Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 28.11.2017 geändert und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2015 verurteilt, ihr ab dem 02.12.2014 Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Arbeitslosengeld bzw. die Erfüllung der Anwartschaftszeit.
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin arbeitet u.a. als Kostümbild-Assistentin und Ankleiderin/Garderobiere für verschiedene Filmgesellschaften. Sie meldete sich bei der Beklagten am 28.11.2014 mit Wirkung zum 02.12.2014 arbeitslos. In den letzten zwei Jahren vor diesem Tag war sie an insgesamt 190 Kalendertagen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, und zwar in folgenden Zeiträumen:
– 05.06.2013 bis 16.07.2013 (42 Kalendertage)
– 29.07.2013 bis 30.07.2013 (2 Kalendertage)
– 16.09.2013 bis 29.11.2013 (75 Kalendertage bzw. 10 Wochen und 5 Tage)
– 22.09.2014 bis 01.12.2014 (71 Kalendertage bzw. 10 Wochen und 1 Tag).
Der Beschäftigung ab dem 16.09.2013 lag ein Anstellungsvertrag der Klägerin mit der Firma C – im Folgenden: C – zu Grunde, wonach die Vertragslaufzeit die Zeit vom 16.09.2013 bis zum "voraussichtlich" 19.11.2013 umfassen sollte und der Produzent berechtigt war, sowohl den Beginn der Vertragszeit als auch die Drehzeit durch schriftliche Mitteilung aufzuschieben sowie die Vertragsdauer aus produktionsbetrieblichen Gründen zu verlängern. Der Beschäftigung ab dem 22.09.2014 lag ein Anstellungsvertrag der Klägerin mit der A GmbH – im Folgenden: A – zu Grunde, wonach das Beschäftigungsverhältnis am 22.09.2014 beginnen und spätestens am 19.11.2014 enden sollte. Einer stillschweigenden Verlängerung der Vertragslaufzeit wurde im Vertrag ausdrücklich widersprochen. Es war jedoch vereinbart, dass diese Vertragslaufzeit sich durch Zeitkontenregelungen über die vorgesehene Vertragslaufzeit hinaus verlängern konnte.
Durch Bescheid vom 10.12.2014 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab. Die Klägerin habe in der Rahmenfrist vom 02.12.2012 bis zum 01.12.2014 lediglich 190 Kalendertage mit versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen nachgewiesen und damit die Anwartschaftszeit von mindestens zwölf Monaten (360 Kalendertage) nicht erfüllt. § 142 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) finde keine Anwendung, weil sie nicht überwiegend versicherungspflichtige Beschäftigungen nachgewiesen habe, die auf nicht mehr als zehn Wochen im Voraus durch Arbeitsvertrag zeit- oder zweckbefristet gewesen seien. Den dagegen ohne weitere Begründung eingelegten Widerspruch vom 23.12.2014 wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 11.02.2015 als unbegründet zurück.
Die Klägerin hat am 13.03.2015 Klage zum Sozialgericht Köln erhoben.
Sie erfülle die Voraussetzungen des § 142 Abs. 2 SGB III. Sie habe in der Rahmenfrist die Mindestbeschäftigungszeit von sechs Monaten erreicht, denn sie habe an insgesamt 190 Tagen versicherungspflichtig gearbeitet. Diese Beschäftigungstage seien auch überwiegend auf versicherungspflichtige Beschäftigungen zurückzuführen, die auf nicht mehr als zehn Wochen im Voraus durch Arbeitsvertrag zeit- oder zweckbefristet gewesen seien. Hierzu zählten auch die Beschäftigungen für die C und die A.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2015 zu verurteilen, ihr ab dem 02.12.2014 Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
und im Wesentlichen auf die Begründung des angefochtenen Bescheides verwiesen. Der Arbeitsvertrag mit der C enthalte lediglich ein unbestimmtes voraussichtliches Enddatum und derjenige mit der A habe unter dem Vorbehalt der Verlängerung der Vertragslaufzeit gestanden. Von daher könne von einer im Voraus hinreichend zeitlich bestimmten Beschäftigungszeit nicht mehr gesprochen werden, insbesondere dann nicht, wenn sich – wie hier – die Überschreitung der Frist von zehn Wochen auch tatsächlich realisiert habe. Von daher könne dahingestellt bleiben, ob unabhängig von den vertraglichen Gestaltungen alleine die Überschreitung des Zeitraumes von zehn Wochen dazu führe, dass eine kurzzeitige Beschäftigung im Sinne des § 142 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB III nicht mehr angenommen werden könne.
