I. Der Bescheid vom 23.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2016 wird abgeändert und der Beklagte verurteilt, dem Kläger höhere vorläufige Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.04.2016 bis 30.09.2016 als Alleinstehender, ohne Anrechnung von Einkommen oder Vermögen des Zeugen B. zu gewähren.
II. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt der Beklagte.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der 1967 geborene Kläger steht bei dem Beklagten seit mehreren Jahren im Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Er bewohnte zunächst alleine eine 2-Zimmer-Wohnung in A-Stadt. Im Rahmen der Weiterbewilligung gaben er sowie kurz davor der 1958 geborene Zeuge B. an, dass der Zeuge beim Kläger eingezogen sei. Der Zeuge B. trug vor, dass er "bei einem Bekannten eingezogen sei". Der Kläger gab im Rahmen des Weiterbewilligungsantrages an, dass es sich bei dem am 17.01.2013 Eingezogenen um seinen Partner handele (Bl. 524 der Verwaltungsakte, im Folgenden nur noch Bl.). Der Beklagte gewährte dem Kläger in der Folge weiterhin die volle Regelleistung als Alleinstehender sowie die hälftigen Kosten der Unterkunft.
Der Kläger verfügt über ein eigenes Konto bei der Deutschen Bank, der Zeuge B. bei der Postbank (Bl. 694 und 787). Die Zahlung der Leistungen erfolgte dahingehend, dass der Zeuge B. seine gesamten eigenen Leistungen erhielt (Regelleistung plus Unterkunft – Bl. 799 Rückseite, im Vergleich zu Bl. 742) sowie den Mietanteil des Klägers und der Kläger nur seine Regelleistung.
Am 12.03.2013 beantragte der Kläger ein Darlehen, da sein Mitbewohner erst am Ende des Monats Arbeitslosengeld bekomme und er sonst für zwei Personen kein Essen kaufen könne (Bl. 536). Der Zeuge B. übte seit dem 01.08.2013 eine abhängige Beschäftigung als Altenpfleger (Umschulung) bei der R. GmbH aus (Bl. 667).
Im Rahmen der Überprüfung des Bedarfs an Heizmitteln (ungeklärter Kauf von Heizöl oder Kohle) am 07.10.2014 führte der Beklagte einen Hausbesuch bei dem Kläger und dem Zeugen durch. Bei dem Hausbesuch stellte der Ermittlungsdienst fest, dass sich in der 2-Zimmer-Wohnung lediglich ein Doppelbett befinde, welches auf beiden Seiten bezogen und auch benutzt gewesen sei, da die Betten noch nicht gemacht gewesen waren. Der Ermittlungsdienst vermerkte diese Feststellung in seinem Prüfprotokoll, nachdem beide bislang lediglich als Wohngemeinschaft geführt wurden. Nachfragen an den Kläger und den Zeugen hierzu erfolgten nicht (Bl. 633).
Der Beklagte entschied hierauf, den Kläger und den Zeugen ab dem 18.01.2014 (ein Jahr Zusammenleben) als Bedarfsgemeinschaft zu behandeln. Der Beklagte erließ einen ersten Änderungsbescheid vom 13.11.2014 und änderte die Leistungshöhe ab 01.11.2014 dahingehend, dass beide eine Bedarfsgemeinschaft darstellten.
Im Übrigen hörte der Beklagte diese zu einer weitergehenden Änderung der früheren Bescheide an. Diesbezüglich äußerte sich der Zeuge B., dass es sich nicht um eine Bedarfsgemeinschaft handele, da sie zu keiner Zeit ein Verhältnis gehabt hätten. Es bestehe kein wechselseitiger Wille, füreinander einzustehen. Es handele sich um eine reine Wohngemeinschaft. Er selbst schlafe im Wohnzimmer auf der Schlafcouch, der Kläger im Bett im Schlafzimmer. Aus Platzmangel räume er seine Schlafsachen dann stets auf das Bett des Klägers, weshalb der Eindruck einer Partnerschaft beim Hausbesuch wohl entstanden sei (Bl. 647)
Dem Änderungsbescheid widersprach der Kläger im Übrigen und legte ebenfalls dar, dass es sich um eine reine Wohngemeinschaft handele (Bl. 649). Er selbst sei schwerbehindert und könne nicht einmal die Ölkanne für die Heizung heben, da er nur ein Kilo heben dürfe. Er könne nicht immer von Freunden verlangen, dass sie dies für ihn erledigten, sodass er froh sei mit dem Zeugen B. eine Wohngemeinschaft bilden zu können (Bl. 658).
