I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 24. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2010 verurteilt, den Kläger für seine Tätigkeit bei der Beigeladenen ab dem 1. Dezember 2009 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.
II. Die Beklagte hat dem Kläger und der Beigeladenen ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger für seine Beschäftigung bei der Beigeladenen Anspruch auf die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung hat.
Der am 1962 geborene Kläger ist Volljurist und als selbständiger Rechtsanwalt mit eigenem Kanzleisitz tätig. Ferner übt er seit dem 01.12.2009 eine abhängige Beschäftigung als "Mitarbeiter Verkehrshaftung und Transportversicherung" bei der Beigeladenen, einer Selbstversicherungseinrichtung mit Sitz in D. und Zweigniederlassung in A-Stadt, aus. Er ist seit dem 03.07.1996 Pflichtmitglied einer Rechtsanwaltskammer (zunächst der Rechtsanwaltskammer K., seit 17.03.2005 der H. Rechtsanwaltskammer) und Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande N …
Am 16.12.2009 beantragte der Kläger die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für seine Beschäftigung bei der Beigeladenen. Er legte eine Stellen- und Funktionsbeschreibung vor, wonach ihm die Bearbeitung von Versicherungsschäden obliege. Der Kläger prüfe die Ansprüche der Geschädigten, zahle berechtigte Ansprüche aus, lehne unberechtigte Ansprüche ab und handle Vergleiche aus. In geeigneten Fällen führe er Regresse gegen die Schadensverursacher durch. Dem Kläger sei unwiderruflich die Ausübung des Anwaltsberufs gestattet; für eilbedürftige und fristgebundene anwaltliche Tätigkeiten werde er auch während der Arbeitszeit freigestellt.
Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung mit Bescheid vom 24.03.2010 ab. Die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) lägen nicht vor, da der Kläger bei der Beigeladenen nicht anwaltlich beschäftigt sei. Von einer anwaltlichen Beschäftigung sei auszugehen, wenn die Aufgabenfelder Rechtsberatung, Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung und Rechtsvermittlung kumulativ wahrgenommen werden. Der Kläger nehme aber die Tätigkeitsfelder Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung und Rechtsvermittlung nicht wahr.
Hiergegen erhob der Kläger am 14.04.2010 Widerspruch. Entgegen der Ansicht der Beklagten erfülle seine Tätigkeit alle Voraussetzungen einer anwaltlichen Tätigkeit. Er reichte eine ergänzende Stellenbeschreibung der Beigeladenen vom 13.04.2010 zur Akte der Beklagten. Hiernach leiste er insbesondere bei komplexen Schadensfällen umfassende Rechtsberatung und treffe diesbezügliche Rechtsentscheidungen allein oder gemeinsam mit Kollegen und Vorgesetzten auf der Grundlage seiner umfassenden Analysen. Er trete für die Beigeladene nach Außen als rechtskundiger und mit Vollmachten ausgestatteter Entscheidungsträger auf. Rechtsgestaltend sei der Kläger vornehmlich im Zusammenhang mit der Ausarbeitung von Versicherungspolicen, Projektverträgen und Vereinbarungen mit den Versicherungsnehmern der Beigeladenen tätig. Die Rechtsvermittlung im Sinne einer Einigung leiste er in jedem Schadensfall, in dem eine einvernehmliche Lösung und Befriedung der gegenseitigen Interessen angestrebt und oft auch erreicht wird. Rechtsvermittlung im Sinne von Lehre leiste der Kläger im Rahmen von Schulungen. Als einziger Volljurist bei der Beigeladenen verkörpere er die Rechtsabteilung derzeit noch allein.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.09.2010 zurück. Die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit sei nicht als anwaltlich anzusehen, weil sie objektiv nicht zwingend die Qualifikation als Volljurist voraussetze. Der Kläger sei bei der Beigeladenen als Sachbearbeiter beschäftigt. Ihm obliege die Bearbeitung von Versicherungsschäden. Es sei nicht ersichtlich, dass diese Tätigkeit nach objektiven Maßstäben ausschließlich für Juristen mit der Befähigung zum Richteramt zugänglich ist. Wenn eine Tätigkeit objektiv nicht zwingend eine Qualifikation als Volljurist voraussetzt, könne es sich nicht um eine anwaltliche Tätigkeit handeln.
