Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 19. August 1999 geändert und die Klage abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die von der Beklagten zu Gunsten der beigeladenen Stadt E., die für seinen Sohn S … Unterhaltsvorschuss erbracht hat, in der Zeit vom 01.03.1998 bis 31.08.1998 durchgeführte Abzweigung.
Der 1963 geborenen Kläger nahm vom 03.11.1997 bis 31.08.1998 an der von der Beklagten geförderten Bildungsmaßnahme "Kaufmännisches Trainingszentrum" (KTZ) teil. Für die Dauer der Maßnahme bewilligte die Beklagte ihm Unterhaltsgeld in Höhe von wöchentlich 346,43 DM, Lehrgangsgebühren und Fahrtkosten. Die Beigeladene beantragte am 30.01.1998 die Abzweigung eines angemessenen Teils des Unterhaltsgeldes mit der Begründung, sie erbringe für den am 15.01.1988 geborenen S … Leistungen in Höhe von monatlich 314 DM nach den Bestimmungen des Unterhaltsvorschussgesetzes (UVG).
Die Beklagte berechnete einen Abzweigungsbetrag (§ 48 Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil -SGB I-) in Höhe von 46,43 DM und hörte den Kläger zur beabsichtigten Abzweigung an. Dieser entgegnete, er komme seiner Unterhaltspflicht nach und befinde sichnicht in Verzug. Im übrigen besuche er einen Fortbildungslehrgang; deshalb sei zu seinen Gunsten der für Erwerbstätige geltende Selbstbehalt nach der Düsseldorfer Tabelle (vgl. FamRZ 1995, 1323 und 1998, 534) in Höhe von 1.500 DM monatlich zu berücksichtigen. Danach sei er nicht leistungsfähig. Mit Bescheid vom 26.03.1998 zweigte die Beklagte ab 01.03.1998 wöchentlich 46,41 DM vom Unterhaltsgeld des Klägers an die Beigeladene ab. Mit seinem am 06.04.1998 eingelegten Widerspruch trug der Kläger vor, sein Sohn S … habe nie Unterhalt beansprucht, so dass fraglich sei, ob ihm Leistungen nach dem UVG überhaupt zustünden. Zudem befinde er – der Kläger – sich nicht in Zahlungsverzug. Vielmehr sei völlig unklar, für welchen Zeitraum und in welcher Höhe Unterhalt geltend gemacht werde. Jedenfalls stehe ihm der sog. große Selbstbehalt von 1.500 DM zu. Eine Abzweigung komme nicht in Betracht.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 29.05.1998 zurück. Sie habe sich der Beurteilung der Unterhaltspflichtverletzung durch die Beigeladene anzuschließen. Ausgehend von dem bewilligten Unterhaltsgeld in Höhe von monatlich 1.501,10 DM, was einem wöchentlichen Unterhaltsgeld von 346.43 DM entspreche, verbleibe unter Berücksichtigung des Selbstbehaltes von 1.300 DM ein monatlicher Abzweigungsbetrag von 201,10 DM und ein wöchentlicher von 46,41 DM.
Der Kläger hat mit der am 12.06.1998 erhobenen Klage ergänzend vorgetragen, er habe von Montag bis Freitag von 8.00 Uhr bis 15.00 bzw. 15.30 Uhr an der in Aachen durchgeführten Maßnahme teilgenommen. Anschließend habe er die Hausaufgaben machen müssen. Insoweit sei er gleichermaßen in Anspruch genommen wie ein Erwerbstätiger.
Die Beklagte hat weiterhin die Ansicht vertreten, als Nichterwerbstätigem stehe dem Kläger lediglich der Selbstbehalt in Höhe von 1.300 DM zu. Der Abzweigungsbetrag sei zutreffend berechnet worden.
Die Beigeladene hat mitgeteilt, die zwischenzeitlich vom Kläger geschiedene Ehefrau habe am 10.04.1997 Leistungen nach dem UVG für den gemeinsamen Sohn S … beantragt, weil der Kläger keinen Unterhalt zahle. Es seien seither 324,– DM monatlich an Unterhaltsvorschuss gezahlt worden. Diese Leistung sei nach § 7 UVG auf sie – die Beigeladene – übergegangen. Davon habe sie den Kläger in Kenntnis gesetzt.
