Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 24.09.2013 geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 13.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.01.2012 verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld ab dem 30.11.2011 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten beider Rechtszüge zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Arbeitslosengeld (Alg), das ihr die Beklagte versagt, weil die Anwartschaft nicht erfüllt sei. Streitig ist, ob das in § 44 Abs.1 Nr. 7 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) angeordnete sechswöchige Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld (Krg) der Berücksichtigung der Zeit des anschließenden Krg-Bezugs als Versicherungszeit nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) bei der Anwartschaft entgegensteht.
Die 1976 geborene Klägerin bezog nach einer Ausbildung zur Kauffrau für audiovisuelle Medien und zahlreichen Beschäftigungen bei verschiedenen Unternehmen der Filmbranche ab dem 05.10.2009 Alg. Vom 02.02.2010 bis zum 10.03.2010 war sie als Aufnahmeleiterin versicherungspflichtig beschäftigt, vom 11.03. bis 12.04.2010 bezog sie wieder Alg und stand vom 19.04.2010 bis 04.06.2010 in einer Beschäftigung als Regieassistentin. Am 02.06.2010 wurde bei der Klägerin Arbeitsunfähigkeit (AU) ab dem 27.05.2010 festgestellt. Die AU wurde in der Folge durchgehend ärztlich bescheinigt bis zum 26.09.2011. Die Krankenkasse zahlte der Klägerin Krg vom 08.07.2010 bis 26.09.2011; die Klägerin sei zwar bereits seit dem 27.05.2010 arbeitsunfähig erkrankt gewesen und ein Krg-Anspruch habe nach § 44 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 SGB V dem Grunde nach bestanden, weil eine entsprechende Wahlerklärung abgegeben worden sei, der Anspruch habe aber nach § 49 Abs. 1 Nr. 7 SGB V bis zum 07.07.2010 geruht. Vom 27.09.2011 bis 29.11.2011 war die Klägerin wieder versicherungspflichtig beschäftigt.
Am 29.11.2011 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Die Beklagte lehnte die Gewährung dieser Leistung mit Bescheid vom 13.12.2011 ab, weil die Klägerin in den letzten zwei Jahren vor dem 30.11.2011 weniger als zwei Monate versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei und die Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe.
Den Widerspruch der Klägerin, die geltend machte, sie habe in der Rahmenfrist mindestens 12 Monate in einem Versicherungsverhältnis gestanden, wies die Beklagte mit Bescheid vom 04.01.2012 als unbegründet zurück: Die Klägerin sei in der Rahmenfrist zwischen dem 29.11.2009 und 28.11.2011 nicht mindestens 12 Monate versicherungspflichtig gewesen sei. In der Rahmenfrist sei die Klägerin lediglich insgesamt 148 Kalendertage (37 + 47 + 64 Tage) versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Die Zeit des Krg-Bezuges ab dem 08.07.2010 könne hinsichtlich der Erfüllung der Anwartschaftszeit nicht berücksichtigt werden, da es an einer Unmittelbarkeit auch deswegen fehle, weil die Klägerin zwischen dem 27.05. und 07.07.2010 kein Krg bezogen habe.
Mit der am 03.02.2014 zum Sozialgericht Köln erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt: Sowohl der Zeitraum vom 27.05.2010 bis zum 07.07.2010 als auch der Zeitraum des tatsächlichen Krg-Bezuges seien zur Erfüllung der Anwartschaftszeit zu berücksichtigen, weil zum einen auch der ruhende Krg-Anspruch ab dem 27.05.2010 als Bezug von Krg zu werten sei und zum anderen hinsichtlich des tatsächlichen Krg-Bezuges ab dem 08.07.2010 noch eine Unmittelbarkeit bzw. allenfalls eine als geringfügig und damit unerhebliche Überschreitung eines Zeitraumes von einem Monat gegeben sei.
