Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.04.2008 wird zurückgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgericht Düsseldorf vom 23.04.2008 abgeändert. Die Klage wird insoweit abgewiesen, als die Beklagte mit Bescheid vom 01.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2005 die Abrechnung der Ziffer 8451 auf 500 Ansätze je Quartal reduziert hat. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens zu 95 % und die Beklagte zu 5 %. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist eine Honorarrückforderung für die Quartale I/2002 bis II/2003.
Die Klägerin war eine Gemeinschaftspraxis, der in der Zeit vom 01.01.2001 bis 30.05.2007 die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Orthopäden Dres. C und O angehörten. Vom 01.03.2002 bis 04.11.2003 war der Orthopäde Dr. E mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden bei der Klägerin angestellt.
Dr. C, der in L zuvor in Einzelpraxis tätig gewesen war, nahm mit entsprechender Genehmigung seit 01.04.1997 und insofern ab 2001 als einziger Arzt in der Praxis der Klägerin an der Versorgung chronisch schmerzkranker Patienten gemäß der Vereinbarung über die ambulante Behandlung chronisch schmerzkranker Patienten (zuletzt auf der Grundlage der Schmerztherapievereinbarung; Anlage 12 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV- Ä); Fassung vom 01.07.1997) teil.
Nach Plausibilitätsprüfungen der Abrechnungen des damals noch in Einzelpraxis tätigen Gesellschafters der Klägerin Dr. C nahm die Beklagte für die Quartale IV/1999 bis IV/2001 Honorarkürzungen i.H.v. 608.973,56 EUR vor (Bescheid vom 16.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2005, der Gegenstand des Parallelverfahrens L 11 KA 73/08 war) und leitete nach weiteren Plausibilitätsprüfungen für die Folgequartale Zulassungsentziehungsverfahren gegen beide Gesellschafter der Klägerin ein. Die Beklagte warf den Ärzten eine ungewöhnlich hohe Abrechnungshäufigkeit für die Behandlung chronisch schmerzkranker Patienten sowie Implausibilitäten bei der Abrechnung diverser Gebührenziffern des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) in dem Zeitraum vor. In der Sitzung des Zulassungsausschusses für Ärzte Düsseldorf am 04.11.2003 wurde auszugsweise und insofern von den beiden Gesellschaftern der Klägerin unwidersprochen Folgendes protokolliert:
Als Anlage (zu den Entziehungsanträgen) werden 46 exemplarische Abrechnungsscheine von verschiedenen Pateinten aus den Quartalen IV/2002 und I/2003 beigefügt. ( …)
Auf die Frage, warum die Ziffer 17 EBM immer als erste Leistungsziffer im Quartal und warum diese bei jedem der 46 exemplarisch beigefügten Patienten über mehrere Quartale abgerechnet wird, antwortete (der Prozessbevollmächtigte von Dr. C) sinngemäß ´offenkundig ist an den Tagen 01.07. und 01.10.2002 ein Fehler passiert. Nach den Ursachen (wird) geforscht`. ( …) Die Ziffer 8450 findet bei ihm Anwendung, wenn ein Patient mit chronischen Schmerzen erscheinen würde oder wenn bei einem Patienten die Gefahr einer Chronifizierung seiner Schmerzsymptome bestehen würde. ( …)
(Der Vorsitzende des Zulassungsausschusses) beschreibt das Tagesprofil der Praxis am Beispiel des 01.07.2002. So würde die Praxis an diesem Tag ein Zeitprofil von ca. 56 Stunden aufweisen, ohne dass die zum Ansatz gebrachten Ziffern 8450 berücksichtigt wurden. Unterstellt man, dass der Zeitaufwand von 30 Minuten für die Erbringung der Leistung der Ziffer 8450 betragen würde, würden weitere 50 Stunden an diesem Tag mit einbezogen werden. Selbst bei einem Zeitaufwand von lediglich 15 Minuten, wären noch 26 Stunden, zu den genannten 56 Stunden hinzuzuziehen. (Von den Gesellschaftern der Klägerin) wird darauf hin erklärt (Zitat): " … Die Dinge, die hier extraordinär herausgestellt sind, werden nicht in Abrede gestellt … es sind Fehler gemacht worden …". Gründe für die Ursache werden nicht genannt. Allerdings wird herausgestellt, dass lediglich die Tage 01.07. und 01.10. fehlerhaft sind."
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll (Bl. 504 ff. der beigezogenen Strafakte des Landgerichts Düsseldorf 20 KLS 3/08) Bezug genommen.
In dem Verfahren S 17 KA 226/03 ER einigten sich die Beteiligten vor dem Senat am 19.01.2004 – L 11 B 54/03 KA ER – auf eine monatliche Abschlagszahlung ab 01.09.2003 von 65.000,00 EUR (anstelle bislang gezahlter 100.000,00 EUR). In der Folge erteilte die Beklagte Honorarbescheide, die allein die monatliche Akontozahlung aufwiesen (Bescheide vom 28.07.2004, 25.10.2004 und 25.01.2005 für die Quartale I bis III/2004). Die gegen diese Bescheide jeweils erhobenen Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.04.2005 zurück.
Dagegen hat sich zunächst die am 12.05.2005 erhobene Klage gerichtet, die die Klägerin unter dem 28.07.2005 auch gegen den auf die Abrechnung der Leistungen im Quartal IV/2004 erlassenen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid (Bescheid vom 25.04.2005, Widerspruchsbescheid vom 26.07.2005) erweitert hat.
Die Beklagte änderte ferner mit Bescheid vom 01.04.2004 die Honorarbescheide für die Quartale I/2002 bis einschließlich II/2003 ab und forderte einen Teil des ihrer Ansicht nach zu Unrecht gezahlten Honorars in Höhe von weiteren 738.562,87 EUR zurück. Sie beanstandete einen überhöhten Ansatz der Ziff. 17 (Beratung bei nachhaltig lebensverändernder oder lebensbedrohlicher Erkrankung mind. 10 min.), 18 (Zuschlag Gespräch mehr als 30 min.), 301 (Punktion eines Gelenkes), 801 (Basisdiagnostik, einmal im Behandlungsfall) und Ziff. 2460 (Kontraktur-Mobilisierung in Narkose) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) sowie in den Quartalen des Jahres 2002 den Ansatz der Ziff. 8450 (Anamnese und Therapieplanung) und 8451 (Behandlung) der Schmerztherapievereinbarung. Bezogen auf den Ansatz dieser beiden Ziffern für die Quartale I/2003 und II/2003 hatte die Beklagte zuvor bereits mit Bescheiden vom 15.09.2003 und 17.09.2003, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.04.2003 (u.a. Gegenstand des Parallelverfahrens L 11 KA 72/08) eine sachlich-rechnerische Richtigstellung vorgenommen.