Den Widerspruch gegen den Änderungsbescheid wies der Beklagte mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 31.03.2015 als unbegründet zurück (Bl. 737).
Der Wohnblock, in dem sich die Wohnung des Klägers und des Zeugen befand, sollte in der Folge abgerissen werden, weshalb ein Umzug notwendig wurde. Der Kläger und der Zeuge zogen erneut gemeinsam in eine neue 2-Zimmer-Wohnung mit 57,03 qm in der E.-Straße in A-Stadt. Die Mietkosten beliefen sich auf EUR 308,00 Kaltmiete, EUR 77,00 Nebenkosten und EUR 46,00 Heizkosten (Bl. 727). Der Beklagte bestätigte die Mietkosten für die neue Wohnung als angemessen (Bl. 729). Die Zahlung der Mietkosten erfolgte vom Konto des Zeugen B. (z. B. Bl. 841).
Mit Bescheid vom 11.03.2015 bewilligte der Beklagte vorläufige Leistungen für den Zeitraum vom 01.04.2015 bis 30.09.2015 aufgrund schwankenden Einkommens des Zeugen B. (Bl. 719). Mit Änderungsbescheid vom 30.03.2015 änderte der Beklagte die Leistungshöhe ab dem 16.05.2015 aufgrund des stattgefundenen Umzuges in die neue Wohnung (Bl. 731). Mit weiterem Änderungsbescheid vom 07.04.2015 erfolgte lediglich eine Umstellung der Zahlung des Mietanteils des Klägers ab dem 01.06.2015 auf das Konto des Zeugen B. nach erfolgter telefonischer Absprache (Bl. 739, 742). Jeder der beiden hatte zu diesem Zeitpunkt einen Gesamtanspruch von EUR 384,45 (EUR 215,50 Unterkunftskosten, EUR 160,67 Regelbedarf und EUR 8,28 Mehrbedarf).
Bei einem Telefongespräch am 28.08.2015 gab der Kläger an, dass nur noch sein Mietanteil auf das Konto des Zeugen überwiesen werden solle, alle anderen Leistungen auf sein Konto (Bl. 810). Der Beklagte änderte daraufhin ab Oktober 2015 die Auszahlung, dass der Zeuge nicht mehr seine Leistungen und den Mietanteil des Klägers überwiesen bekam, sondern ausschließlich nur den Mietanteil des Klägers von EUR 215,50 (Bl. 840, im Vergleich zu Bl. 742). Der Beklagte erließ hierzu einen Änderungsbescheid vom 30.09.2015 (Bl. 811).
Der Zeuge B. legte in der Folge sowohl seine Lohnabrechnungen als auch lückenlose Kontoauszüge vor (Bl. 834ff).
Mit weiterem Bescheid vom 23.03.2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger und dem Zeugen B. vorläufige Leistungen für den Zeitraum vom 01.04.2016 bis 30.09.2016 aufgrund der unregelmäßigen Einkünfte (Bl. 852). Durch das gestiegene Einkommen des Zeugen B. ergab sich nur noch ein Leistungsanspruch auf Unterkunftskosten von je EUR 166,30. Mit Änderungsbescheid vom 23.03.2016 senkte der Beklagte die Leistungen ab, da der Mehrbedarf für Heizkosten (dezentrale Warmwassererwärmung) nicht mehr gewährt werde. Hieraus ergab sich lediglich noch ein Anspruch auf Kosten der Unterkunft von EUR 157,93 pro Person – anstatt der tatsächlichen EUR 215,50. (Bl. 860).
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch.
Mit Bescheid vom 23.03.2016 setzte der Beklagte schließlich die Leistungsgewährung für den Zeitraum vom 01.04.2015 bis 30.09.2015 endgültig fest. Sowohl gegen den Zeugen B. als auch gegen den Kläger setzte der Beklagte im Übrigen mit Bescheid vom 23.03.2016 die Erstattungsforderung fest, welche sich auf je EUR 951,72 belief (Bl. 870 und 871).