Mit Urteil vom 24.09.2013 hat das SG die Klage abgewiesen: Die Klägerin habe durch die von ihr zurückgelegten Zeiten versicherungspflichtiger Beschäftigung in einem Umfang von insgesamt 148 Kalendertagen die Anwartschaftszeit von mindestens 12 Monaten eines Versicherungspflichtverhältnisses in der Rahmenfrist nicht erfüllt. Die Zeit einer AU ab dem 27.05.2010 bis zum 07.07.2010 und eines in dieser Zeit gem. § 49 Abs. 1 Nr. 7 SGB V ruhenden Krg-Anspruchs könne zur Erfüllung der Anwartschaftszeit ebenso wenig berücksichtigt werden wie die Zeit des tatsächlichen Krg-Bezuges ab dem 08.07.2010. Ersteres ergebe sich daraus, dass gem. § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III nur dann Versicherungspflicht durch einen hier alleine in Betracht kommenden Bezug von Krankengeld eingreife, wenn eine tatsächliche Zahlung der Leistung erfolge. Ein lediglich ruhender Anspruch sei dafür nicht ausreichend. Die Zeit des tatsächlichen Krankengeldbezuges ab dem 08.07.2010 könne nicht berücksichtigt werden, weil gem. § 26 Abs. 2 2. Halbsatz SGB III ein alleine hier in Betracht kommender Krg-Bezug nur dann versicherungspflichtig sei, wenn unmittelbar vor dessen Bezug Versicherungspflicht gegeben war oder aber eine laufende Entgeltersatzleistung nach dem SGB III bezogen wurde bzw. eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte Beschäftigung ausgeübt wurde, die ein Versicherungspflichtverhältnis oder den Bezug einer Entgeltersatzleistung nach dem SGB III unterbrochen hat. Unmittelbarkeit in diesem Sinne liege dann vor, wenn keine wesentlichen Lücken zwischen den jeweiligen Zeiten bestehen und dies sei dann anzunehmen, wenn ein Zeitraum von nicht mehr als einem Monat zwischen den jeweiligen Zeiten liege (Hinweis auf Sächsisches Landessozialgericht, Urteil v. 06.05.2010 – L 3 AL 98/09 m. w. N.). Der tatsächliche Krankengeldbezug ab dem 08.07.2010 sei nicht mehr in diesem Sinne unmittelbar, weil zwischen der dazu hier alleine maßgeblichen letzten vorherigen versicherungspflichtigen Beschäftigung bis zum 04.06.2010 und dem Beginn der Zahlung am 08.07.2010 33 Tage lägen. Eine hier gegebene Überschreitung des Monatszeitraums von 10 % könne auch nicht mehr als unerheblich und damit als unbeachtlich angesehen werden.
Gegen das am 01.10.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21.10.2013 Berufung eingelegt: Der Krg-Bezug ab 08.07.2010 bis zum 29.09.2011 stelle eine versicherungspflichtige Zeit gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III dar. Die Begriffe der Unmittelbarkeit und der Unterbrechung hätten nicht nur eine zeitliche Dimension, sondern wiesen auch einen kausalen Bezug dergestalt auf, dass mit den in der Norm intendierten Anrechnungszeiten den Versicherten ein Ausgleich für bestimmte unverschuldete Beitragsausfälle (z.B. fehlende Versicherungszeiten) gewährt werden solle. Vergleichbar den Regelungen im Rentenrecht seien nach dem Urteil des BSG vom 25.01.1994 (7 Rar 30/93) auch Überbrückungszeiten der Arbeitslosenversicherung denkbar, die den Unterbrechungstatbestand wahrten, ohne selbst Beitragszeiten (bzw. versicherungspflichtigen Zeiten) gleichgestellt zu werden. Insbesondere lasse sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut nicht schließen, dass Unmittelbarkeit ausschließlich bei einem Zeitraum von maximal einem Monat vorliege. Unter Beachtung dieser rechtlichen Maßstäbe stelle zwar der gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 7 SGB V ruhende Anspruch keinen Krg-Bezug gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III dar, dieser Ruhenszeitraum führe aber nicht zur Verneinung der Unmittelbarkeit im Sinne des § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III. Sie habe von dem ihr gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V zustehenden Wahlrecht Gebrauch gemacht, wonach ihre Mitgliedschaft zur gesetzlichen Krankensicherung den Anspruch auf Krg umfassen solle. Damit habe sie gemäß §§ 44, 46 SGB V Anspruch auf Krg bei AU. Dieser Anspruch auf Krg werde durch die Ruhensregelung