Zur Begründung des Bescheides vom 01.04.2004 wies die Beklagte im Wesentlichen auf eine "nicht erklärliche" Frequenzentwicklung der Ziff. 8450, 8451 der Schmerztherapievereinbarung, insbesondere seit Eintritt von Dr. O in die Praxis der Klägerin, von den erstmaligen 395 bzw. 394 Ansätzen in II/1997 bis 1.986 bzw. 2.005 Ansätzen in I/2003 hin. Vor dem Hintergrund, dass allein Dr. C über eine entsprechende Genehmigung verfüge, sei dieser Anstieg nicht erklärlich. Ausweislich der Tagesprofile für insgesamt vier Quartale ergebe sich zudem eine tägliche Arbeitszeit, welche regelmäßig zwischen 30 und 50 Stunden bei drei Ärzten in der Praxis liege. Sie habe Höchstzeiten von 68,5 Stunden (01.04.2003), 58,9 Stunden (03.04.2003), 67,5 Stunden (07.04.2003) und 60 Stunden (08.04.2003) festgestellt. Die hieraus resultierenden täglichen Arbeitszeiten je Arzt zwischen 15 und 22 Stunden seien nicht leistbar. Die Ziff. 8450 und 8451 der Schmerztherapievereinbarung hätten in den geprüften Quartalen noch keiner zeitlichen Bewertung unterlegen, weswegen sie von den Tagesprofilen nicht erfasst würden. Der hierfür erforderliche nicht unerhebliche Zeitaufwand für Dr. C sei noch zusätzlich zu den genannten Stunden zu berücksichtigen. Ferner sei die Ziff. 8450 entgegen dem Wortlaut ihrer Leistungslegende in den 46 exemplarisch geprüften Einzelfällen mehrfach zum Ansatz gekommen. Eine EDV-Auswertung der abgerechneten Leistung nach Ziff. 8450 für die Quartale I/2002 bis II/2003 habe ergeben, dass diese bei 1.434 Patienten wiederholt mindestens zweimal, jedoch auch bis zu sechsmal abgerechnet worden sei. Ein wiederholter Ansatz sei zwar im Einzelfall möglich, jedoch müsse ein gänzlich neues Krankheitsbild und damit ein neuer Krankheitsfall vorliegen. Dieser Nachweis sei nicht geführt worden. Die 46 genannten Fälle belegten auch den schematischen Ansatz der Ziff. 17 und 801 EBM, die bei jedem Patienten sowohl im Quartal IV/2002 als auch I/2003 abgerechnet worden seien, in der weit überwiegenden Zahl der Fälle jeweils beim ersten Kontakt im Quartal. Unabhängig von den hohen Anforderungen der Leistungslegende der Ziff. 17 EBM, die an sich schon einen schematischen Ansatz verbiete, ließen die festgestellten Diagnosen nicht auf das Vorliegen einer (für die Abrechnung der Ziffer erforderlichen) lebensbedrohlichen oder nachhaltig lebensverändernden Erkrankung schließen. Eine Falschabrechnung belege auch die Einlassung von Dr. C im Zulassungsentziehungsverfahren, die Ziff. 17 EBM jeweils zu Beginn des Quartals einzugeben, um sie bei "späteren Vorstellungen des Patienten nicht zu vergessen". Auch sein Vortrag, den Inhalt der Leistungslegende zeitgleich mit anderen Leistungen, wie z.B. in Verbindung mit den Ziffern 301 bzw. 801 EBM sowie mit Röntgen- oder Akupunkturleistungen zu erbringen, belege, dass die Leistungsinhalte verkannt würden. Die Mindestzeiten müssten voll und allein für die therapeutische Leistung "Gespräch" erbracht werden. Entgegen der Ansicht des Klägers könne die Leistung nach Ziff. 2460 EBM nicht delegiert werden, um den ärztlichen Zeitaufwand zu reduzieren. Soweit Dr. C erklärt habe, die Ziff. 8450 der Schmerztherapievereinbarung auch anzusetzen, wenn nur die Gefahr einer Chronifizierung bestehe, stehe dies im Widerspruch zum eindeutigen Wortlaut der Vereinbarung, der verlange, dass der Patient bereits chronisch schmerzerkrankt sei. Bei der Neufestsetzung des Honorars stehe ihr ein Schätzungsermessen zu, infolge dessen sie die Ziff. 8450 auf 50 Ansätze und der Ziff. 8451 auf 500 Ansätze in den Quartalen I/2002 bis IV/2002 zurückführte. Die Abrechnung nach den Ziff. 17, 18, 301, 801 und 2460 EBM reduzierte sie im Ergebnis in den Quartalen III/2002, IV/2002 und II/2003 wegen fehlender Dokumentationen, Nichterfüllung und im Hinblick auf die zeitliche Erbringbarkeit jeweils auf den Durchschnitt der Fachgruppe. Die Kürzungen wirken sich in Eurobeträgen wie folgt aus:
Quartal -17,18,301, 801, 2460 – 8450 – 8451
I/ 2002 – 0* – 111.179,79 – 56.083,04
II/ 2002- 0* – 101.526,21 – 49.088,00
III/ 2002 – 2.353,87 – 130.486,85 – 75.350,08
IV/ 2002 – 3.583,00 – 134.413,83 – 73.447,92
I/ 2003 – 0* – –
II/ 2003 – 1.050,18 – –
Summe – 6.987,05 – 477.606,68 – 253.969,04
Gesamt – – – 738.562,77
(* keine Kürzung aufgrund Teil- und/oder Individualbudget)
Den hiergegen – ohne Begründung – erhobene Widerspruch der Klägerin, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.07.2005 zurück.
Unter dem 15.08.2005 hat die Klägerin die Klage diesbezüglich erweitert und zunächst moniert, den Widerspruchsbescheid nicht erhalten zu haben. Lediglich aufgrund eines Telefonats mit der Widerspruchsstelle aus anderer Veranlassung habe er erfahren, dass bereits ein solcher ergangen sein soll. Unter dem 24.08.2005 beantragte er vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen möglicher Versäumung der Klagefrist unter Vorlage des ihm von der Beklagten per Fax am 16.08.2005 zugesandten Widerspruchsbescheides.
Die Klägerin hat – unter übereinstimmender Erledigungserklärung mit der Beklagten im Übrigen im Rahmen des Erörterungstermins am 13.02.2008 – beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 01.04.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2005 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf die angefochtenen Bescheide bezogen.
Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat u.a. Unterlagen aus dem gegen Dr. C wegen Abrechnungsbetruges eingeleiteten Strafverfahren – 20 KLs 3/08 – des Landgerichts E (insbesondere die Anklageschrift vom 20.12.2007 und das medizinisches Gutachten des Sachverständigen Prof. O vom 17.12. 2007) beigezogen. Dieser hat festgestellt, dass die meisten Patienten nicht medizinisch korrekt als Schmerzpatienten eingestuft worden seien, vielmehr handele es sich in diesen Fällen um akute orthopädische Krankheitsbilder, die auch mit einer orthopädischen Schmerztherapie versorgt worden seien. Die abgerechneten Leistungen hätten nicht der Schmerztherapievereinbarung entsprochen. In allen Fällen sei ausschließlich eine orthopädische Injektionsbehandlung im Rahmen eines festen Therapieschemas erfolgt. Ein multidisziplinärer Ansatz besonders hinsichtlich psychosomatischer Abklärung könne ebenfalls bei keinem Patienten erkannt werden, obgleich bei einigen die Diagnose "Verdacht auf somatoforme Schmerzstörung" gestellt worden sei. Zudem hätten auch Dr. E und Dr. O eine Reihe von Patienten behandelt, obwohl diese nicht zur Schmerztherapievereinbarung zugelassen worden seien. Die Tagesprofile durch die Beklagte seien ordnungsgemäß erstellt worden. Diese offenbarten, dass die abgerechneten Leistungen in der Zeit jedenfalls nicht erbracht worden sein könnten.
Die Klägerin hat der Verwertung des Gutachtens widersprochen; der Sachverständige gehöre – als Anästhesist – einem Schmerztherapeutenverband an, der in "lebhafter Konkurrenz" zur Internationalen Gesellschaft für orthopädische Schmerztherapie (IGOST), einem Verband, dem Dr. C angehöre, stehe. Die medizinischen Ansätze beider Gruppierungen seien völlig unterschiedlich.
