I. Die Klage gegen den Bescheid vom 5. August 2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 2. Dezember 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2010 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Höhe der der Klägerin zustehenden Leistungen.
Die am 1929 geborene Klägerin bezieht eine Witwenrente in Höhe von zuletzt 326,30 EUR. Ergänzend erhält sie seit 01.06.2005 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, seit ihrem Einzug in die Wohnung ihrer Tochter und Enkeltochter am 20.04.2006 beim Beklagten, zuvor bei der Stadt A …
Die Tochter der Klägerin bezieht Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Der Beklagte lehnte die Bewilligung der Leistungen zunächst ab, da eine Beteiligung an den Unterkunftskosten nicht nachgewiesen sei.
Die Klägerin teilte hierzu mit Schreiben vom 39.05.2006 mit, dass sie in der Wohnung ihrer Tochter ein Zimmer bewohne, und, da sie ein Pflegefall sei, auch keinen eigenen Haushalt führe.
Mit Bescheiden vom 24.07.2006, 22.08.2007 und 09.09.2008 bewilligte der Beklagte Leistungen ab 01.07.2006 bis 30.06.2009 unter Berücksichtigung eines Regelsatzes in Höhe von 80 % des Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes. Sie berücksichtigte ferner einen Mietanteil ausgehend von der Zahl der Bewohner. Diese Bescheide sind bestandskräftig geworden.
Seit 01.01.2008 erhält die Klägerin Pflegegeld der Stufe 2. Die Pflege erfolgt durch ihre Tochter.
Im Rahmen des Weiterbewilligungsantrags legte die Klägerin Nachweis über eine Sterbegeldversicherung bei der I. Lebensversicherung AG vor. Der Rückkaufswert betrug danach am 01.12.2008 einschließlich verzinslicher Ansammlungen 186,72 EUR. Aus der Mitteilung der Wertermittlung ergibt sich zum 01.12.2009 bei Kündigung ein garantierter Rückkaufswert von 2.641,79 EUR, inklusive nicht garantierter Überschussbeteiligung in Höhe von 2.677,53 EUR.
Mit Bescheid vom 05.08.2009 bewilligte der Beklagte die Grundsicherungsleistungen weiter ab 01.07.2009 bis 30.11.2009 ausgehend von einem Regelsatz in Höhe von 287,00 EUR und einem Mietanteil in Höhe von 123,93 EUR.
Mit weiterem Bescheid vom 06.08.2009 stellte sie die Grundsicherungsleistungen ab 01.12.2009 ein, da die Klägerin mit der Lebensversicherung ausgehend von einem Rückkaufswert von dann 2.677,53 EUR ab diesem Zeitpunkt über vorrangig vor der Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen zu verwertendes Vermögen verfüge. Die Klägerin wurde darauf verwiesen, Antrag auf Wohngeld zu stellen; dieser sei spätestens mit Ablauf des auf die Ablehnung folgenden Kalendermonats zu stellen.
Gegen beide Bescheide legte die Klägerin mit Schreiben vom 28.08.2009 Widerspruch ein.
Zugleich stellte sie wegen der Höhe des Regelsatzes Überprüfungsantrag zum Bescheid vom 22.08.2007.
Widersprüche und Überprüfungsantrag wurden jeweils damit begründet, dass die Klägerin Anspruch auf den vollen Regelsatz eines Haushaltsvorstandes habe.
Der Beklagte überprüfte die häuslichen Verhältnisse bei einem Hausbesuch am 25.09.2009. Die Tochter erklärte bei diesem Hausbesuch, dass die Klägerin pflegebedürftig und dement sei. Sie bewohne ein Zimmer, Küche und Bad würden gemeinsam benutzt, Einkäufe von ihr erledigt. Sie koche auch für ihre Mutter, da diese gar nicht mehr in der Lage sei, für sich selber zu kochen.
Zur Pflegeversicherung teilte die Klägerin mit Schreiben vom 21.09.2009 mit, dass diese bereits 2002 in eine Sterbegeldversicherung umgewandelt worden sei. Tatsächlich betrage der aktuelle Rückkaufswert zum 21.09.2009 nur 2.588,72 EUR.