des § 49 Abs. 1 Nr. 7 SGB V im Gegensatz zu den Tatbeständen des § 50 SGB V nicht vernichtet, womit bei der Feststellung der Leistungsdauer des Krankengeldbezuges die Ruhenszeit des § 49 Abs. 1 Nr. 7 SGB V wie Zeiten des Bezugs von Krankengeld berücksichtigt werde (§ 48 Abs. 3 SGB V). In Hinblick auf diese Gesetzessystematik sowie unter Berücksichtigung dessen, dass sie sich mit der Ausübung ihres Wahlrechts gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V insgesamt dem Schutzbereich der gesetzlichen Sozialversicherungssystem habe unterstellen wollen und damit unterstellt habe, schließe der Ruhenszeitraum des § 49 Abs. 1 Nr. 7 SGB V die Unmittelbarkeit des § 26 Abs. 2 SGB III nicht aus. Andernfalls würde im übrigen die Ausübung des Wahlrechts nach § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V in anderen Fallgestaltung bereits dafür zu führen, dass z.B. trotz einer mehr als zwölfmonatigen versicherungspflichtigen Beschäftigung gemäß § 24 Abs. 1 SGB III bei einem anschließenden Krankengeldbezug von 78 Wochen mit einem Ruhenstatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 7 SGB V die Anwartschaftszeit des § 142 SGB III nicht erfüllt werden könne.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 24.09.2013 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.01.2012 zu verurteilen, ihr auf den Antrag vom 29.11.2001 Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für rechtmäßig. Nach der bisherigen Rechtsprechung liege bei einer Unterbrechung von mehr als vier Wochen bzw. einem Monat der Tatbestand des unmittelbar dem Leistungsbezug vorausgehenden versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nicht vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.
Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig. Die Klägerin hat in dem Zeitraum, für den sie mit ihrem Leistungsantrag Alg begehrt, die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Zahlung von Alg gemäß §§ 117 Abs. 1 Nr. 1, 118 Abs. 1 SGB III in der hier anwendbaren, bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung (SGB III a.F.) erfüllt.
Gemäß § 118 Abs. 1 SGB III a.F. haben Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Die Klägerin hat sich am 29.11.2011 persönlich arbeitslos gemeldet (§§ 118 Abs. 1 Nr. 2, 122 SGB III a.F.) und war seit dem 30.11.2011 arbeitslos, weil sie zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in einem Beschäftigungsverhältnis stand, sich bemühte ihre Beschäftigungslosigkeit zu beenden und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zu Verfügung stand (§ 119 Abs. 1 SGB III a.F.). Sie hat auch die nach §§ 118 Abs. 1 Nr. 3, 123 f. SGB III a.F. erforderliche Anwartschaftszeit erfüllt.
Die (allgemeine) Anwartschaftszeit hat gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt gemäß § 124 Abs. 1 SGB III a.F. zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzung für den Anspruch auf Alg.
Innerhalb der Rahmenfrist, die hier vom 29.11.2009 bis zum 30.11.2007 reichte, hat die Klägerin mehr als die nach § 123 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. i.V.m. § 339 Satz 2 SGB III erforderlichen 360 Tage in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden.
In einem Versicherungspflichtverhältnis stehen gemäß § 24 SGB III Personen, die als Beschäftigte (s. § 25 SGB III) oder sonstigen Gründen (s. § 26 SGB III) versicherungspflichtig sind. Die Klägern war in den Zeiträumen vom 02.02.2010 bis 10.03.2010 (37 Tage), vom 19.4.2010 bis 04.06.2010 (47 Tage) und vom 27.09.2011 bis 29.11.2011 (64 Tage), insgesamt lediglich 148 Tage versicherungspflichtig beschäftigt (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Darüber hinaus stand sie aber in dem Zeitraum vom 08.07.2010 bis zum 26.09.2011 wegen des Bezug von Krg als sonstige Versicherungspflichtige in einem ebenfalls auf die Anwartschaft anzurechnenden Versicherungspflichtverhältnis, weil sie unmittelbar vor dem Bezug des Krg versicherungspflichtig war (§§ 24 Abs. 1, 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III).
