I. Der Beklagte wird verpflichtet, die dem Kläger in der Zeit vom 1. September 2009 bis 31. März 2010 für K … aufgewendeten Sozialhilfekosten in Höhe von 9.625,- EUR zu erstatten. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand:
Gegenstand der vorliegenden Klage ist die Erstattung der vom Kläger in der Zeit vom 01.09.2009 bis 31.03.2010 für Frau K … aufgewendeten Sozialhilfeleistungen in Höhe von 10.030,70 EUR.
Frau K …, geboren am 1985 ist gehörlos bei einem festgestellten Grad der Behinderung (GdB) von 100.
Am 04.02.2009 stellte Frau K …, nachfolgend auch Leistungsberechtigte (LB) genannt, beim Kläger Antrag auf Kostenübernahme für eine Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin an der G.-Schule in W. im Zuständigkeitsbereich des Beklagten.
Mit Schreiben vom 03.03.2009 leitete der Kläger diesen Antrag zunächst zuständigkeitshalber an die Agentur für Arbeit weiter, die aber mitteilte, dass sie für eine schulische Ausbildung nicht zuständig sei. Dabei stellte sich auch heraus, dass sich die LB bereits im November 2008 bei der Agentur für Arbeit wegen einer Förderung erkundigt hatte, die ihr mit E-Mail vom 28.11.2008 mitgeteilt hatte, dass eine Zuständigkeit nicht gesehen werde und sich die LB an das Integrationsamt bzw. den Kläger wenden möge.
Der Kläger erklärte sich daraufhin mit Schreiben vom 27.05.2009 gegenüber der LB für zuständig.
Am 19.06.2009 ging ein Formblattantrag mit einem Mietangebot über eine Wohnung in W. ein.
Der Kläger nahm dies zum Anlass, am 22.06.2009 ein Telefongespräch mit dem Beklagten über die Zuständigkeit zu führen. Er vertrat dabei die Auffassung, dass aufgrund des vorgesehenen Umzugs der Beklagte für die beantragten Leistungen zuständig sei. Der Beklagte berief sich demgegenüber auf § 98 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) und erklärte sich nicht bereit, Leistungen zu erbringen. Es wurde telefonisch die Abwicklung im Wege eines Erstattungsanspruchs mit anschließender Klage vereinbart.
Am 25.06.2009 beantragte die LB die Leistungserbringung im Rahmen eines persönlichen Budgets.
Noch am selben Tag erklärte der Kläger gegenüber der Schule seine grundsätzliche Leistungsbereitschaft.
Mit Schreiben vom 20.07.2009 wies der Kläger die LB darauf hin, dass vorrangig Leistungen der Ausbildungsförderung in Anspruch genommen werden müssten; sie werde aufgefordert, entsprechende Leistungen zu beantragen, der Kläger melde vorsorglich Erstattungsanspruch an; ein Abdruck des Schreibens erging an das Amt für Ausbildungsförderung beim Landratsamt Neu-Ulm.
Die Zielvereinbarung für das persönliche Budget vom 29.07.2009 wurde am 22.08.2009 von der LB unterzeichnet. Darin ist neben der Eingliederungshilfe für die Kosten der Schulausbildung ein Betrag von insgesamt 200 EUR für den Mietanteil der LB einschließlich der Nebenkosten enthalten.
Der Mietvertrag wurde unterzeichnet am 15.08.2009 für die Zeit ab 15.08.2009.
Am 24.08.2009 erging Bescheid über Bewilligung von Eingliederungshilfe ab 01.09.2009 bis 31.08.2010 für das erste Ausbildungsjahr mit der Bewilligung eines persönlichen Budgets in Höhe von 1.575 EUR monatlich einschließlich der anteiligen Miete. Gleichzeitig meldete der Kläger gegenüber dem Beklagten Erstattungsanspruch an.
Mit Schreiben vom 20.10.2009 lehnte der Beklagte den Kostenerstattungsanspruch gegenüber dem Kläger ab, da gemäß § 14 Abs. 4 SGB XII die Erstattung nach den Rechtsvorschriften des SGB XII erfolge und dieses für den vorliegenden Fall keine Kostenerstattung vorsehe; insbesondere finde § 106 SGB XII nur in stationären Fällen Anwendung.
