I. Die Klage gegen den Bescheid vom 17. August 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2010 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Gegenstand der vorliegenden Klage ist die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach Österreich.
Der am 1970 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und lebte zunächst bei seiner Mutter in L. im Landkreis B-Stadt, inzwischen mit seiner österreichischen Ehefrau und den 2006 und 2008 geborenen gemeinsamen Kindern in A-Stadt, Kärnten in Österreich.
Er bezieht seit Jahren eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Ergänzend leistete das Landratsamt B-Stadt ab 01.04.2004 bis 31.12.2006 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die Wohnung in L …
Zu welchem Zeitpunkt der Kläger von Deutschland nach Österreich übersiedelte und dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt genommen hat, ist Gegenstand eines weiteren Klageverfahrens gegen den Landkreis B-Stadt (S 15 SO 119/10), in dem es um die Rückforderung der Grundsicherungsleistungen für die Zeit ab 01.04.2004 bis 31.12.2006 geht. Dieses Verfahren ist von den Beteiligten einvernehmlich ruhend gestellt worden, bis im vorliegenden Verfahren über die Rechtsfrage der Exportierbarkeit der Grundsicherungsleistungen nach Österreich entschieden worden ist.
Mit Schreiben vom 05.08.2010 beantragte der Kläger unter seiner Adresse in A-Stadt zunächst beim Landratsamt B-Stadt Leistungen nach der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, gemäß Art. 70 in Verbindung Anhang X der Verordnung sowie aus jedem anderen erdenklichen Rechtsgrund, verbunden mit einem Antrag auf Vorschusszahlungen. Er machte ferner Anspruch geltend aus dem aus der EU-Norm abzuleitenden Härteausgleich für unverschuldet in Not geratene Familien.
Das Landratsamt B-Stadt leitete diesen Antrag mit Schreiben vom 11.08.2010 an den Beklagten weiter, der dem Kläger mit Schreiben vom 17.08.2010 mitteilte, dass schon aufgrund des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Fürsorge und Jugendwohlfahrtspflege vom 17.01.1966 keine Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) gewährt werden könnten. Der Kläger möge sich für eine eventuelle Hilfegewährung an dem für seinen Wohnsitzbereich zuständigen österreichischen Landesfürsorgeverband wenden. Im Übrigen werde auf die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 SGB XII verwiesen, aus dem sich vorliegend allenfalls die Notwendigkeit ableiten ließe, dass er wieder in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehre und den notwendigen Lebensunterhalt dort durch den zuständigen örtlichen Träger der Sozialhilfe sicherstellen lasse. Gegen eine Heimführung würden weder die Dauer des Auslandsaufenthaltes noch die im Ausland eventuell bestehende soziale Inte- gration sprechen.
Mit Schreiben vom 18.08.2010 präzisierte der Antragsteller gegenüber dem Landratsamt B-Stadt seine Ansprüche, insbesondere auf einen Vorschuss. Bezüglich § 24 Abs. 1 SGB XII werde darauf hingewiesen, dass bei ihm die Voraussetzungen des Satzes 2 gegeben seien, denn die Mutter der beiden gemeinsamen ehelichen Kinder dulde eine Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland nicht. Aussicht darauf, das Aufenthaltsbestimmungsrecht oder gar die elterliche Sorge an sich zu ziehen, bestehe keinesfalls. Er machte weiter Ausführungen zur Verjährung und § 24 SGB XII, wonach er sich aufgrund der Rückforderung des Landratsamtes in Höhe von 9.368,31 EUR in einer Notlage befinde.
Es folgt e-mail-Korrespondenz, insbesondere zur erforderlichen einheitlichen Betrachtung bezogen auf das Kindergeldrecht.
Am 26.08.2010 stellte der Kläger beim Sozialgericht Augsburg Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, gerichtet gegen den Landkreis B-Stadt. Inhaltlich ging es dabei um Fristverlängerung für eine zu erhebende Klage bezüglich der Rückforderung; daneben machte er auch in diesem Verfahren vorschussweise Leistungen geltend (S 15 SO 107/10 ER). Diesen Antrag lehnte das Sozialgericht mit Beschluss vom 20.09.2010 ab. Die Beschwerde des Klägers gegen diese Entscheidung wies das Bayerische Landessozialgericht (BayLSG) mit Beschluss vom 14.02.2011 zurück (L 8 SO 219/10 B ER). Auf den Inhalt dieser Entscheidungen wird im Einzelnen verwiesen.