Gem. § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III sind versicherungspflichtig u.a. Personen in der Zeit, für die sie von einem Leistungsträger Krg beziehen, wenn sie unmittelbar vor Beginn der Leistung versicherungspflichtig waren.
Unmittelbarkeit in diesem Sinne liegt dann vor, wenn keine wesentlichen Zeiträume zwischen der Beschäftigungszeit und der Leistungsbezugszeit liegen (vgl. z.B. Brand SGB III, 6. Aufl. 2012, § 26 Rz. 20). Das ist hier der Fall.
Die Klägerin hatte gegenüber der Krankenkasse eine Wahlerklärung nach § 44 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 SGB V (Fassung ab 01.09.2009) abgegeben, so dass sie gemäß §§ 44 Abs. 2 Nr. 3, 46 Abs. 1 SGB V ab dem Tage nach der ärztlichen Feststellung ihrer AU Anspruch auf Krg hatte und gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V ihre Mitgliedschaft in der Krankenkasse erhalten blieb. Der Krg-Anspruch ruhte jedoch gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 7 SGB V während der ersten sechs Wochen der AU. Nach § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB V wurden bei der Feststellung der Leistungsdauer des Krg Zeiten, in denen der Anspruch auf Krg ruhte, wie Zeiten des Bezugs von Krg berücksichtigt.
Ein ruhender Anspruch auf Krg begründet, wie Beklagte und SG richtig ausgeführt haben, keine Versicherungspflicht nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III, weil diese nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut den Bezug der Leistung voraussetzt, dem das Bestehen eines Anspruchs nicht gleichgesetzt werden kann. Denn das SGB unterscheidet an zahlreichen Stellen bewusst zwischen dem Bezug einer Leistung und dem Anspruch auf sie. Das wird ohne weiteres deutlich an Vorschriften, in denen sowohl der Anspruch als auch der Bezug angesprochen werden, wie etwa § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V.
War somit zwar die Zeit des Ruhens des Krg-Anspruchs zwischen dem Ende der Beschäftigung am 04.06.2010 und dem Beginn der Krg-Zahlung ab dem 08.07.2010 keine Versicherungszeit nach § 26 Abs. 1 Nr. 2 SGB III, so vermittelt sie doch zur Überzeugung des Senats den auch zeitlichen Zusammenhang zwischen Beschäftigung und Leistungsbezug und bedingt keine wesentliche Lücke.
Allerdings wird zu § 26 SGB III bislang allgemein und offenbar unabhängig von dem Grund für die Unterbrechung der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung die Auffassung vertreten, dass von Unmittelbarkeit nur ausgegangen werden könne, wenn nicht mehr als ein Zeitraum von vier Wochen oder einem Monat zwischen den jeweiligen Zeiten liege (vgl. z.B. Sächsisches Landessozialgericht, Urteil v. 06.05.2010 – L 3 AL 98/09 m. w. N.; Brand a.a.O. Rz. 20;Schlegel in Eicher/Schlegel SGB III § 26 Rz. 21) oder diese Grenze nur unwesentlich überschritten werde (vgl. Hessisches LSG, Urteil v. 15.07.2011- L 9 AL 125/10 (Überschreitung um 2 Tage); Fuchs in Gagel SGB III § 26 Rz. 29). Dem kann sich der Senat für den hier gegebenen Fall des Ruhens des Krg-Anspruch nach § 49 Abs. 1 Nr. 7 SGB V nicht anschließen.
Das Gesetz nennt weder eine der genannten Fristen noch definiert es, Unterbrechungen welcher Art und Dauer im Rahmen des § 26 Abs. 1 Nr. 2 SGB III als wesentlich anzusehen sind. Richtig ist zwar, dass der Begriff "unmittelbar" "längere" Zeiträume ausschließen dürfte (vgl. Timme in Hauck/Noftz, SGB III K § 26 Rz. 36). Soweit die angebliche 4-Wochen- oder Monatsfrist oder daran orientierte geringfügig erweiternde Berechnungen (vgl. Hessisches LSG, Urteil v. 15.07.2011 – L 9 AL 125/10) aus Regelungen in oder Auslegungen zu anderen Vorschriften, wie vor allem § 28a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III, § 7 Abs. 3 SGB IV (vgl. z. B. Fuchs a.a.O. ; Wehrhahn in JurisPK- SGB III § 26 Rz. 32) oder § 192 Abs. 1 SGB V a.F. (so Brand SGB III 5. Aufl. 2010 § 26 Rz 22) abgeleitet wird, überzeugt dies nicht.