Das SG hat mit Urteil vom 23.04.2008 den Bescheid der Beklagten vom 01.04.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2005 insoweit aufgehoben, als die Ziffer 8450 nicht auf den Fachgruppendurchschnitt und die Ziffer 8451 der Schmerztherapievereinbarung nicht auf 600 Ansätze reduziert worden sei, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Klage sei fristgerecht erfolgt, die Klageerweiterung könne im weitesten Sinne noch als sachdienlich angesehen werden. Schwerpunkt der Berichtigung (auch in wirtschaftlicher Hinsicht) seien die Gebührennummern der Schmerztherapievereinbarung. Die Schmerztherapievereinbarung habe zum Ziel, die ambulante Behandlung chronisch schmerzkranker Patienten durch besonders dafür qualifizierte Vertragsärzte zu ermöglichen, zu fördern und in der vertragsärztlichen Versorgung dauerhaft sicherzustellen. Zur Kostenerstattung des besonderen zusätzlichen Aufwandes durch die schmerztherapeutische Behandlung chronisch schmerzkranker Patienten sehe die Schmerztherapievereinbarung zwei Gebührentatbestände vor. Ziff. 8450 beinhalte die Erhebung einer standardisierten Anamnese einschließlich Auswertung von Fremdbefunden, der Durchführung einer Schmerzanalyse und der differential-diagnostischen Abklärung der Schmerzkrankheit sowie der Therapieplanung, ggf. unter Einbeziehung von Bezugspersonen, einmal im Krankheitsfall und werde mit 81,81 EUR vergütet. Ziff. 8451 sehe eine Vergütung von 61,36 EUR für die Behandlung chronisch schmerzkranker Patienten einschließlich der Dokumentation nach § 2 Nr. 8 je Behandlungsfall vor. Wesentlich für den Ansatz der jeweiligen Gebührenziffer sei die Differenzierung zwischen "Krankheitsfall" und "Behandlungsfall". Das Abrechnungsverhalten in den streitigen Quartalen lasse erkennen, dass der Kläger diese Begrifflichkeiten nicht zutreffend bewertet habe. Zwar sei in § 21 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) in der für die streitigen Quartale geltenden Fassung lediglich der "Behandlungsfall" – als die gesamte von demselben Vertragsarzt innerhalb desselben Kalendervierteljahres an demselben Kranken ambulant zu Lasten derselben Krankenkasse vorgenommene Behandlung – definiert worden. Aus dem Umstand, dass eine Definition des Krankheitsfalls in § 21 BMV-Ä erst zum 01.01.2004 hinzugefügt worden sei, könne jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass zuvor keine sachgerechte Unterscheidung möglich gewesen sei. Der Krankheitsfall beziehe sich auf das Grundleiden, hier also nach § 1 Abs. 3 der Schmerztherapievereinbarung die chronische Schmerzerkrankung, so dass im Regelfall nur ein einmaliger Ansatz der Ziff. 8450 möglich sei. Nur in dem Ausnahmefall, dass sich ein von der ursprünglichen Schmerzerkrankung gelöstes neues chronisches Schmerzleiden entwickele, seit ein erneuter Ansatz der Ziff. 8450 denkbar. Dieser Wertung steht die Definition in § 21 BMV-Ä in der Fassung ab 01.01.2004 nicht entgegen. Danach umfasse ein Krankheitsfall das aktuelle sowie die nachfolgenden drei Kalendervierteljahre, die der Berechnung der krankheitsfallbezogenen Leistungsposition folgten. Damit werde lediglich eine zeitliche Eingrenzung des Krankheitsfalls bewirkt, die zuvor nicht bestanden habe. An der grundsätzlichen Unterscheidung zwischen Krankheits- und Behandlungsfall ändere sich nichts. Zudem unterstreiche die Änderung zum 01.01.2004 lediglich, dass es zuvor keine zeitliche Eingrenzung des Krankheitsfalls gegeben habe, also der Abrechnungsausschluss einer krankheitsfallbezogenen Leistungsposition über deutlich mehr als vier Quartale denkbar gewesen sei. Ausgehend davon habe die Beklagte zu Recht beanstandet, dass der Kläger die Ziff. 8450 nicht entsprechend der Leistungslegende angesetzt habe. Aus der von der Beklagten erstellten Liste zur Abrechnungshäufigkeit der Ziff. 8450 in den Quartalen I/2002 bis II/2003 sei zu entnehmen, dass die Ziff. 8450 mehrfach, zum Teil mehrere Quartale aufeinanderfolgend, in Ansatz gebracht worden sei. Hierbei handele es sich auch nicht lediglich um Einzelfälle, die der Annahme eines Ausnahmefalles zugänglich wären. Allein auf den ersten 15 Seiten der Liste fänden sich bei 231 Patienten insgesamt 87 Fälle, bei denen die Ziff. 8450 mehrfach zum Einsatz gekommen sei. Die Mehrfachansätze reichten vom Ansatz über zwei aufeinander folgende Quartale bis zum Ansatz über sechs aufeinander folgende Quartale (vgl. z.B. die Patienten Barbara Brix Quartale III/2002 und IV/2002, Frieda Engler Quartal IV/2002 bis II/2003 und Irma Hilmer Quartale I/2002 bis einschließlich II/2003). Ließe sich ein zweifacher Ansatz mit einer dazwischen liegenden zeitlichen Pause im Einzelfall vielleicht noch begründen, scheide dies für zwei, drei oder auch erst recht sechs aufeinander folgende Quartale offensichtlich aus. Ungeachtet einer zeitlichen Erbringbarkeit sämtlicher in Ansatz gebrachter Leistungsziffern für die streitbefangenen Quartale ergebe sich bereits aus diesen Unterlagen, dass die Abrechnungen für die Quartale I/2002 bis IV/2002 fehlerhaft seien. Der fehlerhafte Ansatz der Ziff. 8450 erfasse gleichermaßen die Ansätze der Ziff. 8451. Daher sei die Beklagte nicht nur zur Aufhebung der Honorarbescheide berechtigt, sondern auch dazu, das dem Kläger für diese Leistungen zustehende Honorar neu festzusetzen. Grundsätzlich sei von einer maximalen Patientenzahl in Höhe von 500 je Quartal und einem entsprechenden Ansatz der Ziffer 8451 auszugehen. Allerdings sei der Klägerin aufgrund der von ihr in der mündlichen Verhandlung geschilderten Praxisorganisation zuzugestehen, dass die Betreuung eines etwas höheren Anteils chronisch schmerzkranker Patienten möglich gewesen sei. Dieser Anteil sei auf 600 Fälle/Quartal zu schätzen. Darüber hinaus sei die Reduzierung der Ansätze der Ziff. 8450 zu hoch ausgefallen. Denn mit einem Ansatz von 50 Fällen pro Quartale werde eine Rückführung des Honorars erzeugt, die unterhalb des Ansatzes der Fachgruppe liege. Hinsichtlich der Berichtigung betreffend die Ziff. 17, 18, 301, 801, 2460, 439, 850 und 850 EBM sei zunächst darauf hinzuweisen, dass sich für einzelne Ziffern keine wirtschaftlichen Auswirkungen ergeben, weshalb sich die Überprüfung der auf die Ziff. 17, 18, 301, 801 und 2460 EBM beschränke. Die Berichtigung dieser Ziffern durch Kürzung der Ansätze auf den Fachgruppendurchschnitt sei nicht zu beanstanden. Die Ziff. 17 EBM beinhalte die intensive ärztliche Beratung und Erörterung zu den therapeutischen, familiären, sozialen oder beruflichen Auswirkungen und deren Bewältigung bei nachhaltig lebensverändernder oder lebensbedrohlicher Erkrankung, ggf. unter Einbeziehung von Bezugspersonen und fremdanamnestischen Angaben, Dauer mindestens 10 Minuten und sehe 300 Punkte vor. Diese Ziffer habe die Klägerin bei den geprüften Fällen nahezu regelmäßig bei jedem Erstkontakt wie die Ziff. 301 und 801 EBM im Quartal angesetzt. Es entstehe daher der Eindruck, dass diese Ziffern schematisch zum Ansatz gekommen seien. Unterstützt werde dieser Eindruck durch den Vortrag des Klägers im Zulassungsentziehungsverfahren, nach dem eine Helferin jeweils von sich aus zu Beginn des Quartals die Ziff. 17 EBM eingegeben habe, um sie bei späteren Vorstellungen des Patienten nicht zu vergessen. Für die Frage der sachlich-rechnerischen Richtigkeit des Ansatzes sei hierbei ohne Belang, welche Relevanz der Ansatz für das Budget besitze. Es dürfe selbstverständlich sein, dass eine Ziffer erst dann in Ansatz zu bringen sei, wenn ihr Leistungsinhalt tatsächlich vollständig erbracht worden ist. Schon vor diesem Hintergrund sei es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Ansätze der Ziff. 17 ebenso wie die der Ziff. 801 und 301 EBM auf den Fachgruppendurchschnitt gekürzt habe. Denn ein schematischer Ansatz verbiete sich nach den eindeutigen Bestimmungen des EBM (vgl. Teil A, Allgemeiner Bestimmungen EBM), zumal die Ziff. 17 EBM keine allgemeine Gesprächsleistung vergüte, sondern auf eine spezielle Gesprächssituation in einem besonderen Krankheitsstadium des Patienten abzielte. Zu der Ziff. 2460 EBM verwies das SG auf die Ausführungen im Urteil vom gleichen Tag (S 14 KA 153/05, L 11 KA 73/08). Darüber hinaus ließen sich die Abrechnungsfehler – auch hinsichtlich der weiteren EBM-Ziffern – zusätzlich aus den von der Beklagten erstellten Tageszeitprofilen, die nicht zu beanstanden seien, begründen (wird weiter ausgeführt). Die Beklagte habe darüber hinaus ihr Schätzungsermessen fehlerfrei ausgeübt.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 12.06.2008 zugestellte Urteil am 11.07.2008 und die Beklagte gegen das ihr am 11.06.2008 zugestellte Urteil am 07.08.2008 Berufung eingelegt.
