Die Beschwerde des Klägers vom 04.04.1996 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 14. März 1996 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Der schwerbehinderte Kläger (Grad der Behinderung – GdB – 100) wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts (SG) Gelsenkirchen, durch den ihm Prozeßkostenhilfe (PKH) für das Klageverfahren versagt wird. Mit der Klage verfolgt er einen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "außergewöhnliche Gehbehinderung" ("aG"), weil er angesichts einer hochgradigen Sehbehinderung (Einzel-GdB 100) und erheblicher Durchblutungsstörungen der Beine (Einzel-GdB 40) bei einer noch möglichen Gehstrecke von allenfalls 100 m ähnlich behindert sei wie ein Querschnittsgelähmter oder ein doppelseitig Beinamputierter.
Den mit der Klage am 06.12.1995 gestellten Prozeßkostenhilfeantrag hat das SG mit Beschluss vom 14.03.1996 abgewiesen, weil die Klage keine Aussicht auf Erfolg habe. Denn der Hausarzt habe dem Kläger noch eine Gehstrecke von etwa 500 Metern bescheinigt. Das SG hat der am 09.04.1996 eingelegten Beschwerde nicht abgeholfen und ausgeführt, auch die Feststellungen in einem Gutachten für die Pflegekasse, wonach der Kläger eine Gehstrecke von ca. 100 Metern "noch gut" bewältigen könne, rechtfertigten nicht die Feststellung der Voraussetzungen für "aG".
II.
Die Beschwerde des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Mit überzeugender Begründung hat das SG ausgeführt, daß die Klage – jedenfalls bei dem derzeitigen Sach- und Streitstand – noch keine Aussicht auf Erfolg hat und deshalb PKH gem. § 73 a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit (i.V.m.) § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) nicht gewährt werden kann.
Wie das SG zutreffend der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entnommen hat (vgl. zuletzt noch den zitierten Beschluss vom 15.02.1995 – 9 BH (Vs) 1/94 m. zahl reichen weiteren Nachweisen), sind die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "aG" entsprechend den Vorgaben des § 6 des Straßenverkehrsgesetzes – StVG – i.V.m. der Verwaltungsvorschrift Nr. 11 zu § 46 der Straßenverkehrsordnung – StVO – erst dann erfüllt, wenn die Gehfähigkeit aufs Schwerste eingeschränkt ist. Dies wird selbst bei einer ein geschränkten Gehstrecke von nur noch 200 Metern durch die höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht bejaht (BSG a.a.O.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. LSG NRW, Urteil vom 12.10.1994 – L 10 Vs 164/88) ist eine Gleichstellung mit dem Kreis der in der Verwaltungsvorschrift Nr. 11 a.a.O. genannten, extrem beeinträchtigten Gehbehinderten erst dann gegeben, wenn die Gehstrecke so extrem eingeschränkt ist, daß selbst kürzeste Entfernungen nicht mehr zurückgelegt werden können. Das sind bei einem erheblichen GdB von 80 und mehr für die maßgebliche, das Gehen einschränkende Einzelbehinderung Strecken von etwa 50 Metern, wie sich auch aus dem Rückschluß auf die Bewertung von Verschlußkrankheiten in den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz, 1983 (AP; vgl. hier S. 69) ergibt.
Diese Entfernung dürfte der Kläger nach den Auskünften des behandelnden Arztes weit, nach den Feststellungen des Pflegekassen-Sachverständigen Dr. G um gut das Doppelte übertreffen, wobei anzumerken ist, daß selbst Dr. G mit seiner Schätzung noch nicht die zumutbare Obergrenze der Gehfähigkeit genannt hat.
Die Erfolgsaussicht der Klage ergibt sich auch nicht daraus, daß sich das SG richtigerweise veranlaßt gesehen hat, Befundberichte einzuholen. Nach 118 Abs. 2 ZPO kann das Gericht nämlich vor seiner PKH-Entscheidung Auskünfte einholen, um sich für seine summarische Erfolgsprüfung ein Bild machen zu können. Selbst wenn das SG es zur Abrundung des bisherigen Beweisergebnisses und zur Beseitigung von letzten Zweifeln im Klageverfahren für sinnvoll erachten sollte, noch mit einem ergänzenden Gutachten der Frage nachzugehen, ob die bislang vorliegenden Erkenntnisse Bestand haben sollten, so deutet derzeit mehr darauf hin, daß auch eine abschließende Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten nicht zu dem vom Kläger gewünschten Erfolg führen dürfte. Zwar wird vielfach die Anordnung einer Beweisaufnahme, ins besondere eines Sachverständigengutachtens, die Erfolgsaussicht einer Klage nahelegen, dies aber letztlich zu beurteilen, bleibt jedoch der prognostischen Einschätzung und Erfahrung des Tatsachenrichters vorbehalten, ohne daß damit eine unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung verbunden ist.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 16.08.2003
Zuletzt verändert am: 16.08.2003