Die Berufung verweist dazu mit Recht auf das Fehlen einer festen zeitlichen Grenze in § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III sowie vor allem darauf, dass die Begriffe der Unmittelbarkeit und der Unterbrechung nicht nur eine zeitliche Dimension besitzen, sondern auch einen kausalen Bezug aufweisen. Die Auslegung des Begriffs "unmittelbar" ist daher vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck der jeweiligen Regelung vorzunehmen. So hat das BSG in seiner Entscheidung zu § 28a SGB III (Urteil vom 30.03.2011 – B 12 AL 2/10 R – SozR 4-4400 § 28a Nr. 4) ausgeführt, dass von § 28a SGB III nur Personen mit einer besonders engen Beziehung zur Arbeitslosenversicherung begünstigt werden sollten, wobei sich diese Beziehung entweder aus einem Versicherungspflichtverhältnis oder dem Bezug von Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III unmittelbar vor Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung manifestieren müsse. Deshalb sei der Kreis der durch die Antragspflichtversicherung nach § 28 a SGB III begünstigten Personen nach Sinn und Zweck der Vorschrift eng zu ziehen, wie sich in der engen Verbindung zwischen einer in der Vergangenheit liegenden längeren Zugehörigkeit zum System der Arbeitslosenversicherung und der Aufnahme der Selbstständigkeit zeige. Dementsprechend heiße es zwar nicht im Gesetzestext selbst, wohl aber in den insoweit für die Auslegung maßgeblich mit heranzuziehenden Gesetzesmaterialien ausdrücklich, dass ein unmittelbarer Anschluss im Sinne der Regelung nur vorliege, "wenn die Unterbrechung nicht mehr als ein Monat beträgt" (Hinweis auf BT-Drucks. 15/1515 S. 78 zu Nr. 20 zu Abs. 1, erster Satz). Dieser Zeitraum, der die Unmittelbarkeit sachgerecht gegen relevante Unterbrechungen abgrenze, sei im Fall des dortigen Klägers mit einer knapp sechswöchigen Lücke überschritten.
Zwar geht es auch bei § 26 SGB III für den Fortbestand der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung um einen engen Zusammenhang von früherer Beschäftigung und Leistungsbezug, durch den sich die Zugehörigkeit zum Kreis der Arbeitnehmer dokumentiert (Schlegel in Eicher/Schlegel, SGB III § 26 Rz. 3). Anders als zu § 28a SGB III ergibt sich aber aus den Gesetzesmaterialien kein Anhaltspunkt, welcher Zeitraum einer Unterbrechung insoweit noch unschädlich sein soll. Dieser enge Zusammenhang und die Schutzbedürftigkeit sind hier zur Überzeugung des Senats zu bejahen, wobei entscheidend erscheint, dass die Klägerin vor Eintritt ihrer AU und dem dadurch ausgelösten (wegen § 49 Abs. 1 Nr. 7 SGB V verzögerten) Leistungsbezug im Grundsatz zum Kreis der versicherungspflichtigen Arbeitnehmer gehört hat.