Mit Bescheid vom 02.10.2009 lehnte der Beklagte die rückwirkende Berücksichtigung eines Regelsatzes für Alleinstehende gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ab.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 21.10.2009 Widerspruch ein. Es bestehe kein Unterschied zu der Situation, wenn sie von einem Pflegedienst gepflegt würde. In diesem Fall würde sie selbstverständlich als Person mit einem eigenständigen Haushalt behandelt. Der eigene Haushalt werde auch nicht dadurch beendet, dass sie körperlich gewisse Aufgaben nicht mehr erledigen könne.
Mit Änderungsbescheid vom 02.12.2009 berechnete der Beklagte die Leistungen ab 01.07.2009 bis 30.11.2009 unter teilweiser Abänderung der Mietanteile neu, da die Enkeltochter zum 09.06.2009 wieder in der Wohnung der Mutter eingezogen, zum 05.11.2009 aber nach A. verzogen war.
Am 11.01.2010 legte die Klägerin eine Bestätigung der I. Versicherung über die Kündigung der Lebensversicherung zum 01.01.2010 vor. Der Rückkaufswert beträgt danach 2.482,68 EUR zuzüglich einer verzinslichen Ansammlung von 211,41 EUR und Überschussanteilen in Höhe von insgesamt 46,92 EUR. Von dem sich hieraus ergebenden Betrag wurde seitens der Versicherung die Kapitalertragsteuer inklusive Solidaritätszuschlag in Höhe von 149,11 EUR in Abzug gebracht und der Klägerin noch ein Betrag in Höhe von 2.591,90 EUR überwiesen.
Nach telefonischer Auskunft des Finanzamtes A. kann die einbehaltene Steuer auf Antrag am Jahresende zurückerstattet werden.
Mit Bescheid vom 03.02.2010 bewilligte die Wohngeldstelle des Beklagten der Klägerin ab 01.12.2009 bis 30.04.2010 Wohngeld in Höhe von 122,00 EUR monatlich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.03.2010 wies die Regierung von Schwaben die Widersprüche der Klägerin zurück.
Mit Schreiben vom 15.04.2010 erhob die Klägerin Klagen zum Sozialgericht Augsburg gegen die Bescheide des Beklagten vom 02.10.2009 (S 15 SO 39/10), vom 05.08.2009 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 02.12.2009 (S 15 SO 40/10) und vom 06.08.2009 (S 15 SO 41/10), jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.03.2010.
Geltend gemacht wird jeweils eine Berechnung unter Berücksichtigung des Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes bzw. ab 01.12.2009 ohne Berücksichtigung der Sterbegeldversicherung als Vermögen.
Sie habe mit ihrer Tochter, der Enkelin und später auch dem Lebensgefährten der Tochter eine Wohnung bewohnt, wobei sich die Bewohner die Wohnung in Form einer Wohngemeinschaft teilten. Deshalb sei selbstverständlich gewesen, dass Küche und Bad gemeinsam benutzt würden. Die Tochter pflege mittlerweile zwar die Klägerin, koche für sie und kaufe für sie ein. Dies ändere aber nichts an der Tatsache, dass sie einen eigenen Haushalt führe. Die Tochter werde für Pflegeleistungen von der Pflegeversicherung bezahlt und erledige lediglich die Aufgaben, für die sie bezahlt werde. Sie habe eigenes Geld, das ihre Tochter nutze, um für sie einzukaufen. Es bestehe auch kein Unterschied, ob sie von ihrer Tochter oder von einem Pflegedienst gepflegt würde. Würde sie von einer professionellen Pflegekraft betreut, käme auch niemand auf die Idee, sie würde keinen eigenen Haushalt führen.
Der Beklagte erwiderte in allen Verfahren mit Schreiben vom 30.04.2010 und beantragte jeweils, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 30.04.2010.
Das Gericht hat mit Beschluss vom 23.07.2010 Prozesskostenhilfe bewilligt.
In der mündlichen Verhandlung vom 16.09.2010 hat es die Tochter der Klägerin als Zeugin angehört.
Im Termin beantragt die Klägerin:
1. der Bescheid des Beklagten vom 05.08.2009 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 02.12.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.03.2010 wird aufgehoben. 2. der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin ab 01.07.2009 bis 30.11.2009 den vollen Regelsatz für Alleinstehende zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Behördenakten und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Anfechtungs- und Leistungsklage ist in der Sache unbegründet. Die Klägerin hat in der Zeit vom 01.07.2009 bis 30.11.2009 keinen Anspruch auf höhere Leistungen gegen die Beklagte.