Mit Schreiben vom 30.08.2010 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.08.2010 ein, den der Beklagte mit Schreiben vom 09.09.2010 der C. vorlegte. Der Beklagte verwies auf den Nachranggrundsatz in § 24 Abs. 2 SGB XII, die zwischenstaatlichen Vereinbarungen und die Tatsache, dass die Schulden beim Landratsamt B-Stadt jedenfalls keine außergewöhnliche Notlage im Sinne des § 24 SGB XII darstellen könnten.
Mit Schreiben vom 21.09.2010 teilte die Bezirkshauptmannschaft S. dem Landratsamt mit, dass der Kläger dort keine Leistungen nach dem Kärntner Mindestsicherungsgesetz beziehe.
Mit Schreiben vom 28.09.2010 rügte der Kläger gegenüber dem Beklagten fehlende Ermittlungen und berief sich auf sein Recht auf Parteiengehör. Er machte weiter Ausführungen zu dem Beschluss des Sozialgerichts und rügte, dass die Ausführungen des Gerichts, dass für die Versorgung seiner Kinder seine Anwesenheit in Österreich nicht zwingend erforderlich sei, nicht zutreffen würden. Tatsächlich habe er seit 24.07.2010 die Pflege und Erziehung der Kinder übernommen und deswegen Bayerisches Landeserziehungsgeld erhalten. Diese Akten hätte das Gericht beiziehen müssen, was es unterlassen habe. Auch hätte das Gericht sich an den aushelfenden österreichischen Träger wenden müssen, um von dieser Stelle eine qualifizierte Auskunft bezüglich der Höhe des monatlichen Bedarfs seiner Familie zu erfahren.
Es folgte Korrespondenz mit dem Landkreis B-Stadt über die Möglichkeiten einer Rückkehr nach Deutschland und die Voraussetzungen für eine Hilfegewährung. Gegenüber dem Beklagten beantragte er für den Fall seiner Rückkehr eine Haushaltshilfe für wenigstens 8 Stunden täglich, da ihm aufgrund seiner Behinderteneigenschaft völlig unmöglich sei, einen Haushalt ohne Assistenz zu führen. Der Beklagte äußerte sich hierzu mit e-mail vom 04.08.2010.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.10.2010 wies die C. den Widerspruch des Klägers zurück.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner am 28.12.2010 beim Sozialgericht eingegangenen Klage, die er mit Schreiben vom 31.03.2011 begründete. Er beantragt danach Leistungen gemäß § 24 SGB XII rückwirkend ab 01.10.2007. Er sei nur aufgrund der Einstellung der Leistungen gezwungen gewesen, zu seiner Familie nach Österreich zu ziehen. Im Übrigen gehe er weiter von der Exportierbarkeit der Leistungen aus, weswegen auch eine Vorlage des Rechtsstreits beim Europäischen Gerichtshof beantragt werde.
Der Beklagte äußerte sich mit Schreiben vom 10.01.2011 und 11.04.2011 zur Klage. Nach Inkraftsetzen des § 24 SGB XII durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 solle Sozialhilfe – auch in Ansehung des völkerrechtlich verankerten Territorialitätsprinzips grundsätzlich nur noch im Inland und lediglich in eng begrenzten Einzelfällen in das Ausland gezahlt werden (Sächsisches LSG vom 29.11.2010 – L 7 80/10 B ER). Sie greife daher nicht schon bei einer nur allgemeinen sozialhilferechtlichen Notlage; vielmehr bedürfe es einer sich hiervon abhebenden außergewöhnlichen Notlage, die gegeben sei, wenn ohne die Hilfeleistung an im Ausland lebenden Deutschen eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung existenzieller Rechtsgüter drohe, mithin Leben, Gesundheit oder sonstige elementare Grundvoraussetzungen der menschlichen Existenz gefährdet seien. Eine solche Notlage sei beim Kläger nicht ersichtlich. Insbesondere stelle die Tatsache, dass er aufgrund zu Unrecht erhaltener Sozialhilfeleistungen Schulden in Höhe von knapp 10.000 EUR zu tilgen habe, keine außergewöhnliche Notlage dar, die eine Rückkehr nach Deutschland unmöglich mache. Auch eine eventuelle Weigerung der Kindsmutter, nach Deutschland zu ziehen, bedeute nicht, dass die Kinder des Klägers aus rechtlichen Gründen im Ausland bleiben müssten.
