Die Beklagte hat die Revision zurückgenommen
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 19.3.2015 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung aus einer monatlich geleisteten Abfindungszahlung für die Zeit vom 16.6.2013 bis 17.8.2014.
Der 1957 geborene Kläger war vom 1.1.1993 bis zum 31.12.2012 bei der S AG (fortan: Arbeitgeberin) beschäftigt und bei der Beklagten freiwillig kranken- und pflegeversichert. Das Arbeitsverhältnis wurde wegen Personalabbaus durch Aufhebungsvertrag vom 12.12.2011 beendet. Aus der zwischen der Arbeitgeberin mit dem Gesamtbetriebsrat abgeschlossenen Betriebsvereinbarung über die Gewährung von Abfindungszahlungen in monatlichen Teilbeträgen ("AmT-Maßnahme") vom 6.7.2011 ergibt sich unter anderem:
§ 1 Geltungsbereich und Grundsätze
[ …]
(3) Mitarbeiter [ …] müssen darüber hinaus folgende Voraussetzungen erfüllen:
a. Vollendung des 55. Lebensjahrs bis zum 31.12.2015
b. Ununterbrochene Betriebszugehörigkeit von mindestens 10 Jahren [ …]
c. Voraussichtlicher Anspruch auf eine vorgezogene Altersrente nach den Bestimmungen des Sozialgesetzbuches -Sechstes Buch – (SGB VI)
d. Erfüllung der Wartezeit von 35 Jahren in der Gesetzlichen Rentenversicherung zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie Nachweis dessen [ …]
§ 3 Abfindung
(1) Monatlicher Abfindungsteilbetrag
Der monatliche Abfindungsteilbetrag setzt sich zusammen aus dem monatlichen Grundabfindungsbetrag (Buchst. a) sowie einem monatlichen Zusatzteilbetrag bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen (Buchst. b):
a) Der Mitarbeiter erhält einen monatlichen Grundabfindungsteilbetrag in Höhe von 57% der Bemessungsgrundlage. Die Bemessungsgrundlage wird wie folgt ermittelt:
Aus den in Anlage 1 zu dieser Betriebsvereinbarung aufgeführten Vergütungsbestandteilen wird jeweils für den Mitarbeiter -entsprechend der für ihn jeweils geltenden individuellen Ansprüche- ein Bruttojahreseinkommen ermittelt. Basis sind die dem Ausscheiden vorangegangenen abgerechneten 12 Kalendermonate. Bemessungsgrundlage für den monatlichen Grundabfindungsteilbetrag ist dann 1/12 des wie vor beschriebenen und ermittelten Bruttojahreseinkommens.
[ …]
(2) Es besteht keine Verpflichtung des Mitarbeiters, sich nach Austritt aus dem Arbeitsverhältnis arbeitslos zu melden. Erfolgt dies jedoch, so findet keine Anrechnung von Arbeitslosengeld auf den vertraglich vereinbarten Abfindungsteilbetrag statt.
(3) Erzielt der Mitarbeiter nach Austritt aus dem Arbeitsverhältnis während der Dauer des Bezugs der monatlichen Abfindungsteilbeträge Einkünfte aus selbständiger oder nichtselbständiger Arbeit, so werden diese Einkünfte auf den vertraglich vereinbarten monatlichen Abfindungsteilbetrag nicht angerechnet. Die gilt auch für den Fall der Zuerkennung einer nur teilweisen Erwerbsminderungsrente.
(4) [ …]
(5) Als pauschalen Ausgleich für die vom Mitarbeiter selbst zu entrichtenden Beiträge zu einer gesetzlichen oder privaten Kranken- und Pflegeversicherung erhält der Mitarbeiter den monatlichen Abfindungsteilbetrag gem. Absatz 1 um einen Betrag in Höhe von 16,5% aufgestockt, begrenzt auf die Höhe von 16,5% der im Austrittsmonat gültigen Beitragsbemessungsgrenze zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung.