Durch Beschluss vom 07.03.2016 hat das Sozialgericht den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussicht abgelehnt. Diesen hat der Senat durch Beschwerdebeschluss vom 28.04.2017 – L 9 AL 76/16 B – geändert und der Klägerin für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt. Es erscheine jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, dass diese die so genannte verkürzte Anwartschaftszeit nach § 142 Abs. 2 S. 1 SGB III erfüllt habe, weil die von ihr innerhalb der Rahmenfrist zurückgelegten Beschäftigungstage sich überwiegend aus Beschäftigungen ergäben, die auf nicht mehr als zehn Wochen im Voraus befristet gewesen seien. Denn sie habe neben den beiden Beschäftigungen vom 05.06.2013 bis zum 16.07.2013 und vom 29.07.2013 bis zum 30.07.2013, die den Zeitraum von zehn Wochen nicht überschritten hätten, weitere Beschäftigungen ausgeübt, die zunächst auf höchstens zehn Wochen befristet gewesen seien. So sei der Anstellungsvertrag mit der C zunächst auf die Zeit vom 16.09.2013 bis zum 19.11.2013 und der mit der A zunächst auf die Zeit vom 22.09.2014 bis zum 18.11.2014 befristet gewesen. Es sei aber nach dem Wortlaut des § 142 Abs. 2 S. 1 SGB III für die Erfüllung der verkürzten Anwartschaftszeit nicht entscheidend, ob – wie hier geschehen – die Beschäftigungsverhältnisse nach Verlängerung tatsächlich länger bestanden hätten, als zunächst vereinbart. Aus dem Arbeitsvertrag ergebe sich jeweils insgesamt, dass es sich dabei um eine Befristung mit Verlängerungsmöglichkeit handele. Es sei bislang höchstrichterlich nicht geklärt, ob eine nachträgliche Verlängerung der Vertragslaufzeit dazu führe, dass die zurückgelegten Beschäftigungstage nicht zur Erfüllung der verkürzten Anwartschaftszeit geeignet seien. Vor dem Hintergrund der erfolgten – projektbezogenen – Befristung mit Sachgrund nach § 14 Abs. 1 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes und dem Schutzzweck der Norm, der in der Besserstellung der häufig projektbezogen beschäftigten Künstler und Kulturschaffenden liege, erscheine eine dahingehende Auslegung jedenfalls nicht zwingend zu sein, zumal die Klägerin als Kostümbildnerin den genannten Berufsgruppen zuzuordnen sei.
Dazu hat die Beklagte vorgebracht, dass entgegen der Auffassung des Senates der Wortlaut des § 142 Abs. 2 S. 1 SGB III dafür spreche, nur solche befristeten Beschäftigungen zu berücksichtigen, bei denen die vertraglich vorgesehene Frist auch tatsächlich eingehalten werde. Eine andere Auslegung widerspräche dem Grundsatz, wonach zur Abwehr von Mitnahmeeffekten von den tatsächlichen Verhältnissen auszugehen sei und Erklärungen der Beteiligten im Rahmen einer Gesamtwürdigung bestenfalls eine indizielle Wirkung zukomme, die jedoch durch den Nachweis entgegenstehender tatsächlicher Verhältnisse jederzeit widerlegt werden könne.
Durch Urteil vom 28.11.2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 02.12.2014. Die Beklagte habe zu Recht die Gewährung mangels Erfüllung der Anwartschaftszeit abgelehnt. Auch die Entscheidung des Senates vom 28.04.2017 führe nicht zu einer anderen Sichtweise. Denn es bleibe dabei, dass eine auf nicht mehr als zehn Wochen im Voraus durch Arbeitsvertrag zeit- oder zweckbefristete Beschäftigung dann nicht vorliege, wenn in den zu Grunde liegenden Arbeitsverträgen eine Verlängerungsmöglichkeit vorgesehen sei, die sich dann – wie hier – auch realisiert habe. Ob dies auch dann gelte, wenn eine solche Realisierung nicht gegeben sei, bedürfe keiner Entscheidung. Im Übrigen ergebe sich durch die Bezugnahme auf die zurückgelegten Beschäftigungstage in der Formulierung des § 142 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III, dass es auf die tatsächlich zurückgelegten Beschäftigungstage ankomme. Es widerspräche dem Grundsatz, dass zur Abwehr von Mitnahmeeffekten von den tatsächlichen Verhältnissen auszugehen sei, wenn lediglich die Beschäftigungstage nach den vertraglichen Anfangs- und Enddaten berücksichtigt würden.