Die Klägerin hat zur Begründung unter Bezugnahme auf ihr bisheriges Vorbringen u.a. im Verfahren L 11 KA 73/08 und S 33 KA 162/04 (dort betreffend des Zulassungsentziehungsverfahrens) vorgetragen: Die Zeitprofile seien aus einer Vielzahl von Gründen unzutreffend und könnten daher für eine Entscheidung nicht herangezogen werden. Die Beklagte habe bei der Berechnung der Arbeitszeit nicht berücksichtigt, dass in der Praxis mit drei Ärzten gearbeitet worden sei. Die Zeitprofile seien überdies nicht verwertbar, weil sie grobe Fehler aufwiesen. Entgegen den Empfehlungen der KBV habe die Beklagte bei der Ziffer 2460 EBM nicht die Minimalwerte in Ansatz gebracht. Zahlreiche Leistungen, wie das Anlegen von Verbänden, Punktionen, Injektionen, Testungen und Röntgenleistungen seien delegierbar. Die Abrechnung der Ziff. 17 EBM sei nicht falsch; vielmehr sei die Dokumentation der Helferinnen als "Erinnerungsposten" jeweils zu Beginn des Quartals zu beanstanden, obwohl die Leistung erst später erbracht worden sei. Dr. E sei zwar mit einer Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden angestellt worden, habe aber bei Bedarf deutlich mehr gearbeitet. Die Dokumentation (Teilleistung der Ziffern 8450 und 8451 Schmerztherapievereinbarung) sei vielfach abends oder am Wochenende gefertigt bzw. über ein digitales Erfassungsprogramm erfasst worden. Sie sei durch die Schmerztherapiekommission der Beklagten als vorbildlich gelobt worden; Beanstandungen habe es nicht gegeben. Die von der Beklagten monierte Behandlung der Geschwister Faustmann sei medizinisch indiziert gewesen. Auf eine Dokumentation sei im Fall von Ines Faustmann, einer seiner Helferinnen, auf deren ausdrücklichen Wunsch verzichtet worden, da diese Unterlagen ihren Kolleginnen zugänglich gewesen wären.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.04.2008 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 01.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2005 aufzuheben,
hilfsweise die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.04.2008 abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen,
hilfsweise die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die ihrer Auffassung nach im Wesentlichen – soweit klageabweisend – zutreffende Begründung des erstinstanzlichen Urteils und führt ergänzend aus: Eine Verteilung der anfallenden Arbeitszeit auf drei gleichwertige Partner sei für die Berechnung nicht zulässig, da Dr. E lediglich als Assistent Dr. O zugeordnet gewesen sei. Im Übrigen habe allein Dr. C die Zulassung zur Teilnahme an der Schmerztherapie gehabt. Somit hätten auch nur von ihm vollständig erbrachte Leistungen nach der Vereinbarung abgerechnet werden können. Soweit geltend gemacht werde, die Abrechnung sei nicht falsch, sondern allein die Dokumentation sei zu beanstanden, widerspreche dies gänzlich dem vertragsärztlichen System und den Regelungen des EBM. Danach sei eine Leistung nur dann berechnungsfähig, wenn der Leistungsinhalt vollständig erbracht worden sei. Zur Begründung ihrer Anschlussberufung hat die Beklagte weitergehend vorgetragen: Die Einschränkung der Ansätze der Ziffern 8450 und 8451 Schmerztherapievereinbarung sei nicht nachvollziehbar. Die Abrechnung der Klägerin habe bezogen auf diese Abrechnungspositionen wegen grob fahrlässiger Abrechnungsfehler die Garantiefunktion verloren, so dass sogar eine vollständige Korrektur vertretbar gewesen wäre. Sie habe insofern zu Gunsten der Klägerin die erfahrungsgemäß maximale Anzahl von Schmerzpatienten in ordnungsgemäß arbeitenden Praxen zugrunde gelegt. Dies sei nicht zu beanstanden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Akten der mit dem vorliegenden Rechtsstreit gemeinsam verhandelten Verfahren L 11 KA 72/08 und L 11 KA 73/08, den zu diesen drei Verfahren des Klägers beigezogenen Gerichtsakten des SG Düsseldorf mit den Az. S 14 KA 30/05, S 14 KA 22/02, S 14 KA 39/02, S 14 (25) 213/99, S 33 KA 162/04, S 33 KA 118/04 ER, S 17 KA 222/05 und S 17 226/03 ER, den beigezogenen Auszügen aus der Strafakte des Landgerichts Düsseldorf 20 KLS 3/08 sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagen Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat im tenorierten Umfang Erfolg. Im Übrigen haben die Berufungen der Beteiligten keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil des SG war lediglich abzuändern, soweit es die Ansätze der Nr. 8451 Schmerztherapievereinbarung zu Gunsten der Klägerin von den beschiedenen 500 Ansätze je Quartal auf 600 Ansätze je Quartal erhöht hat. Im Übrigen ist die Entscheidung des SG nicht abzuändern. Die Klägerin ist nur insoweit durch den Bescheid vom 01.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2005 beschwert (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), soweit die Beklagte den Ansatz der Nr. 8450 auf (nur) 50 Ansätze je Quartal festgesetzt hat. Insoweit hat das SG zu Recht die Entscheidung der Beklagten abgeändert und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Gegenstand von Klage- und Berufungsverfahren (§ 95 SGG) ist nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung der Beteiligten nur noch dieser Bescheid Ob die Klageerweiterung, in die die Beklagte nicht eingewilligt hat, sachdienlich i.S.d. § 99 Abs. 1 SGG war, kann dahin gestellt bleiben, da die diesbezügliche Entscheidung des SG im Urteil über die Zulassung gemäß § 99 Abs. 4 SGG unanfechtbar ist, auch wenn insofern kein gesonderter Beschluss ergangen ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, 2012, § 99 Rdn. 15 m.w.N.).
Die insbesondere gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte, Berufung der Klägerin ist ebenso wie die Berufung der Beklagten – diese als Anschlussberufung im Sinne des § 202 SGG i.V.m. § 525 Zivilprozessordnung – zulässig. Eine eigenständige Berufung der Beklagten wäre wegen Versäumung der Berufungsfrist des § 151 Abs. 1 SGG unzulässig. Das Urteil des SG ist der Beklagten am 11.06.2008 zugestellt worden; die Monatsfrist des § 151 Abs. 1 SGG ist durch die Einlegung der Berufung am 07.08.2008 nicht gewahrt. Die Berufungsfrist des § 151 Abs. 1 SGG gilt indes nicht für die Anschlussberufung, die auch im SGG-Verfahren statthaft ist (Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung u.v.a. Urteil vom 05.05.2010 – B 6 KA 6/09 R – m.w.N.).
Unschädlich ist, dass die Gemeinschaftspraxis (§ 33 Abs. 2 der Zulassungsordnung für Vertragsärzte) zwischenzeitlich aufgelöst worden ist und formal allein Dr. C Berufung erhoben hat. Eine Gemeinschaftspraxis gilt für schwebende Auseinandersetzungen um Forderungen und Verbindlichkeiten als fortbestehend (BSG, Urteil vom 28.12.2009 – B 6 KA 56/08 R – m.w.N.).