[ …]
§ 4 Sonstige Leistungen
[ …]
(6) Ausgleich für Einbußen in der gesetzlichen Rentenversicherung
Für die Einbußen in der Gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Unternehmen erhält der Mitarbeiter ab dem Monat, ab dem erstmals eine vorgezogene Altersrente oder Erwerbsminderungsrente bezogen wird, einen monatlich zahlbaren pauschalen Ausgleich nach folgender Maßgabe: [ …].
Der Zahlbetrag des pauschalen Ausgleichs wird zum 1. Juli eines jeden Jahres um 1% angepasst.
§ 6 Fälligkeit und Zahlung
Der gesamte monatliche Abfindungsteilbetrag gemäß § 3 Absatz 1 und 5 wird nach Abzug der hierauf entfallenden gesetzlichen Abgaben gemäß § 5 hinsichtlich Fälligkeit und Zahlungsweise behandelt wie das Monatsgehalt der aktiven Mitarbeiter.
§ 7 Beendigung des Anspruches auf den monatlichen Abfindungsteilbetrag
Der Anspruch auf den gesamten monatlichen Abfindungsteilbetrag gemäß § 3 Absatz 1 und 5 erlischt mit Beginn des Monats, für den der aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedene Mitarbeiter erstmals Anspruch auf
– eine vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente,
– eine Rente wegen voller Erwerbsminderung,
– eine Knappschaftsausgleichsleistung,
– eine ähnliche Leistung öffentlich-rechtlicher Art hat,
– oder wenn er von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist, eine vergleichbare Leistung einer Versicherung oder Versorgungseinrichtung erhält.
Der aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedene Mitarbeiter ist verpflichtet, frühestmöglich einen Antrag auf die vorgenannten Leistungen zu stellen. Stellt er keinen Antrag, obwohl objektive Anhaltspunkte für eine Rentenberechtigung vorliegen. So verliert er den Anspruch auf den gesamten monatlichen Abfindungsteilbetrag gem. § 3 Absatz 1 und 5 ab dem Zeitpunkt, ab dem er bei rechtzeitiger Antragstellung die vorgenannte Leistung hätte beziehen können. [ …].
§ 8 Abtretungsverbot
Die Abtretung oder Verpfändung des Anspruchs auf Leistungen aus dieser Betriebsvereinbarung an Dritte ist ausgeschlossen. [ …]
§ 9 Ruhegeld
(1) Für das betriebliche Ruhegeld im Anschluss an diese Abfindungsregelung kommen die jeweils für die Mitarbeiter gültigen Ruhegeldregelungen zur Anwendung. Zur Ermittlung des betrieblichen Ruhegeldes [ …].
(2) Das betriebliche Ruhegeld wird gemäß § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersvorsorge vom 19.12.1974 (BetrAVG) berechnet. [ …]
In der "endgültigen Berechnung AmT" wurde für den Kläger ein abzusicherndes monatliches Bruttoeinkommen von 3.075,28 EUR ausgewiesen. Zuzüglich des Zuschlags für die Kranken- und Pflegeversicherung i.H.v. 16,5 % (507,42 EUR) wurde eine Bruttoabfindungsteilbetrag i.H.v. 3.582,70 EUR (netto: 2.789,08 EUR) ausgewiesen, abzüglich der für die Kranken- und Pflegeversicherung vom Kläger selbst zu entrichtenden Beiträge verblieb ein verfügbares Einkommen von 2.151,36 EUR. Ausgehend von einem Rentenbeginn ab dem 1.1.2021 wurde eine Abfindungsleistung von insgesamt 354.670,68 EUR berechnet, die dem Kläger in den o.g. Teilbeträgen ab dem 1.1.2013 monatlich ausgezahlt wird. Seit dem 1.7.2014 beträgt der Bruttoauszahlungsbetrag b.a.w. 3.618,53 EUR.