Gegen das ihr am 08.12.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29.12.2017 Berufung beim Sozialgericht eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt.
Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 28.11.2017 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2015 zu verurteilen, ihr ab dem 02.12.2014 Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben bei der Entscheidungsfindung des Senats Berücksichtigung gefunden.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet.
I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere gemäß §§ 143, 144 SGG statthaft sowie form- und fristgerecht erhoben worden (§§ 151 Abs. 1, 64 Abs. 2 SGG).
II. Die Berufung ist auch begründet. Denn das Sozialgericht hat zu Unrecht angenommen, dass die zulässige Klage unbegründet ist.
Gegenstand der gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alt., 4, § 56 SGG statthaften und auch im Übrigen zulässigen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist der Bescheid vom 10.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2015, mit dem die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 02.12.2014 abgelehnt hat.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 137 Abs. 1 SGB III, denn sie war ab dem 02.12.2014 arbeitslos, hatte sich bei der Beklagten arbeitslos gemeldet und erfüllte die – hier allein streitige – Anwartschaftszeit.
Die Anwartschaftszeit hat erfüllt, wer in der Rahmenfrist des § 143 SGB III mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (§ 142 Abs. 1 S. 1 SGB III i.d.F. vom 10.12.2014). Für Arbeitslose, die die Anwartschaftszeit nach Absatz 1 nicht erfüllen sowie darlegen und nachweisen, dass
1. sich die in der Rahmenfrist zurückgelegten Beschäftigungstage überwiegend aus versicherungspflichtigen Beschäftigungen ergeben, die auf nicht mehr als zehn Wochen im Voraus durch Arbeitsvertrag zeit- oder zweckbefristet sind, und
2. das in den letzten zwölf Monaten vor der Beschäftigungslosigkeit erzielte Arbeitsentgelt die zum Zeitpunkt der Anspruchsentstehung maßgebliche Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches nicht übersteigt,
galt bis zum 31.12.2015, dass die Anwartschaftszeit sechs Monate beträgt (§ 142 Abs. 2 S. 1 SGB III).
Die Verknüpfung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld mit dem Vorliegen von Anwartschaftszeiten ist grundsätzlich verfassungsgemäß (vgl. Senat, Beschluss vom 24.09.2018 – L 9 AL 228/17 -, juris Rn.16). Entsprechend § 142 Abs. 1 SGB III sind Leistungen nur demjenigen zu gewähren, der eine enge Beziehung zur Arbeitslosenversicherung besitzt. Darunter fällt die Klägerin erkennbar nicht. § 142 Abs. 2 SGB III zielt mit der auf sechs Monate verkürzten Anwartschaftszeit auf Personen ab, die berufsbedingt oder wegen der Besonderheiten des Wirtschaftszweiges, in dem sie beschäftigt sind, überwiegend nur auf ganz kurze Zeit Beschäftigungen ausüben und deshalb die Voraussetzungen des § 142 Abs. 1 SGB III nicht erfüllen können (vgl. Senat, a.a.O.). Entscheidend ist dabei, ob und in welchem Umfang Beschäftigungsverhältnisse eingegangen wurden, die im Voraus ausdrücklich auf weniger als zehn Wochen befristet waren. Damit wird gewährleistet, dass nur solche Arbeitnehmer in den Genuss der Vergünstigung kommen, denen längerfristige Beschäftigungsverhältnisse weitgehend verschlossen und die deshalb besonders schutzwürdig sind (vgl. zu § 123 Abs. 2 SGB III a.F.: Senat, Urteil vom 11.07.2013 – L 9 AL 281/12 -, juris Rn.108).
1. Der Senat folgt nicht der Rechtsauffassung des Sozialgerichtes und der Beklagten. Die Klägerin hat die sog. verkürzte Anwartschaftszeit nach § 142 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB III erfüllt, weil die von ihr innerhalb der Rahmenfrist zurückgelegten Beschäftigungstage sich überwiegend aus Beschäftigungen ergeben, die auf nicht mehr als zehn Wochen im Voraus befristet waren. Denn sie hat neben den beiden Beschäftigungen vom 05.06.2013 bis zum 16.07.2013 und vom 29.07.2013 bis zum 30.07.2013, die den Zeitraum von zehn Wochen auch tatsächlich nicht überschritten haben, weitere Beschäftigungen ausgeübt, die im Voraus auf höchstens zehn Wochen befristet gewesen sind. So war der Anstellungsvertrag mit der C zunächst auf die Zeit vom 16.09.2013 bis zum 19.11.2013 und derjenige mit der A zunächst auf die Zeit vom 22.09.2014 bis zum 18.11.2014 befristet.
