Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 06.08.2001 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin die Bewilligung von Leistungen wegen erheblicher Pflegebedürftigkeit nach den Vorschriften des Elften Buchs des Sozialgesetzbuchs – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) – beanspruchen kann.
Die im Jahre 1939 geborene Klägerin, bei der ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 sowie das Merkzeichen "G" anerkannt sind, ist bei der Beklagten pflegeversichert. Sie lebt zu sammen mit ihrem halbseitig gelähmten Ehemann in der 2. Etage eines Mehrfamilienhauses ohne Aufzug; das Schlafzimmer im Obergeschoss ist nur über eine steile Treppe zu erreichen. Die Klägerin leidet im Wesentlichen an einem Zustand nach Reapoplex 1997 mit weitgehend zurückgebildeter armbetonter Hemiparese links, einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ IIb, einer arteriellen Hypertonie, einer coronaren Herzkrankheit sowie einem Wirbelsäulensyndrom.
Sie beantragte im April 1998 die Bewilligung von Leistungen der Sozialen Pflegeversicherung als Sachleistung in Form der häuslichen Pflegehilfe.
Der begutachtende Arzt des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK), Dr. P …, führte in seinem Gutachten vom 09.09.1998 aus, im Bereich der Körperpflege bestehe kein Hilfebedarf. Bei der Ernährung müsse ein Zeitaufwand von drei Minuten täglich für die mundgerechte Zubereitung der Mahlzeiten angerechnet werden. Die Klägerin bedürfe täglich eine Minute der Hilfe beim Stehen. Für die hauswirtschaftliche Versorgung sei ein Zeitaufwand von 280 Minuten in der Woche zu berücksichtigen.
Mit Bescheid vom 21.09.1998 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Mit ihrem Widerspruch vom 22.10.1998 machte die Klägerin geltend, sie benötige 2 Stunden täglich der Hilfe im Bereich der Körperpflege. Bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung sei eine Hilfe von 30 Minuten täglich erforderlich. Zu den Verrichtungen im Bereich der Mobilität führte sie aus, diese könne sie allein mit großen Zeitaufwand bewältigen.
Nach Einholung eines Befundberichtes von dem Internisten Dr. S … vom 30.11.1998 beauftragte die Beklagte erneut den MDK Nordrhein mit der Untersuchung und Begutachtung der Klägerin. Herr W … beschrieb in seinem Gutachten vom 09.04.1999 im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates nur mäßige Einschränkungen. Das Gangbild zeige sich mit Gehstock ausreichend sicher. Das demonstrierte Treppensteigen gelinge mit Mühe in ausreichendem Maß. Im Bereich der Körperpflege nahm der Arzt W … einen Zeitaufwand für die Teilwäsche des Unterkörpers von einer Minute sowie für eine erforderliche Teilunterstützung beim Baden von drei Minuten jeweils umgerechnet täglich an. Im Bereich der Mobilität müsse beim An- und Auskleiden (sechs Minuten täglich) sowie beim Stehen (zwei Minuten täglich) in Form der Teilunterstützung geholfen werden. Im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung entstehe ein Pflegeaufwand von 190 Minuten in der Woche.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.08.1999 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Mit ihrer Klage vom 09.09.1999 zum Sozialgericht Duisburg hat die Klägerin angeführt, sie sei psychisch eingeschränkt und deshalb besonders hilfebedürftig.
Der behandelnde Orthopäde Dr. K … hat in seinem Bericht vom 01.02.2000 einen Hilfebedarf der Klägerin beim Duschen, Baden und Kämmen, beim An- und Auskleiden, beim Gehen, beim Stehen, beim Treppensteigen sowie beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung beschrieben. Die Klägerin bedürfe im Tagesdurchschnitt mindestens drei Stunden der Hilfe, wobei der pflegerische Aufwand gegenüber der hauswirtschaftlichen Versorgung überwiege.
Der während des sozialgerichtlichen Verfahrens erneut beauftragte MDK Nordrhein hat durch Dr. K …/M. K …, einen Pflegebedarf im Bereich der Grundpflege von insgesamt sieben Minuten täglich ermittelt, wobei ein teilweiser Hilfebedarf beim Waschen, beim Baden, beim An- und Entkleiden sowie beim Stehen gesehen wurde (Gutachten vom 21.03.2000).
Der Internist Dr. S … hat in seinem Befundbericht vom 10.04.2000 keinen Hilfebedarf der Klägerin bei den Verrichtungen im Bereich der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität beschrieben.
Einen pflegerischen Zeitaufwand von 32 Minuten im Tagesdurchschnitt im Bereich der Grundpflege hat der vom SG beauftragte Internist Dr. R … in seinem Gutachten vom 20.06.2000 angenommen. Hierbei berücksichtigte er auch sechs Minuten für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung.