Der Kläger hielt mit Schreiben vom 27.10.2009 an einem auf § 14 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) begründeten Kostenerstattungsanspruch fest. Er habe die Kosten nur als zweit angegangener Träger übernommen, da die Agentur als erst angegangener Träger ihre Zuständigkeit nicht gesehen habe; tatsächlich sei aber der Beklagte gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 für alle anfallenden Hilfen im Rahmen der Eingliederungshilfe zuständig.
Nachdem der Beklagte auch weiterhin nicht zur Erstattung bereit war, erhob der Kläger am 02.12.2009 Klage auf Erstattung der Sozialhilfeaufwendungen zunächst bis 31.12.2009 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz.
Der Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 12.01.2010. Die Zuständigkeit des Klägers nach § 14 SGB IX werde bezweifelt; insbesondere habe die Agentur für Arbeit den Antrag im November 2008 nicht gemäß § 14 Abs. 1 weitergeleitet, sondern abgelehnt, wobei der Ablehnungsbescheid mangels Rechtsmittelbelehrung noch nicht bestandskräftig gewesen sei. Allerdings sei der Kläger von vornherein verpflichtet gewesen, die Leistung gemäß § 98 Abs. 1 Satz 3 SGB XII auch außerhalb seines Zuständigkeitsbereichs zu erbringen. Entscheidend sei danach, in welchem Bereich das Bedürfnis nach Leistungserbringung eintrete. Der Ausbildungsgang an der G.-Schule in W. sei in Deutschland einmalig. Im Falle der LB sei schon bei Antragstellung klar gewesen, dass sie zur Deckung ihres Bedarfs auf Sozialhilfe angewiesen sein würde; hier habe daher bereits mit dem Wunsch, an diese Schule zu gehen, der weitere Geschehensablauf schon festgestanden.
Dem widersprach der Kläger mit Schreiben vom 29.01.2010. Tatsächlich habe der weitere Geschehensablauf zunächst noch nicht festgestanden, vor allem habe der Kläger am Umzug in keiner Weise mitgewirkt und erst durch den Sozialhilfeantrag vom 19.06.2009 von dem Umstand erfahren, dass die LB bei Beginn der Hilfe nicht mehr in seinem Zuständigkeitsbereich wohnhaft sein werde. Dies habe er dem Beklagten auch umgehend mitgeteilt. Eine Fortsetzungszuständigkeit nach § 98 Abs. 1 Satz 3 SGB XII komme bereits vom Wortlaut her nicht in Betracht da ein Hilfebedarf erst mit Beginn der Ausbildung bestanden habe.
Das Gericht wies mit Schreiben vom 11.02.2010 darauf hin, dass die Auffassung des Klägers zur örtlichen Zuständigkeit geteilt werde, wobei hinsichtlich des geltend gemachten Erstattungsanspruchs vorrangig auch §§ 102 Abs. 1 und 105 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu prüfen seien. Prozesszinsen könnten allerdings nach aktueller Rechtsprechung nicht mehr verlangt werden.
Mit Schreiben vom 01.03.2010 erweiterte der Kläger seinen Antrag auf die Erstattung der bis 31.03.2010 erbrachten Leistungen nebst 4 % Zinsen hieraus ab 01.09.2009, wobei der Verzinsungsanspruch nunmehr auf § 108 Abs. 2 Satz 1 SGB X gestützt werde.
Auf Fragen des Gerichts, ob Einwände hinsichtlich der Höhe der Leistungen bestehen, teilte der Beklagte mit Schreiben vom 19.04.2010 mit, dass grundsätzlich die Kosten der Eingliederungshilfe in Höhe von 1.375 EUR anerkennungsfähig wären, nicht aber der Mietzuschuss in Höhe von 200 EUR, da es sich hierbei um Leistungen der Grundsicherung handle, für die vorrangig BAföG-Ansprüche geltend zu machen seien.
Mit Schreiben vom 30.04.2010 änderte der Kläger seinen Klageantrag erneut und reduzierte die Forderung um die inzwischen vereinnahmten BAföG-Leistungen sowie Unterhaltsleistungen der Eltern auf einen Betrag von noch 10.030,70 EUR.
Die Beteiligten wechselten noch weitere Ausführungen in der Sache.
Das Gericht hat die Streitsache am 01.07.2010 mündlich verhandelt.