Hiergegen erhob der Kläger am 11.10.2010 Klage zum Sozialgericht – SG – Augsburg. Im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen obliege ihm gerade nicht ausschließlich die Bearbeitung von Versicherungsschäden. Er gehe vielmehr der typischen Beschäftigung eines Syndikusanwalts nach, die wiederum die Qualifikation als Volljurist voraussetze. Zum 01.09.2010 hin habe die Beigeladene ihm Handlungsvollmacht gemäß § 54 Handelsgesetzbuch (HGB) erteilt. Unter dem 14.01.2011 sei der Anstellungsvertrag dahingehend ergänzt worden, dass der Kläger als "Syndicusanwalt" tätig ist. Nach einem von der Beigeladenen am 13.12.2010 erstellten Stellenprofil sei notwendige Qualifikation für die Tätigkeit des Klägers die eines Rechtsanwalts. Im Rahmen seiner Beschäftigung bei der Beigeladenen sei er rechtsberatend, rechtsentscheidend, rechtsgestaltend und rechtsvermittelnd tätig. Insoweit wiederholte der Kläger im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren; ergänzend reichte er umfangreiche Arbeitsproben zur Gerichtsakte.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2010 zu verurteilen, ihn für seine Tätigkeit bei der Beigeladenen ab dem 01.12.2009 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertritt die Ansicht, für die Aufgaben des Klägers bei der Beigeladenen sei seine juristische Ausbildung vielfach nützlich, weil die Arbeit häufig einen Bezug zu rechtlichen Fragestellungen aufweise. Dies mache die Beschäftigung aber nicht zu einer anwaltlichen. Der Kläger bearbeite Versicherungsschäden. Auch die übersandte Handlungsvollmacht sei kein Indiz für eine anwaltliche Tätigkeit, da der Kläger diese als Schadenssachbearbeiter für seine Zeichnungsbefugnis benötige. Die Zeichnung des Klägers sei nur in Verbindung mit der Unterschrift einer zweiten Person, eines Prokuristen, wirksam. Schließlich sei vom Kläger nicht nachgewiesen, dass das zweite juristische Staatsexamen Einstellungsvoraussetzung für die Besetzung der Stelle als "Mitarbeiter Verkehrshaftung und Transportsicherung" gewesen ist. Wenn aber eine Tätigkeit objektiv nicht zwingend eine Qualifikation als Volljurist voraussetzt, könne es sich nicht um eine anwaltliche Tätigkeit handeln.
Die Beigeladene schließt sich dem Antrag des Klägers an.
Sie ist der Auffassung, die Aufgaben, mit denen sie den Kläger betraut hat, erfüllen alle vier genannten Merkmale, die eine anwaltliche Tätigkeit ausmachen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Bescheid vom 24.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2010 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung in seiner ab dem 01.12.2009 ausgeübten Tätigkeit bei der Beigeladenen.
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI werden Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied in einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit, wenn (a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 01.01.1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat, (b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und (c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist.
Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist eröffnet, weil der Kläger bei der Beigeladenen seit dem 01.12.2009 gegen Entgelt abhängig beschäftigt ist und deshalb nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI grundsätzlich der Versicherungspflicht bei der Beklagten unterliegt.
Die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sind auch erfüllt. Der Kläger ist seit dem Beginn seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen Mitglied einer Rechtsanwaltskammer und Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Rechtsanwälte. Unstreitig erfüllen diese Mitgliedschaften auch die übrigen in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a) bis c) SGB VI geforderten Voraussetzungen.