Die Berufung der Klägerin ist indes unbegründet; die Berufung des Beklagten ist nur im tenorierten Umfang begründet und im Übrigen unbegründet.
Die Beklagte ist grundsätzlich berechtigt, Abrechnungen sachlich-rechnerisch richtig zu stellen. Nach § 75 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) haben die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) die vertragsärztliche Versorgung sicher zu stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz SGB V haben die KVen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertragsärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Die KV stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört u.a. auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V, eingefügt durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003 mit Wirkung zum 01.01.2004, BGBl. I 2003, 2190, 2217).
Diese Richtigstellungen können unmittelbar im Honorarbescheid oder wie vorliegend auch nachgehend erfolgen. Honorarbescheide im Vertragsarztrecht ergehen, ungeachtet ihres Charakters als Verwaltungakte i.S.d. § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) unter dem Vorbehalt späterer Überprüfung auf ihre Rechtmäßigkeit, mithin als vorläufige Regelungen (ständige Rechtsprechung u.v.a. Bundesssozialgericht (BSG), Urteil vom 12.12.2001 – B 6 KA 3/01 R – m.w.N.).
Soweit die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid sachlich-rechnerische Richtigstellungen der Honorarbescheide für die Quartale IV/1999 bis IV/2001, zu der sie auch gesamtvertraglich nach § 45 Bundesmantelvertrag-Ärzte bzw. § 34 Ersatzkassenvertrag-Ärzte befugt war, vorgenommen und honorarmindernd den Ansatz der Ziff. 8451 Schmerztherapievereinbarung auf 500 je Quartal und für die Quartale III/2002, IV/2001, und II/2003 den Ansatz der Ziff. 17, 18, 301, 801 und 2460 EBM auf den Fachgruppendurchschnitt zurückgeführt hat, ist dies nicht zu beanstanden. Dies gilt ebenso für die Kürzung des Ansatzes der Ziff. 8450 Schmerztherapievereinbarung dem Grunde nach. Soweit dies bestätigend verweist der Senat auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung, die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG) und führt ergänzend aus:
Der angefochtene Honoraränderungs- und Rückforderungsbescheid ist formell rechtmäßig. Insbesondere ist die (auch) für sachlich-rechnerische Richtigstellungen in Anlehnung an §§ 45 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), 25 Abs. 1 und 27 Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), 50 Abs. 4 Satz 1 und 114 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) geltende vierjährige Ausschlussfrist gewahrt, durch die dem Interesse des Vertragsarztes, nach längerer Zeit nicht mehr mit der Durchführung von Prüf- und Regressverfahren rechnen zu müssen, Rechnung getragen wird. Diese Frist beginnt mit dem Tag nach der gemäß § 37 Abs. 2 SGB X zu bestimmenden Bekanntgabe des Bescheides für das jeweils betroffene Quartal (grundlegend BSG, Urteil vom 28.03.2007 – B 6 KA 22/06 R -). Die ab Zugang der Honorarbescheide für das Quartal I/2002 vom 24.07.2002 laufende 4-Jahres-Frist war bei zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des angefochtenen Bescheides vom 01.04.2004 noch nicht abgelaufen. Dies gilt erst recht für die nachfolgenden Quartale.
Der Bescheid ist im obigen Umfang auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung erstreckt sich auf die Frage, ob die abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß – also ohne Verstoß gegen gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes – erbracht worden sind. Solche Verstöße können z.B. darin liegen, dass die Leistungen überhaupt nicht, nicht in vollem Umfang, ohne die zur Leistungserbringung erforderliche spezielle Genehmigung oder unter Überschreitung des Fachgebietes erbracht worden sind (vgl. BSG, Urteil vom 01.07.1998 – B 6 KA 48/97 R -). Zur Feststellung, ob abgerechnete Leistungen vollständig erbracht worden sind, ist es zulässig, Tagesprofile zu verwenden (vgl. BSG, Urteile vom 08.03.2000 – B 6 KA 16/99 R -, 24.11.1993 – 6 RKa 70/91 – und vom 26.01.1994 – 6 RKa 70/91 -).
Tagesprofile sind ein geeignetes Beweismittel, um einem Arzt unkorrekte Abrechnungen nachweisen zu können. Die Beweisführung mit Tagesprofilen ist dem Indizienbeweis zuzuordnen. Für ihre Erstellung sind bestimmte Anforderungen erforderlich. Für die Ermittlung der Gesamtbehandlungszeit des Arztes an einem Tag dürfen nur solche Leistungen in die Untersuchung einbezogen werden, die ein Tätigwerden des Arztes selbst voraussetzen. Delegationsfähige Leistungen haben außer Betracht zu bleiben. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die für die einzelnen ärztlichen Leistungen zugrunde zu legenden Durchschnittszeiten so bemessen sein müssen, dass ein erfahrener, geübter und zügig arbeitender Arzt die Leistungen im Durchschnitt in kürzerer Zeit schlechterdings nicht ordnungsgemäß und vollständig erbringen kann. Der Qualifizierung als Durchschnittszeit entspricht es, dass es sich hierbei nicht um die Festlegung absoluter Mindestzeiten handelt, sondern um eine Zeitvorgabe, die im Einzelfall durchaus unterschritten werden kann. Die Durchschnittszeit stellt sich aber bei einer ordnungsgemäßen und vollständigen Leistungserbringung als der statistische Mittelwert dar. Die Festlegung der für eine ärztliche Leistung aufzuwendenden Durchschnittszeit beruht auf ärztlichem Erfahrungswissen. Sie ist deshalb ebenso und in dem Umfang gerichtlich überprüfbar, in dem auch im Übrigen auf ärztlichem Erfahrungswissen beruhende Festlegungen überprüft werden. Bei der Erstellung von Tagesprofilen ist zudem zu beachten, dass bestimmte Leistungen nebeneinander berechnungsfähig sind, der zu berücksichtigende Zeitaufwand in diesen Fällen also nicht für jede Leistung angesetzt werden darf. Tagesprofile müssen für einen durchgehenden längeren Zeitraum erstellt werden, wobei es angezeigt erscheint, wenigstens ein Abrechnungsquartal heranzuziehen (BSG, Urteil vom 24.11.1993 – 6 RKa 70/91 -). Sind Tagesprofile unter Beachtung dieser Kriterien erstellt worden, ist es rechtlich unbedenklich, aus ihnen bei entsprechenden Ergebnissen im Wege des Indizienbeweises auf die Abrechnung nicht oder nicht ordnungsgemäß erbrachter Leistungen durch einen Arzt zu schließen. Ergibt sich in einem Tagesprofil eine tägliche Gesamtarbeitszeit, die der Arzt unmöglich geleistet haben kann, so ist die Schlussfolgerung gerechtfertigt, er könne nicht alle abgerechneten Leistungen vollständig erbracht haben. Da nicht bzw. nicht in vollem Umfang erbrachte Leistungen nicht berechnungsfähig sind (Allgemeine Bestimmungen A I S. 1 EBM), können sie im Wege der sachlich-rechnerischen Berichtigung gestrichen werden.