Das Sozialgericht hat der Klage durch Urteil vom 02.09.1999 stattgegeben und die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Die Beklagte sei grundsätzlich berechtigt, auch von dem dem Kläger bewilligten Unterhaltsgeld Abzweigungen vorzunehmen, wenn der Kläger wie im vorliegenden Fall seiner Unterhaltspflicht nicht nachkomme. Bei dem Unterhaltsgeld handele es sich um eine laufende Geldleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Der Kläger sei allerdings trotz der gegenüber seinem minderjährigen Sohn bestehenden gesteigerten Unterhaltspflicht in der streitigen Zeit nicht zum Unterhalt verpflichtet, weil er nicht leistungsfähig gewesen sei. Die gesteigerte Unterhaltspflicht finde ihre Grenze, wo die Existenz des Unterhaltspflichtigen in Frage gestellt sei. Diese Opfergrenze werde auch als notwendiger oder kleiner Selbstbehalt bezeichnet, der nach der hier anzuwendenden Düsseldorfer Tabelle (Stand 01.07.1998) 1.300 DM betrage. Dieser Betrag erhöhe sich auf 1.500 DM, wenn der Unterhaltsverpflichtete erwerbstätig sei, weil der Erwerbstätige im Allgemeinen einen höheren Lebensbedarf habe als der Erwerbslose. Der Kläger könne sich unter Berücksichtigung der familiengerichtlichen Rechtsprechung (OLG Hamm FamRZ 1984, 727) auf diesen sog. großen Selbstbehalt berufen, weil er als Teilnehmer einer länger andauernden Umschulungsmaßnahme im Allgemeinen Mehraufwendungen jedenfalls für auswärtige Verpflegung habe und deshalb dem erwerbstätigen Unterhaltsverpflichteten gleichzusetzen sei. Der Düsseldorfer Tabelle liege eine schematisierte Betrachtungsweise zugrunde, die mit Einzelfallgesichtspunkten nicht vermischt werden dürfe. Deshalb sei der gegenteiligen Rechtsprechung des LSG Schleswig-Holstein (Breithaupt 1995, 728) nicht zuzustimmen. Insgesamt errechne sich ein wöchentlicher Abzweigungsbetrag von 0,25 DM, von dem abzusehen sei (Ermessensreduzierung auf Null).
Die Beklagte hat gegen das ihr am 06.09.1999 zugestellte Urteil am 01.10.1999 Berufung eingelegt. Die vom Sozialgericht angeführte Entscheidung des OLG Hamm sei im Gegensatz zu der Entscheidung des LSG Schleswig-Holstein nicht zu einem Abzweigungsfall ergangen und deshalb auf den vorliegenden Fall nicht zu übertragen. Der Kläger habe im Zusammenhang mit der Umschulung keine höheren Kosten als ein Arbeitsuchender.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 19.08.1999 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Es entspreche der zivilgerichtlichen Rechtsprechungspraxis, einem Umschüler den großen Selbstbehalt zuzusprechen. Ein Umschüler erbringe einen ähnlichen Einsatz wie ein Erwerbstätiger. Deshalb sei es angemessen, ihm den höheren Selbstbehalt zu belassen.
Die Beigeladene hat sich zur Sache nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Gerichts durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) einverstanden erklärt.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorbreitenden Schriftsätze der Beteiligten verwiesen. Auch die aktuellen Verwaltungsvorgänge der Beklagten waren Gegenstand der Beratung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann die Streitsache mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die einen Abzweigungsbetrag in Höhe von wöchentlich 46,41 DM, insgesamt 1.206,60 DM (Zeitraum: 01.03. bis 31.08.1998) betreffende Berufung ist zulässig.