Die Klägerin hat, was zwischen den Beteiligten nicht im Streit ist, Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Sie hat allerdings keinen Anspruch auf Berechnung der Leistungen unter Berücksichtigung eines Regelsatzes in Höhe von 359,00 EUR. Die Berechnung der Leistungen durch die Beklagte unter Berücksichtigung eines Regelsatzes in Höhe von 287,00 EUR mit Bescheid vom 05.08.2009 (in der Fassung des Änderungsbescheids vom 02.12.2009 sowie in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.03.2010) ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung setzen sich gemäß § 42 SGB XII zusammen aus dem maßgebenden Regelsatz nach § 28 SGB XII und den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung entsprechend § 29 SGB XII, deren Höhe vorliegend von der Klägerin aber nicht angegriffen wird. Streitig ist allein, ob die Klägerin Anspruch auf Leistungen unter Berücksichtigung des sogenannten Eckregelsatzes – hier 359,00 EUR ab 01.07.2009 – hat.
Gemäß § 28 Abs. 3 SGB XII sind die Regelsätze so zu bemessen, dass der gesamte Bedarf des notwendigen Lebensunterhalts außerhalb von Einrichtungen mit Ausnahme von Sonderbedarfen und Leistungen für Unterkunft und Heizung dadurch gedeckt werden kann. Grundlage für die Bemessung der Regelsätze sind Stand und Entwicklung von Nettoeinkommen, Verbraucherverhalten und Lebenshaltungskosten.
Einzelheiten über Inhalt, Bemessung und Aufbau der Regelsätze enthält die auf der Grundlage von § 40 SGB XII erlassene Regelsatzverordnung (RSV) vom 03.06.2004. Danach sind die Regelsätze für den Haushaltsvorstand und für sonstige Angehörige festzusetzen, wobei der Regelsatz für den Haushaltsvorstand 100 v.H. des Eckregelsatzes beträgt und auch für Alleinstehende gilt (§ 3 Abs. 1 RSV). Die Regelsätze für sonstige Angehörige betragen ab Vollendung des 14. bzw. 15. Lebensjahres (bis 31.12.2011) 80 v.H. des Regelsatzes. Leben Ehegatten oder Lebenspartner zusammen, beträgt der Regelsatz jeweils 90 v.H.
Haushaltsvorstand im Sinne des § 3 Abs. 1 RSV ist, wer die Generalunkosten des Haushalts trägt (Bundessozialgericht – BSG – vom 16.10.2007 – B 8/9b SO 2/06 R unter Berufung auf die langwierige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts). Generalunkosten des Haushalts sind solche, die üblicherweise nur einmal anfallen. Zu diesen zählen z.B. die (Grund-) Kosten der Energieversorgung, des Bezugs einer Tages- oder Wochenzeitung, des Rundfunkempfangs und des Telefonanschlusses (Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 09.12.2009 – L 9 SO 12/08).
Die Klägerin ist danach nicht als Haushaltsvorstand, sondern als Haushaltsangehörige anzusehen, was nach Durchführung der Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer fest steht.
Sie ist nicht alleinstehend und führt keinen eigenen Haushalt, sondern einen gemeinsamen Haushalt mit ihrer Tochter, deren Lebensgefährten sowie zeitweise anderen Verwandten. Dies hat die Tochter der Klägerin als Zeugin in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt. Die Klägerin bewohnt danach ein Zimmer in der von der Tochter angemieteten Wohnung, wobei zur Geltendmachung der Unterkunftskosten gegenüber dem Beklagten ein vom Vermieter genehmigtes Untermietverhältnis begründet wurde. Darüber hinaus besteht keinerlei Trennung der Lebensbereiche. Die Antragstellerin wird pflegerisch und wirtschaftlich vollständig von ihrer Tochter versorgt. Sie nimmt, soweit dies gesundheitlich möglich ist, an den gemeinsamen Mahlzeiten teil. Eine Trennung findet auch in wirtschaftlicher Hinsicht nicht statt. Die Tochter der Klägerin verfügt über das Geld der Klägerin, indem sie es für den gemeinsamen Lebensunterhalt verwendet (sog. Wirtschaften aus einem Topf). Eine getrennte Abrechnung erfolgt nicht.
