Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 17.04.2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Eintritt einer Sperrzeit.
Der 1945 geborene Kläger war seit September 2004 bei der Fa. M in T, die im Auftrag der Fa. T in N Schulbusfahrten u.a. in N durchführte, als Busfahrer versicherungspflichtig beschäftigt. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos mit Schreiben vom 22.02.2005. Das Kündigungsschreiben enthielt keinen Kündigungsgrund. Der Kläger meldete sich am 02.03.2005 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. In dem vom Kläger angestrengten Kündigungsschutzverfahren (Arbeitsgericht Bonn, Az.: 2 Ca 635/05) brachte die Arbeitgeberin neben der Geltendmachung von verkehrswidrigem Verhalten des Klägers vor, dass dieser während der Schulbusfahrten den Kindern die Benutzung der Sprechanlage im Bus erlaubt habe. Dabei sei zum wiederholten Male folgendes geschehen:
Der Fahrer reicht Kindern das Mikrofon im Schulbus. Die Kinder dürfen dann Reportagen sprechen. Es werden Fragen gestellt wie: "Was ist Dein Lieblingsfahrzeug?" der Schulbusfahrer antwortet alsdann: "Mein Penis!" und auf eine von einem Schüler an ein Mädchen gestellte Frage: "Was ist Dein Lieblings-Thema?", (das Mädchen wollte "Pferde" antworten) fuhr der Busfahrer dazwischen und antwortete: "Sex".
Durch arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 01.06.2005 wurde das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.03.2005 aufgrund fristgerechter arbeitgeberseitiger Kündigung beendet und vertragsgerecht abgewickelt.
Ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen einer Straftat gem. § 176 Abs. 3 Ziff. 3 StGB wurde durch Verfügung vom 24.05.2005 eingestellt.
Mit Bescheid vom 23.06.2005 lehnte die Beklagte Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.04. 2005 bis 23.06.2005 wegen Eintritts einer Sperrzeit ab und stellte eine Anspruchsminderung um 202 Tage fest, weil der Kläger während der Schulbusfahrten die Schulkinder verbal sexuell belästigt habe. Den dagegen erhobenen Widerspruch, mit dem der Kläger bestritt, sich gegenüber den Schulkindern sexistisch geäußert zu haben, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.09.2005 zurück. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld, so die Beklagte, ruhe ab 01.04.2005 für eine Sperrzeit von 12 Wochen, weil der Kläger durch arbeitsvertragswidriges Verhalten seine Arbeitslosigkeit ohne wichtigen Grund herbeigeführt habe.
Am 28.10.2005 hat der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Köln Klage erhoben. Mit seiner Klagebegründung hat er insbesondere bestritten, während der Schulbusfahrten sexistische Äußerungen getan zu haben.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2005 zu verurteilen, auch für die Zeit vom 01.04. bis 23.06.2005 Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an ihrer in den angefochtenen Bescheiden zum Ausdruck gebrachten Auffassung festgehalten.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 17.04.2007 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es wie folgt ausgeführt:
"Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Die Beklagte hat damit zu Recht für die Zeit vom 01.04 bis 23.06.2005 die Gewährung von Alg deswegen abgelehnt, weil in dieser Zeit der Leistungsanspruch des Klägers wegen versicherungswidrigem Verhalten ohne wichtigen Grund für die Dauer einer Sperrzeit von 12 Wochen ruht (§ 144 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SGB III in der ab dem 01.01.2005 geltenden Fassung).
Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III liegt dann versicherungswidriges Verhalten vor, wenn der Arbeitslose durch arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass zur Lösung des Beschäftigungsverhältnis gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da der Kläger durch seine im Tatbestand dargestellten Äußerungen anlässlich der Busfahrten verhaltensbedingt seinen ehemaligen Arbeitgeber berechtigt hat, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Zu den verhaltensbedingten Gründen, die zu einer Kündigung berechtigen, gehören alle Umstände, die einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber auch bei Abwägung der Interessen des Arbeitnehmers veranlassen würden, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Dies ist hier gegeben, da das Verhalten des Klägers gegenüber Schulkindern anlässlich der Busfahrten auch unter Berücksichtigung der Interessen des Klägers am Erhalt seines Arbeitsplatzes nicht toleriert werden muss und zwar unabhängig davon, ob dadurch schon ein Straftatbestand erfüllt ist.