Hiergegen erhob nur der Kläger Widerspruch, mit der Begründung, dass die Berechnung nicht den Tatsachen entspreche (Bl. 881). Er lebe in einer Wohn- und nicht in einer Bedarfsgemeinschaft.
Der Kläger legte in der Folge ein Schreiben des Zeugen B. vor, wonach er diesen auffordere, den ausstehenden Mietanteil von monatlich EUR 56,88 auf sein Konto zu überweisen, da er ansonsten die Kündigung der Wohnung aussprechen werde (Bl. 893).
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.06.2016 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen die vorläufige Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 01.04.2016 bis 30.09.2016 zurück (Bl. 895).
Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 06.06.2016 wies der Beklagte den Widerspruch gegen die endgültige Festsetzung und den Erstattungsbescheid für den Zeitraum vom 01.04.2015 bis 30.09.2015 zurück (Bl. 897). Die Klage gegen diesen ist beim Sozialgericht Augsburg unter dem Aktenzeichen S 15 AS 698/16 anhängig.
Am 22.06.2016 hat der Kläger gegen die vorläufige Leistungsbewilligung Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 23.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2016 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm höhere vorläufige Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.04.2016 bis 30.09.2016 als Alleinstehender, ohne Anrechnung von Einkommen oder Vermögen des Zeugen B. zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Dieser legt seine Verwaltungsakte vor und verweist auf deren Inhalte.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 06.09.2016 sind sowohl der Kläger als auch der Zeuge B. vernommen worden. Auf die Inhalte der Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
Für den weiteren Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die Gerichts- und die Verwaltungsakten verwiesen. Diese waren Gegenstand der Verhandlung, Beratung und Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Die vor dem zuständigen Gericht erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage, § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist zulässig.
Die Klage ist begründet.
Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Gewährung von höheren vorläufigen Leistungen nach dem SGB II im Zeitraum vom 01.04.2016 bis 30.09.2016 in gesetzlicher Höhe als Alleinstehender.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet bzw. die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sowie hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches haben (§ 28 Abs. 1 Satz 1 SGB). Nach § 9 Abs. 1 SGB ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, aus dem zu berücksichtigen Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Zur Bedarfsgemeinschaft gehört nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 c) SGB II als Partnerin oder Partner des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten eine Person, die mit der erwerbsfähigen Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. § 7 Abs. 3 Nr. 3 c) SGB II normiert für das Vorliegen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft hiernach drei Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen:
Es muss sich in jedem Fall
1. um Partner handeln, die 2. in einem gemeinsamen Haushalt zusammenleben und dies 3. in einer Weise, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen
(vgl. Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 23.08.2012 – B 4 AS 34/12 R).
In Bezug auf § 7 Abs. 3 Nr. 3 lit. c) handelt es sich bei den Kriterien zu 1. und 2. (Partnerschaft und Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt) um objektive Tatbestandsvoraussetzungen, die nach der Systematik der Norm kumulativ zu der subjektiven Voraussetzung des Einstehens- und Verantwortungswillens gegeben sein müssen. Partnerschaft und Zusammenleben im gemeinsamen Haushalt sind indes zugleich Anknüpfungspunkte der Vermutung des § 7 Abs. 3a SGB II (Wolff-Dellen in Löns/Herold-Tews, SGB II, 3. Aufl. 2011, § 7 Rn. 31b).
Die subjektive Seite, dass die in einem Haushalt zusammenlebendenden Partner auch den gemeinsamen Willen füreinander Verantwortung zu tragen und füreinander einzustehen haben müssen, wird nach § 7 Abs. 3a SGB II bei positiver Feststellung einer der dort aufgezählten vier Fälle – die ebenso wie die beiden objektiven Kriterien von Amts wegen ermittelt werden müssen (§ 20 SGB X bzw. § 103 SGG) – vermutet. Es obliegt dann dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, diese Vermutung zu widerlegen. § 7 Abs. 3a SGB II regelt mithin (nur) die subjektive Voraussetzung einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft und gibt mit den dort aufgezählten, nicht abschließenden (BT-Drucks 16/1410, 19) Fallgestaltungen Anknüpfungstatsachen mit deren Hilfe i. S. e. widerlegbaren Vermutung auf den inneren Willen, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, geschlossen werden kann (BSG, Urteil vom 23.08.2012 – B 4 AS 34/12 R; LSG Sachsen, Urteil vom 07.01.2011 – L 7 AS 115/09; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.11.2011 – L 2 AS 842/11)
Schon der gesetzgeberischen Intention nach enthebt die Vermutungsregel des § 7 Abs. 3a SGB II weder Behörde noch Gericht vom Untersuchungsgrundsatz, nach dem der Sachverhalt von Amts wegen ermittelt und dabei alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen sind (BT- Drs. 16/1410, S. 19; Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 7, Rn. 174).