Der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld ruhte wegen der Abfindungszahlung bis zum 15.6.2013 (Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 24.1.2013). Vom 1.1.2013 bis 15.3.2013 verhängte die Bundesagentur für Arbeit eine Sperrzeit. Ab dem 16.6.2013 bezog der Kläger Arbeitslosengeld in Höhe von kalendertäglich 54,41 Euro (monatlicher Zahlbetrag 1.632,30 Euro) zunächst bis zum 30.7.2014. Da der Kläger an einem Lehrgang "Projektmanager" der Bundesagentur für Arbeit teilnahm, verlängerte sich sein Anspruch auf Arbeitslosengeld bis zum 17.8.2014. Seitdem bestreitet der Kläger seinen Lebensunterhalt von der Abfindungszahlung und seit dem 1.4.2015 zusätzlich aus einem Einkommen i.H.v. 146,56 EUR aus Vermietung bzw. Kapitalvermögen.
Die Beklagte setzte die Höhe der Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 1.1.2013 zunächst wegen der veränderten Einkommensverhältnisse anhand der monatlichen Bruttoabfindungszahlung fest (Bescheide vom 14.2.2013). Dann stellte sie das Ende der freiwilligen Versicherung (wegen des Eintritts der Sperrzeit vom 1.1. bis 15.3.2013) fest (Bescheide vom 22.2.2013 und 5.3.2013). Durch Bescheide vom 30.4.2013 stellte sie (wegen des Endes der Sperrzeit) ab dem 1.4.2013 wieder die freiwillige Versicherung in der Kranken- und Pflegeversicherung fest. Die Klage gegen den (den Widerspruch gegen die Bescheide vom 22.2.2013, 5.3.2013 und 30.4.2013 zurückweisenden) Widerspruchsbescheid vom 18.3.2014 nahm der Kläger zurück (S 15 KR 83/14 – SG Aachen).
Wegen des einsetzenden Bezugs von Arbeitslosengeld ab dem 16.6.2013 stellte die Beklagte ab dem 1.7.2013 die Beitragspflicht der ihrer Ansicht nach als Versorgungsbezüge zu wertenden Abfindungszahlung fest und setzte die sich daraus ergebenden Beiträge zur Krankenversicherung auf 122,06 EUR und die zur Pflegeversicherung auf 18,11 EUR fest (Bescheide vom 5.7.2013). Die Beklagte passte die Beiträge zum 1.1.2014 wegen einer Änderung der Beitragsbemessungsgrenze an (Bescheide vom 18.12.2013). Mit Bescheid vom 3.9.2014 stellte sie das Ende der Beitragspflicht zum 17.8.2014 fest und setzte die Beiträge zu der seitdem bestehenden freiwilligen Krankenversicherung ab dem 1.9.2014 neu fest. Eine weitere Beitragsanpassung wegen geänderter beitragspflichtiger Einnahmen erfolgte für die Kranken- und Pflegeversicherung vom 1.1.2014 bis zum 30.6.2015 (Bescheide vom 30.7.2015).
Den Widerspruch gegen die Bescheide vom 5.7.2013 wies die Beklagte als unbegründet zurück. Da die Abfindungszahlung direkten Bezug zum Arbeitsverhältnis habe und auch als Absicherung bis zur Rente geleistet werde, sei sie als Versorgungsbezug nach § 229 Abs. 1 Nr. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zu verbeitragen; §§ 239, 232 a SGB V (Widerspruchsbescheid vom 18.3.2014).