In der mündlichen Verhandlung beantragt der Kläger:
Der Beklagte wird verpflichtet, die dem Kläger in der Zeit vom 01.09.2009 bis 31.03.2010 entstandenen Sozialhilfekosten in Höhe von 10.030,70 EUR zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die vom Kläger nur noch im Umfang von 10.030,70 EUR aufrechterhaltene Leistungsklage ist zulässig und weitgehend begründet. Lediglich die in den bewilligten Leistungen enthaltenen Anteile für Unterkunft und Heizung sind auch nach Auffassung der Kammer vom Beklagten nicht zu erstatten.
Der Anspruch auf Erstattung von Zinsen wird vom Kläger ausdrücklich nicht mehr aufrechterhalten.
Maßgebend für die Entscheidung ist der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag in der Fassung des letzten Schriftsatzes vom 16.04.2010. Damit liegt zwar gegenüber dem ursprünglichen Klageantrag eine Klageerweiterung insoweit vor, als der Kläger nun auch die ab 01.01.2010 bis 31.03.2010 erbrachten Leistungen im Wege des Erstattungsanspruches vom Beklagten beansprucht. Diese Klageänderung wird vom Gericht aber grundsätzlich als sachdienlich gemäß § 99 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angesehen; im Übrigen hat auch der Beklagte der Klageänderung zu keinem Zeitpunkt widersprochen und sich bereits schriftsätzlich auf den Anspruch in der Sache eingelassen.
Grundlage für den geltend gemachten Erstattungsanspruch ist auch nach Überzeugung der Kammer nicht § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX. Danach kann der nach Abs. 1 Satz 2 bis 4 zuständige Rehabilitationsträger von dem nach materiellen Rechtsvorschriften zuständigen Rehabilitationsträger seine Aufwendungen für den nach ihn geltenden Rechtsvorschriften verlangen. Ergänzt wird die Vorschrift um die Regelung in § 14 Abs. 4 Satz 3 SGB IX. Danach ist für unzuständige Rehabilitationsträger, die eine Leistung nach Abs. 2 Satz 1 und 2 erbracht haben, § 105 SGB X nicht anzuwenden, es sei denn die Rehabilitationsträger vereinbarten Abweichendes.
Der Anspruch nach § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX steht damit nur dem zweit angegangenen Rehabilitationsträger zu. Er steht im Zusammenhang mit der Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IX, wonach der zweit angegangene Rehabilitationsträger zur unverzüglichen Feststellung des Rehabilitationsbedarfs verpflichtet ist, und zwar unabhängig von der materiell-rechtlichen Zuständigkeit.
Vorliegend war der Kläger nicht zweit angegangener Rehabilitationsträger in diesem Sinn. Denn die Agentur für Arbeit hat den Antrag zu keinem Zeitpunkt an den Beklagten weitergeleitet, sondern lediglich die LB in einem nach Auffassung der Kammer unverbindlichen Hinweisschreiben an den Beklagten als zuständigen Träger verwiesen.
Der Kläger hat aber einen Erstattungsanspruch gegen den Beklagten aus § 104 Abs. 1 SGB X, der vorliegend auch nicht durch die Regelung in § 14 Abs. 4 Satz 3 SGB IX ausgeschlossen ist. Denn ein auf den Ausschluss sämtlicher allgemeiner Erstattungsansprüche gerichteter gesetzgeberischer Wille lässt sich bereits dem Wortlaut des Gesetzes nicht entnehmen. Ebenso gebieten Sinn und Zweck des § 14 Abs. 1 und 2 SGB IX, den erst angegangenen Rehabilitationsträger im Falle der Erbringung von Rehabilitationsleistungen nicht schlechthin von Erstattungsansprüchen nach §§ 102 bis 104 SGB X auszuschließen (BSG vom 20.10.2009 – B 5 R 44/08 R). Allerdings wird regelmäßig ein Erstattungsanspruch aus § 102 SGB X verneint. Denn die Vorleistungspflicht des nach § 14 SGB IX erst angegangenen Trägers beruht zwar auch auf gesetzlicher Verpflichtung. Diese ist aber zum einen im Verhältnis zum Leistungsberechtigten nicht nur vorläufig, sondern endgültig; vor allem können aber die Voraussetzungen für den – wie § 102 hinsichtlich des Umfangs – privilegierten Erstattungsanspruch den § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX nicht dadurch umgangen werden, dass dann in den Fällen, in denen diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, sozusagen hilfsweise der Erstattungsanspruch nach § 102 SGB X Anwendung findet.
