Erledigung beim BSG durch Vergleich.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 28.09.2011 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die (endgültige) Übernahme der Kosten für den Besuch einer kostenpflichtigen privaten Förderschule in einem anderen Bundesland als Eingliederungshilfe nach dem SGB XII für die Zeit vom 01.08.2008 bis zum 01.04.2012.
Bei dem am 00.00.2000 geborenen, einkommens- und vermögenslosen Kläger bestehen eine unterdurchschnittliche intellektuelle Lern- und Leistungskompetenz mit Sprachentwicklungsstörung (Dyslalie, Stottersymptomatik), Koordinationsschwächen der komplex-motorischen Bewegungsabläufe, Minderwuchs, ein De-Toni-Debre-Fanconi-Syndrom mit Autismusspektrumstörung sowie eine Amblyopie des rechten Auges. Er lebt mit einem jüngeren Bruder im Haushalt seiner Eltern in C (Kreis I, Nordrhein-Westfalen). Bis 2007 besuchte er einen integrativen Kindergarten. Parallel dazu wurden regelmäßig verschiedene therapeutische Maßnahmen zur Entwicklungsförderung durchgeführt (insbesondere Ergotherapie, Logopädie, Physiotherapie).
Im Vorfeld der Einschulung des Klägers setzten seine Eltern im Februar 2007 beim Beigeladenen ein Verfahren zur Ermittlung des sonderpädagogischen Förderbedarfes und die Entscheidung über den schulischen Förderort in Gang. Sie wünschten eine Förderung an der katholischen Regel-Grundschule H (C) im Rahmen des gemeinsamen Unterrichts (GU) gemäß § 20 Schulgesetz NRW i.V.m. § 37 der Ausbildungsordnung sonderpädagogische Förderung NRW (AO-SF).
Ein in diesem Verfahren eingeholtes AO-SF-Gutachten vom 30.04.2007 (Sonderschullehrer L/Grundschulrektor M) gelangte zu folgendem Ergebnis: "Bei K ist von erheblichen Beeinträchtigungen im Bereich der Sprachentwicklung, der grob- und feinmotorischen Koordination, der visuellen und auditiven Wahrnehmung, der Konzentration und Ausdauer sowie im Bereich der kognitiven Entwicklung auszugehen. Seine aktive und passive Sprachkompetenz ist eingeschränkt. Anweisungen und Erklärungen versteht er nur rudimentär und kann sie nicht in angemessenes planvolles Handeln umsetzen. Seine Aufmerksamkeits- und die Konzentrationsspanne sind nur kurz. Er ist extrem leicht abgelenkt und scheint auch in seiner Kognition sehr beeinträchtigt. In seiner emotionalen Reife zeigt er erhebliche Unsicherheit und Ängstlichkeit. Er ist erhöht ablenkbar, benötigt große, unmittelbare Nähe und Rückversicherung sowie beständige Motivation und Hilfestellung durch seine Erzieherinnen. Aufgrund der erheblichen Beeinträchtigungen hat K m.E. Anspruch auf sonderpädagogische Förderung im Sinne einer Fördererschule für Lernen. Von Schulreife im Sinne der Regelschule ist nicht auszugehen. Die Förderung sollte, wie von den Eltern beantragt, im GU der Grundschule in H erfolgen. K ist gut in die Sozialstruktur seiner Gruppe integriert. Vor allem aber auch in die Gruppe der Kinder aus S, die im Sommer in die Grundschule H eingeschult wird und zu denen auch im Wohnumfeld intensive Sozialkontakte bestehen, die durch einen anderen Fördererort erheblich bedroht wären. K müsste in erheblichem Umfang zieldifferenziert unterrichtet werden und sollte in sehr umfassender Weise durch einen Förderschullehrer betreut werden."
Der Beigeladene stellte daraufhin einen sonderpädagogischen Förderbedarf des Klägers im Bereich Lernen und als schulischen Förderort eine Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen fest (Bescheid vom 28.06.2007). Der Kläger sei auf Hilfe in den Bereichen Motorik, Wahrnehmung, Kognition (Denken, Erkennen, Erinnern) und Sprache angewiesen. Behinderungsbedingt sei der richtige schulische Förderort eine Schule mit dem Förderschwerpunkt Lernen, da eine solche Schulform organisatorisch und personell in der Lage sei, ihn in einer kleinen Lerngruppe bei differenzierten Lerninhalten und verringertem Lerntempo entsprechend seinen individuellen Fähigkeiten und Bedürfnissen zu fördern. Den Lern- und Leistungsanforderungen einer Regelschule sei er nicht gewachsen; er könne mit den Mitteln einer allgemeinbildenden Schule nicht hinreichend gefördert werden. Selbst eine Förderung im Rahmen des GU reiche nicht aus, um seinen sonderpädagogischen Förderbedarf, der an jeder Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen angemeldet werden könne, abzudecken. Der Kläger legte Widerspruch ein mit der Begründung, im Rahmen eines GU in einer Regelgrundschule (Grundschule H) könne er gut und angemessen gefördert werden.
