Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 29.09.2006 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Der Kläger, der als Verwaltungsangestellter beschäftigt war, meldete sich nach der Aussteuerung durch die Krankenkasse am 08.07.2005 arbeitslos unter Hinweis auf seine fortbestehende Arbeitsunfähigkeit. Die Beklagte bewilligte Arbeitslosengeld ab dem 13.07.2005. Mit Schreiben vom 13.02.2006 lud die Beklagte den Kläger zu einem Gespräch über sein Bewerberangebot bzw. seine berufliche Situation ein unter Belehrung über die Folgen eines Meldeversäumnisses. Der Kläger nahm den Termin nicht wahr. Er begründete dies damit, dass er den Termin versehentlich in seinem Kalender unter dem 08.03.2006 eingetragen habe. Daraufhin stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit für die Zeit vom 08. bis 14.03.2006 fest und hob die Bewilligung des Arbeitslosengeldes für diesen Zeitraum auf (Bescheid vom 13.03.2006, Widerspruchsbescheid vom 12.06.2006).
Mit seiner hiergegen vor dem Sozialgericht Köln erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er habe einen wichtigen Grund für die Nichtwahrnahme des Meldetermins gehabt, weil er arbeitsunfähig gewesen sei. Im Übrigen müssten in Fällen, in denen wie bei ihm das Arbeitslosengeld im Wege der Nahtlosigkeit gewährt werde, besondere Kriterien hinsichtlich der Meldeverpflichtung gelten. Die Einladung sei im Hinblick auf seine berufliche und gesundheitliche Situation sinnlos gewesen.
Mit Beschluss vom 29.09.2006 hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Die dagegen eingelegte Beschwerde ist zulässig, auch wenn die streitige Leistung nicht die für die zulassungsfreie Berufung erforderliche Beschwer von mehr als 500,- EUR (§ 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) erreicht. Auch in diesem Fall bleibt die Beschwerde gemäß § 172 Abs. 1 SGG zulässig, wonach gegen die Entscheidungen der Sozialgerichts mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht stattfindet, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8. Auflage, § 172 Rn 1; Frehse in Jansen, Kommentar zum SGG, 2. Auflage, § 172 Rn 1, 13; Zeihe, Kommentar zum SGG, § 172 Rn 5a; a.A. LSG Hamburg; Breithaupt 1985, 807). Die Beschwerde ist nicht kraft Gesetzes gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO), der über § 73a Abs. 1 S. 1 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung findet, ausgeschlossen (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4. Auflage, Kapitel VI Rn 72 mwN; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer a.a.O.; Peters/Sautter/ Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Auflage, § 172 Rn 23; LSG Baden-Württemberg Beschl. v. 02.01.2007 – L 13 AS 4100/06 PKH-B; a.A. LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 06.09.2005 – L 8 AL 1862/05 PKH-B; LSG Niedersachsen Beschl. v. 06.12.2005 – L 8 B 147/05 AS).
§ 127 Abs. 2 Satz 2. 2. Alt. ZPO in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses (ZPO-RG) vom 27.07.2001 (BGBl. I S. 1887) bestimmt, dass die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe nicht statthaft ist, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 (ZPO) genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. § 511 ZPO, der die Statthaftigkeit der Berufung im Zivilprozess regelt, ist jedoch mit der Regelung über die Zulässigkeit der Berufung im sozialgerichtlichen Verfahren in § 144 SGG nicht identisch. Die analoge Anwendung letzterer Vorschrift im sozialgerichtlichen Prozesskostenhilfe-Verfahren scheitert am Fehlen einer planwidrigen gesetzgeberischen Lücke (vgl. Peters/Sautter/Wolff a.a.O.; LSG Baden-Württemberg Beschl. v. 02.01.2007 – L 13 AS 4100/06 PKH-B; a.A. LSG Baden-Württemberg Beschl. v. 06.09.2005 – L 8 AL 1862/05 PKH-B).