Die "Lücke" zwischen Beschäftigungsende und Beginn des Krg-Zahlungszeitraums beruht im Falle der Klägerin nicht darauf, dass sie den Status als Arbeitnehmerin aufgegeben und sich einer selbständigen Tätigkeit zugewandt oder jegliche Erwerbstätigkeit (z.B. zugunsten einer Kindererziehung oder einer "Auszeit") aufgegeben hätte. Sie ist vielmehr vor dem vorgesehenen Ende der Beschäftigung arbeitsunfähig erkrankt und hat unfreiwillig die Erwerbstätigkeit unterbrochen und ist damit dem Grundsatz nach Arbeitnehmerin geblieben. Der Zwischenraum ist auch ausgefüllt durch einen sozialversicherungsrechtlich relevanten Tatbestand. Nach dem SGB V hat die Klägerin durch die Wahlerklärung – wie sonstige Arbeitnehmer mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung für wenigstes sechs Wochen – Anspruch auf Krg erworben, der, anders als bei Selbständigen, die die Wahlerklärung nach § 44 Abs. 2 Nr. 2 SGB V abgegeben haben, nicht erst nach 6 Wochen entstanden ist (s. insoweit § 46 Satz 2 SGB V). Durch den sofortigen Anspruchsbeginn sollte die mitgliedschaftserhaltende Wirkung nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V herbeigeführt werden, während mit der Anordnung des Ruhens des Krg-Anspruchs nach § 49 Abs. 1 Nr. 7 SGB V nur bewirkt werden sollte, dass auch für beschäftigte Versicherte, die keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für wenigstens sechs Wochen besitzen, die Krg-Zahlung im selben Zeitpunkt einsetzt wie bei sonstigen abhängig Beschäftigten, die nach Eintritt von AU bis zur Krg-Zahlung Entgeltfortzahlungsanspüche besitzen (vgl. den Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften – BT-Drucks. 16/12256 S. 64 zu Art 15 Nr. 1 bis 3).
Das Bemühen des Gesetzgebers um die krankenversicherungsrechtliche Gleichstellung mit Arbeitnehmern mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung für wenigstes sechs Wochen spricht dagegen, dass der von ihm mit §§ 44 Abs. 2 Nr. 3, 192 SGB V begünstigte Personenkreis durch das von diesem nicht zu vermeidende und nicht als Sanktion zu verstehende Ruhen des Krg-Anspruchs für sechs Wochen von dem Erwerb von Anwartschaften nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III ausgeschlossen werden, oder sogar – bei entsprechender Dauer des Krg-Bezugs – eine erfüllte Anwartschaft verlieren sollte. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Gesetzgeber des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften bei der Neuregelung des Krg-Anspruchs für Arbeitnehmer ohne wenigstens sechswöchigen Entgeltfortzahlungsanspruch in § 44 und der Anordnung des Ruhens nach § 49 Abs. 1 Nr. 7 SGB V des Gesetzentwurfs etwaige Auswirkungen auf die Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung nicht im Auge gehabt hat.
Der Hinweis der Gegenmeinung auf § 7 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) geht in diesem Zusammenhang fehl. § 7 Abs. 3 Nr. 1 SGB IV fingiert den Fortbestand einer Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt und setzt dafür eine Grenze von längstens einem Monat. 7 Abs. 3 Nr. 1 SGB IV bestimmt damit die zeitliche Grenze der Fiktionswirkung, ohne dass damit ein allgemeines Monatsprinzip aufgestellt oder zum Ausdruck gebracht wird, wie es etwa in der gesetzlichen Rentenversicherung verbreitet ist. Für die Auslegung des § 26 SGB III lässt sich aus der Vorschrift aber ebenso wie aus dem ebenfalls eine Monatsfrist nennenden § 192 Abs. 1 Nr.2 SGB V a.F. nichts herleiten, denn hier geht es nicht wie bei § 7 Abs. 3 SGB IV oder § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V a.F. um die Verlängerung oder das Fortbestehen der Versicherungspflicht, sondern lediglich um die Frage der Überbrückung einer Lücke durch einen selbst nicht versicherten Ruhenszeitraum. § 7 Abs. 3 Nr. 1 SGB IV nennt i.Ü. wohl auch deshalb eine feste Zeitgrenze, weil die von ihm erfassten Tatbestände des Fortbestands des Beschäftigungsverhältnisses ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt (z.B. unbezahlter Urlaub, Bummelei, Streik und Aussperrung) ihrerseits keine feste zeitliche Grenze haben. Im Falle des Ruhens des Krg-Anspruchs ist der Zeitraum jedoch gesetzlich fixiert (§ 49 Abs. 1 Nr. 7 SGB V) und es würde keinen Sinn machen, ein Ruhen des Krg-Anspruchs entsprechend der Monatsgrenze des § 7 Abs. 3 SGB IV bis zur Dauer von einem Monat (§ 25 SGB X i.V.m. § 187 ff. BGB) als unschädliche Unterbrechung werten zu wollen, wenn – wie in § 49 Abs. 1 Nr. 7 SGB V bestimmt – das Ruhen des Anspruchs zwangsläufig immer sechs Wochen dauert.