Die Klägerin ist aber nicht Vorstand dieses Haushalts, sondern Haushaltsangehörige gemäß § 3 Abs. 1 RSV. Haushaltsvorstand im Sinne der Rechtsprechung ist ihre Tochter, die Zeugin, die sämtliche Generalunkosten des Haushalts trägt. Sie überweist die Miete, die Stromkosten und bestreitet sämtliche Ausgaben, wofür sie auch das Geld der Klägerin verwendet, das von ihr verwaltet wird. Auch dass die Klägerin die Telefonrechnung von ihrem Konto überweist, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Zeugin hat insoweit bestätigt, dass der Vertrag nur deshalb auf die Klägerin abgeschlossen wurde, weil der Abschluss über die Klägerin wirtschaftlich am günstigsten gewesen sei. Die Klägerin ist danach nicht nur nach allgemeinem Sprachgebrauch, sondern auch im Rechtssinn als Angehörige zu sehen, die von der Zeugin im gemeinsamen Haushalt versorgt wird.
Steht danach zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es sich bei der Klägerin um eine Haushaltsangehörige gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 RSV handelt, steht ihr auch nur ein Regelsatz in Höhe von 80 v.H. des Eckregelsatzes zu.
Ein Anspruch der Klägerin auf den Regelsatz eines Haushaltsvorstandes lässt sich auch unter Berücksichtigung der Urteile des BSG vom 19.05.2009 (B 8 SO 8/08 R) und vom 23.03.2010 (B 8 SO 15/08 R) nicht begründen. Danach soll die Abgrenzung zwischen Haushaltsvorstand und Haushaltsangehörigen im Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) aus Gründen der gebotenen Gleichbehandlung in Anlehnung an die Regelungen des SGB II vorzunehmen sein, da beide Regelwerke eine identische sozialrechtliche Funktion, nämlich die Sicherstellung des Existenzminimums hätten. Der Gesetzgeber des SGB II habe die Annahme einer Ersparnis und Kürzung der Regelleistung aber nicht mehr mit einer individuellen Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse der zusammen lebenden Personen verbunden, sondern gehe in § 20 SGB II typisierend von prozentualen Abschlägen von der Regelleistung wegen Ersparnis nur bei Angehörigen einer Bedarfsgemeinschaft aus. Da es somit eine Differenzierung zwischen Haushaltsvorstand und Haushaltsangehörigen im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht gebe, könnten Ersparnisse durch eine gemeinsame Haushaltsführung entgegen der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und der RSV trotz der Übernahme der Differenzierung in das SGB XII und trotz der Fortgeltung der RSV nur dann angenommen werden, wenn die zusammen lebenden Personen eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II oder eine Einsatzgemeinschaft im Sinne des § 19 SGB XII bildeten.
Die Kammer vermag dieser Rechtsprechung jedenfalls im vorliegenden Fall nicht zu folgen und schließt sich der Auffassung des Schleswig-Holsteinischen LSG im Urteil vom 09.12.2009 (a.a.O.) an. Denn der Gesetzgeber hat für den Bereich des SGB XII – der Sozialhilfe – das unter Geltung des BSHG angewandte Regelsatzsystem, also die in der RSV niedergelegte Haushaltsvorstandslösung, ausdrücklich übernommen, während er in § 20 SGB II eine davon abweichende Regelung getroffen hat. Es ist nicht überzeugend und würde in der Tat einen Zirkelschluss darstellen, wenn einerseits das Regelsatzsystem des Sozialhilferechts für den Gesetzgeber das Referenzsystem für das SGB II gewesen ist, andererseits die Regelungen des § 20 SGB II für die Auslegung der §§ 28, 40 SGB XII in Verbindung mit § 3 RSV herangezogen werden sollen. Ein solcher Rückschluss ist wegen der dort genannten Unterscheidung von Haushaltsvorstand und Haushaltsangehörigen gerade nicht möglich.
Auch ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Grundgesetz) im Sinne einer Benachteiligung der Klägerin gegenüber Leistungsbeziehern nach dem SGB II kann darin nicht gesehen werden. Zwar würde in diesem Falle der Klägerin der Regelsatz eines Haushaltsvorstandes zustehen, weil sie mit ihrer Tochter nicht in einer Bedarfsgemeinschaft im Rechtssinne (§ 7 Abs. 3 SGB II) lebt. Es liegen aber sachliche Gründe vor, die eine unterschiedliche Behandlung der Leistungsbezieher nach dem SGB XII einerseits und der nach dem SGB II andererseits rechtfertigen. Hintergrund der Unterscheidung zwischen Haushaltsvorstand und Haushaltsangehörigen ist die Erwägung, dass bei einem Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt wegen der Ersparnisse durch die gemeinsame Haushaltsführung von einem geringeren Bedarf auszugehen ist, als wenn zwei getrennte Haushalte geführt würden. Diese Erwägung beruht auf empirischen Feststellungen, die auch der Regelsatzbemessung zu Grunde gelegen haben und wird dem Grunde nach auch vom BSG nicht infrage gestellt. Entscheidend ist vielmehr, wann aufgrund der tatsächlichen Umstände oder aufgrund rechtlicher Vorgaben bei einem Zusammenleben von Personen in einem Haushalt diese Ersparnisse in der Regelsatzbemessung Niederschlag finden sollen.
Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass das SGB XII wie auch das SGB II insofern Pauschalierungen vorsehen, als davon ausgegangen wird, dass der Regelbedarf auch durch die pauschal ermittelten Regelsätze abgedeckt wird. Daneben enthält das SGB XII zwar nach wie vor eine stärkere Bedarfsorientierung, die sich in Vorschriften wie den §§ 73 und 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII niederschlägt. Dass aber auch im SGB II besondere Bedarfslagen berücksichtigt werden müssen, hat inzwischen das Bundesverfassungsgericht entschieden (Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09). Insoweit sind tatsächlich wesentliche Unterschiede zwischen beiden Rechtsgebieten nicht erkennbar.
Trotzdem sind die Bedarfslagen nicht vollständig vergleichbar. So sind Empfänger von Leistungen nach dem SGB II in einem Alter, in dem eine Erwerbstätigkeit möglich ist. Auch muss in gesundheitlicher Hinsicht eine Erwerbstätigkeit von ihnen erwartet werden können. Leistungsempfänger nach dem SGB XII sind dagegen entweder im Rentenalter oder voll erwerbsgemindert, in der Regel aufgrund einer Erkrankung oder aufgrund einer angeborenen oder erworbenen Behinderung. Hieraus ergeben sich zwar noch keine leistungsrelevanten Unterschiede und es steht auch zur Überzeugung der Kammer fest, dass eine etwaige Ungleichbehandlung nur aufgrund dieses Umstands unter keinem Gesichtspunkt gerechtfertigt wäre. Andererseits ergeben sich hieraus gleichwohl Bedarfslagen, die nicht vergleichbar sind. So ist der auch hier vorliegende Fall, dass eine pflegebedürftige betagte Angehörige in einem Familienverbund versorgt wird, jedenfalls nur in der Konstellation denkbar, dass diese Leistungsbezieherin nach dem SGB XII ist. Gleiches gilt für Leistungsbezieher, die aufgrund ihrer Behinderung noch im Haushalt ihrer Eltern leben und von diesen unterstützt bzw. versorgt werden. In diesen Konstellationen wird erfahrungsgemäß, wie auch im vorliegenden Fall, in einer Art und Weise gelebt und gewirtschaftet, wie es in einem engeren Familienverbund, also in einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II bzw. einer Einstandsgemeinschaft nach dem SGB XII üblich ist, wodurch die mit dem gemeinsamen Wirtschaften verbundenen Ersparnisse tatsächlich eintreten.
Vergleichbare Konstellationen können im SGB II gegeben sein, wenn ein Leistungsbezieher, der das 25. Lebensjahr bereits vollendet hat, noch im Haushalt seiner Eltern lebt und von diesen ungeachtet seines Alters als Haushaltsangehöriger versorgt wird, ohne dass dann von einer Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs. 3 SGB II ausgegangen werden kann. In diesem Fall erfolgt dann aber auch eine Korrektur über die Möglichkeit der Annahme einer Haushaltsgemeinschaft mit der Vermutung einer Versorgung auch in finanzieller Hinsicht, soweit dies nach dem Einkommen und Vermögen der Angehörigen erwartet werden kann (§ 9 Abs. 2 SGB II).
Diese auch in wirtschaftlicher Hinsicht unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten rechtfertigen nach Überzeugung der Kammer eine unterschiedliche Behandlung jedenfalls dann, wenn – wie vorliegend – die Zuordnung von Haushaltsvorstand und Haushaltsangehörigen aufgrund der tatsächlichen Umstände zweifelsfrei getroffen werden kann. In diesem Fall ist eine Beurteilung nach den Vorschriften der RSV möglich, ohne dass dies einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz darstellen würde.