Mit Urteil vom 06.08.2001 hat das SG die Klage abgewiesen und unter Bezugnahme auf das Gutachten von Dr. R … ausgeführt, nach dem Ergebnis der im Verwaltungs-, Widerspruchs- und Klageverfahren durchgeführten Beweisaufnahme sei nicht nachgewiesen, dass die Klägerin einer der Pflegestufen nach dem SGB XI zuzuordnen sei. Bei ihr bestehe im Bereich der Grundpflege ein täglicher Hilfebedarf von lediglich 26 Minuten. Der von dem Sachverständigen angenommene Hilfebedarf für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung könne nicht berücksichtigt werden, da dieser nicht täglich anfalle. Insofern habe das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 29.04.1999 (Az.: B 3 P 12/98 R) ausgeführt, dass das Gesetz in § 15 Abs. 3 SGB XI bei der Ermittlung des für die Pflege erforderlichen Zeitaufwandes auf die Woche abstelle. Dies schließe es aus, bei der Feststellung des zeitlichen Pflegeansatzes auch Verrichtungen einzubeziehen, die seltener als regelmäßig mindestens einmal wöchentlich anfielen. Dem Bericht des behandelnden Orthopäden Dr. K … könne nicht gefolgt werden, weil dieser nicht erkennen lasse, wie hoch der Hilfebedarf der Klägerin bei den einzelnen Verrichtungen sein solle. Auch werde von einem Hilfebedarf bei Verrichtungen ausgegangen, bei denen die Klägerin für sich selbst keinen Hilfebedarf reklamiert habe. Im Übrigen würden die Ausführungen von Dr. R … durch die Ausführungen der Gutachter des MDK und des behandelnden Internisten bestätigt.
Gegen das ihr am 10.08.2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 03.09.2001 Berufung eingelegt, diese jedoch nicht begründet.
Die Klägerin war in der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2001 weder anwesend noch vertreten. Ihrem schriftsätzlichen Vorbringen ist zu entnehmen, dass sie beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 06.08.2001 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.09.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.08.1999 zu verurteilen, ihr ab April 1998 Leistungen der Pflegestufe I nach den Vorschriften des SGB XI zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte die Streitsache in Abwesenheit der Klägerin verhandeln und entscheiden, da die Klägerin mit der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 110 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG -; § 126 SGG).
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Pflegegeld zu Recht abgewiesen. Es hat mit zutreffenden Ausführungen entschieden, dass der Klägerin kein Anspruch auf Bewilligung einer Pflegesachleistung nach den §§ 36, 14 und 15 SGB XI zusteht. Sie erfüllt nicht einmal die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI i.V.m. § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI für die Annahme der Pflegestufe I nach dem Pflegeversicherungsgesetz. Erheblich pflegebedürftig sind hiernach Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für enigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Zwar bedarf die Klägerin bei mehreren Grundpflegeverrichtungen aus verschiedenen Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe. Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI muss der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen, wobei auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen müssen. Dieser für die Grundpflege erforderliche zeitliche Mindestumfang wird nicht erreicht. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des sozialgerichtlichen Urteils Bezug, denen er sich nach eigener Sach- und Rechtsprüfung anschließt (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin: Das erstinstanzliche Urteil setzt sich ausführlich und überzeugend mit der Beweislage auseinander. Eine Begründung der Berufung ist nicht erfolgt. Der in der Klagebegründung enthaltene Hinweis auf psychische Einschränkungen und einen daraus resultieren den Hilfebedarf hat sich nicht bestätigt. In ihrem Gutachten vom 21.03.2000 beschreiben Dr. K …/M. K … die Klägerin als wach ohne Desorientierung mit nur mäßigen Einschränkungen der Psyche. Der Internist Dr. R … fand die Klägerin bewusstseinsklar und orientiert ohne Störung von Auffassung oder Merkfähigkeit bei unauffälliger Intelligenz im Normbereich. Der Zustand nach Apoplex mit verbliebener leichter Schwäche der linken Extremität bedingt einen Hilfe bedarf offenbar nur in Form der Unterstützung bzw. teilweisen Übernahme. Nach den Feststellungen von Dr. R … war die Greiffähigkeit beider Hände erhalten, wobei die Kraft links herabgesetzt war. Vor diesem Hintergrund sind die angenommenen Zeitwerte für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen unter Berücksichtigung der Orientierungswerte zur Pflegezeitbemessung für die in § 14 SGB XI genannten Verrichtungen der Grundpflege (Anhang 1 zu den Begutachtungs-Richtlinien, abgedruckt bei Utsching, SGB XI, 2. Auflage 2000) angemessen. Dr. R … hat im Einzelnen in den Bereichen der Grundpflege einen Pflegebedarf bei der Teilwäsche des Unterkörpers (5 Minuten täglich), bei der Teilunterstützung beim Baden (9 Minuten täglich), bei der mundgerechten Zubereitung der Speisen (3 Minuten täglich), beim An- und Entkleiden (8 Minuten täglich) sowie beim Stehen (1 Minute täglich) angenommen. Er liegt damit hinsichtlich der angenommenen Zeitwerte zwar über den Angaben in den MDK-Gutachten. Der für die Annahme der Pflegestufe I erforderliche Zeitaufwand im Bereich der Grundpflege wird jedoch deutlich nicht erreicht. Letztlich sprechen auch die Auslandsaufenthalte der Klägerin in der Zeit vom 23.06. bis 12.12.1999 und vom 01.01. bis 15.01.2000 dafür, dass die Klägerin – entsprechend ihren Angaben im Widerspruchsverfahren – mit größerem Zeitaufwand auch die Verrichtungen im Bereich der Mobilität noch weitgehend eigenständig durchführen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil hierzu eine Veranlassung gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht gegeben war.
Erstellt am: 08.08.2003
Zuletzt verändert am: 08.08.2003