Die Ergebnisse der von der Beklagten durchgeführten Plausibilitätsprüfung lassen im Wege des Indizienbeweises den Schluss zu, dass die Klägerin die bemängelten Gebührenpositionen in allen streitbefangenen Quartalen in einer zu hohen Anzahl in Abrechnung gestellt hat. Dabei kann es dahin gestellt bleiben, ob die Tagesprofile nach Maßgabe der o.a. Anforderungen erstellt worden sind. Für die Tage 01.07.2002 (Quartal III/02) und 01.10.2002 (Quartal IV/02) haben die Gesellschafter der Klägerin infolge der auch von ihnen nicht erklärbaren Implausibilität Falschabrechnungen eingeräumt. Unabhängig davon ergeben schon allein die nach Ziff. 8451 Schmerztherapievereinbarung abgerechneten Behandlungen Implausibilitäten. Unter Zugrundelegung der von dem Vorstand der Beklagten in Abstimmung mit den Mitgliedern der Zentralen Schmerztherapiekommission mit Beschluss vom 23.07.2003 (erstmalig) festgelegten Zeitvorgabe von 30 Minuten für die Durchführung der Schmerztherapie nach Ziff. 8451 und den von der Klägerin selbst zugrunde gelegten 61 Arbeitstagen je Quartal ergeben sich für die abgerechneten 1409 (I/2001), 1300 (II/2001), 1728 (III/2001) und 1697 (IV/2001) Ansätze der Ziffer Arbeitszeiten von zwischen (1300: 61 = 21,31 je Tag x 30 Minuten: 60 =) 10,6 Stunden je Tag im Quartal II/2002 und (1728: 61 = 28,33 je Tag x 30 Minuten: 60 =) 14,2 Stunden. Im Übrigen belegen auch die vom SG im angefochtenen Urteil aufgeführten Zahlen, mit denen sich das Berufungsvorbringen nicht auseinander gesetzt hat, die Implausibilität, ohne dass diese einer weiteren Erläuterung bedarf.
Der Umstand, dass die Zeitvorgabe erst im Juli 2003 und damit nach den geprüften Quartalen des Jahres 2002 bestimmt wurde, ist nicht maßgeblich, da sich an den Anforderungen an die Leistung nach Maßgabe der Schmerztherapievereinbarung zumindest bis dahin nichts geändert hatte. Abgesehen davon würde sich selbst unter Berücksichtigung von nur 15 Minuten an der Beurteilung nichts ändern.
Auch der Einwand der Klägerin, die Zeitvorgabe sei nicht von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung beschlossen worden und daher nicht anwendbar, greift nicht. Die Verwendung von Tages- und Quartalsprofilen ist nicht von der Existenz bundeseinheitlicher Zeitvorgaben oder gesamtvertraglicher Regelungen zu Plausibilitätskontrollen gemäß § 83 Abs. 2 SGB V abhängig. Die gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen regeln abschließend die Vorgaben, an die die KVen bei der Honorierung vertragsärztlicher Leistungen und ggf. ihrer sachlich-rechnerischen Berichtigung gebunden sind. Für die Notwendigkeit, Zeitprofile nur anhand bundeseinheitlicher Regelungen zu erstellen und zu verwenden, ist dabei nichts ersichtlich. Im Gegenteil akzeptiert es der Gesetzgeber auch in anderem Zusammenhang, nämlich z.B. bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten (§ 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V), dass das vertragsärztliche Abrechnungsverhalten anhand regionaler, auf den Zuständigkeitsbereich einer KV beschränkter Vergleichswerte überprüft wird. Der den Gesamtvertragsparteien erteilte Auftrag, Verfahren zur Prüfung der Abrechnungen durch Plausibilitätskontrollen zu vereinbaren (§ 83 Abs. 2 SGB V), hindert die KVen nicht daran, vertragsärztliche Abrechnungen auch ohne solche Vereinbarungen auf Plausibilität und Richtigkeit hin zu überprüfen. §§ 45 Abs. 1 und 2 BMV-Ä, 34 Abs. 4 EKV-Ä enthalten nämlich einen umfassenden Auftrag an die KVen, die von den Vertragsärzten vorgelegten Abrechnungen entsprechend zu kontrollieren. Zu den hierfür geeigneten Kontrollmaßnahmen gehört grundsätzlich auch die Verwendung von Zeitprofilen (Urteil des Senats vom 11.02.2004 – L 11 KA 72/03 -)
Weitere Indizien für die Falschabrechnungen der Klägerin ergeben sich auch aus der Frequenzentwicklung der Abrechnung der Nrn. 8450 und 8451 EBM Schmerztherapievereinbarung seit Erteilung der Genehmigung für Dr. C zum 01.04.1997.
Quartal – Nr. 8450 – Nr. 8451
II/1997 – 395 – 394
III/1997 – 480 – 480
IV/1997 – 506 – 507
I/1998 – 567 – 655
II/1998 – 311 – 623
III/1998 – 306 – 672
IV/1998 – 258 – 603
I/1999 – 439 – 645
II/1999 – 396 – 697
III/1999 – 433 – 681
IV/1999 – 409 – 629
I/2000 – 641 – 668
II/2000 – 631 – 706
III/2000 – 674 – 728
IV/2000 – 614 – 697
I/2001 – 671 – 776
II/2001 – 776 – 917
III/2001 – 730 – 918
IV/2001 – (dem Senat nicht bekannt)
I/2002 – 1.409 – 1.414
II/2002 – 1.291 – 1.300
III/2002 1.645 – 1.728
IV/2002 – 1.693 – 1.697
I/2003 – 1.986 – 2005
II/2003 – 1.927 – 1980
Die Entwicklung belegt einen zum einen bereits für die Zeit der Einzelpraxis einen steten Anstieg, und sodann einen weiteren sprunghaften Anstieg seit Gründung der Gemeinschaftspraxis, der allein durch eine Optimierung des Praxisablaufs nicht zu erklären ist, da Dr. C nach wie vor der einzige Arzt der Praxis war, der an der Schmerztherapievereinbarung teilnahm und die Genehmigung hatte, die Gebührenziffern 8450 und 8451 abzurechnen.
Unabhängig von den Indizien steht zur Überzeugung des Senats fest, dass (auch) in den Quartalen I/2002 bis IV/2002 die Gebührenordnungspositionen nicht den Leistungslegenden entsprechend geleistet und abgerechnet worden sind.
Nach deren Leistungslegenden werden für die Erhebung einer standardisierten Anamnese einschließlich Auswertung von Fremdbefunden, der Durchführung einer Schmerzanalyse und der differential-diagnostischen Abklärung der Schmerzkrankheit sowie der Therapieplanung, ggf. unter Einbeziehung von Bezugspersonen, einmal im Krankheitsfall mit 81,81 EUR (Ziff. 8450) und für die Behandlung chronisch schmerzkranker Patienten einschließlich der Dokumentation nach § 2 Nr. 8 je Behandlungsfall mit 61,36 EUR vergütet.
Dr. C hat indes – wie unbestritten – die Ziffer 8450 regelmäßig für den selben Patienten in mehreren Quartale hintereinander angesetzt, ohne einen jeweils neuen Krankheitsfall zu dokumentieren oder auch nur vorauszusetzen. Soweit er geltend macht, er habe den Begriff des Krankheitsfalles wegen damaliger Rechtsunsicherheit in seinem Sinn ausgelegt und angewandt, ist dies nicht nachvollziehbar. Bei verständiger Würdigung der Leistungslegende gemessen am Sorgfaltsmaßstab eines objektiven Dritten hätte er auch ohne Legaldefinition oder Erläuterung erkennen können und müssen, dass sich der Krankheitsfall auf die von der Schmerztherapievereinbarung erfassten chronischen Schmerzerkrankungen bezieht, so dass im Regelfall – vorbehaltlich der Entwicklung eines von der ursprünglichen Schmerzerkrankung gelösten neuen chronischen Schmerzleidens im Ausnahmefall – nur ein einmaliger Ansatz der Nr. 8450 möglich ist. Soweit er vorträgt, es seien erst mit der Einführung des § 21 Abs. 3 BMV-Ä zum 01.01.2004 "Unklarheiten" beseitigt worden, ist dies nicht nachvollziehbar und zur Überzeugung des Senats eine reine Schutzbehauptung. Zwar wurde die Regelung um den Passus "Ein Krankheitsfall umfasst das aktuelle sowie die nachfolgenden drei Kalendervierteljahre, die der Berechnung der krankheitsfallbezogenen Leistungsposition folgen" ergänzt. Dabei handelte es sich indes lediglich um eine neu eingeführte zeitliche Eingrenzung des Krankheitsfalles und Erweiterung der Abrechnungsmöglichkeit, keinesfalls aber um eine – nicht erforderliche – Definition des Begriffs "Krankheitsfalles", die sich ohne großen intellektuellen Aufwand für jeden Arzt in Abgrenzung zum definierten Begriff "Behandlungsfall" erschließt. Unabhängig von der sich aufdrängenden Begriffsbestimmung ergibt sich dies auch aus der Leistungslegende selbst. Welchen Sinn sollte – folgt man der Auffassung der Klägerin – bei gleichem Krankheitsbild eine vierteljährlich wiederkehrende Anamnese einschließlich der Auswertung von Fremdbefunden haben, obwohl diese Erkenntnisse bereits vorliegen. Da in diesen Fällen nicht alle der Teilleistungen vollständig neu erbracht wurden, durfte auch die dafür vorgesehene Gesamtvergütung nicht erneut in Ansatz gebracht werden.
