Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 16.7.2007 geändert. Dem Kläger wird ab dem 12.4.2007 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt S aus Q als Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet. Als Kostenbeteiligung werden monatliche Raten in Höhe von EUR 75 festgesetzt, erstmals zu zahlen für den Monat Januar 2008 und fällig jeweils am ersten Tag des Folgemonats. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde, der das Sozialgericht (SG) nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 13.8.2007), ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Prozesskostenhilfe. Dieser Anspruch ergibt sich aus §§ 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm 114ff der Zivilprozessordnung (ZPO).
Danach erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint, § 114 ZPO.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung, nämlich die Klage gegen den Bescheid vom 4.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.3.2007, bietet bei summarischer Prüfung hinreichende Aussicht auf Erfolg. Hinreichende Erfolgsaussicht setzt nicht voraus, dass der Kläger mit seinem Begehren wahrscheinlich ganz oder teilweise obsiegen wird. Für die Annahme hinreichender Erfolgsaussicht genügt bereits, dass eine – nicht ganz entfernt liegende – Möglichkeit des Obsiegens besteht und (mindestens) eine schwierige Rechtsfrage zu beantworten ist oder vor einer abschließenden Beantwortung der streiterheblichen Fragen weitere Ermittlungen von Amts wegen durchzuführen sind (Bundesverfassungsgericht NJW-RR 2002, 1069-1070 = SGb 2002, 674).
Es ist wahrscheinlich, dass der Kläger teilweise (nämlich mit seinem Anfechtungsantrag) obsiegen wird. Nach Lage der Akten dürfte die Klage insoweit Erfolg haben, weil die von der Beklagten genannte Ermächtigungsgrundlage (§ 48 Abs 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)) die getroffene Regelung aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen nicht trägt. Die Beklagte hat nämlich festgestellt, dass mit Bescheid vom 4.9.1979 ein "Milzverlust" zu Unrecht als Unfallfolge festgestellt sei und daraus neue Leistungsansprüche nicht erwachsen könnten. Eine solche Rechtsfolge ist in § 48 Abs 3 SGB X nicht vorgesehen. Die Vorschrift berechtigt vielmehr zu der Feststellung, dass laufende Sozialleistungen (hier zugesprochen mit Bescheid vom 24.10.2006) im Falle einer künftig eintretenden wesentlichen Änderung im Sinne einer Verschlimmerung "abzuschmelzen", dass heißt so lange nicht zu erhöhen sind, bis die rechtswidrig festgestellte und die tatsächliche Leistungshöhe übereinstimmen. Eine solche Feststellung hat die Beklagte mit keinem Verfügungssatz getroffen, sondern allenfalls in den Gründen der Bescheide solche Folgen ihrer Entscheidung angesprochen. Es kann dahin stehen, ob eine Auslegung oder Umdeutung der Bescheide im Sinne einer § 48 Abs 3 SGB X entsprechenden Regelung (etwa im Sinne des Austausches von Verfügungssatz und Begründung) in Betracht kommt. Sie führte nämlich schon deshalb nicht zu einem rechtmäßigen Bescheid, weil die verfügte Regelung tatsächlich nicht richtig sein dürfte (und damit auch zur Begründung einer § 48 SGB X entsprechenden Rechtsfolge nicht taugte). Denn nach dem Beweisergebnis im Vorprozess (SG Detmold S 14 KN 1/05 U = LSG NRW L 2 86/06 U) ist durchaus zweifelhaft, ob ein Milzverlust als Unfallfolge zu Unrecht anerkannt worden ist. Vielmehr hat sich lediglich ergeben, dass die an den Verlust der Milz geknüpften, für die Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) maßgeblichen Funktionsstörungen offenbar deshalb nicht (im angenommenen Ausmaße) eingetreten sind, weil die Funktion der (wohl tatsächlich entfernten!) Milz durch eine (zunächst übersehene?) Nebenmilz übernommen worden sind. Damit betrifft die Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheids nur die Feststellung zur Höhe der MdE und der sich danach bemessenden Verletztenrente. § 48 Abs 3 SGB X berechtigte insoweit zu einem feststellenden Verwaltungsakt dahingehend, dass "die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen darf, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt".