Mit seiner dagegen erhobenen Klage vom 10.4.2014 hat der Kläger darauf hingewiesen, dass es sich bei den monatlichen Zahlungen um eine betriebliche Überbrückungszahlung bzw. ein monatliches Übergangsgeld aus einer gesplitteten Kapitalabfindung handele. Die Kapitalabfindung werde weder wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit noch zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung gezahlt, sondern als arbeitsförderungsrechtliche Leistung zum Ausgleich der Arbeitsentgeltausfälle, sofern er bis zum frühestmöglichen Zeitpunkt des Renteneintritts keine anderweitige Beschäftigung finde. Er sei vertraglich verpflichtet, frühestmöglich einen Antrag auf Leistungen nach § 7 der Betriebsvereinbarung zu stellen und gehe andernfalls seines Anspruchs verlustig. In Ermangelung eines anspruchsauslösenden biologischen Ereignisses könne die Leistung nicht als Betriebsrente angesehen werden. Nach der Rechtsprechung des BSG sei eine Abfindungsleistung kein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt, da sie ausschließlich den Verlust des sozialen Besitzstandes kompensiere und keinen Arbeitsentgeltanteil enthalte.
Der Kläger hat beantragt,
die Bescheide der Beklagten vom 5.7.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.3.2014 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält ihre Ausführungen im Verwaltungsverfahren für zutreffend, da es sich im vorliegenden Fall nicht um einen Aufhebungsvertrag im Rahmen einer "51er-Regelung mit anschließender Beschäftigung in einer Transfergesellschaft" gehandelt und auch keine vertragliche Verpflichtung zur Arbeitslosmeldung bestanden habe.
Das Sozialgericht hat die angefochtenen Bescheide mit Urteil vom 19.3.2015 aufgehoben und der Klage stattgegeben. Eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung im Sinne des allenfalls in Betracht kommenden §§ 229 Abs. 1 Nr. 5 SGB V setze voraus, dass die Leistung in engem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis des Versicherten stehe, in ihren Voraussetzungen einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar sei und in ihrer Höhe von dem Gehalt aus dem Arbeitsverhältnis abhänge. Die streitgegenständliche Leistung diene nicht der Absicherung des Lebensstandards nach dem Ausscheiden des Klägers aus dem Erwerbsleben, sondern vielmehr der Überbrückung erwarteter Arbeitslosigkeit bei Verlust des Arbeitsplatzes. Die Abfindungsleistung werde auch ausschließlich für Zeiten gezahlt, die vor dem Zeitpunkt des Renteneintritts lägen. Es handele sich auch nicht um ein Vorruhestandsgeld im Sinne von 226 Abs. 1 S. 1 SGB V.
Gegen das ihr am 27.4.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20.5.2015 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, ungeachtet der in der Betriebsvereinbarung verwendeten Formulierungen stehe bei der monatlichen Abfindungsleistung der Vorsorgecharakter prägend im Vordergrund, da die Zahlung ein bestimmtes Vorsorgeniveau (57 % des Bruttoentgelts) sicherstelle. Daher diene die Abfindung nicht dem Ausgleich des Verlustes des Arbeitsplatzes, sondern primär der Versorgung des Begünstigten bis zum Erreichen der Rentenzahlungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Durch die Vereinbarung, die Zahlung nicht auf eventuell gezahltes Arbeitslosengeld, Einkünfte aus selbständiger oder nicht selbstständiger Arbeit oder eine teilweise Erwerbsminderungsrente anzurechnen, werde verdeutlichet, dass die Abfindung unabhängig von sonstigen Einnahmequellen der Versorgung diene. Der pauschale Ausgleich für die Kranken- und Pflegeversicherung werde auch für Zeiten gezahlt, für die von einem Dritten Krankenpflegeversicherungsschutz sichergestellt werde. Auch der Umstand, dass jeweils zum 1. Juli eines Jahres eine 1%tige Anpassung erfolge, spreche für den Rentencharakter. Gleiches gelte für den Umstand, dass die Betriebsvereinbarung nur für Mitarbeiter Anwendung finde, bei denen die Anspruchsvoraussetzungen für einen individuell frühestmöglichen Bezug einer Altersrente erfüllt seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 19.3.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils, welches er für zutreffend hält.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben und die Bescheide vom 5.7.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.3.2014 aufgehoben. Diese Bescheide – in der Gestalt der Bescheide vom 18.12.2013, 3.9.2014 und 30.7.2014 – sind rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten nach § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat im vorliegenden Verfahren auch über die Beiträge zur Pflegeversicherung zu entscheiden, da die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See die Pflegeversicherung für die Versicherten als Träger der Krankenversicherung durchführt; § 46 Abs. 1 Satz 3 SGB Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI). Streitgegenstand sind nach der übereinstimmenden Erklärung der Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlungen nur die Zeiten der nach § 232a SGB V iVm § 57 Abs. 1 Satz 1 SGB XI (in der vom 1.1.2013 bis 31.12.2014 geltenden Fassung) während des Bezugs von Arbeitslosengeld bestehenden Pflichtversicherung des Klägers in der Kranken- und Pflegeversicherung vom 16.6.2013 bis 17.8.2014. In diesem Zeitraum hat die Beklagte zu Unrecht Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von der monatlichen Abfindungszahlung erhoben.