Der Begriff der Partnerschaft ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der keinen Ermessenserwägungen zugänglich ist.
Gemeint ist in § 7 Abs. 3 Nr. 3 lit. c SGB II eine Gemeinschaft, die nicht durch bloßes Zusammenleben begründet wird, sondern Ausschließlichkeitscharakter im Sinne einer Eheähnlichkeit aufweist und keine vergleichbare Lebensgemeinschaft daneben zulässt. Diese enge Auslegung ist geboten, um nicht die Bedürftigkeitsvermutung verfassungsrechtlich bedenklich auszuweiten (vgl. etwa Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 7 Rn. 172 mwN und BSG, Urteil v. 23.08.2012 – B 4 AS 34/12 R). Aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft (BVerfG, Urteil vom 17.09.1992 – 1 BvL 8/87; Beschluss vom 02.09.2004 – 1 BvR 1962/04) erfordert § 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II Bindungen der Partner in einem so engen Verhältnis, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann. Nur wenn sich die Partner einer Gemeinschaft so sehr füreinander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse einsetzen, ist ihre Lage mit derjenigen nicht dauernd getrennt lebender Ehegatten im Hinblick auf die Bedürftigkeitsprüfung vergleichbar (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 22.12.2015 – L 7 AS 1619/15 B ER).
Ob eine derartige Partnerschaft vorliegt, ist anhand einer Gesamtwürdigung von Hinweistatsachen zu beurteilen. Solche – nicht abschließend aufzählbaren (vgl LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.04.2005 – L 9 B 6/05 SO ER – juris) – Indizien können sich u.a. aus der Dauer des Zusammenlebens ergeben. Ebenso kann auch die Dauer und Intensität der Bekanntschaft vor der Gründung der Wohngemeinschaft, der Anlass des Zusammenziehens, die Versorgung und Erziehung gemeinsamer Kinder oder sonstiger Angehöriger im gemeinsamen Haushalt oder die Pflege des bedürftigen anderen Partners, die das Zusammenleben prägt, zu berücksichtigen sein (vgl. Bayerisches LSG, Urteil v. vom 16.10.2008 – L 11 AS 368/07 – juris – mwN).
Weitere Hinweistatsachen können sich aus der Ausgestaltung des Mietverhältnisses oder der Art des (räumlichen) Zusammenlebens ergeben, wobei das bloße Zusammenleben unter derselben Meldeadresse regelmäßig nicht zur Annahme einer Partnerschaft genügt (vgl BVerfG, Beschluss vom 02.09.2004 – 1 BvR 1962/04 – juris). So spricht das Nichtvorhandensein einer eigenen Intimsphäre innerhalb der Wohnung oder die gemeinsame Nutzung mehrerer Räume, insbesondere eines Schlafzimmers, für eine innere Bindung, wobei jedoch auch getrennte Wohn- oder Schlafbereiche nicht zwangsläufig zur Ablehnung der Annahme einer Partnerschaft führen wird. Auch der Frage, ob und inwieweit die Partner gemeinsam wirtschaften, ob etwa die Befugnis besteht, über Einkommen und Vermögen des jeweils anderen zu verfügen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.01.2006 – L 7 AS 5532/05 ER-B – juris), oder ob gar ein gemeinsames Konto besteht, kann Bedeutung zukommen. So stellt das Vorhandensein eines gemeinsamen Kontos zwar ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen einer Partnerschaft dar, dessen Fehlen schließt eine solche jedoch nicht aus. Die Annahme einer Partnerschaft setzt hingegen nicht voraus, dass zwischen den Partnern geschlechtliche Beziehungen bestehen (vgl. BSG, Urteil vom 29.04.1998 – aaO unter Hinweis auf BVerfG, Urteil vom 17.11.1992 – 1 BvL 8/87 – juris). Sind solche jedoch – ohne dass Ermittlungen durch den Leistungsträger in diese Richtung vorzunehmen sind (vgl. hierzu: BVerfG, Beschluss vom 17.11.1992 aaO) – bekannt und damit verwertbar, so kann auch dies Indiz für eine enge innere Bindung sein.