Zwar beruhen die Pflichtmitgliedschaften in der Rechtsanwaltskammer und im Versorgungswerk nicht auf der Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen, sondern auf seiner bereits zuvor bestehenden Zulassung als Rechtsanwalt. Eine kausale Beziehung zwischen Beschäftigung bzw. Tätigkeit einerseits und einer Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung andererseits muss nach Auffassung der Kammer aber nicht gegeben sein (ebenso: Hessisches Landessozialgericht – LSG -, Urteil vom 29.10.2009, Az.: L 8 KR 189/08 = AnwBl 2010, 214f.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.02.2013, Az.: L 11 R 2182/11, abrufbar in juris). Zwar legt der Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ("wegen der") ein derart enges Verständnis der Norm nahe. Eine solche Auslegung lässt sich aber mit dem erkennbaren Zweck der Regelung nicht vereinbaren. Das Recht, sich von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreien zu lassen, soll Versicherten, die kraft Gesetzes auch Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind, die Verpflichtung nehmen, Beiträge zu zwei weitgehend funktionsgleichen Systemen der Altersversorgung zahlen zu müssen (vgl. Landessozialgericht – LSG – Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.03.2004, Az.: L 4 RA 12/03, abrufbar in juris, m.w.N.). Dieser Zweck könnte nicht erreicht werden, wenn das Recht zur Befreiung davon abhinge, dass dieselbe abhängige Beschäftigung, die einerseits die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet, andererseits zugleich auch zu einer Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung führen müsste. Bei diesem engen Verständnis würde § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI – jedenfalls für Rechtsanwälte – weitgehend leerlaufen, da die Mitgliedschaft im Versorgungswerk von der Mitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer abhängt, und diese gemäß § 60 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) wiederum rein formal an die Zulassung als Rechtsanwalt, nicht aber an die Ausübung einer bestimmten Beschäftigung oder Tätigkeit anknüpft.
Andererseits ist die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht, wie sich aus § 6 Abs. 5 SGB VI ergibt, nicht personen-, sondern tätigkeitsbezogen: Die Befreiung darf nur für einzelne konkrete Beschäftigungsverhältnisse bei einem bestimmten Arbeitgeber erteilt werden. Daraus wird deutlich, dass die Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk der Rechtsanwälte für sich allein nicht genügt, um einen Anspruch auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu begründen. Erforderlich ist zudem eine berufsgruppenspezifische, also eine dem anwaltlichen Berufsbild entsprechende Tätigkeit (ebenso: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.01.2013, Az.: L 2 R 2671/12, abrufbar in juris; Hessisches LSG, a.a.O.; SG München, Urteil vom 23.08.2011, Az.: S 12 R 1574/10 = NJW 2012, 1023f.). Wann eine Tätigkeit anwaltlich ist, ist gesetzlich nicht abschließend geregelt. In der Rechtsprechung und in der Verwaltungspraxis haben sich als eine anwaltlich berufstypische Tätigkeit qualifizierend vier Kriterien herausgebildet: Als Voraussetzung für einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung muss die Tätigkeit die Rechtsberatung, die Rechtsentscheidung, die Rechtsgestaltung und die Rechtsvermittlung umfassen. Alle diese Kriterien müssen kumulativ vorliegen.