Der in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur Reform des Zivilprozesses einschließlich der Änderung des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO vorgelegte Entwurf des Sechsten SGG-Änderungsgesetzes sah vor, dass die Beschwerde gegen Beschlüsse nach § 86b sowie gegen Beschlüsse in Verfahren über die Prozesskostenhilfe nicht gegeben ist, wenn im Verfahren zur Hauptsache die Berufung gemäß § 144 Abs. 1 der Zulassung bedürfte (BT-Drucks. 14/ 5943 S. 11). Hierdurch sollte eine Entlastung der Landessozialgerichte in Bezug auf Nebenentscheidungen bei Streitigkeiten erfolgen, die wegen der Hauptsache grundsätzlich nicht in die Berufungsinstanz gelangen können (BT-Drucks. a.a.O. S. 27 zu Nummer 56). Diese Bestimmung ist jedoch auf Vorschlag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuss) gestrichen worden, weil entsprechend einer in der Verwaltungsgerichtsordnung vorgesehenen Änderung (Entwurf eines Rechtsmittelbereinigungsgesetzes, BT-Drucks. 405/01 vom 01. Juni 2001) auch die Beschwerden gegen Beschlüsse nach § 86b sowie gegen Beschlüsse im Verfahren über Prozesskostenhilfe unabhängig von der Zulässigkeit des Berufungsverfahrens möglich sein sollen (BT-Drucks. 14/6335 S. 32 zu Artikel 1 Nr. 56). Hat der Gesetzgeber aber durch das Sechste SGG-Änderungsgesetz, das fast zeitgleich mit dem ZPO-RG in Kraft getreten ist (02.01.2002 und 01.02.2002), bewusst eine Beschränkung des § 172 Abs. 1 SGG über die Statthaftigkeit der Beschwerde im Prozesskostenhilfeverfahren unterlassen, kann nicht davon ausgegangen werden, er habe auf der anderen Seite über die analoge Anwendbarkeit des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO eine solche Rechtsfolge doch einführen wollen. Für eine Änderung der Verweisungsvorschrift des § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG brauchte der Gesetzgeber in Bezug auf die Neuregelung des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO insoweit keine Notwendigkeit zu sehen, weil § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO lediglich auf § 511 ZPO Bezug nimmt, der aber im sozialgerichtlichen Verfahren gerade keine Anwendung findet (§ 202 SGG).
Darüber hinaus lassen sich wesentliche Überlegungen, die zu der Neufassung des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO geführt haben, nicht auf das sozialgerichtliche Verfahren übertragen (a.A. Luik jurisPR-SozR 21/2006 Anm. 6). Zum einen sollte hierdurch ein in Rechtsprechung und Schrifttum bestehender Streit über die Zulässigkeit der Beschwerde in Abhängigkeit von der Statthaftigkeit eines Rechtsmittels in der Hauptsache beigelegt werden (BT-Drucks. 14/163 S. 14 unter 3.). Eine solche Diskussion war aber in der Sozialgerichtsbarkeit nicht in nennenswertem Umfang zu verzeichnen. Es gab lediglich vereinzelte Entscheidungen, die eine entsprechende Abhängigkeit bejahten (vgl. LSG Hamburg a.a.O.; Bayerisches LSG Breithaupt 1967, 899). Im Schrifttum wurde eine solche Abhängigkeit nahezu einheitlich verneint (zur Gegenmeinung vgl. die Nachweise bei Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 6. Auflage, § 172 Rn 4).
Zum anderen sollte die Reform des § 127 Abs. 2 ZPO insbesondere der Vermeidung divergierender Entscheidungen infolge unterschiedlicher Beurteilungen der Erfolgsaussicht durch das Beschwerdegericht gegenüber dem in der Hauptsache abschließend entscheidenden erstinstanzlichen Gericht dienen (BT-Drucks. 14/4722 S. 75 f. zu Buchstabe a). Anders als im sozialgerichtlichen Verfahren entscheidet aber im Zivilprozess allein das erstinstanzliche Gericht über die Zulassung der Berufung, soweit diese nicht kraft Gesetzes zulässig ist (§ 511 Abs. 4 ZPO). Seine Entscheidung ist unanfechtbar, gleichgültig ob es die Berufung zulässt oder nicht (vgl. Reichold in Thomas/Putzo, Kommentar zur ZPO, 27. Auflage, § 511 Rn 24). Dagegen ist für die Beschwerde über die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts allein das Landessozialgericht zuständig (§ 145 Abs. 4 SGG). Lässt dieses die Berufung etwa wegen besonderer Bedeutung der Rechtssache in abweichender Beurteilung gegenüber dem SG zu, könnte im Fall der Beschränkung der Beschwerdefähigkeit der rechtsuchenden Partei die Prozesskostenhilfe nur noch für das Berufungsverfahren gewährt werden, so dass gerade eine Divergenz zu Lasten der armen Partei einträte.
Lediglich der dritte Aspekt – Nichtbefassung der höheren Instanz ausschließlich mit einer Nebenentscheidung in Verfahren, in denen der höhere Rechtszug für das Hauptsacheverfahren grundsätzlich nicht eröffnet sein soll (BT-Drucks. 14/163 S. 20 zu Nummer 8) – trifft auch auf das sozialgerichtliche Verfahren uneingeschränkt zu. Gleichwohl reicht dieser Gesichtspunkt nicht aus, im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung die Beschränkung des Beschwerderechts vorzunehmen (vgl. Peters/Sautter/Wolff a.a.O.).