Ein "Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt" iSv § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II erfordert das Bestehen einer "Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft". Mithin bedarf es neben einem Zusammenleben auch einem "Wirtschaften aus einem Topf". Dies bedeutet, dass die Partner in "einer Wohnung" zusammenleben und die Haushaltsführung an sich sowie das Bestreiten der Kosten des Haushalts gemeinschaftlich durch beide erfolgen muss (vgl. BSG, Urteil vom 23.08.2012 – B 4 AS 34/12 R).
Die Anforderungen an das gemeinsame Wirtschaften gehen über die gemeinsame Nutzung von Bad, Küche und ggf. Gemeinschaftsräumen hinaus. Auch der in Wohngemeinschaften häufig anzutreffende gemeinsame Einkauf von Grundnahrungsmitteln, Reinigungs- und Sanitärartikeln aus einer von allen Mitbewohnern zu gleichen Teilen gespeisten Gemeinschaftskasse begründet noch keine Wirtschaftsgemeinschaft. Entscheidend ist, dass der Haushalt von beiden Partnern geführt wird, wobei die Beteiligung an der Haushaltsführung von der jeweiligen wirtschaftlichen und körperlichen Leistungsfähigkeit der Partner abhängig ist. Die Haushaltsführung an sich und das Bestreiten der Kosten des Haushalts müssen gemeinschaftlich durch beide Partner erfolgen, was allerdings nicht bedeutet, dass der finanzielle Anteil der Beteiligung am Haushalt oder der Wert der Haushaltsführung selbst gleichwertig sein müssen. Ausreichend ist eine Absprache zwischen den Partnern, wie sie die Haushaltsführung zum Wohle des partnerschaftlichen Zusammenlebens untereinander aufteilen (BSG, Urteil vom 23.08.2012 – B 4 AS 34/12 R und LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 22.12.2015 – L 7 AS 1619/15 B ER).
Der Beklagte hat im Rahmen seiner Ermittlungen den Umfang seiner Amtsermittlung deutlich verkannt. Im Rahmen des im Oktober 2014 durchgeführten Hausbesuches, den der Beklagte im Anschluss daran zum Anlass genommen hat, eine Bedarfsgemeinschaft anzunehmen, hat der Beklagte jegliche Amtsermittlung durch Einbeziehung des Klägers und des Zeugen B. unterlassen. Der Hausbesuch fand unter einer gänzlich anderen Prämisse statt, nämlich der Ermittlung des Heizbedarfs. Wenn sich dem Beklagten im Rahmen eines derartigen Hausbesuchs Anhaltspunkte für andere Ermittlungen aufdrängen, so hat er diesen im Rahmen seiner Amtsermittlung nachzugehen. Die hier durchgeführte Vorgehensweise des Beklagten, den Hausbesuch ohne jede Befragung des Klägers und des Zeugen B. zu beenden und im Anschluss eine Bedarfsgemeinschaft anzunehmen, grenzt an Willkürlichkeit.
Darüber hinaus ist grundsätzlich für jeden Bewilligungszeitraum, der nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts einen eigenen Streitgegenstand darstellt, erneut festzustellen, ob eine eheähnliche Gemeinschaft besteht oder nicht (Bayerisches LSG, Beschluss v. 02.08.2016 – L 7 AS 461/16 B ER). Hiernach hätte sich dem Beklagten nach dem gemeinsamen Umzug des Klägers und des Zeugen B. in eine neue Wohnung im Mai 2015 eine neue Ermittlung – gerade infolge des vorherigen Ermittlungsausfalls – aufdrängen müssen.
Nach Durchführung der gerichtlichen Ermittlungen – die Befragung des Klägers und des Zeugen B. in der mündlichen Verhandlung am 06.09.2016 – liegt unter Berücksichtigung der o. g. Voraussetzungen zur Überzeugung der erkennenden Kammer keine Partnerschaft im Sinne der Rechtsprechung vor.