Mit Schreiben vom 19.05.2011 ergänzte der Beklagte sein Vorbringen dahingehend, dass auch eine fehlende Leistungsbereitschaft der zuständigen österreichischen Landesbehörde an deren grundsätzlicher Zuständigkeit nichts ändere.
Das Gericht hat die Streitsache erstmals am 26.05.2011 zur mündlichen Verhandlung geladen. Mit Schreiben vom 03.05.2011 beantragte der Kläger Absetzung dieses Termins unter Hinweis auf eine falsche Auskunft. Tatsächlich sei nämlich das Abkommen von 1966 auf seinen Fall nicht anwendbar, da es sich nicht mit dem Personenkreis der Bezieher einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beschäftige, weswegen er auch keine Leistungen nach dem Kärntner Mindestsicherungsgesetz beziehe.
Auf Hinweis des Gerichts, dass eine Absetzung nicht beabsichtigt sei, beantragte der Kläger mit Schreiben vom 23.05.2011 und 25.05.2011 erneut eine Absetzung des Termins und legte hierzu eine Überweisung für seine Ehefrau zur SD-Kontrolle im Krankenhaus A-Stadt vor. Aus diesem Grund könne er seine Kinder derzeit nicht alleine lassen. Schließlich sei auch inzwischen seine als Zeugin im Verfahren S 15 SO 119/10 geladene Mutter inzwischen zur Unterstützung angereist.
Das Gericht hat die Streitsache daraufhin abgesetzt und für den 07.07.2011 erneut geladen.
Mit Schreiben vom 22.06.2011 und 01.07.2011 beantragte der Kläger unter Bezugnahme auf das Schreiben des Beklagten vom 19.05.2011 die Ladung der Bezirkshauptmannschaft S. und die Beiziehung der dort vorhandenen Akten.
Mit Schreiben vom 04.07.2011 und 05.07.2011 beantragte er erneut die Absetzung des Termins aufgrund einer Erkrankung seiner Tochter und stellte, nachdem das Gericht die Vertagung ablehnte, am 07.07.2011 per Fax Antrag auf Feststellung der Besorgnis der Befangenheit der für die 15. Kammer des Sozialgerichts Augsburg zuständigen berufsrichterlichen Person.
Das Gericht hat die Streitsache am 07.07.2011 mündlich verhandelt.
In der mündlichen Verhandlung beantragt der Kläger, ihm unter Aufhebung des Bescheids vom 17.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.10.2010 Leistungen gemäß § 24 SGB XII ab dem 01.10.2007 zu gewähren, hilfsweise die Streitsache dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Behördenakten, auch im Verfahren S 15 SO 119/10 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer war auch durch das Ablehnungsgesuch vom 07.07.2011 nicht an einer Entscheidung in der Sache gehindert, da die Bevollmächtigte des Klägers nach telefonischer Rücksprache bei diesem im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausdrücklich Abstand von diesem Ablehnungsgesuch genommen und eine Entscheidung in der Sache beantragt hat.
Die Klage auf Leistungen nach dem SGB XII rückwirkend ab 01.10.2007 ist zulässig aber unbegründet. Die ablehnende Entscheidung des Beklagten vom 17.08.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.10.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die örtliche Zuständigkeit des Sozialgerichts Augsburg ergibt sich vorliegend aus § 57 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Klage ist zulässig innerhalb der bei Zustellung im Ausland geltenden Frist von 3 Monaten erhoben (§ 84 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Sie ist weiter zulässig als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 3 SGG). Insbesondere stellt auch das Schreiben des Beklagten vom 17.08.2010 ungeachtet seiner fehlenden Bezeichnung als Bescheid und der fehlenden Rechtsmittelbelehrung einen Verwaltungsakt gemäß § 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) dar. Denn der Beklagte hat darin abschließend festgestellt, dass der geltend gemachte Anspruch nicht besteht. Er hat damit eine Regelung im Sinne des § 31 SGB X nicht nur angekündigt, sondern bereits getroffen.