Der teilweise in der Rechtsprechung (LSG Nordhein-Westfalen, a.a.O.; SG B-Stadt, Urteil vom 06.12.2012, Az.: S 27 R 24/12, abrufbar in juris) vertretenen Ansicht, dass die vom Bundesgerichtshof (BGH) entwickelte Zwei-Berufe-Theorie, wonach der Syndikusanwalt außerhalb seines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses einer anwaltlichen Tätigkeit nachgehe, innerhalb desselben jedoch nicht (vgl. hierzu: Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, § 6 Rdnr. 65 m.w.N.), auf das Sozialversicherungsrecht zu übertragen sei, vermag sich die Kammer nicht anzuschließen. Ein solches Absehen von den Inhalten und Rahmenbedingungen der Tätigkeit im Einzelfall entspricht nicht der in § 6 SGB VI getroffenen Regelung, die gerade auf eine konkrete Beschäftigung und Tätigkeit der zu befreienden Person abstellt. Auch erschließt sich nicht, weshalb das mit einer abhängigen Beschäftigung notwendig verbundene Subordinationsverhältnis bei einem standesrechtlich nicht gebundenen Arbeitgeber einer anwaltlichen Tätigkeit immer entgegenstehen soll, bei einem Arbeitgeber, der selbst Rechtsanwalt ist, im Übrigen jedoch dieselben Weisungsrechte genießt, jedoch nie.
Entgegen der von der Beklagten vertretenen Ansicht kann es auch nicht darauf ankommen, ob für die Tätigkeit, für die die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begehrt wird, objektiv zwingend ein Rechtsanwalt erforderlich ist. Für die Tätigkeit eines Pharmaberaters im Sinne von § 75 Arzneimittelgesetz (AMG) ist die Approbation als Arzt ebenfalls keine Voraussetzung. Trotzdem steht dies der Befreiung eines als Pharmaberater tätigen Arztes nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI nicht entgegen (Bundessozialgericht, Urteil vom 31.10.2012, B 12 R 3/11 R, abrufbar in juris). Ebenso wenig kommt es auf die Bezeichnung der Tätigkeit des Klägers als "Mitarbeiter Verkehrshaftung und Transportversicherung" an. Maßgeblich ist allein, ob die betreffende Tätigkeit (auch) für einen Rechtsanwalt charakteristisch ist. Dies ist sie jedenfalls dann, wenn sie – wie vorliegend – überwiegend den Tätigkeitsfeldern der Rechtsberatung, der Rechtsentscheidung, der Rechtsgestaltung und der Rechtsvermittlung zuzuordnen ist.
Der Kläger ist rechtsberatend tätig. Die Rechtsberatung umfasst die unabhängige Analyse von betriebsrelevanten, konkreten Rechtsfragen, die selbständige Herausarbeitung und Darstellung von Lösungswegen und Lösungsmöglichkeiten vor dem spezifischen betrieblichen Hintergrund und das unabhängige Bewerten der Lösungsmöglichkeiten (Hessisches LSG, a.a.O.). Zu den Aufgaben des Klägers gehört die telefonische oder schriftliche Beratung des Vorstandes der Beigeladenen bei der Umsetzung rechtlicher Vorgaben bezogen auf die Gestaltung von Verträgen mit den Versicherungsnehmern. Ferner berät er den Vorstand bei Schadensfällen mit komplexem Verlauf. Er erstellt unabhängig und selbständig Analysen der sich daraus ergebenden Rechtsfragen und zeigt Handlungsalternativen bezüglich der zu treffenden Entscheidungen auf. Zum Beleg hat er mit Schreiben vom 16.12.2010 etliche Arbeitsproben vorgelegt; eine rechtsberatende Tätigkeit des Klägers ergibt sich aus nahezu allen vorgelegten Beispielsfällen (insbesondere "Leichtfertig Hochregal", "Nicole", "TGM Kanis", "Vodka", "WET", "Zoll ZAK" und "Apostille").