Die – wie § 44 Abs. 2 Nr. 3 SGB V – am 01.08.2009 in Kraft getreten Regelung des § 123 Abs. 2 SGB III mit der Schaffung einer besonderen – kürzeren – Anwartschaft für Arbeitnehmer, die berufsbedingt oder wegen der Besonderheiten des Wirtschaftszweiges, in dem sie beschäftigt sind, überwiegend nur auf kurze Zeit beschäftigt sind, die das hier bestehende anwartschaftsrechtliche Problem der fraglichen Auswirkungen des Ruhens nach § 49 Abs. 1 Nr. 7 SGB V aber nicht lösen könnte, gibt hinreichend zu erkennen, dass dem Gesetzgeber auch in der Arbeitslosenversicherung an der Verbesserung der Situation namentlich auch der Kulturschaffenden gelegen war (vgl. BT-Drucks. 16/13424 S. 32 zu Nr. 2). Dem würde aber eine Auslegung des § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III zuwider laufen, die das krankenversicherungsrechtlich vorgesehene sechswöchige Ruhen des Krg-Anspruchs mit der Unterbrechung und ggf. dem Abreißen des Schutzes der Arbeitslosenversicherung verknüpft.
Der Senat weist insoweit ergänzend darauf hin, dass die wegen ihrer typischen Erwerbsbiografie bestehende besondere Schutzbedürftigkeit der kurzzeitig Beschäftigten weiterhin auch von der Bundesregierung und im Bundestag gesehen wird. So sieht der Koalitionsvertrag (Seite 47 f.) die Einführung einer Regelung vor, nach der u.a. die Rahmenfrist von zwei auf drei Jahre erhöht werden soll (vgl. dazu auch die BT-Drucks. 18/1061 (kleine Anfrage vom 03.04.2014) und 18/1381 (Antwort der Bundesregierung vom 09.05.2014)).
Wenn der Gesetzgeber beim Bezug von Krg (anders als beim Bezug von Rente wegen voller Erwerbsminderung) typisierend davon ausgeht, dass der Betreffende noch nicht aus dem Kreis der Erwerbstätigen und damit aus der Solidargemeinschaft ausgeschieden ist, und deshalb unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Nr. 2 SGB III die Versicherungspflicht der Zeit des Krg-Bezugs anordnet, erschiene es zur Überzeugung des Senats nach alledem systemwidrig, einen hinreichenden Bezug zur Arbeitslosenversicherung wegen des bei Arbeitnehmern ohne Anspruch auf Lohnfortzahlung für wenigstens sechs Wochen zwangsläufig vorausgehenden sechswöchigen Ruhenszeitraums nach § 49 Abs. 1 Nr. 7 SGB V den Versicherungsschutz zu verneinen. Die Lücke ist nämlich nicht Ausdruck einer wie auch immer gearteten Lösung von der Versichertengemeinschaft, sondern dient lediglich in Bezug auf den Beginn der Krg-Zahlung der Gleichstellung der Betroffenen mit den sonstigen Arbeitnehmern mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung für wenigstens sechs Wochen. Somit ist ungeachtet des sechswöchigen Ruhenszeitraums durch den Krankengeldbezug ab 08.07.2010 der Anschluss an die Beschäftigung bis 04.06.2010 gewahrt und somit die Zeit des Krankengeldbezugs als Versicherungspflichtverhältnis zu berücksichtigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat gemäß § 160 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zugelassen, weil das BSG im Urteil vom 28.08.2007 – B 7/7a AL 50/06 R – die Frage, ob Unterbrechungen von kurzer Dauer unschädlich sind, offengelassen hat und in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung von einer Höchstdauer für unschädliche Unterbrechungen von oder um vier Wochen ausgegangen wird.
Erstellt am: 13.08.2014
Zuletzt verändert am: 13.08.2014