Die Klage ist aber unbegründet, weil der Kläger auch nach Überzeugung der Kammer unter keinem Gesichtspunkt einen Anspruch auf Leistungen gegen den Beklagten hat.
1. Als Anspruchsgrundlage für die beantragten Leistungen kommt zunächst § 24 SGB XII in Betracht, da der Kläger jedenfalls ab 01.10.2007 auch nach eigenen Angaben seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt gemäß § 30 SGB I im Ausland, nämlich in A-Stadt in der Republik Österreich hat.
Diese Vorschrift regelt im Grundsatz zunächst, dass Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, keine Leistungen nach dem SGB XII erhalten. Hiervon kann im Einzelfall nur abgewichen werden, soweit dies wegen einer außergewöhnliche Notlage unabweisbar ist und zugleich nachgewiesen wird, dass eine Rückkehr in das Inland aus folgenden Gründen nicht möglich ist: 1. Pflege und Erziehung eines Kindes, das aus rechtlichen Gründen im Ausland bleiben muss, 2. längerfristige stationäre Betreuung in einer Einrichtung oder Schwere der Pflegebedürf- tigkeit oder 3. hoheitliche Gewalt (Abs. 1). Leistungen werden außerdem nicht erbracht, soweit sie von dem hierzu Verpflichteten des Aufenthaltsland oder von anderen erbracht werden oder zu erwarten sind (Abs. 2).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
Dabei kann ausdrücklich dahingestellt bleiben, ob die Leistungsgewährung schon aufgrund des Abkommens vom 17.01.1966 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Fürsorge und Jugendwohlfahrtspflege (BGBl. II 1969, 2 ff.) ausgeschlossen ist.
Grundsätzlich hat danach der Kläger gegen den zuständigen österreichischen Leistungsträger Anspruch auf Fürsorge in gleicher Weise, in gleichem Umfang und unter den gleichen Bedingungen wie österreichische Staatsangehörige (Art. 2 Abs. 1 des Abkommens). Dieses Abkommen enthält auch keinen Leistungsausschluss für Bezieher einer Rente aus der deutschen Rentenversicherung.
Zwar kann nach den vorliegenden Unterlagen nicht beurteilt werden, aus welchen Gründen vorliegend der österreichische Leistungsträger dem Kläger die Gewährung von Fürsorgeleistungen nach dem Kärntner Mindestsicherungsgesetz verweigert und ob diese Ablehnung zu Recht erfolgt ist. Unter Umständen bezieht der Kläger in Österreich andere Leistungen oder erfüllt aufgrund der Rentenhöhe nicht die dortigen Leistungsvoraussetzungen.
Dieser Sachverhalt betrifft aber ausschließlich die Frage, ob Leistungen nach § 24 SGB XII bereits deshalb ausgeschlossen sind, weil sie von dem hierzu verpflichteten Aufenthaltsland erbracht werden oder zu erwarten sind (§ 24 Abs. 2) und braucht vorliegend bereits deshalb nicht weiter aufgeklärt zu werden, weil auch die weiteren Leistungsvoraussetzungen des § 24 Abs. 1 SGB XII nicht erfüllt sind.
Denn die Leistungen sind weder aufgrund einer außergewöhnlichen Notlage unabweisbar, noch ist nachgewiesen, dass eine Rückkehr in das Inland nicht möglich ist.
