Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 03.07.2003 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Aussergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Erstattung von außergerichtlichen Kosten für ein Widerspruchsverfahren (§ 63 Sozialgesetzbuch 10. Buch – SGB X). Die 1990 aus Rumänien zugezogene Klägerin beantragte am 09.03.1998 Kontenklärung. Mit Bescheid vom 06.09.1999 stellt die Beklagte rumänische Beitragszeiten nach dem FRG ab 09.11.1965 fest und wies den unbegründet gebliebenen Widerspruch der Klägerin hiergegen mit Bescheid vom 08.08.2000 zurück.
Mit der Klage zum Sozialgericht in dem Verfahren S 9 RJ 175/00, SG Düsseldorf, hat die Klägerin weitere Beitragszeiten zwischen 1959 und 1986 geltend gemacht. Mit Feststellungsbescheid vom 27.08.2001 erkannte die Beklagte diese Zeiten dem Grunde nach an, nahm jedoch keine Einstufung in Qualifikationsgruppen und Wirtschaftsbereiche vor. Dieser Bescheid enthielt den Hinweis, er werde nach § 96 Sozialgerichtsgesetz – SGG – Gegenstand des anhängigen Verfahrens.
Der Bescheid wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin mit Anschreiben vom 29.08.2001 direkt übermittelt und dem Sozialgericht mit Schreiben vom gleichen Tag inhaltlich mitgeteilt. Der nach dem Wortlaut des Schreibens beigefügte Bescheid vom 27.08.2001 befindet sich nicht bei den Prozessakten.
Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 29.09.2001 nahm die Klägerin das Anerkenntnis der Beklagten an und erklärte den Rechtsstreit für erledigt.
Bereits am 18.09.2001 hatte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 27.08.2001 eingelegt und einen Begründungsmangel des angefochtenen Bescheides dahin gerügt, er lege für die Zeiten vom 01.05.1959 bis 13.10.1963 die Entgeltwerte nicht fest.
Dies holte die Beklagte mit Feststellungsbescheid und Rentenauskunft vom 31.10.2001 nach. Daraufhin beantragte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 28.11.2001 eine Kostengrundentscheidung zum Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 27.08.2001. Mit Bescheid vom 08.03.2002 lehnte die Beklagte eine Kostengrundentscheidung mit der Begründung ab, der Bescheid vom 27.08.2001 sei nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des seinerzeit anhängigen Klageverfahrens geworden. Mit dem Widerspruch machte die Klägerin geltend, mit dem Bescheid vom 27.08.2001 habe die Beklagte lediglich ihr Anerkenntnis ausgeführt und dann durch das Fehlen der Begründung im Bescheid vom 27.08.2001 eine neue Beschwer geschaffen, für deren Abstellung ein neues Widerspruchsverfahren offengestanden habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.04.2002 blieb die Beklagte bei ihrer Auffassung, der Bescheid vom 27.08.2001 sei nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens geworden, einer Kostengrundentscheidung nach § 63 SGB X bedürfe es daher nicht.
Mit der Klage zum Sozialgericht hat die Klägerin ihre Argumentation fortgeführt und sich hierzu auf Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG SozR 1500 § 96 Nr. 12) berufen.
Mit Urteil vom 03.07.2003 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.03.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2002 verurteilt, der Klägerin die notwendigen Kosten des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 27.08.2001 zu erstatten: Der Bescheid vom 27.08.2001 sei nicht nach § 96 SGG Gegenstand des zu dieser Zeit noch anhängigen Klageverfahrens geworden. Dem Sinn nach ziele § 96 SGG auf eine schnelle und erschöpfende Entscheidung über das gesamte Streitverhältnis ab. Werde das Streitverhältnis bezogen auf den Streitgegenstand jedoch durch einen Bescheid zur vollen Befriedigung der Klägerseite erledigt, bestehe keine Notwendigkeit für die Fortsetzung des Rechtsstreits; insbesondere dann nicht, wenn neue Streitgegenstände betroffen seien. Ursprünglich streitig sei lediglich gewesen, zu welchen Zeiten eine versicherte Beschäftigung in Rumänien verrichtet worden sei.
Nicht streitig sei gewesen, in welche Bereiche der Anlagen 13 und 14 zum SGB VI die Zeiten eingeordnet werden müssen. Folgerichtig habe die Klägerin bei ihrem Widerspruch auch nicht eine bestimmte Einordnung der Zeiten verlangt, sondern sich dagegen gewandt, dass im Bescheid vom 27.08.2001 überhaupt keine Eingruppierung erfolgt sei. Dieser Mangel des Bescheides vom 27.08.2001 habe gar nicht Streitgegenstand des ersten gerichtlichen Verfahrens sein können.