Das Rechtsmittel ist auch begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht für den genannten Zeitraum einen Betrag in Höhe von 46,41 DM wöchentlich zu Gunsten des Kindes Sascha an die Beigeladene abgezweigt. Das Sozialgericht hat mit zutreffender Begründung dargelegt, dass die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB I erfüllt sind. Das Unterhaltsgeld ist eine laufende Geldleistung, die der Sicherung des Lebensunterhaltes zu dienen bestimmt ist. Der Kläger ist seiner laufenden Unterhaltspflicht nach §§ 1601 ff. Bürgerliches Gesetzbuch gegenüber seinem Sohn S … nicht nachgekommen. Der Senat nimmt insoweit auf die Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts hat die Beklagte den angemessenen Abzweigungsbetrag unter Berücksichtigung des sog. kleinen Selbstbehaltes von 1.300 DM jedoch zutreffend ermittelt. Diese unterste Opfergrenze, die auf die im Allgemeinen für die einfache Lebensführung erforderlichen Mittel abstellt, wird weniger durch die individuellen Lebensumstände des Verpflichteten bestimmt, als vielmehr durch das Erfordernis, die Grenzen der Inanspruchnahme generalisierend festzulegen. Insoweit steht einem Umschüler, der vom Arbeitsamt Unterhaltsgeld, Lehrgangsgebühren, Fahrtkosten, Arbeitskleidung, Kosten für auswärtige Unterbringung und Verpflegung sowie Betreuungskosten erhalten kann, nicht generell der höhere Bedarf des Erwerbstätigen zu. Der um 200 DM höhere Selbstbehalt ist darüber hinaus in erster Linie ein Anreiz für den Erwerbstätigen, die Erwerbstätigkeit nicht aufzugeben. Dagegen werden konkrete bezifferbare berufsbedingte Aufwendungen nicht durch den Zuschlag von 200,– DM zum Selbstbehalt des nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen berücksichtigt. Sie können vielmehr vorab bei der Ermittlung des berücksichtigungsfähigen Einkommens abgezogen werden, und zwar entweder pauschal mit 5 % oder mindestens 90,– DM, höchstens aber mit 260,– DM (vgl. DT A3 aaO). Diese Gesichtspunkte rechtfertigen es nicht, den Teilnehmer an einer Bildungsmaßnahme dem Erwerbstätigen gleichzustellen. Der jenige, der eine Entgeltersatzleistung bezieht, bedarf insbesondere auch nicht deshalb, weil er sich weiterbildet, aus unterhaltsrechtlicher Sicht eines besonderen finanziellen Anreizes, die Bildungsmaßnahme fortzusetzen (vgl. OLG Dresden FamRZ 1999, 1015).
Den vom Kläger angeführten Verpflegungsmehraufwand, den er im übrigen nicht beziffert und belegt hat, sieht der Senat aber auch nicht als berücksichtigungsfähigen Mehrbedarf im Sinne berufsbedingter Aufwendungen an. Wegen der besonderen Verantwortung gegenüber unterhaltsberechtigten Kindern ist es dem Unterhaltspflichtigen vielmehr zuzumuten, sich in seiner Lebensführung während der Bildungsmaßnahme so einzurichten, dass ein nennenswerter Verpflegungsmehraufwand nicht entsteht. Der Senat folgt auch nicht der vom Sozialgericht angeführten Rechtsprechung des OLG Hamm (FamRZ 1984, 727), die keinen Eingang in die "Hammer Richtlinien" (NJW 1998, 2036) gefunden hat. Vielmehr sieht er sich durch die Leitlinien der Düsseldorfer Tabelle bestätigt, nach denen über die berücksichtigungsfähigen berufsbedingten Aufwendungen hinaus (DT A 3.) nur ein erhebliches und nicht vermeidbares Überschreiten des Selbstbehaltes zu dessen Erhöhung führt (DT A 5). Dem Kläger verbleiben aber die Mittel, die er zur Bestreitung des unentbehrlichen Lebensbedarfs benötigt. Ausgehend von den Berechnungen der Beklagten im angefochtenen Widerspruchsbescheid, die der Senat für zutreffend hält, sind damit im streitigen Zeitraum richtigerweise wöchentlich 46,41 DM abgezweigt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht als gegeben angesehen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Erstellt am: 13.08.2003
Zuletzt verändert am: 13.08.2003