Auch eine verfassungskonforme Auslegung bzw. Einschränkung ist daher nach Überzeugung der Kammer nicht erforderlich. Dies wäre nur dann der Fall, wenn sich dieses Verhältnis nicht zweifelsfrei ermitteln lässt. Denn für diesen Fall sieht auch die RSV nur beim Vorliegen einer Ehe oder Lebenspartnerschaft einen sog. "Mischregelsatz" in Höhe von je 90 v.H. des Eckregelsatzes vor (§ 3 Abs. 3). Außerhalb einer solchen Gemeinschaft ist daher die frühere Rechtsprechung zu den sog. Mischregelsätzen schon mangels ausdrücklicher Rechtsgrundlage nicht mehr aufrechtzuerhalten.
Abgesehen davon, dass aus den oben genannten Gründen nach Überzeugung der Kammer eine verfassungskonforme Auslegung nicht angezeigt ist, vermag die Übertragung der Regelungen des § 7 Abs. 3 SGB II in die RSV auch deshalb nicht zu überzeugen, weil die darin enthaltene Altersgrenze von 25 Jahren für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft ausschließlich auf der Lebenswirklichkeit von Familien beruht, die im Leistungsbezug nach dem SGB II stehen und nicht auf die Lebensverhältnisse von Leistungsbezieher nach dem SGB XII übertragen werden können. Zielsetzung der Regelung in § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II war letztlich eine Kostenersparnis dadurch, dass Umzüge junger Erwachsener, die noch nicht über eine gesicherte Lebensstellung verfügen und damit eine Vermehrung von Bedarfsgemeinschaften nach Möglichkeit vermieden wird. Da die Leistungsbezieher nach dem SGB XII dagegen entweder aufgrund von Alter oder angeborener oder erworbener Krankheit oder Behinderung die Zugangsvoraussetzungen für das SGB XII erfüllen, ist nicht erkennbar, welche Bedeutung gerade dieser Altersgrenze im Regelwerk des SGB XII zukommen soll.
Auch aus der Tatsache, dass das SGB XII für den Personenkreis der pflegebedürftigen und behinderten Leistungsbezieher die Möglichkeiten der Annahme einer solchen Haushaltsgemeinschaft erheblich einschränkt (§ 36 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII), kann nicht geschlossen werden, dass für diesen Personenkreis andere Einschränkungen nicht gelten sollen. Mit dieser Vorschrift soll lediglich vermieden werden, dass diejenigen, die ihre pflegebedürftigen oder behinderten Angehörigen zuhause pflegen, dadurch auch noch finanzielle Nachteile erleiden. Der Lebensunterhalt des pflegebedürftigen bzw. behinderten Leistungsbeziehers nach dem SGB XII soll auch in diesem Fall nur unter Anrechnung eigener Einkünfte durch das SGB XII abgedeckt werden, ohne dass auf Einkünfte der pflegenden bzw. betreuenden Familienangehörigen verwiesen werden kann. Da es sich aber bei der Bemessung der Regelsätze gerade nicht um eine Zurechnung von Einkünften, sondern um eine Bedarfsbemessung aufgrund der tatsächlichen Lebensumstände handelt, ist auch unter diesem Gesichtspunkt eine Schlechterstellung von Leistungsbeziehern nach dem SGB XII nicht erkennbar.
Es wäre Sache des Gesetzgebers, die Regelungen der RSV entweder für bestimmte Personenkreise auszuschließen oder auf bestimmte Fallgruppen zu beschränken. Gerade dass der Gesetzgeber trotz in der Vergangenheit bereits erfolgter Änderungen, zuletzt durch Art. 17 des Gesetzes vom 02.03.2009 (Bundesgesetzblatt I, 416), an den bisherigen Regelungen uneingeschränkt festgehalten hat, spricht für die hier vertretene Auffassung.
Die Klage war aus diesen Gründen mit der Kostenfolge des § 193 SGG abzuweisen.
Zwar wird mit den geltend gemachten Beträgen (20 % des Eckregelsatzes) für den streitgegenständlichen Zeitraum die Berufungssumme von 750,00 EUR nicht erreicht. Die Berufung war aber wegen des Abweichens von der Entscheidung des BSG vom 19.05.2009 bzw. den weiterhin anhängigen Revisionen (B 8 SO 1/10 R und B 8 SO 11/10 R) gemäß § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen.
Erstellt am: 28.09.2010
Zuletzt verändert am: 28.09.2010