Im Einverständnis mit dem Beigeladenen besuchte der Kläger sodann ab dem 07.08.2007 zunächst die Grundschule H. Es stellte sich jedoch heraus, dass er dem Schulbesuch – auch im Rahmen des GU – auf Dauer nicht gewachsen sein würde (Stellungnahmen der Klassenlehrerin vom 18.09.2007 und 22.01.2008). Die Eltern ließen sich deshalb am 22.08.2007 bei der L-Schule, Bad B (Hessen), beraten. Dort wurde ihnen wegen der motorischen Defizite des Klägers empfohlen, die Feststellung des Förderorts auf eine Schule für Köperbehinderte zu erweitern. Zu den Einzelheiten dieses Beratungsgespräches wird auf den Gesprächsvermerk der Schule vom 21.09.2007 Bezug genommen (Blatt 86 f. der Verwaltungsvorgänge des Beklagten).
Der Beigeladene teilte den Eltern unter dem 25.10.2007 mit, es bestünden keine Bedenken gegen eine Beschulung des Klägers an der L-Schule. Dem in dem Bescheid vom 28.06.2007 bereits festgestellten umfangreichen Förderbedarf auch im Bereich Motorik und körperliche Entwicklung könne dort ebenfalls Rechnung getragen werden. Um die Finanzierung müssten sich die Eltern jedoch selber kümmern.
Die L-Schule ist eine staatlich anerkannte private Sonderschule mit heilpädagogischem Schulinternat und angeschlossenem therapeutischen Fachdienst. Die Schule unterrichtet nach den hessischen Lehrplänen/Richtlinien für die Grundschule, Hauptschule, Schule für Lernhilfe und Schule für praktisch Bildbare. Daneben ist sie auch Schule für Körperbehinderte, Sprachheilschule, Schule für Erziehungshilfe, Hörgeschädigte und Sehbehinderte. Träger ist der C-heim e.V. im Verbund der Diakonie. Pro Schulklasse werden zwischen acht und zehn Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Durch enge Kooperation mit einem therapeutischen Fachdienst wird die Versorgung mit physio-, ergo- und psychotherapeutischen Leistungen innerhalb des Schulbetriebes sichergestellt. Zu den Einzelheiten von Konzept und Angeboten der L-Schule wird auf deren zu den Akten gereichten Informationen Bezug genommen (Blatt 123 f. der Gerichtsakten). Die Schule ist etwa 32 km vom Wohnort des Klägers entfernt; die Fahrzeit mit dem PKW beträgt etwa 30 Minuten.
Am 18.08.2008 nahmen die Eltern des Klägers den Widerspruch gegen den Bescheid des Beigeladenen vom 28.06.2007 zurück. An diesem Tag wurde der Kläger als Externschüler an der L-Schule aufgenommen. In der Folgezeit wurde er dort bis zum 01.04.2012 (Beginn der Osterferien) durchgehend mit sieben anderen Schülern in einer Klasse beschult. Die Kosten für den Schulbesuch beliefen sich auf monatlich 550 EUR (ohne Kosten für die Schulspeisung oder sonstige Verpflegung während der Schulzeit). Die Fahrtkosten des Klägers trug die Stadt C. Nach Anmeldung eines Zweitwohnsitzes in Hessen wechselte der Kläger nach den Osterferien 2012 auf die (öffentliche und damit kostenfreie) L-Schule in I (Hessen), eine Schule für praktisch Bildbare mit einer Abteilung für praktisch bildbare Körperbehinderte. Die dortige Klassengröße beträgt acht Schüler. Die Schule ist vom (Erst-)Wohnsitz des Klägers etwa 20 km entfernt bei einer Fahrtzeit von etwa 30 Minuten mit einem Kleinbus. Der Kläger, der diese Schule bis heute besucht, erhält dort neben dem Unterricht für ihn notwendige therapeutische Leistungen.
Bereits am 12.12.2007 beantragte der Kläger beim Beklagten die Gewährung von Eingliederungshilfe in Form einer Übernahme der Kosten für den Besuch der L-Schule. Bei ihm bestehe eine Mehrfachbehinderung, welche intensive pädagogische, medizinische und physiotherapeutische Therapie erforderlich mache. In Nordrhein-Westfalen existiere keine Förderschule, die der Komplexität seiner Behinderung gerecht werden könne. Dem Antrag war eine Kopie des AO-SF-Gutachtens vom 30.04.2007 beigefügt.