Zwischen dem Kläger und dem Zeugen B. besteht zur Überzeugung der Kammer keine Liebesbeziehung. Es handelt sich vielmehr um eine kumpelhafte Männerfreundschaft, die sich in Anbetracht der ständigen Probleme mit dem Beklagten und den diesseitigen Vorgängen in wiederkehrende Streitigkeiten rund um die Mietzahlungen geändert hat. Die Angabe des Klägers als "Partner" hat dieser im Rahmen der mündlichen Verhandlung klar gestellt. Mangels Wissen um die zweideutige Begrifflichkeit des Wortes, wollte dieser glaubhaft ausschließlich einen WG-Partner mitteilen.
Beide haben übereinstimmend dargelegt, dass das Problem um die nunmehr ausbleibende gänzliche Mietübernahme durch den Beklagten einen Streitpunkt darstellt und im Falle der weiteren Behandlung als Bedarfsgemeinschaft die Fortführung des gemeinsamen Haushaltes fragwürdig ist, da der Zeuge B. nicht willens ist, den Kläger finanziell zu unterstützen. Eine gegenseitige finanzielle Unterstützung lag ohnehin zu keinem Zeitpunkt vor, weder betreffend die Mietzahlungen, noch betreffend die Einkäufe des täglichen Lebens.
Der Zeuge B. geht zur Überzeugung der Kammer sogar davon aus, dass er selbst gar keine Leistungen von dem Beklagten bezieht, kennt also offensichtlich die Leistungsbescheide, in denen die Leistungen auch für ihn ausgewiesen sind nicht. Der Beklagte überweist auch nur noch den Mietanteil des Klägers auf das Konto des Zeugen B., alle anderen Leistungen, d. h. insbesondere aktuell den Mietanteil des Zeugen selbst, auf das Konto des Klägers. Es ist deutlich, dass eine Kommunikation zwischen dem Kläger und dem Zeugen rund um die vom Beklagten durchgeführte Leistungsberechnung überhaupt nicht existiert. Alleiniger Leistungsbegehrer ist der Kläger, der Zeuge selbst geht davon aus, überhaupt keinen Leistungsantrag gestellt zu haben.
Eine gemeinsame Haushaltskasse existiert im Übrigen nicht.
Ein gemeinsames Einkaufen findet zwar zeitweilig statt, dies aber dergestalt, dass jeder selbst seine Einkäufe an der Kasse bezahlt. Die Hintergründe um die Angabe des Klägers im Rahmen einer Darlehensbeantragung "um für zwei Personen essen zu kaufen" haben dieser sowie der Zeuge in der mündlichen Verhandlung glaubwürdig dargelegt und dabei widerlegt, dass gemeinsam auf gemeinsame Kasse eingekauft werde.
In der Küche befinden sich zwei Kühlschränke, folglich für jeden separat und jeder verfügt über sein eigenes Geschirr, sodass nicht einmal diesbezüglich eine gemeinsame Nutzung erfolgt. Einen gemeinsamen Freundeskreis gibt es nicht. Feiertage, insbesondere Weihnachten werden nicht gemeinsam verbracht. Letztes Weihnachten hat der Kläger glaubhaft mit einer Bekannten verbracht, der Zeuge B. hat gearbeitet und ist nach eigener Aussage froh, diese Zeiten in der Arbeit verbringen zu können.
Bestehende Widersprüche in den Aussagen um die Putzgewohnheiten und die Maschinenwäsche zeugen mehr vom Wahrheitsgehalt der beiden Aussagen, als dass von einer Falschaussage auszugehen wäre. Die subjektiven Empfindungen gerade um den Bereich der Haushaltstätigkeiten sind gewohnheitsgemäß unterschiedlich und zeigen, dass sich der Kläger und der Zeuge wohl gerade nicht betreffend ihrer Aussagen vor ihrer Vernehmung abgestimmt haben. Es ist lebensüblich, dass die subjektive Eigenwahrnehmung, wie viel man selbst an Haushaltstätigkeiten übernimmt, nicht mit der Wahrnehmung von anderen in Einklang geht. Eben dies spiegelte sich in den Aussagen des Klägers und des Zeugen wider.
Übereinstimmend haben beide weiter erklärt, dass weder gemeinsam gekocht wird, noch dass es gemeinsame Unternehmungen gibt, noch gemeinsame Freunde. Es mangelt gänzlich an einem gemeinsamen Leben. Der jeweils andere konnte weder konkrete Angaben zu den Freizeitgewohnheiten des Anderen, noch zu dessen Beziehungsstatus machen, was für einen eher rudimentären Gesprächsaustausch spricht.