Diese Einschränkung gilt aber nicht für den Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X, der gerade dann Anwendung findet, wenn ein erst angegangener Rehabilitationsträger versehentlich oder irrtümlich seine Leistungspflicht angenommen hat (BSG vom 26.06.2007 – B1 KR 34/06 R). Danach hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger, der Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 vorliegen, einen Erstattungsanspruch gegen den Leistungsträger, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist der Leistungsträger danach, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Ein Erstattungsanspruch besteht nicht, soweit der nachrangige Leistungsträger seine Leistungen auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen. Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften (§ 104 Abs. 3 SGB X).
Der Kläger war für die Leistungserbringung nachrangig verpflichteter Leistungsträger in diesem Sinn, was sich aus folgenden Überlegungen ergibt:
Nach den Regelungen in § 14 SGB IX war der Kläger ausgehend von der Antragstellung bei ihm erst angegangener Träger. Er hatte damit grundsätzlich die Möglichkeit, den Antrag entweder innerhalb von 2 Wochen an den zuständigen Rehabilitationsträger weiterzuleiten oder sich selbst für zuständig zu erklären und die beantragte Leistung zu erbringen. Vorliegend hat sich der Kläger im Ergebnis für zuständig erklärt; die Verweisung an die Agentur für Arbeit mit Schreiben vom 03.03.2010 wurde nach Überprüfung der Rechtslage ausdrücklich nicht mehr aufrechterhalten. Danach war er aber unabhängig von der materiellen Rechtslage gegenüber der LB zur Feststellung des Rehabilitationsbedarfs und Erbringung der Leistungen verpflichtet.
Das Nachrangverhältnis, das grundsätzlich bei einem Streit über die örtliche Zuständigkeit nicht gegeben ist, wird in diesem Fall dann damit begründet, dass der nach § 14 SGB IX erst angegangene Träger zwar im Verhältnis zum Leistungsberechtigten endgültig und umfassend leistungspflichtig ist, gleichwohl aber im Verhältnis zu dem nach materiellem Recht zuständigen Leistungsträger nur nachrangig (BSG vom 26.06.2007, a.a.O.).
Zuständig für die Leistungserbringung war nach materiellem Recht aber von Anfang an der Beklagte, was sich aus § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ergibt.
Danach ist für die Sozialhilfe derjenige Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Zuständigkeit ist dabei die Entstehung des Bedarfs. Aus dem Grundgedanken, dass der ortsnahe Hilfeträger am effektivsten in der Lage ist, eine gegenwärtige, akute Notlage zu beseitigen, folgt, dass ein Hilfeträger für einen zukünftigen Bedarf nicht zuständig ist (Grube/Wahrendorf, a.a.O., Rn. 10 zu § 98). Mit dem Verlassen des örtlichen Zuständigkeitsbereich des Hilfeträgers endet seine örtliche Zuständigkeit. Die Zuständigkeit wird auch nicht dadurch prolongiert, dass über den Fall nach dem Verlassen des Bezirks des zuständigen Trägers noch nicht abschließend entschieden worden ist (Bundesverwaltungsgericht – BVerwG – vom 24.01.1994 – 5 C 47/91). Danach soll zwar der Sozialhilfeträger, bei dem der Antrag gestellt worden ist, auch nach dem Umzug für diejenigen Bedarfslagen zuständig bleiben, die in seinem Verantwortungsbereich während der Dauer des tatsächlichen Aufenthalts des Hilfesuchenden nicht nur entstanden und ihm zur Kenntnis gelangt sind, sondern die auch von ihm durch Erledigung des Hilfefalles hätten beseitigt werden können. Für die Zukunft begründen Ortswechsel dagegen eine örtliche Zuständigkeit des Trägers der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich der Hilfesuchende nunmehr tatsächlich aufhält.
Im vorliegend zu entscheidenden Fall war für die Entscheidung über den Leistungsantrag zunächst der Kläger zuständig, da sich die LB in seinem örtlichen Zuständigkeitsbereich aufgehalten hat und er nach Landesrecht zuständig für die Erbringung der beantragten Eingliederungshilfeleistungen war. Dem Beklagten wird eingeräumt, dass diese Zuständigkeit dem Grunde nach bestehen blieb, bis die LB im Laufe des Monats August 2009 in seinen Zuständigkeitsbereich verzogen ist. Allerdings ist auch der Bedarf erst nach diesem Zeitpunkt entstanden. Bis zum Umzug ist im Zuständigkeitsbereich des Klägers zu keinem Zeitpunkt ein sozialhilferechtlich relevanter Bedarf aufgetreten. Hierauf hat aber auch das BVerwG in seiner Entscheidung entscheidend abgestellt.