a) Zwar fehlt bisher höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage, wann eine kurzfristige Beschäftigung i.S.v. § 142 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III vorliegt. Allerdings kann an die ständige Rechtsprechung des BSG zu kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnissen i.S.v. § 137 Abs. 3 SGB III (vormals § 102 AFG, § 118 Abs. 2, 3 SGB III bzw. § 119 Abs. 3 SGB III) angeknüpft werden. Danach schließt die Ausübung einer Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit oder Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger (Erwerbstätigkeit) die Beschäftigungslosigkeit nicht aus, wenn die Arbeits- oder Tätigkeitszeit (Arbeitszeit) weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst. Gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt. Für die Beurteilung dieser Kurzzeitigkeit einer Beschäftigung kommt es vorrangig auf die vertraglichen Vereinbarungen und eine vorausschauende Betrachtungsweise an, die an die Verhältnisse zu Beginn der Beschäftigung anknüpft. Maßgeblich sind danach die zwischen dem Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber bestehenden vertraglichen Vereinbarungen und eine prognostische Betrachtungsweise anhand der Merkmale und Umstände, wie sie bei Beschäftigungsbeginn vorgelegen haben (vgl. BSG, Urteil vom 29.10.2008 – B 11 AL 52/07 R -, juris Rn. 13 f. m.w.N.). Es besteht kein sachlicher Grund, bei der Beurteilung der Beschäftigung ihrer Gesamtdauer nach anders vorzugehen, als bei derjenigen ihrer wöchentlichen Stundenzahl nach. Beide sind aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität aus ex ante-Sicht anhand des Arbeitsvertrages sowie ggf. weiterer Merkmale und Umstände, wie sie bei Beginn der Erwerbstätigkeit vorliegen, vorzunehmen.
b) Es ist bislang höchstrichterlich auch nicht geklärt, ob – wie hier – die Realisierung einer bereits bei Vertragsschluss vorgesehenen Verlängerungsoption oder eine nachträgliche Verlängerung der Vertragslaufzeit dazu führt, dass die zurückgelegten Beschäftigungstage nicht zur Erfüllung der (verkürzten) Anwartschaftszeit geeignet sind. Ob eine spätere Verlängerung zu den bisherigen Arbeitsbedingungen schädlich ist, wird kontrovers beurteilt (dafür: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.05.2018 – L 8 AL 3995/16, juris; unter Bezugnahme darauf offenbar auch Söhngen in: Eicher/Schlegel, SGB III, Stand: 169. Lf./01.09.2019, § 142 Rn. 44; dagegen SG Berlin, Urteil vom 21.04.2017 – § 58 AL 501/16 -, juris; offenlassend: Öndül, in Schlegel/Voelzke, JurisPK-SGB III, 2. Aufl. 2019, Stand: 27.01.2020, § 142 Rn. 44).
Vor dem Hintergrund der hier erfolgten – projektbezogenen – Befristung mit Sachgrund nach § 14 Abs. 1 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes und dem Schutzzweck der Norm, der in der Besserstellung der häufig projektbezogen beschäftigten Künstler und Kulturschaffenden liegt (vgl. Söhngen in: Eicher/Schlegel, SGB III, Stand: 169. Lf./01.09.2019, § 142 Rn. 42), erschien dem Senat bereits in seinem Beschluss vom 28.04.2017 eine dahingehende Auslegung jedenfalls nicht zwingend zu sein, zumal die Klägerin als Kostümbild-Assistentin und Ankleiderin/Garderobiere dieser Berufsgruppe zuzuordnen ist. Daran hält er ausdrücklich fest.