Das Gericht ist nach dem Inhalt der Akten und insbesondere auch nach dem Inhalt der vom Kläger im Termin vom 17.04.2007 zu den Akten des Gerichts gereichten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten auch davon überzeugt, dass die dem Kläger zur Last gelegten Äußerungen auch so gefallen sind. Denn nach den in der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte enthaltenen Anhörung der Kinder K H, K I und M L hat der Kläger, der im übrigen auch nicht bestreitet, den Kindern die Benutzung der Sprechanlage des Busses erlaubt zu haben, übereinstimmend mitgeteilt, dass der Kläger die Frage, was sein bestes Fahrwerk bzw. Fahrzeug sei, geantwortet hat "sein Penis". Außerdem haben die Kinder K H und M L angegeben, dass der Kläger auf die Frage, was seine Lieblingsbeschäftigung bzw. sein Lieblingsthema sei, "Sex" geantwortet hat. Umstände, nach denen angenommen werden könnte, dass die Mitteilungen der Kinder falsch sind, sind nicht ersichtlich. Unter Berücksichtigung des Alters der Kinder, die alle 1995 geboren sind, hat das Gericht auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Darstellung der Kinder nach einem Vermerk der die Anhörungen aufnehmenden Kriminalhauptkommissarin W glaubhaft sind, von einer erneuten gerichtlichen Vernehmung abgesehen.
Ein wichtiger Grund für das Verhalten des Klägers ist eben so wenig ersichtlich wie Umstände erkennbar sind, nach denen für den Kläger nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgeblichen Tatsachen eine solche von 12 Wochen eine besondere Härte bedeuten würde und die Minderung der Anspruchsdauer gem. § 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III hat die Beklagte nach Aktenlage zutreffend mit 242 Tagen berechnet."
Gegen das ihm am 27.04.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25.05.2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er im wesentlichen vor, das SG hätte den zugrunde liegenden Sachverhalt durch Vernehmung von Zeugen aufklären müssen, da er nach wie vor bestreite, während der Schulbusfahrten Äußerungen mit sexuellem Inhalt getan zu haben. Des weiteren sei zu berücksichtigen, dass ein strafrechtlich relevantes Verhalten seinerseits nicht gegeben gewesen sei, da das Ermittlungsverfahren gegen ihn eingestellt worden sei. Selbst wenn man aber die erhobenen Vorwürfe als richtig unterstelle, hätte dies eine Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitgeber nicht gerechtfertigt. Zwar stellten derartigen Äußerungen gegenüber Kindern möglicherweise ein arbeitsvertragswidriges Verhalten dar, vor einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses wäre der Arbeitgeber jedoch gehalten gewesen, das vertragswidrige Verhalten abzumahnen. Erst dann sei eine Lösung des Arbeitsverhältnisses möglich gewesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 17.04.2007 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und ist im Übrigen der Auffassung, ein arbeitsvertragswidriges Verhalten könne unabhängig davon vorliegen, ob ein Straftatbestand erfüllt sei.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen K I, K H, M L und D B. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift des Termins zur Erörterung des Sachverhalts und zur Beweisaufnahme vom 01.10.2008 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Akte des Arbeitsgerichts Bonn – 2 Ca 635/05 – und der vom Kläger zu den Gerichtsakten gereichten Kopien der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft C, Az.: 000, der ebenfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Kläger durch die angefochtenen Bescheide nicht in seinen Rechten iSd § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verletzt ist. Zu Recht hat die Beklagte den Eintritt einer 12-wöchigen Sperrzeit vom 01.04.2005 bis 23.06.2005 festgestellt, in der der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld ruht. Der Senat schließt sich nach Überprüfung der Sach- und Rechtslage den Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen mit folgender Ausnahme an:
Bei der vom SG zugrunde gelegten Zahl der Minderung der Anspruchsdauer von 242 Tagen handelt es sich um eine offenbare Unrichtigkeit. Die Dauer der Minderung beträgt – wie in den angefochtenen Bescheiden dargelegt – zutreffend nur 202 Tage bei einer Anspruchsdauer von 809 Tagen. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird gem. § 153 Abs. 2 SGG abgesehen.
Durch die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme ist der vom SG aufgrund der Aktenlage zugrunde gelegte Sachverhalt bestätigt worden; damit ist bewiesen, dass der Kläger während der Schulbusfahrten sich sexistisch äußerte, in dem er auf von Kindern gestellte "Interview-Fragen" – wie im Tatbestand wiedergegeben – antwortete.
Im Übrigen führt das Berufungsvorbringen des Klägers zu keiner Änderung. Dass aufgrund der Einstellung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens nicht von einem strafrechtlich relevanten Verhalten des Klägers auszugehen ist, ändert nichts daran, dass sein Verhalten arbeitsvertragswidrig war.
Der Senat folgt auch nicht der Ansicht des Klägers, dass in seinem Fall für eine wirksame Kündigung zunächst eine Abmahnung durch den Arbeitgeber hätte erfolgen müssen. Dem könnte allenfalls dann zugestimmt werden, wenn der Arbeitgeber des Klägers, die Fa. M nicht Schulbusfahrten für die Fa. T durchgeführt hätte und der Kläger als normaler Busfahrer tätig gewesen wäre. Als Schulbusfahrer aber hatte der Kläger durch sein Verhalten vor Grundschulkindern das Vertrauensverhältnis so schwerwiegend und endgültig zerstört, dass eine vorherige Abmahnung für die erfolgte Kündigung nicht erforderlich war.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Erstellt am: 18.05.2009
Zuletzt verändert am: 18.05.2009