Der Kläger wird im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen auch rechtsentscheidend tätig. Der Bereich der Rechtsentscheidung beinhaltet das nach außen wirksame Auftreten als Entscheidungsträger mit eigenständiger Entscheidungskompetenz (Hessisches LSG, a.a.O.). Wie insbesondere die Arbeitsproben "Gabor 50/50" und "Gitarre" belegen, vertritt der Kläger die Beigeladene insbesondere bei komplexen Schadensfällen mit eigener Entscheidungsbefugnis und nimmt die Verhandlungsführung selbständig vor. Dabei ist er befugt, Vergleiche abzuschließen. Der Kläger verfügt seit dem 01.09.2010 über eine Handlungsvollmacht im Sinne des § 54 HGB. Die Notwendigkeit einer zweiten Unterschrift ergibt sich aus gesellschaftsrechtlichen Vorgaben. Die Entscheidungskompetenz des Klägers wird dadurch nicht gemindert. Da unternehmerische Entscheidungen heute nicht mehr von Einzelpersonen getroffen werden, kann für dieses Kriterium nicht die Unabhängigkeit von allen Weisungen gefordert werden. Eine wesentliche Teilhabe an einem innerbetrieblichen Entscheidungsprozess genügt und zumindest die kann auch von Beginn der streitgegenständlichen Tätigkeit an, als der Kläger zunächst noch nicht über eine Handlungsvollmacht verfügte, nicht in Abrede gestellt werden (vgl. die Arbeitsprobe "TGM Kanis"). Als einziger Volljurist bei der Beigeladenen verkörpert der Kläger die Rechtsabteilung allein. Schon deshalb erscheint es zur Überzeugung der Kammer nahezu ausgeschlossen, dass andere Personen ohne entsprechende juristische Kenntnisse dem Kläger fachliche Weisungen erteilen.
Der Kläger ist auch rechtsgestaltend tätig. Dem Bereich der Rechtsgestaltung ist das eigenständige Führen von Vertrags- und Einigungsverhandlungen zuzuordnen (Hessisches LSG, a.a.O.). Der Kläger führt – wie bereits oben festgestellt, Arbeitsproben "Gabor 50/50" und "Gitarre" – eigenständig Verhandlungen und schließt Vergleiche. Ausweislich der weiteren Arbeitsprobe "Policenwording" formuliert er zudem Allgemeine Geschäftsbedingungen, gestaltet Ladeaufträge und Vertragskonditionen.
Schließlich ist auch das Merkmal der Rechtsvermittlung erfüllt. Hierunter wird die mündliche Darstellung abstrakter Regelungskomplexe vor einem größeren Zuhörerkreis bzw. deren schriftliche Aufarbeitung und Bekanntgabe sowie Erläuterung von Entscheidungen im Einzelfall verstanden (Hessisches LSG, a.a.O.). Der Kläger hält regelmäßig Vorträge vor der Geschäftsführung der Beigeladenen, deren Versicherungsnehmern und Mitarbeitern über aktuelle Rechtsfragen auf dem Gebiet des Transport- und Versicherungsrechts. Er führt als Dozent Schulungen bei der Muttergesellschaft der Beigeladenen durch. Dies ergibt sich aus den vorgelegten Arbeitsproben "CEM", VK Einf" und "VersTag 2010". Zudem arbeitet der Kläger bei komplexen Schadensfällen rechtliche Gutachten aus, in denen er gegenüber der Geschäftsführung die Sach- und Rechtslage erläutert, von ihm getroffene Entscheidungen kommentiert, oder Handlungsempfehlungen ausspricht und diese umfassend begründet, siehe die Arbeitsproben "WET", "Vodka" und "Gitarre".
Im Ergebnis übt der Kläger bei der Beigeladenen eine anwaltliche Tätigkeit aus, für die er gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 SGB VI ab 01.12.2009 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien ist. Die Tätigkeit des Klägers stellt sich als eine hochspezialisierte Tätigkeit dar, die neben Kenntnissen des deutschen Rechts und Erfahrung im Bereich des Transportrechts auch die Fähigkeit erfordert, die Vorschriften anderer Rechtsordnungen zu integrieren. Mit diesen Aufgaben wird ein vernünftig handelnder Arbeitgeber nur Volljuristen betrauen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Erstellt am: 10.03.2015
Zuletzt verändert am: 10.03.2015