c) Nach dem Wortlaut des § 142 Abs. 2 S. 1 SGB III ist für die Erfüllung der verkürzten Anwartschaftszeit nicht entscheidend, ob – wie hier – die Beschäftigungsverhältnisse nach Verlängerung tatsächlich länger bestehen, als zunächst vereinbart. So war die Klägerin bei der C letztlich bis zum 29.11.2013 und bei der A bis zum 01.12.2014 beschäftigt. Dabei ist entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts die Befristung des Arbeitsverhältnisses mit der C wegen der Formulierung "bis voraussichtlich 19.11.2013" auch nicht offensichtlich unbestimmt. Aus Pkt. 3 des Arbeitsvertrages vom 16.09.2013 ergibt sich vielmehr insgesamt, dass es sich dabei um eine Befristung mit Verlängerungsmöglichkeit ebenso wie in dem mit der A geschlossenen Arbeitsvertrag handeln sollte. Der Wortlaut des § 142 Abs. 2 S. 1 SGB III zwingt nicht zu der vom Sozialgericht vorgenommenen Verknüpfung des ersten und des zweiten Halbsatzes. Nach dem ersten Halbsatz müssen sich die in der Rahmenfrist zurückgelegten Beschäftigungstage lediglich überwiegend aus den versicherungspflichtigen Beschäftigungen ergeben, die auf nicht mehr als zehn Wochen im Voraus befristet sind. Das schließt nachträgliche Überschreitungen nicht aus. Die tatsächlich zurückgelegten und die im Voraus vereinbarten Beschäftigungstage können mithin auseinanderfallen.
d) Dies ist auch im Sinne des Gesetzgebers. Denn Sinn und Zweck des § 142 Abs. 2 SGB III sind es nach seinem erklärten Willen, insbesondere den besonderen Arbeitsbedingungen von Kulturschaffenden Rechnung zu tragen. Dies gelingt mit der Ausnahmeregelung zu Abs. 1 bisher eher unzureichend (vgl. Valgolio, in: Hauck/Noftz, Stand: 04/17, § 142, Rn. 126). Bereits die Sachverständigenanhörung am 17.06.2009 hat ergeben, dass z. B. Zeitverträge bei Film- und Fernsehproduktionen typischerweise drei bis sechs Monate dauern (BT-Drucks. 16/13424 S. 28; zum 01.01.2020 ist die Grenze auf 14 Wochen angehoben worden, s. § 142 SGB III in der Fassung vom 18.12.2018). Der Gesetzgeber wollte zu Lasten der Arbeitslosenversicherung das besondere Risiko der im künstlerischen Bereich sozialversicherungspflichtig Beschäftigten abmildern, die im Vergleich zu sonstigen Berufen durch die für ihr Berufsumfeld typischen kurzen Arbeitsverträge häufiger arbeitslos werden. Arbeitnehmer im künstlerischen Bereich – wie die Klägerin – haben zur Überzeugung des Senates nahezu keine Chance, einen Vertrag zu erhalten, wenn sie sich nicht auf flexible Klauseln, wie diejenigen in den streitgegenständlichen Verträgen, einlassen.
e) Den Arbeitsverträgen mit der C und der A lässt sich hier bei vorausschauender Betrachtung entnehmen, dass die Beschäftigung zu Beginn auf eine lediglich kurze Beschäftigung i.S.v. § 142 SGB III gerichtet war. Die eingetretene Überschreitung ist als szenetypisch anzusehen. Aus wirtschaftlichen Gründen wird keine Filmgesellschaft Verträge länger als nötig abschließen, allerdings liegt in der Natur der Sache, dass Produktionen nicht immer den vorgesehenen, straffen Zeitplan einhalten. Eben dies bilden die Verträge ab. Wenn § 142 Abs. 2 SGB III nach dem Willen des Gesetzgebers gerade Kunstschaffende in ihrer besonderen Arbeitswelt dabei unterstützen will, Leistungen der Arbeitslosenversicherung zu erhalten, dann muss auch deren Besonderheiten Rechnung getragen werden, indem die Verträge Öffnungsklauseln der vorliegenden Art enthalten dürfen (vgl. zu den Besonderheiten BR-Drs. 467/1/18, S. 7: Statt des Vorschlages zur Verkürzung der Anwartschaftszeit von sechs auf vier Monate wurde dann im Qualifizierungschancengesetz die obere Befristungsgrenze zum 01.01.2020 auf 14 Wochen angehoben, BGBl. I 2018, 2651). Dass sich – wie im Voraus bereits vereinbart – produktionsbedingt eine Verlängerung des Zeitraumes ergeben hat, ist mithin unschädlich.
Sind folglich die Beschäftigungstage bei der C und der A mit einzubeziehen, so rühren die Beschäftigungstage ausschließlich aus im Voraus auf nicht mehr als zehn Wochen befristeten Beschäftigungen her.
2. Die weitere, sich aus § 142 Abs. 2 Nr. 2 SGB III ergebende Voraussetzung, nach der das in den letzten zwölf Monaten erzielte Arbeitsentgelt die Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV nicht übersteigen darf, liegt vor.
III. Die Kostenentscheidung richtet sich nach den §§ 183, 193 SGG.
IV. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Erstellt am: 26.05.2020
Zuletzt verändert am: 26.05.2020