Die Beklagte hat zu Recht auch die Abrechnung der Ziff. 8451 der Schmerztherapievereinbarung beanstandet, der die Behandlung "chronisch schmerzkranker Patienten" voraussetzt. Insoweit haben die Gesellschafter der Klägerin selbst in ihren Zulassungsentziehungsverfahren eingeräumt, die Ziffer entgegen der Leistungslegende auch für die Behandlung noch nicht chronisch Erkrankter eingesetzt zu haben.
Ebenfalls nicht ordnungsgemäß erbracht hat die Klägerin die für den streitbefangenen Zeitraum von I/2002 bis II/2003 abgerechneten Ziff. 17, 18, 301, 801 und 2460 EBM. Da sich die Berufung insofern auf eine Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag erschöpft, bleibt es bei dem Verweis des Senats auf das angefochtene Urteil, dem er sich insofern vollumfänglich nach eigener Prüfung, insbesondere Durchsicht der patientenbezogenen Unterlagen, anschließt.
Die an sich gebotene Erklärung des Vertragsarztes über die ordnungsgemäße Erbringung und Abrechnung der Einzelleistungen wird aufgrund der für den Vertragsarzt bindenden Bestimmungen und des gesetzlichen Rechtes durch eine sogenannte Abrechnungs-Sammelerklärung ersetzt (vgl. §§ 35 Abs. 2 S. 3, 42 Abs. 3 BMV-Ä; §§ 43 Abs. 1, 35 Abs. 3 EKV-Ä). Nach diesen Regelungen, denen normative Wirkung zukommt, ist die Abgabe einer – ordnungsgemäßen – Abrechnungs-Sammelerklärung eine eigenständige Voraussetzung für die Entstehung eines Anspruches eines Vertragsarztes auf Vergütung der von ihm erbrachten Leistungen. Mit ihr garantiert der Vertragsarzt, dass die Angaben auf den von ihm eingereichten Behandlungsausweisen (bzw. heute Datenträgern) zutreffen. Die ordnungsgemäß erstellte Abrechnungs-Sammelerklärung ist eine eigenständige Voraussetzung für das Entstehen des Honoraranspruches. Erweist sich die Erklärung wegen abgerechneter, aber nicht oder nicht ordnungsgemäß erbrachter Leistungen als falsch, erfüllt sie ihre Garantiewirkungen nicht mehr, es sei denn, es läge lediglich ein Fall schlichten Versehens vor. Wenn die Garantiefunktion der Abrechnungs-Sammelerklärung entfällt und damit eine Voraussetzung für die Festsetzung des Honoraranspruches des Vertragsarztes fehlt, ist der auf der Honorarabrechnung des Vertragsarztes in Verbindung mit seiner Bestätigung der ordnungsgemäßen Abrechnung beruhende Honorarbescheid rechtswidrig. Die KV ist berechtigt und verpflichtet, den entsprechenden Honorarbescheid aufzuheben und das Honorar neu festzusetzen. Die Abrechnungs-Sammelerklärung als Ganzes ist bereits dann unrichtig, wenn nur ein mit ihr erfasster Behandlungsausweis eine unrichtige Angabe über erbrachte Leistungen enthält. Damit entfällt für die Beklagte grundsätzlich die Verpflichtung, als Voraussetzung der Rechtswidrigkeit des Honorarbescheides dem Arzt mehr als eine unrichtige Abrechnung je Quartal nachzuweisen. Sie ist rechtlich nicht gehalten, in allen Behandlungsfällen, in denen sie unrichtige Abrechnungen vermutet, den Nachweis der Unrichtigkeit zu führen. Im Ergebnis liegt somit das Honorarrisiko auf Seiten des Vertragsarztes, der in seiner Honorarabrechnung unrichtige Angaben gemacht hat (vgl. BSG, Urteil vom 17.09.1997 – 6 RKa 86/95 -, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.11.2001 – L 5 KA 4454/00 -).
Die von der Klägerin mit den Abrechnungen für die Quartale I/2002 bis II/2003 abgegebenen Abrechnungs-Sammelerklärungen sind unrichtig. Dr. C hat zur Überzeugung des Senats die Leistungen nach den o.a. Gebührenordnungspositionen jedenfalls in nicht unerheblichen Teilen nicht ordnungsgemäß erbracht.
Die Unrichtigkeit der von der Klägerin abgegebenen Abrechnungs-Sammelerklärungen für die o.a. Quartale beruht zumindest auf grober Fahrlässigkeit. Insoweit ist an die Regeln des Sozialverwaltungsverfahrens über die Aufhebung von Verwaltungsakten gemäß §§ 45, 48 SGB X anzuknüpfen (vgl. BSG a.a.O.), nach denen ein Begünstigter u.a. dann nicht auf die Bestandskraft eines begünstigenden Verwaltungsaktes vertrauen kann, soweit der Verwaltungsakt auf vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtig gemachten Angaben des Begünstigten beruht (vgl. §§ 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2, 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB X). Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 2. Halbsatz SGB X). Die Leistungslegenden der Ziff. 8450 und 8451 Schmerztherapievereinbarung und die Ziff. 17, 301, 801 und 2460 EBM sind eindeutig. Die Ausführungen der Klägerin sind nicht nachvollziehbar und exkulpieren sie nicht.
Der Wegfall der Garantiefunktion der Abrechnungs-Sammelerklärung bei Vorliegen schon einer einzelnen grob fahrlässig falschen Angabe auf einem Behandlungsausweis, mit der Folge, dass der Honorarbescheid für das Quartal im Ganzen rechtswidrig ist, unterliegt auch keinen Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit. Die Beklagte hat keinen Vertrauenstatbestand dahin gehend gesetzt hat, dass sie die Abrechnungsweise des Klägers für zutreffend hält oder sie von einer Berichtigung absieht. Überdies bedeutet die sachlich-rechnerische Richtigstellung nicht, dass dem Arzt überhaupt kein Anspruch auf Vergütung für die in dem Quartal erbrachten Leistungen zusteht. Soweit davon auszugehen ist, dass Leistungen tatsächlich und ordnungsgemäß erbracht wurden, hat die KV nach Aufhebung des unrichtigen Honorarbescheides das dem Vertragsarzt für diese Leistungen zustehende Honorar neu festzusetzen.
Bei der Festsetzung ist die Beklagte berechtigt, das dem Vertragsarzt zustehende Honorar zu schätzen. Bei der Schätzung besteht kein der Gerichtskontrolle entzogener Beurteilungsspielraum. In aller Regel ist es nicht zu beanstanden, wenn die KV in den Fällen, in denen die vom Arzt geltend gemachte Quartalsvergütung bezogen auf den Fallwert wesentlich über dem Durchschnitt seiner Fachgruppe liegt, deutliche Abschläge gegenüber der ursprünglich geltend gemachten Honorarforderung vornimmt und sich im Wege pauschalierender Schätzung damit begnügt, ihm ein Honorar z. B. in Höhe des Fachgruppendurchschnitts – oder in KV-Bezirken mit hohen Fallwerten evtl. niedriger – zuzuerkennen (u.v.a. BSG, Urteil vom 17.09.1997 – 6 RKa 86/95 -).