Die Auslandssozialhilfe greift – wie bereits der Wortlaut des § 24 Abs. 1 Satz 2 SGB XII sowie der abschließende Charakter der Regelung zeigen – nicht schon bei einer nur allgemeinen sozialhilferechtlichen Notlage ein; vielmehr bedarf es einer sich hiervon deutlich abhebenden, außergewöhnlichen Notlage. Eine solche Notlage ist gegeben, wenn ohne die Hilfeleistung an den im Ausland lebenden Deutschen eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung existenzieller Rechtsgüter droht, mithin Leben, Gesundheit oder sonstige elementare Grundvoraussetzungen der menschlichen Existenz (vgl. Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 und 2 Grundgesetz – GG -) unmittelbar gefährdet sind. Darüber hinaus muss die außergewöhnliche Notlage – in weiterer Abgrenzung zum Begriff der "besonderen Notlage" in dem bis 31.12.2003 geltenden § 119 BSHG – im Einzelfall unabweisbar, d.h. durch kein anderes Mittel als durch die begehrte Hilfeleistung zu beheben sein. Als Mittel zur Behebung der Notlage kommt vor allem die Rückkehr nach Deutschland in Betracht, welche bei Eintritt der Bedürftigkeit vom Hilfesuchenden grundsätzlich erwartet wird (vgl. BT-Drucks. 15/1761 S. 6 zu § 24 Abs. 1; Berlit in LPK-SGB XII, a.a.O., RdNr. 8). Nur ausnahmsweise kann im Einzelfall von diesem Grundsatz abgewichen werden, wenn kumulativ zu der Leistungsvoraussetzung der "unabweisbaren außergewöhnlichen Notlage" eine Rückkehr nach Deutschland aus einem der in § 24 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 SGB XII abschließend genannten Hinderungsgründe nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Letztere Ausnahmegründe hat der Hilfesuchende in Abweichung von dem im Sozialhilferecht geltenden Amtsermittlungsgrundsatz (§ 20 SGB X) nachzuweisen (LSG Baden-Württemberg vom 25.02.2010 – L 7 SO 5106/07; Sächsisches LSG vom 29.11.2010 – L 7 SO 80/10 B ER mit zahlreichen weiteren Fundstellen).
Vorliegend hat der Kläger noch nicht einmal eine allgemeine sozialhilferechtliche Notlage nachgewiesen. Dazu wäre nämlich über den Vortrag hinaus, er lebe mit seiner Familie in Österreich und sei auf Unterstützung angewiesen, die Vorlage umfangreicher Nachweise über seinen Bedarf einerseits und die zur Verfügung stehenden Mittel andererseits (Kontoauszüge, Mietvertrag, ablehnende Entscheidungen österreichischer Leistungsträger etc.) erforderlich. Es kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit der Beklagte abweichend von der oben genannten Darlegungslast verpflichtet gewesen wäre, vom Kläger die Vorlage dieser Unterlagen im Einzelnen ausdrücklich zu verlangen (§ 20 SGB X).
Denn jedenfalls ergibt sich aus diesem Vorbringen auch, dass eine außergewöhnliche Notlage nicht vorliegt.
Der Kläger sieht sich ausdrücklich nämlich nur deshalb an einer Rückkehr nach Deutschland gehindert, weil er – verständlicherweise und grundsätzlich auch grundrechtlich geschützt – bei seiner Familie in Österreich bleiben möchte und diese nach seinen eigenen Angaben nicht bereit ist, nach Deutschland zu ziehen. Hieraus erwachsen jedoch noch keine Leistungsansprüche nach § 24 SGB XII, die nach den oben erfolgten Ausführungen eine reine Nothilfe für den Fall darstellen, dass ein Deutscher im Ausland "festsitzt" und es aus rechtlichen, gesundheitlichen oder tatsächlichen Gründen (Gefängnisaufenthalt) keine Rückführungsmöglichkeit gibt. Gleiches gilt für die Voraussetzungen der Pflege und Erziehung eines Kindes, das aus rechtlichen Gründen im Ausland bleiben muss. Auch dieser Sachverhalt wäre nur erfüllt, wenn das Kind rechtlich oder tatsächlich an einer Ausreise gehindert ist, weil es aus einem dieser Gründe das Land nicht verlassen kann, und der Kläger aus diesem Grund im Ausland bleiben müsste, weil anders die Pflege und Erziehung des Kindes nicht sichergestellt werden könnte. Nicht ausreichend ist in diesem Zusammenhang, dass die (mit-) sorgeberechtigte Mutter nach Angaben des Klägers nicht bereit ist, den Wohnsitz nach Deutschland zu verlegen. Die Alimentation einer deutschen Familie im Ausland ist ausdrücklich nicht Aufgabe des deutschen Sozialhilferechts. Auch der im Rahmen der Gesetze grundrechtlich verankerte Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 GG) berührt nicht die oben genannten Grundrechte, bei denen es um elementare Grundvoraussetzungen der menschlichen Existenz an sich geht.