Der Kläger ist auch nicht nach § 98 Abs. 1 Satz 3 SGB XII zuständig geblieben. Danach bleibt die Zuständigkeit nach § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII bis zur Beendigung der Leistung auch dann bestehen, wenn die Leistung außerhalb seines Bereichs erbracht wird. Diese Vorschrift setzt bereits nach ihrem Wortlaut voraus, dass eine Zuständigkeit nach § 98 Abs. 1 Satz 1 bereits bestanden hat, wofür es nach Überzeugung der Kammer nicht genügt, dass ausgehend vom Wohnort ein Antrag gestellt worden ist. Es ist auch nicht zulässig, die Zuständigkeit nach § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII mit der Regelung in § 98 Abs. 1 Satz 3 SGB XII erst zu begründen, da eine erst in Zukunft eintretende Hilfebedürftigkeit ebenfalls keine Zuständigkeit nach § 98 Abs. 1 Satz 3 SGB XII auslöst (Schellhorn/Hohm, 17. Auflage, Rn 21 zu § 98).
Dem Beklagten wird weiter eingeräumt, dass die Sozialhilfebedürftigkeit unmittelbar nach dem Umzug bereits einsetzte, während eine Entscheidung über die Förderung der Ausbildung bereits vor dem Umzug getroffen werden musste. Diese Entscheidung hätte aber der Beklagte ebenso wie der Kläger treffen können. Die Korrespondenz der LB mit dem Kläger erfolgte praktisch ausschließlich schriftlich bzw. telefonisch. Es ist nicht erkennbar, dass es erforderlich war, aufgrund der Ortsnähe noch im Zuständigkeitsbereich des Beklagten eine Entscheidung zu treffen.
Letztlich begründet der Beklagte seine Auslegung des § 98 Abs. 1 Satz 3 SGB XII auch damit, dass ihm als für den Schulort zuständigen Träger ein Schutz zuteil werden müsse, da er andernfalls für alle Schüler dieser Schule, die auch Wohnsitz im Landkreis nehmen, zuständig wäre und in allen Fällen das nicht unerhebliche Schulgeld bezahlen müsste. Dieses Ansinnen ist nachvollziehbar, vermag aber ebenfalls keine Zuständigkeit des Klägers zu begründen. Denn das Gesetz hat bereits in bestimmten Ausnahmefällen abweichende Zuständigkeitsregelungen geschaffen, so für den gesamten Bereich der stationären Hilfeleistung und gemäß § 98 Abs. 5 SGB XII inzwischen auch für ambulant betreute Wohnmöglichkeiten. Dies bedeutet aber im Umkehrschluss, dass er für alle anderen nicht stationären Hilfen das Prinzip des Aufenthaltsortes uneingeschränkt gelten lassen will. Er nimmt damit auch eine vermehrte Belastung derjenigen Sozialhilfeträger in Kauf, in deren räumlichen Zuständigkeitsbereich Einrichtungen mit überregionalem Einzugsbereich liegen (SG Konstanz vom 21.07.2009 – S 3 SO 2784/08).
Schließlich schließlich liegt eine fortgesetzte Zuständigkeit des Klägers auch unter dem Gesichtspunkt der tatsächlichen Leistungserbringung nicht vor. Denn zum einen setzt diese Zuständigkeit auch hinsichtlich der Leistungserbringung eine nach dem Zuständigkeitswechsel fortgesetzte Hilfegewährung voraus, wofür es nicht genügt, wenn die Hilfe erst nach dem Zuständigkeitswechsel erstmals einsetzen soll. Zum anderen stellt der Gesetzgeber die weitere Zuständigkeit nach § 98 Abs. 1 Satz 3 SGB XII in das Ermessen des leistenden Sozialhilfeträgers als er sie von seiner (weiteren) Leistungsbereitschaft abhängig macht (BVerwG vom 20.09.2001 – 5 C 6/01 zur insoweit vergleichbaren Vorgängervorschrift des § 97 Abs. 1 Satz 2 Bundessozialhilfegesetz – BSHG -). Das BVerwG stellt in dieser Entscheidung einen Zusammenhang zu der früheren Erstattungsregelung in § 107 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BSHG hier und führt weiter aus, dass danach der zunächst zuständig gewordene Träger wählen könne, ob er bei einem Ortswechsel des von ihm betreuten Hilfeempfängers die Hilfe außerhalb seines Bereichs sicherstelle oder aber die Hilfe einstelle, dann aber für die Dauer von längstens 2 Jahren Kostenerstattungsansprüchen des nunmehr zuständig gewordenen Trägers ausgesetzt sei.
