vom 12.07.2005 durch die Formulierung "den Widersprüchen … wird unter Zurückweisung im Übrigen insoweit stattgegeben …" den Rechtsschein einer noch vorhandenen Beschwer gesetzt hat. Anders als bei einer eindeutig formulierten voll umfänglichen Abhilfe war hier die Situation zu klären, worin die Beschwer des Klägers liegt und bei festgestellter Beschwer ggf. die Erfolgsaussichten eines Klageverfahrens zu prüfen. Bei dieser Sachlage kann ein Tätigwerden des Rechtsanwalts, welches zeitlich nach Erlass des Widerspruchsbescheides liegt und auf Überprüfung desselben ausgerichtet ist, schon aus diesem Grunde nicht abgegolten sein, mit der üblichen anwaltlichen Tätigkeit, die im Wesentlichen vor Erlass des Widerspruchsbescheides liegt. Dem steht nicht entgegen, dass die Mitwirkungshandlung durchaus auch vor Erlass des Widerspruchsbescheides liegen kann (vgl. hierzu Müller/ Raabe in Gerold/Schmidt, Kommentar zum RVG, 18. Auflage 2008, Nr. 1002 VV Anm. 33).
Ungeachtet dieser zeitlichen Zesur ist allein entscheidend, dass die Mitwirkungshandlung nur vor der Erledigung der Rechtssache, also des Rechtsbehelfsverfahrens beim Gericht oder der Widerspruchsbehörde liegt (vgl. hierzu Müller/Raabe, a.a.O. Anm. 36). Diese Voraussetzung ist gegeben, da es nicht zu einer Klageerhebung gekommen ist. Aus der Tatsache, dass der Kläger letztlich keine Klage gegen den Bescheid vom 12.07.2005 erhoben hat, ergibt sich für den Senat auch die weitere Voraussetzung, dass der Bevollmächtigte auf den Kläger eingewirkt hat und es dadurch zu einer Beendigung des Verfahrens gekommen ist. Dies wird insbesondere gestützt durch den Inhalt des Schriftsatzes vom 09.08.2005, in dem der Bevollmächtigte des Klägers diesem mitteilt, die zwischenzeitlich erfolgte Neuberechnung des IB s entspreche demjenigen aus zahlreichen weiter betreuten Verfahren und setzte die Wachstumsregelung des § 13 HVM um, so dass eine Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 12.07.2005 wenig Sinn mache. Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch dann nicht, wenn man mit der Beklagten die Auffassung vertritt, entgegen seiner Formulierung stelle der Widerspruchsbescheid vom 12.07.2005 eine voll umfängliche Abhilfe dar. Ungeachtet der Tatsache, dass es im Rahmen der Mitwirkung nicht auf deren Schwierigkeit, Umfang oder Qualität, sondern allein auf deren Erfolg ankommt, war bei dieser Annahme erst Recht eine qualifizierte Mitwirkung des klägerischen Bevollmächtigten erforderlich, die darauf gerichtet war, entgegen dem durch die anders lautende Formulierung gesetzten Rechtsschein einer noch vorhandenen Beschwer, die sich dahinter verbergende Klaglosstellung herauszuarbeiten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 14.04.2009
Zuletzt verändert am: 14.04.2009