Nach § 232 a Abs. 3 iVm § 226 Abs. 1 Nr. 3 SGB V und § 57 Abs. 1 Satz 1 SGB XI a.F. sind Beiträge nicht nur aus dem Arbeitslosengeld, sondern auch aus den der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge) zu erheben. Nach § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V, der insoweit allein in Betracht kommt, gelten als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) – soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung gezahlt werden – Renten der betrieblichen Altersversorgung. Abzugrenzen sind solche Versorgungsbezüge von "anderweitigen Zuwendungen" des Arbeitgebers ohne versicherungsrechtliche Zwecksetzung, wie etwa zur Vermögensbildung, zur Überbrückung der Arbeitslosigkeit oder als Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes (BSG, Urteil vom 29.7.2015 -B 12 KR 4/14 R; Urteil vom 25.4.2012 -B 12 KR 26/10 R-).
Eine Leistung ist i.S. von § 1 BetrAVG (Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung) liegt dann vor, wenn mit ihr ein Versorgungszweck verfolgt wird, der Versorgungsanspruch durch ein biologisches Ereignis (Alter, Invalidität oder Tod) ausgelöst wird und diese Leistung aus Anlass eines Arbeitsverhältnisses zugesagt wird (BSG, Urteil vom 26.3.1996 – 12 RK 44/94 – und vom 25.4.2012 – B 12 KR 26/10-). Die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung kann nach Abs. 1 Satz 2 unmittelbar über den Arbeitgeber oder über einen der in § 1b Abs. 2 bis 4 genannten Versorgungsträger erfolgen.
Der monatlich an den Kläger ausgezahlte Teilabfindungsbetrag wird nicht bereits durch die leistende Institution i.S.d. § 1b Abs. 2 bis 4 BetrAVG vorgeprägt. Sie dient aber auch ihrem objektiven Zweck nach einem Überbrückungszweck und nicht der Versorgung im Alter, da sie darauf zugeschnitten ist, das durch den Verlust des Arbeitsplatz eingetretene Risiko der Arbeitslosigkeit abzufedern.