Auch unter dem Gesichtspunkt der danach vorausgesetzten Freiwilligkeit der Leistungserbringung ist der Kläger für die Leistung nicht zuständig. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass diese gerade nicht bereit war, die Leistung gemäß § 98 Abs. 1 Satz 3 SGB XII außerhalb seines Bereichs zu erbringen, sondern ausdrücklich nur auf seine Leistungsverpflichtung aus § 14 SGB IX abgestellt hat.
Der Beklagte war daher für die Erbringung der Eingliederungshilfeleistungen ab 01.09.2009 von vornherein zuständig.
Nachdem auch die weiteren Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruchs aus § 104 SGB X erfüllt sind, ist der Anspruch des Klägers dem Grunde nach berechtigt. Insbesondere liegt kein Fall des § 103 SGB X vor und er hat den Anspruch rechtzeitig angemeldet. Der Beklagte hat auch seinerseits keine Leistungen erbracht, bevor er von der Leistung des Klägers Kenntnis hatte.
Nachdem auch die Rechtmäßigkeit der Leistungserbringung jedenfalls hinsichtlich der Leistungen der Eingliederungshilfe im Zusammenhang mit der Schulausbildung selbst im Umfang von 1.375 EUR monatlich auch zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht, war der Beklagte in diesem Umfang antragsgemäß zu verpflichten. Die hieraus resultierende Erstattungsforderung für die Zeit ab 01.09.2009 bis 31.03.2010 beträgt 9.625 EUR. In diesem Umfang war die Klage auch begründet.
Lediglich ergänzend wird hierzu noch ausgeführt, dass die Voraussetzungen für den Erstattungsanspruch auch dann gegeben wären, wenn man die Anwendung des § 14 SGB IX auf Fragen der örtlichen Zuständigkeit grundsätzlich ablehnen würde (vgl. hierzu LSG Niedersachsen-Bremen vom 21.06.2007 – L13 SO 5/07 ER). In diesem Fall wäre der Kläger gemäß § 43 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) vorläufig zur Leistung verpflichtet gewesen; der Erstattungsanspruch würde in diesem Fall auf § 102 SGB X beruhen.
Nicht begründet ist allerdings die Klage, soweit der Kläger über diese Eingliederungsleistungen hinaus auch eine Erstattung für die von ihm erbrachten Leistungen für Unterkunft und Heizung in W. vom Beklagten begehrt. Denn der Kläger war nach materiellem Recht nicht zur Erbringung dieser Leistung verpflichtet.
Zwar ist diese Leistung als Mietzuschuss im persönlichen Budget enthalten und wird in der Zielvereinbarung mit dem Ziel der Selbstversorgung und Wohnen bzw. dem selbständigen Wohnen verbunden. Dies genügt aber nicht, um diese Leistung auch tatsächlich als Teilhabeleistung zu bewerten. Denn grundsätzlich ist auch bei der Erbringung von Leistungen im Rahmen eines persönlichen Budgets zwischen den Teilhabeleistungen und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu unterscheiden. Zwar kann es in diesem Zusammenhang im Einzelfall durchaus erforderlich sein, auch Leistungen, die grundsätzlich dem Bereich der allgemeinen Lebensführung zuzurechnen sind, als Leistung der Eingliederungshilfe zu bewilligen (BSG vom 25.06.2008 – B 11 b AS 19/07 R für die Kosten für ein Schulessen in einer Schule für Sprachbehinderte mit Ganztagesunterricht). Dafür müssten aber entsprechende fachliche Äußerungen vorliegen. Dies ist aber vorliegend nicht der Fall, was auch der Beklagte selbst eingeräumt hat. Ziel des Mietzuschusses war danach in erster Linie, der LB die Ausbildung zu ermöglichen und deren Finanzierung sicherzustellen, ohne die Entscheidung über den Antrag auf Ausbildungsförderung abzuwarten. Auch unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung eines stationären Aufenthalts, der für den Sozialhilfeträger mit weiteren und weitaus höheren Kosten verbunden gewesen wäre, erscheint diese Entscheidung durchaus nachvollziehbar. Es ist dabei aber auch zu berücksichtigen, dass in diesem Fall (stationäre Unterbringung) dann auch unbestreitbar der Kläger zuständig geblieben wäre.