Der Gesetzgeber konnte in Ansehung des Territorialitätsprinzips davon ausgehen, dass es grundsätzlich Aufgabe des Aufenthaltsstaates ist, im Falle von Hilfebedürftigkeit für entsprechende Fürsorgeleistungen Sorge zu tragen (vgl. hierzu auch § 24 Abs. 2 SGB XII). Soweit er sich dennoch, unter Durchbrechung des vorgenannten völkerrechtlich anerkannten Prinzips, für die Leistungserbringung an im Ausland in Not geratene deutsche Staatsangehörige entschieden hat, durfte er einen solchen Sozialhilfeexport mithin auf unabweisbare, d.h. verfassungsrechtlich gebotene, Hilfeleistungen in außergewöhnlichen Notlagen beschränken, in denen jegliche anderweitige Unterstützungsmöglichkeiten versagen. Der Gesetzgeber durfte die Gewährung von Auslandssozialhilfe im Interesse des Gemeinwohls an der zweckgerichteten Verwendung der für staatliche Fürsorgeleistungen zur Verfügung stehenden Mittel daher an strenge Voraussetzungen knüpfen; die für den Hilfesuchenden grundsätzlich bestehende Rückkehrpflicht rechtfertigt sich auch daraus, dass regelmäßig nur im Inland die Überprüfbarkeit einer konkreten, aktuellen Hilfebedürftigkeit zur Folge habenden Notlage hinreichend gewährleistet ist (Sächsisches LSG, aaO).
Soweit andere Regelungen, auf die sich der Kläger bezieht (Kindergeldrecht, Regelungen zum Landeserziehungsgeld), erleichterte Anspruchsvoraussetzungen vorsehen, sind diese für das Sozialhilferecht weder einschlägig noch bindend.
Dass die weiter im Raum stehende Rückforderung des Landratsamtes B-Stadt in Höhe von knapp 10.000 EUR ebenfalls keine Notlage in diesem Sinn darstellt, hat der Beklagte bereits ausgeführt. Schulden stellen von vornherein keinen sozialhilferechtlich beachtlichen Bedarf dar. Sollte diese Forderung bestandskräftig werden, ist es Sache des Forderungsinhabers, des Landkreises B-Stadt, ob und wie er diese Forderung gegen den Kläger geltend macht. In jedem Fall sind dabei Pfändungsgrenzen beziehungsweise der notwendige Lebensunterhalt zu beachten und sicherzustellen.
Aus diesen Gründen kommt es auch nicht darauf an, ob der Kläger überhaupt für die Zeit vor Antragstellung im August 2010 Leistungen gemäß § 24 SGB XII geltend machen könnte (§ 24 Abs. 3 SGB XII).
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf weitere Zahlung der Grundsicherungsleistungen nach Österreich.
Gemäß § 41 Abs. 1 SGB XII setzt die Leistung von Grundsicherungsleistungen neben dem Vorliegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung nämlich ebenfalls einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland voraus. Darüber hinaus muss festgestellt werden, dass der Leistungsberechtigte seine notwendigen Lebensunterhalt nicht aus seinem Einkommen und Vermögen nach den §§ 82 bis 84 und 90 beschaffen kann. Dabei ist gemäß § 19 Abs. 2 SGB XII auch das Einkommen und Vermögen des nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners zu berücksichtigen, soweit es dessen notwendigen Lebensunterhalt übersteigt.
Vorliegend kann wiederum nicht festgestellt werden, ob der Kläger überhaupt die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Grundsicherungsleistungen erfüllt. Insoweit gelten die obigen Ausführungen zum Amtsermittlungsgrundsatz einerseits und der Verpflichtung zur Vorlage umfangreicher Nachweise andererseits.
Denn jedenfalls hat der Kläger ab 01.10.2007 keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland mehr, weswegen auch im Weiteren nicht zu prüfen ist, ob überhaupt vor dem am 05.08.2010 beim Landratsamt B-Stadt eingegangenen Antrag schon ein Grundsicherungsantrag vorgelegen hat. Denn auch die Grundsicherungsleistungen werden abweichend von § 18 SGB XII nur auf ausdrücklichen Antrag gewährt (§ 44 Abs. 1 SGB XII).