Die Beklagte hat – soweit honorarmindernd – die Ziff. 17, 18, 301, 801 und 2460 EBM auf den Fachgruppendurchschnitt gekürzt. Dieses Vorgehen ist nach Maßgabe der o.a. Grundsätze nicht zu beanstanden. Keinen Bedenken begegnet insofern auch, dass sie die Honorarbescheide für die Quartale I/2003 und II/2003 bereits mit Bescheiden vom 15.09.2003 und 17.09.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2004 (streitig im Parallelverfahren der Klägerin L 11 KA 72/08) sachlich-rechnerisch richtig gestellt haben, da diese Kürzung ausschließlich die Ansätze der Ziff. 8450 und 8451 Schmerztherapievereinbarung betrafen. Zwar können sachlich-rechnerische Richtigstellungen dazu führen, dass weitere Korrekturen, deren Voraussetzungen möglicherweise erst später offenbar werden, künftig ausgeschlossen oder nur nach Maßgabe des § 45 SGB X durchführbar sind. Indes gilt dies nicht ausnahmslos. Die Aufhebung einer zuvor von der KV vorgenommenen sachlich-rechnerischen Richtigstellung kann vielmehr bei dem betroffenen Vertragsarzt spezifisches Vertrauen nur insoweit hervorrufen, als dabei erkennbar eine Prüfung der zugrunde liegenden Streitfrage vorgenommen wurde (BSG, Beschluss vom 03.02.2010 – B 6 KA 22/09 B – und Urteil vom 08.02.2006 – B 6 KA 12/05 R -; Urteil des Senats vom 10.12.2008 – L 11 KA 16/07 -). Dies ist aber hier nicht der Fall. Bei den sachlich-rechnerischen Richtigstellungen durch die Bescheide vom 15.09.2003 und 17.09.2003 ist erkennbar ausschließlich eine Prüfung und Korrektur der Ansätze der Ziff. 8450 und 8451 Schmerztherapievereinbarung erfolgt, weshalb die Klägerin nicht darauf vertrauen konnte, dass die Honorarbescheide im Übrigen nicht mehr Gegenstand eines weiteren Prüfverfahrens werden. Dies macht sie nicht einmal selbst geltend.
Soweit die Beklagte den Ansatz der Ziff. 8451 Schmerztherapievereinbarung für die Quartale des Jahres 2002 auf 500 Behandlungen/Quartal festgesetzt hat, ist dies entgegen der Auffassung des SG im Ergebnis ebenfalls nicht zu beanstanden. Ihre Begründung, dass Schmerztherapeutische Vereinigungen von einer maximalen Patientenzahl von Schmerzpatienten in diesen Höhe ausgehe, ist nicht belegt und daher nicht nachvollziehbar. Der Senat sieht indes die Klägerin durch diese Entscheidung im Ergebnis eher sogar als begünstigt, da sich auf der Grundlage der Frequenztabellen der Fachgruppendurchschnitt in den streitbefangenen Quartalen ausgehend von folgenden Berechnungen auf der Grundlage der Frequenztabellen:
Quartal I/2002:
Häufigkeit der Vergleichsgruppe (auf 100 Fälle) = 17,82 %
Fallzahl der Vergleichsgruppe = 1.356
Häufigkeit der Vergleichsgruppe (absolut, gerundet) = 1.356 x 17,82 % = 242
Quartal II/2002:
Häufigkeit der Vergleichsgruppe (auf 100 Fälle) = 16,10 %
Fallzahl der Vergleichsgruppe = 1.399
Häufigkeit der Vergleichsgruppe (absolut, gerundet) = 1.399 x 16,10 % = 225
Quartal III/2002:
Häufigkeit der Vergleichsgruppe (auf 100 Fälle) = 18,92 %
Fallzahl der Vergleichsgruppe = 1.375
Häufigkeit der Vergleichsgruppe (absolut, gerundet) = 1.375 x 18,92 % = 260
Quartal IV/2002:
Häufigkeit der Vergleichsgruppe (auf 100 Fälle) = 19,95 %
Fallzahl der Vergleichsgruppe = 1.338
Häufigkeit der Vergleichsgruppe (absolut, gerundet) = 1.338 x 19,95 % = 267
auf höchstens etwa 270 Behandlungen/Quartal errechnet, weshalb es bei der durch die Beklagte vorgenommenen Kürzung auf 500 Behandlungen/Quartal verbleibt. Einen Anhaltspunkt, diese Anzahl – wie das SG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat – wegen einer besonderen Praxisstruktur der Klägerin zu erhöhen, hat die Klägerin nicht vorgetragen und erschließt sich dem Senat auch nicht, so dass die Berufung der Beklagten daher insofern Erfolg hat.
Dies gilt indes nicht, soweit das SG – nach Auffassung des Senats zu Recht – den Ansatz der Ziff. 8450 Schmerztherapievereinbarung in Abweichung zur angefochtenen Entscheidung der Beklagten auf den Fachgruppendurchschnitt gekürzt hat. Denn die Begründung des Beklagten, der Ansatz der Ziff. 8450 Schmerztherapievereinbarung sei auf 10 % der von ihr zugrunde gelegten 500 Behandlungen/Quartal festzusetzen, ist nicht nachvollziehbar, weder – wie ausgeführt – bezogen auf den Ansatz von 500 noch auf die 10 %. Anders als bei der Kürzung des Ansatzes nach Ziff. 8451 sieht der Senat den Kläger auch nicht als begünstigt an, so dass die Kürzung insoweit auch nicht im Ergebnis (mit anderer Begründung) bestätigt werden kann. Denn dadurch würde das Honorar des Klägers für diese Leistungen, ohne dass dafür eine Rechtfertigung gegeben ist, unter den Fachgruppendurchschnitt gekürzt. Dies ergibt sich aus folgenden Berechnungen:
Quartal I/2002:
Häufigkeit der Vergleichsgruppe (auf 100 Fälle) = 11,02 %
Fallzahl der Vergleichsgruppe = 1.356
Häufigkeit der Vergleichsgruppe (absolut, gerundet) = 1.356 x 11,02 % = 149
Quartal II/2002:
Häufigkeit der Vergleichsgruppe (auf 100 Fälle) = 9,12 %
Fallzahl der Vergleichsgruppe = 1.399
Häufigkeit der Vergleichsgruppe (absolut, gerundet) = 1.399 x 9,12 % = 128
Quartal III/2002:
Häufigkeit der Vergleichsgruppe (auf 100 Fälle) = 11,35 %
Fallzahl der Vergleichsgruppe = 1.375
Häufigkeit der Vergleichsgruppe (absolut, gerundet) = 1.375 x 11,35 % = 156
Quartal IV/2002:
Häufigkeit der Vergleichsgruppe (auf 100 Fälle) = 12,28 %
Fallzahl der Vergleichsgruppe = 1.338
Häufigkeit der Vergleichsgruppe (absolut, gerundet) = 1.338 x 12,28 % = 164
Anhaltspunkte, die gegen eine vom Fachgruppendurchschnitt abweichende Schätzung sprechen, liegen auch nicht vor. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund der vom Kläger eingeforderte besonderen Berücksichtigung seiner Praxis als Schmerztherapeutische Praxis, die seines Erachtens nicht mit einer "normalen" Orthopädie noch mit einer schmerztherapeutischen Praxis eines Anästhesisten vergleichbar gewesen sei. Denn ein maßgeblicher Anteil seiner Patienten waren, wie ausgeführt, keine Schmerzpatienten im Sinne der Schmerztherapievereinbarung.
Die Ansicht der Klägerin, der Rückforderung hätte eine explizite Beratung vorangehen müssen, geht fehl. Hinweis- und Beratungspflichten der KV sind aus der im Vertragsarztrecht bestehenden gegenseitigen Verpflichtung zur vertrauensvollen Zusammenarbeit auf die Fälle beschränkt, in denen sich eine Beratung vor der Plausibilitätsprüfung aufdrängt. Ein solcher Anlass bestand nach Aktenlage nicht und wird vom Kläger auch nicht vorgetragen.
Im Ergebnis hatte damit die Berufung der Klägerin keinen und die Berufung der Beklagten im tenorierten Umfang Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 16.03.2016
Zuletzt verändert am: 16.03.2016