Soweit der Kläger die Feststellungen aus dem Vorprozess mit der Behauptung angreift, es liege bei ihm auch keine "Nebenmilz" vor, hätte dies – käme es darauf entscheidend an – nach dem Beweisergebnis im Vorprozess allein keine Grundlage geboten, von einer realistischen Möglichkeit des (teilweisen) Obsiegens auszugehen. Dies schlösse indes nicht aus, dass eine vage Möglichkeit des Obsiegens besteht, und deshalb zu der – durch den behandelnden Arzt Dr. X bestätigten – Behauptung weiterer Beweis zu erheben wäre.
Der Kläger ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage, die Kosten der Prozessführung in monatlichen Raten von EUR 75 aufzubringen, § 115 Abs 1 und 2 ZPO.
Dem liegt folgende Berechnung zugrunde:
I. Einkommen
in Geld:
Unfallrente 202,00 EUR
Erwerbsminderungsrente 393,47 EUR
Erwerbseinkommen 400,00 EUR
= 995,47 EUR
in Geldeswert:
u. a. die auf §1360 BGB beruhenden Unterhaltsleistungen (z. B. Unterkunft, Verpflegung, sonst. Sachbezüge), welche der Ehegatte laufend zur Versorgung des Antragstellers beiträgt.
Berechnung des Ehegattenunterhalts:
Der unterhaltsbedürftige Ehegatte hat Anspruch auf 3/7 der Differenz zwischen den anrechenbaren Erwerbseinkommen der Ehegatten:
Einkommen des Ehegatten (nach Abzug des Kindesunterhalts) 1.520,00 EUR
+ Einkommen des Antragstellers 995,47 EUR
Differenz 524,53 EUR
hiervon 3/7 224,79 EUR
Resteinkommen (s.o.) i. H. v. 1.520,00 EUR
abzgl. Unterhalt i. H. v. 224,79
= EUR 1.295,22 EUR
Der notwendige Eigenbedarf des Unterhaltspflichtigen in Höhe von 840,00 EUR wird nicht unterschritten:
Nach der Düsseldorfer Tabelle hätte der Antragsteller – würde er getrennt vom Ehegatten leben – einen Anspruch auf Unterhalt in Höhe von 224,79 EUR. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Wert der tatsächlichen Unterstützung (§ 1360 BGB) in einer ehelichen Lebensgemeinschaft diesen Betrag nicht unterschreitet, so dass ein Einkommen in Geldeswert in Höhe von
224,79 EUR
berücksichtigt werden kann.
Einkommen des Antragstellers insgesamt:
1.220,26 EUR
II. Abzüge:
angemessene monatliche Versicherungsbeiträge 173,00 EUR
Einkommensfreibetrag für Angestellter 360,00 EUR
anzurechnen ist somit ein Wohnkostenanteil von 222,80 EUR
besondere Belastungen:
Kredit 217,00 EUR
Abzüge des Antragstellers insgesamt:
994,80 EUR
III. Ergebnis zu § 115 ZPO:
Einkommen I: 1.220,26 EUR
abzgl. Abzüge II: 994,80 EUR
Resteinkommen: 225,00 EUR
Bei einem einzusetzenden Einkommen von bis zu EUR 250 beträgt die festzusetzende Monatsrate EUR 75.
Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erscheint wegen der Komplexität des Sachverhalts und der nicht leicht zu überschauenden rechtlichen Problematik erforderlich, § 121 Abs 2 ZPO.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs 4 ZPO.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Erstellt am: 15.11.2007
Zuletzt verändert am: 15.11.2007