Auch aus dem Vorbehalt in § 30 Abs 2 SGB I zugunsten des über- und zwischenstaatlichen Rechts kann der Kläger keinen Anspruch herleiten. Er kann weder nach Maßgabe der Regelungen der EWGV Nr. 1408/71 noch aus dem deutsch-österreichischen Fürsorgeabkommen den Export der SGB-XII-Leistungen in sein Wohnsitzland Österreich verlangen.
Die Regelung in Art. 10 Abs. 1 der VO Nr. 1408/71 über die Verpflichtung zur Weiterzahlung der Geldleistungen bei Invalidität, Alter oder für die Hinterbliebenen, der Renten bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten und der Sterbegelder, auf die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten Anspruch erworben worden ist, nach Wohnsitzname in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dessen Gebiet der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat, kommt dem Kläger vorliegend bereits deshalb nicht zugute, weil die Verordnung insgesamt auf Sozialhilfeleistungen nicht anzuwenden ist (Art. 4 Abs. 4).
Auch die Ausführungen des Klägers zur strengen europarechtlichen Auslegung des Exportverbots besonderer beitragsunabhängiger Geldleistungen (Art. 4 Abs. 2a) und seine hierzu im Verfahren S 15 SO 119/10 vorgelegten Auskünfte sind für das vorliegende Verfahren nicht relevant. Denn nachdem die Sozialhilfe vom Anwendungsbereich der Verordnung bereits nicht erfasst ist, kommt es auch nicht darauf an, ob und unter welchen Voraussetzungen besondere beitragsunabhängige Geldleistungen gemäß Art. 4 Abs. 2a vom Exportverbot erfasst sind.
Die Einordnung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung als Leistung der Sozialhilfe ergibt sich für die Zeit ab 01.01.2005 schon aus der Einordnung in das neu geschaffene SGB XII, das nun umfassend alle Leistungen der Sozialhilfe regelt. Dass auch die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem ab 01.01.2003 bis 31.12.2004 geltenden Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung – GSiG – lediglich eine besonders ausgestaltete Form der Sozialhilfe mit einem weitgehenden Ausschluss des Unterhaltsrückgriffs darstellte, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 14/5150, S. 49) und ist mit Urteil des BSG vom 29.09.2009 (B 8 SO 13/08 R) ausdrücklich höchstrichterlich bestätigt worden. Die Gesetzesbegründung führt dazu aus: "Es ist eine bedarfsorientierte Leistung, die auf die persönlichen Lebensverhältnisse abstellt und deshalb ebenso wie die Sozialhilfe nur Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland zugute kommen soll."
Da damit zur Überzeugung der Kammer feststeht, dass für den Bereich der Sozialhilfe auch unter Berücksichtigung des Gemeinschaftsrechts das Territorialitätsprinzip uneingeschränkt zur Anwendung kommt, wird auch die Notwendigkeit einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof unter keinem Gesichtspunkt gesehen.
Ein Anspruch des Klägers auf die von ihm begehrte Erbringung der SGB XII-Leistungen im Wege des Leistungsexports ergibt sich nicht aus dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Fürsorge und Jugendwohlfahrtspflege, das als zwischenstaatliches Abkommen von dem Territorialitätsprinzip des § 30 Abs 2 SGB I unberührt bleibt und dem – bezogen auf besondere beitragsunabhängige Geldleistungen – auch die Kollissionsregel des Art. 6 EWGV 1408/71 nicht entgegensteht (BSG vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R, RdNr 30). Da der Kläger danach, wie bereits ausgeführt, grundsätzlich bzw. vorbehaltlich des Vorliegens der Leistungsvoraussetzungen nach österreichischem Recht einen Anspruch auf existenznotwendige Leistungen gegen den österreichischen Sozialhilfeträger nach österreichischen Rechtsvorschriften hat, sind diese Leistungen auch direkt beim österreichischen Leistungsträger geltend zu machen. Eine Exportierbarkeit der Leistungen des jeweils anderen Vertragsstaates ist danach für den Bereich der Sozialhilfe gerade nicht vorgesehen.
Andere Grundlagen, nach denen der Kläger für die Zeit ab 01.10.2007 Leistungen vom Beklagten oder einem anderen deutschen Sozialhilfeträger verlangen könnte, sind bereits nicht erkennbar.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 193 SGG abzuweisen.
Erstellt am: 18.04.2012
Zuletzt verändert am: 18.04.2012