Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den ihr einstweiligen Rechtsschutz versagenden Beschluss des Sozialgerichts (SG) Aachen vom 18. September 2000 wird zurückgewiesen, nachdem das SG der Beschwerde nicht abgeholfen hat (Entscheidung vom 27.9.2000). Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Anders als das SG im angefochtenen Beschluss geht der Senat aufgrund des Beschwerdevorbringens davon aus, daßohne den begehrten einstweiligen Rechtsschutz zu besorgen ist, daß die von den Verbänden der Pflegekassen mit Schreiben vom 29.06.2000 wegen Abrechnungsbetruges ausgesprochene fristlose Kündigung des Versorgungsvertrages (§ 74 Abs 2 S. 1 u 2 SGB XI) dazu führt, daß der antragstellenden Pflegeeinrichtung erhebliche finanzielle Nachteile entstehen – bis hin zur Überschuldung der GbR und der Notwendigkeit, die vorsorgliche Kündigung der 16 dort beschäftigten Arbeitnehmer endgültig werden zu lassen.
Dennoch hat es das SG im Ergebnis zu Recht abgelehnt, die Wirksamkeit der Kündigung im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat seinerzeit die Regelungen über die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz im SGG als unzureichend betrachtet und mit Beschluss vom 19.10.1977 (2 BvR 42/76 = BVerfGE 46,166 = SozR 1500 § 198 Nr 1) die Gewährung von einstweiligem Rechtschutz über die Regelungen des SGG hinaus dann für geboten erachtet, wenn ohne den begehrten einstweilige Rechtsschutz "schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre".
In Kenntnis dieser Gegebenheiten hat der Gesetzgeber nunmehr aus drücklich angeordnet, daß Klagen (auch) gegen die (außerordent liche) Kündigung von Versorgungsverträgen keinen aufschiebende Wirkung haben (§ 74 Abs 3 S. 2 iVm § 73 Ab 2 S. 2 SGB XI). Es kann mithin nicht als Lücke im Gesetz betrachtet werden, daß der Gesetzgeber hier jenen vorläufigen Rechtsschutz versagt, den er Klagen wegen der Aufhebung einer Entscheidung in vertragsärztlichen Zulassungssachen folgen läßt (§ 97 Abs 1 Nr 4 SGG), wenn gleich dort verbunden mit der Möglichkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung durch den Berufungsausschuß und der Möglichkeit der Umkehr dieser Entscheidung durch die Gerichte. Es besteht hier auch kein Anlaß, die Unterschiedlichkeit dieser Regelungen am Gleichheitssatz des Art 3 GG zu messen, denn hätte die hier ausgesprochene Kündigung aufschiebende Wirkung, hätte diese auf Antrag der Antragsgegner beseitigt werden müssen, weil schutzwürdige Belange der Antragstellerin und auch Unzumutbarkeiten iS der o.a. Rechtsprechung des BVerfG nicht auszumachen sind.
Die Antragstellerin räumt ausdrücklich ein, bewußt – in Absprache mit der Tochter einer Versicherten – Leistungen abgerechnet zu haben, die sie nicht erbracht hat (die aber die Tochter gegen eine finanzielle "Beteiligung" durch die Antragstellerin erbracht haben soll). Wenn auch die Einzelheiten dieses Vorgehens durch die Beteiligten unterschiedlich dargestellt werden, so ändert dies nichts an der Tatsache, daß die Antragstellerin damit einen Abrechnungsbetrug eingestanden hat. Ein solcher Abrechnungsbetrug hat die Regelfolge, daß die außerordentliche Kündigung zulässig ist, und daß die ihr nachfolgende Klage keine aufschiebende Wirkung hat. Diese Folge kann im Rahmen des einstweiligen Verfahrens auch nicht als unzumutbar betrachtet werden, weil die Antragsgegner im Rahmen des ihnen zustehenden Ermessens von einer fristlosen Kündigung vielleicht hätten absehen können oder müssen, weil es sich um nur e i n e n Betrugsfall handelt. Es kann offen bleiben, ob das Interesse der Versichertengemeinschaft nicht rigorosen Schutz schon bei einem bekannt gewordenen Betrugsfalle erfordert. Jedenfalls handelt es sich auch im Falle nur eines Betruges beim Eintritt der Regelfolge des Ausschlusses einer aufschiebenden Wirkung der Klage nicht um eine Unzumutbarkeit für den Betrüger, dieser muß vielmehr damit rechnen, daß Folge seines Tuns sein finanzieller Ruin sein kann. Ohnehin ist zweifelhaft, ob es sich denn beim Eintritt des finanziellen Ruins um einen Nachteil handelt, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.
Die Antragstellerin führt auch vergeblich die Interessen ihrer Arbeitnehmer ins Feld. Es kann offenbleiben, inwieweit hier Drittinteressen Rechnung getragen werden kann. In einem solchen Fall ist den Interessen der Arbeitnehmer nämlich letztlich vielleicht mehr damit gedient, wenn sie sich sofort um einen neuen Arbeitsplatz auf einem ja durch ein Ausscheiden der Antragstellerin nicht kleineren Markt bemühen, als die zweifelhafte Sicherheit zu haben, bis zum Abschluß des Hauptverfahrens einstweilen im bisherigen Arbeitsverhältnis bei einem vielleicht bald zahlungsunfähigen Arbeitgeber verbleiben zu können, um sich am ende unter Umständen dann doch einen neuen und solideren Arbeitgeber suchen zu müssen.
Sollte es jedoch unter den Gesellschaftern der antragstellenden GbR einen (oder mehrere) geben, der(die) sich nachweislich frei von Schlud weiß (wissen) in Bezug auf die Kündigung auslösende Manipulation, so empfiehlt es sich vielleicht für ihn, sich unverzüglich mit den Antragsgegnern ins Benehmen zu setzen, um nun möglicherweise seine Zulassung als Pflegeeinrichtung zur Versorgung der Versicherten zu erlangen – zu den mit der GbR vereinbarte Bedingungen, unter Sicherstellung des Ausschlusses des oder der involvierten Gesellschafter als Gesellschafter, Beschäftigte und/ oder freie Mitarbeiter der neuen Pflegeeinrichtung und unter Übernahme der bei der antragstellenden GbR Beschäftigten. Dies ggf. nahtlos zu ermöglichen dürfte dann auch im Interesse der involvierten Gesellschafter liegen.
Diese Entscheidung ist mit der Beschwerde (§§ 172 ff. SGG) nicht anfechtbar.
Erstellt am: 10.08.2003
Zuletzt verändert am: 10.08.2003