Das BSG hat in seiner jüngsten Entscheidung zur Frage, welcher Beitragssatz bei der Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder bei Übergangsbezügen zu Grunde zu legen ist (Urteil vom 29.7.2015 -B 12 KR 4/14 KR-), zu § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V ausgeführt, dass – neben dem institutionellen Rahmen – wesentliches Merkmal der betrieblichen Altersvorsorge ist, ob ein Zusammenhang zum Erwerbsleben besteht und ob die Leistung ihrem objektiven Inhalt nach die Versorgung des Arbeitsnehmers im Alter bezweckt (so schon BSG, Urteil vom 30.3.2011 -B 12 KR 16/10 R-; vom 25.5.2011 -B 12 P 1/09 R- und vom 25.4.2012 -B 12 KR 26/10 R-). Im Anschluss an die Rechtsprechung des BAG (zuletzt BAGE 128, 199 Rdnr. 24) misst es bei der Abgrenzung dem vereinbarten Leistungsbeginn maßgebliche Bedeutung zu. Nur wenn die Zahlung ab einem Lebensalter erfolge, das nach der Verkehrsanschauung als Beginn des Ruhestands gelte, sei von einer Sicherung des Lebensstandards im Alter auszugehen. Werde für den Beginn der Zahlung auf ein Lebensalter abgestellt, welches nach der Verkehrsauffassung typischerweise nicht schon als Beginn des Ruhestands gelte (wie in dem Fall des BSG das 55. Lebensjahr), so sei bereits aus diesem Grund schon kein Alterssicherungszweck gegeben. Einer weiteren Prüfung für einen Versorgungszweck sprechender Merkmale bedürfe es dann nicht mehr.
Der hier an das Ende des Beschäftigungsverhältnisses und das Erreichen des 55. Lebensjahrs (bis zum 31.12.2015) geknüpfte Beginn der monatlichen Zahlung sowie ihr Ende bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente, einer Rente wegen voller Erwerbsminderung oder einer vergleichbaren, in § 7 der Betriebsvereinbarung genannten Leistung zeigen nach den vom BSG aufgestellten Grundsätzen – denen sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt – ohne jeden Zweifel, dass die Zahlung zur Absicherung der Zeit vor dem Eintritt in das Rentenalter dient. Dies ergibt sich auch aus der vertraglichen Verpflichtung des Klägers zur Stellung eines entsprechenden frühzeitigen Antrags (§ 7 der Betriebsvereinbarung) sowie dem Umstand, dass vertragliche Regelungen für den Fall des Zusammentreffens der Leistung mit Arbeitslosengeld oder Entgelt aus unselbständiger oder selbständiger Tätigkeit existieren; § 3 Abs. 2 und 3 der Betriebsvereinbarung. Für die Absicherung des Lebensstandards nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben sieht die Betriebsvereinbarung vielmehr eine andere Leistung, nämlich das in § 9 geregelte Ruhegeld vor, das im Anschluss an die Teilabfindungsleistung nach gesonderten Regelungen ausgezahlt wird. Erst ab diesem Zeitpunkt werden – entgegen der Einlassung der Beklagten – auch die Ausgleichszahlungen für die Einbußen in der gesetzlichen Rentenversicherung geleistet.
Auf den Einwand der Beklagten, dass die Leistung mit 57% des alten Bruttoentgelts ein bestimmtes Vorsorgeniveau erreiche und damit die Versorgung bis zum Renteneintritt gewährleisten solle, kommt es daher nicht entscheidend an. Unabhängig davon kann aus der Höhe der Versorgung allein nicht entnommen werden, ob sie den Verlust des Arbeitsplatzes bis zum Eintritt von Rentenzahlungen ausgleichen oder den Lebensstandard nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben sichern soll. Gleiches gilt für den pauschalen Ausgleich für die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Im Übrigen orientiert sich die Berechnung des Abfindungsteilbetrags, die anhand der dem Ausscheiden vorangegangenen abgerechneten 12 Kalendermonate erfolgt, auch an den finanziellen Verhältnissen während der Erwerbstätigkeit und gleicht eher der Berechnung des Arbeitslosengelds nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch denn einer Rentenberechnung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Obwohl es sich nach den Angaben der Beteiligten vorliegend um einen Einzelfall handelt, hat der Senat die Revision zugelassen, da wegen der Ausführungen in TOP 8 der "Besprechung der Spitzenverbände der Krankenkassen und der Deutschen Rentenversicherung Bund zur Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner am 13./14. September 2006 in Bochum" zur Beitragspflicht von Übergangszahlungen grundsätzlicher Klärungsbedarf besteht.
Erstellt am: 09.05.2016
Zuletzt verändert am: 09.05.2016