Gegen das ihr am 22.07.2003 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 01.08.2003, mit der sie weiterhin ihre Auffassung verficht, der Bescheid vom 27.08.2001 sei Gegenstand des seinerzeit noch anhängigen Rechtsstreits geworden. Dies ergebe sich auch aus den angekündigten Anträgen in der Klageschrift.
Mit Schriftsatz vom 29.08.2001 sei dementsprechend kein Anerkenntnis abgegeben, sondern lediglich auf den Bescheid vom 27.08.2001 hingewiesen worden. Eine Beschwer habe fortbestanden, was sich auch aus dem (erfolgreichen) "Widerspruch" ergebe. Es handele sich um ein Geschehen innerhalb des gleichen Streitgegenstandes.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 03.07.2003 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die trotz Benachrichtigung im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat weder erschienene noch vertretene Klägerin hat sich schriftlich der Urteilsbegründung angeschlossen.
Zu weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf den Inhalt der Prozessakten sowie der beigezogenen Akten aus dem Verfahren S 9 RJ 175/00, SG Düsseldorf, schließlich der ebenfalls beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat in Abwesenheit der Klägerin und ihrer Prozessbevollmächtigten aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung entschieden; der Klägerin bzw. ihrem Bevollmächtigten war diese Möglichkeit mit der Terminsnachricht mitgeteilt worden (§§ 110 Abs. 1, 124 ff. – SGG -). Auf die Berufung der Beklagten ist das Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen, weil der Bescheid der Beklagten vom 08.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2002 rechtmäßig ist. Die Klägerin bzw. ihr Prozessbevollmächtigter hat keinen Anspruch auf Erstattung ihrer zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen für ihr Vorgehen gegen den Bescheid vom 27.08.2001 aus § 63 Abs. 1 S. 1, 2 SGB X, weil dieser Bescheid einer Anfechtung durch Widerspruch nicht zugänglich war, vielmehr nach § 96 SGG Gegenstand des seinerzeit noch anhängigen Verfahrens S 9 RJ 175/00 gewesen ist. Einen Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB X besteht, "soweit der Widerspruch erfolgreich ist …" (§ 63 Abs. 1 S. 1 SGG), nicht jedoch hier, da die vom Klägerbevollmächtigten und auch in dem angefochtenen Urteil als Widerspruch angesehenen Einwendungen vom 18.09.2001 verfahrensrechtlich als Bestandteil des seinerzeit noch anhängigen Gerichtsverfahrens S 9 RJ 175/00 anzusehen sind und der hierfür entstandene Aufwand durch den Kostenerstattungsanspruch aus jenem Verfahren abgedeckt ist.
Denn der Bescheid vom 27.08.2001 ist nach § 96 SGG Gegenstand jenes Verfahrens geworden. Nach § 96 SGG wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn nach Klageerhebung der Verwaltungsakt durch einen neuen Verwaltungsakt geändert oder ersetzt wird. In zeitlicher Dimension erging der Bescheid vom 27.08.2001 und wurde durch Bekanntgabe an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin wirksam (§ 37 Abs. 1 S. 2 SGB X), bevor der Rechtsstreit in dem Verfahren S 9 RJ 175/00 durch Annahme des Anerkenntnisses beendet worden ist (§ 101 Abs. 2 SGG). Der durch Direktversand an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin bekanntgegebene Bescheid ging diesem ausweislich des per Fax vom 18.09.2001 eingelegten "Widerspruches" zu, bevor das Verfahren mit am 20.09.2001 beim Sozialgericht eingegangenen Schreiben vom 19.09.2001 durch Annahme des Anerkenntnisses beendet worden ist. Inhaltlich unterfällt der Bescheid vom 27.08.2001 § 96 SGG, denn mit diesem Bescheid hat die Beklagte eine von den Regelungen des Bescheides vom 06.09.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.08.2000 als bisherigem Gegenstand der anhängigen kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 4, 95 SGG) abweichende Regelung getroffen, indem sie in diesen Bescheiden bislang nicht berücksichtigte Versicherungszeiten anerkannt und diese sowie teilweise bislang schon anerkannte Versicherungszeiten nunmehr als nachgewiesene Beitragszeiten behandelt hat. Die Argumentation der Klägerseite wie auch das angefochtene Urteil stützen sich auf die Annahme, der Bescheid vom 27.08.2001 habe im anhängigen Rechtsstreit S 9 RJ 175/00 volle Abhilfe geschaffen und unterfalle daher nach Kommentierung und Rechtsprechung (Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl., § 96 Rdnr. 4) nicht § 96 SGG. Dies war nach dem Sachverhalt des a.a.O. aufzufindenen Urteiles des BSG vom 10.10.1978 – 7 RAr 65/77 – richtig, denn dort wurde der Kläger durch einen sachlich das Verfahren erledigenden Abhilfebescheid klaglos gestellt. Es trifft jedoch auf den hier zu entscheidenden Fall nicht zu, denn weder wurde die Klägerin klaglos gestellt noch überhaupt eine den bisherigen Streitgegenstand des Verfahrens S 9 RJ 175/00 verlassende Regelung getroffen.