Die Begründung für das weitere Zusammenwohnen, obgleich ursprünglich nur als Übergangslösung gedacht, gaben beide nachvollziehbar mit der schwierigen finanziellen Lage und den hohen Wohnungspreisen in A-Stadt an.
Gemeinsame Anschaffungen haben beide nicht getätigt. Auch der Umzug erfolgte rein mit vorhandenen Möbeln, ohne Neuanschaffungen. Darüber hinaus musste jeder der beiden seinen jeweiligen Umzug selbst organisieren. Den des Klägers finanzierte der Beklagte, der Zeuge B. musste seinen Umzug selbst organisieren.
Die gemeinsame Nutzung des Wohnzimmers spricht zwar für eine eher geringe Privatsphäre des Zeugen, vermag aber in der Gesamtschau keine Bedarfsgemeinschaft zu begründen. Der Kläger hat angegeben, dass gerade wenn abends Besuche etwa durch die Nachbarin erfolgen, er sich mit dieser in der Wohnküche aufhält. Diese ist mit einem Tisch und Stühlen ausgestattet. Außerdem verfügen Kläger und Zeuge je über einen eigenen Fernseher, sodass auch keine gemeinsame Abendgestaltung besteht. Gemeinsames Kochen findet nicht statt, zum einen aufgrund der Arbeitszeiten des Zeugen (Rückkehr von der Arbeit oft erst gegen 21 Uhr) und zum anderen aufgrund der jeweiligen Essensgewohnheiten beider, die stark voneinander abweichen. Selbst mit der aktuellen Krankschreibung des Zeugen hat sich an der Essensgestaltung nichts geändert.
Wie in den obigen rechtlichen Ausführungen dargelegt, bedarf die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft nicht zwingend einer sexuellen Beziehung, wenn andere Komponenten in der Gesamtschau auf anderem Wege eine nichteheliche Lebensgemeinschaft begründen können. Dennoch bedarf es auch bei einer fehlenden sexuellen Beziehung einem nicht unerheblichen gesellschaftlichen Miteinander, was beim Kläger und beim Zeugen sehr offensichtlich fehlt.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung ist von Seiten des Gerichts beim Sitzungsvertreter des Beklagten zu hinterfragen versucht worden, aus welchen Komponenten dieser das Vorliegen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft abzuleiten vermag. Die Nachweispflicht hierfür obliegt schließlich dem Beklagten. Mit der pauschalen Aussage, dass die Aussagen des Zeugen und des Klägers unglaubwürdig seien, verkennt der Beklagtenvertreter die umfassend nötige Würdigung der Aussagen indes und verkennt auch die Pflicht der Behörde, einen objektiven Bewertungsmaßstab bei seiner Beurteilung anzulegen.
Die Aussagen des Klägers und des Zeugen waren für die erkennende Kammer – gerade auch wegen der einzelnen oben genannten Widersprüche – glaubwürdig und in ihrer Gesamtheit aufzuarbeiten. Bei Beachtung sämtlicher von der Rechtsprechung aufgestellter Grundsätze für die Beurteilung einer Bedarfsgemeinschaft erfüllen der Kläger und der Zeuge vorliegend keine einzige Voraussetzung, welche in die Bewertung einzufließen hat. Im Einzelnen fällt darunter
– Fehlende sexuelle Beziehung – Fehlende gemeinsame Freizeitgestaltung – Fehlende gemeinsame Haushaltskasse – Fehlendes gemeinsames Konto – Fehlende gegenseitige finanzielle Unterstützung – Fehlende gemeinsame Einnahme von Mahlzeiten – Fehlende gemeinsame Haushaltsführung – Fehlender Wille für finanzielle Haftung für den anderen
Selbst innerhalb einer Studenten-WG dürfte man eine größere gemeinsame Freizeit- und Haushaltsgestaltung finden, als beim Kläger und dem Zeugen. Die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft liegt hier fern und kann sicher nicht dadurch begründet werden, dass überhaupt ein Zusammenzug erfolgt ist oder dann gelegentlich der Weg zum Supermarkt gemeinsam angetreten wird.
Der Klage war hiernach vollumfänglich stattzugeben.
Die Kostenfolge basiert auf § 193 SGG.
Erstellt am: 12.09.2016
Zuletzt verändert am: 12.09.2016