In der Hauptsache ist die Beschwerde aber nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten erscheint rechtmäßig, so dass die Klage nicht die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht bietet (§ 73a SGG iVm § 114 ZPO).
In den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Klägers ist durch den Eintritt einer Sperrzeit im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) wegen Versäumnis eines Meldetermins eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X eingetreten, die die Beklagte berechtigt hat, die Bewilligung des Arbeitslosengeldes rückwirkend aufzuheben.
Entgegen seiner Auffassung hatte der Kläger keinen wichtigen Grund für sein Verhalten im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III, insbesondere war er nicht arbeitsunfähig. Ein Bezieher von Arbeitslosengeld ist arbeitsunfähig, wenn er aus gesundheitlichen Gründen der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung steht (BSG SozR 4 – 4300 § 125 Nr. 1 Rn 7 mwN). Dabei kann dahinstehen, ob derjenige, der sich nach der Aussteuerung durch die Krankenkasse unter Hinweis auf seine fortbestehende Arbeitsunfähigkeit arbeitslos meldet, für die ersten sechs Monate der Arbeitslosigkeit hinsichtlich der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit einen besonderen Berufsschutz genießt (vgl. dazu für den Fall der Erkrankung innerhalb der ersten sechs Monate nach der Arbeitslosmeldung BSG SozR 4 – 2500 § 44 Nr. 9). Jedenfalls nach Ablauf von 6 Monaten richtet sich die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nach der Gesamtheit der Beschäftigungsmöglichkeiten, sofern das hieraus erzielbare Nettoeinkommen unter Berücksichtigung der mit der Beschäftigung zusammenhängenden Aufwendungen nicht niedriger ist als das Arbeitslosengeld (§ 121 Abs. 3 Satz 3 SGB III). Weder das vom Kläger vorgelegte Attest des Dr. C über eine Dauerbehandlung des Klägers seit dem 6.01.2006 wegen Schmerzen infolge einer Knieprellung noch dasjenige des Dr. F über eine ambulante psychiatrische Behandlung seit Februar 2004 geben einen Hinweis darauf, dass der Kläger am 07.03.2006 aktuell nicht in der Lage war, einfachste Tätigkeiten auch vollschichtig auf dem Arbeitsmarkt auszuüben.
Selbst wenn man vom Gegenteil zugunsten des Klägers ausgeht und unterstellt, dass bei ihm die Voraussetzungen des § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB III im März 2006 vorgelegen haben, folgt hier kein wichtiger Grund im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III für die Nichtwahrnehmung des Termins am 07.03.2006.
Allerdings führt das Einladungsformular der Beklagten die Möglichkeit auf, die Nichtwahrnahme der Aufforderung zur Meldung durch eine Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit zu entschuldigen. Abgesehen davon, dass der Kläger eine solche Bescheinigung nicht vorgelegt hat, kann die Arbeitsunfähigkeit auch nach dem erkennbaren Willen der Beklagten nur einen wichtigen Grund darstellen, wenn sie die Meldung unmöglich oder die Wahrnehmung des Termins sinnlos macht. Dass der Klägers dies auch nicht anders verstanden hat, ergibt sich schon daraus, dass er sein Versäumnis mit bloßem Vergessen des Termins bzw. einer fehlerhaften Notierung begründet hat. Dass ihm die Wahrnehmung des Termins wegen seines Gesundheitszustandes tatsächlich unmöglich war, hat der Kläger nicht einmal im Klageverfahren behauptet. Dafür, dass in Fällen des § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB III andere Maßstäbe hinsichtlich des Eintritts einer Sperrzeit nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB III anzulegen sind, fehlt jeglicher gesetzlicher Anhalt.
Darüberhinaus war die Einladung des Klägers wegen seiner beruflichen und gesundheitlichen Situation auch nicht sinnlos, da die Klärung möglicher Maßnahmen auch ggf. durch Einschaltung anderer Versicherungsträger angezeigt war. Bei dieser Sachlage bestehen auch keine Zweifel an der Erfüllung der subjektiven Voraussetzungen für die Rücknahme der Leistungsbewilligung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X.
Die Beschwerde war daher mit der auf § 73a SGG iVm § 127 Abs. 4 ZPO beruhenden Kostenentscheidung zurückzuweisen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 30.04.2007
Zuletzt verändert am: 30.04.2007