Die Klägerin wurde durch den Bescheid vom 27.08.2001 nicht klaglos gestellt, wie sie es im Grunde ja selbst dadurch belegt hat, dass sie mit ihrem "Widerspruch" weitere Feststellungen vermisst hat. Die vermissten weiteren Feststellungen – Festlegungen der Qualifikationsgruppen, Bereichseinstufung nach Anlage 14 zum SGB VI – gehörten zum Streitgegenstand des schon anhängigen Verfahrens und wurden insoweit erst durch den Bescheid vom 31.10.2001 erledigt. Streitgegenstand ist dabei nach der herrschenden prozessualen Theorie (Meyer-Ladewig, a.a.O., 7. Aufl., § 95 Rdnr. 5; Beschluss des BSG vom 18.08.1999 – B 4 RA 25/99 B, SozR 3-1500 § 96 Nr. 9 mit umfangreichen weiteren Nachweisen) der prozessuale Anspruch, nämlich das vom Kläger aufgrund eines bestimmten Sachverhaltes an das Gericht gerichtete Begehren, eine – bestimmte oder bestimmbare – Rechtsfolge auszusprechen. Der Streitgegenstand ist also identisch mit dem erhobenen prozessualen Anspruch und wird bestimmt durch die erstrebte, im Klageantrag zum Ausdruck zu bringende Rechtsfolge sowie den Klagegrund, nämlich den Sachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll (BSG a.a.O., m.w.N.). Nach dem von der Klägerin vor dem Sozialgericht gestellten Antrag in Verbindung mit dem Regelungsgegenstand der mit der Klage angegriffenen Bescheide bestand ihr Begehren darin, weitere rumänische Beschäftigungs- bzw. Beitragszeiten als nachgewiesene Beitragszeiten anzuerkennen und hierbei die um 1/5 erhöhten Tabellenwerte der Anlage 14 zum SGB VI zu berücksichtigen sowie weitere Zeiten als Beitragszeiten nach § 15 FRG oder Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG anzuerkennen. Die in den angefochtenen Bescheiden ausgewiesene wie auch rechtlich alleine in Betracht kommende Anspruchsgrundlage hierfür bietet § 149 Abs. 5 S. 1 SGB VI. Hiernach stellt der Versicherungsträger die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, durch Bescheid fest, wenn der Versicherungsträger das Versicherungskonto geklärt hat oder der Versicherte innerhalb von sechs Monaten nach Versendung des Versicherungsverlaufes seinem Inhalt nicht widersprochen hat. Über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten wird dagegen erst bei Feststellung einer Leistung entschieden (§ 149 Abs. 5 S. 3 SGB VI). Die als "Vormerkung" bezeichnete Feststellung sichert tatsächliche Elemente einer künftig, nämlich im Leistungsfall durchzuführenden Berechnung wie beispielsweise Beitragszeiten, Anrechnungszeittatbestände, Ersatzzeittatbestände etc … Zu diesen tatsächliche Verhältnisse betreffenden, einer Vormerkung insoweit zugänglichen Feststellungen zählt bei der Vormerkung von Versicherungszeiten nach dem Fremdrentenrecht die Festlegung der Qualifikationsgruppe wie auch des für die Rentenhöhe gleichermaßen relevanten Tätigkeitsbereiches (Anlagen 13/14 SGB VI).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
Einen Anlass zur Zulassung der Revision nach § 160 SGG besteht nicht.
Erstellt am: 30.07.2004
Zuletzt verändert am: 30.07.2004