Unabhängig von den vom Beklagten aufgeworfenen formalen Bedenken hinsichtlich der Zuständigkeit für diese Leistung kann aber der Kläger diese schon deshalb nicht auf den Beklagten überbürden, weil überhaupt nicht feststeht, dass er diese Leistung überhaupt hätte erbringen dürfen. Denn ausgehend von den oben genannten Überlegungen ist im Regelfall die Unterbringung wie auch die Sicherstellung des Lebensunterhalts keine Aufgabe der Eingliederungshilfe. Sie ist vom behinderten Menschen selbst aus seinem Einkommen (hier vor allem BAföG) und Vermögen zu tragen bzw. im Falle von Bedürftigkeit sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) oder dem SGB XII zu beantragen (grundlegend hierzu BVerwG vom 19.10.1995 – 5 C 28/95 und aktuell zum Verhältnis von BAföG zur Eingliederungshilfe BVerwG vom 02.12.2009 – 5 C 33/08). Vorliegend steht aber noch nicht einmal fest, ob die LB überhaupt dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem 3. bzw. 4. Kapitel des SGB XII wäre, da auch aufgrund der Gehörlosigkeit nicht feststeht, dass sie dauerhaft und voll oder auch nur mindestens 6 Monate voll erwerbsgemindert wäre. Ganz im Gegenteil betreibt die LB diese Ausbildung ja gerade mit dem Ziel, später auch eine Berufstätigkeit ausüben zu können. Es wäre daher vermutlich sogar der SGB II-Träger für diese Leistungen zuständig gewesen. Dies kann aber für die vorliegend zu treffende Entscheidung bereits deshalb dahingestellt bleiben, weil sowohl nach den Regelungen des SGB XII als auch nach den Regelungen des SGB II die LB für die Dauer der nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) förderungsfähigen Ausbildung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen wäre (§ 22 Abs. 1 SGB XII, § 7 Abs. 5 SGB II). Zwar wäre in besonderen Härtefällen eine Beihilfe oder ein Darlehen denkbar; dies würde aber – wie die Bewilligung als Eingliederungshilfe – eine gesonderte Prüfung voraussetzen. Die Möglichkeit, einen Unterkunftszuschuss nach § 22 Abs. 7 SGB II zu beantragen, hätte die LB nach Aktenlage wohl ebenfalls nicht, weil in ihren BAföG-Leistungen bereits ein Mietzuschlag enthalten ist.
Da damit im Ergebnis nicht festgestellt werden kann, dass die Bewilligung des Zuschusses den Vorschriften des SGB XII entsprach, kann der Beklagte gemäß § 110 Abs. 1 SGB XII auch nicht verpflichtet werden, diese Kosten dem Kläger zu erstatten.
Die Klage war daher insoweit abzuweisen.
Eine Beiladung der LB konnte gleichwohl unterbleiben, da diese Überlegungen keine unmittelbaren Auswirkungen auf die vom Kläger bereits bewilligten Leistungen haben. Der für die Leistungserbringung zuständige Träger, nach hier vertretener Auffassung der Beklagte, wird im Rahmen der Weiterbewilligung der Leistungen für das zweite Schuljahr zu prüfen haben, ob dieser Zuschuss weiter gewährt werden kann. Sollte er zum Ergebnis kommen, dass an der Bewilligung nicht mehr festgehalten werden kann, steht der LB dann gegen diese Entscheidung eine eigene Rechtsmittelmöglichkeit zur Verfügung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG, § 155 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Aufgrund des nur geringen Unterliegens hat sich auch unter Berücksichtigung der erst in der mündlichen Verhandlung aufgegebenen Zinsforderung keine relevante Quote errechnet.
Erstellt am: 15.07.2010
Zuletzt verändert am: 15.07.2010