Mit Bescheid vom 09.06.2008 lehnte der Beklagte die Übernahme von Schulkosten ab. Durch den Besuch der L-Schule entstünden unverhältnismäßige Mehrkosten (§ 9 Abs. 2 S. 3 SGB XII). Der Kläger könne bei seinem sonderpädagogischen Förderbedarf (Förderschwerpunkt Lernen) verschiedene Förderschulen im Kreis I (Nordrhein-Westfalen) besuchen. Jede dieser Schulen für Lernbehinderte könne eine angemessene Förderung sicher stellen. Ihr Besuch wäre für den Kläger kostenfrei.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Vorrangig sei nicht ein Förderschwerpunkt Lernen; vielmehr gehe es um einen multiplen Förderbedarf in allen Bereichen seiner mehrfachen Behinderung. Es sei deshalb dringend erforderlich, ihm den Besuch der L-Schule zu ermöglichen.
Während des Widerspruchsverfahrens beantragte der Kläger gerichtlichen Eilrechtsschutz. Mit Beschluss vom 04.08.2008 – S 19 SO 121/08 ER verpflichtete das Sozialgericht Detmold den Beklagten, die Kosten der Betreuung an der L-Schule für das Schuljahr 2008/2009 (vorläufig) zu übernehmen. In diesem Eilverfahren benannte der Beklagte mit Schriftsatz vom 04.08.2008 die M-schule in Q als geeignete Förderschulalternative. Diese habe den (vorrangigen) Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung; dabei erfolge eine Aufteilung der Schüler – je nach Leistungsfähigkeit – in die Bildungsgänge Grund-/Hauptschule, Lernen und geistige Entwicklung. Träger der M-schule ist der Beklagte. Die dortige Klassengröße beläuft sich auf sieben bis 13 Schüler; tatsächlich werden insbesondere in den Eingangsklassen nie mehr als zehn Schüler in einer Klasse unterrichtet, wobei in einzelnen Fächern zum Teil noch eine zusätzliche Binnendifferenzierung erfolgt. Die Betreuung erfolgt durch Sonderschullehrer und Fachlehrer. Eine Vermittlung von Lehrinhalten auch über die Methode der unterstützten Kommunikation ist bei Bedarf gewährleistet. Etwa zwei Drittel der Schüler – mit dem Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung – sind dem Bildungsgang geistige Entwicklung zugeordnet; darunter auch Kinder mit Sprachentwicklungs- bzw. Autismusspektrumstörungen. Es besteht die Möglichkeit zu Physiotherapie und Ergotherapie durch angestellte Therapeuten des Schulträgers. Auch Logopädie kann während der Schulzeit in Anspruch genommen werden. Die Schule ist etwa 55 km vom Wohnort des Klägers entfernt, die Fahrzeit mit dem PKW beträgt etwa 45 Minuten. Für den Schülertransport existiert ein Schülerspezialverkehr, der an den allgemeinen Vorgaben der Schülerfahrkostenverordnung Nordrhein-Westfalen ausgerichtet ist. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Schulkonzept der M-schule wird auf deren Informationsschrift zum vierzigjährigen Bestehen Bezug genommen (Anlage zu Blatt 450 der Gerichtsakten).
Mit Bescheid vom 11.08.2008 erklärte sich der Beklagte unter Hinweis auf den Beschluss des Sozialgerichts im Eilverfahren bereit, die Kosten für die Beschulung des Klägers an der L-Schule ab dem 04.08.2008 für das Schuljahr 2008/2009 zu übernehmen. Zahlungen erfolgten in der Folgezeit unmittelbar an die L-Schule.
Der Beklagte zog im weiteren Verlauf des Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahrens verschiedene medizinische und pädagogische Unterlagen bei (im Wesentlichen: schulärztliches Gutachten bzw. ärztliche Zeugnisse des Gesundheitsdienstes des Kreises I – Dr. Q – vom 31.01.2007, 08.03.2007 und 28.04.2008; Berichte der Uni-Klinik H vom 09.11.2007 und 10.03.2008, Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Abteilung Pädiatrie II, sowie Berichte des dortigen sozialpädiatrischen Zentrums – SPZ – vom 05.09.2007, 24.08.2006, 28.12.2006 und vom 07.02.2008). Auf diese Unterlagen wird Bezug genommen (Blatt 7 bis 15, 25 f. und 37 bis 39 der Verwaltungsvorgänge des Beklagten; Blatt 119 der Gerichtsakten).
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.08.2008 (abgesandt an die Eltern des Klägers am 20.08.2008, der im Eilverfahren hinzugezogenen Klägerbevollmächtigten zugestellt am 25.08.2008) wies der Beklagte nach Beteiligung sozial erfahrener Dritter den Widerspruch zurück. Ausweislich des amtsärztlichen Gutachtens vom 28.04.2008 bestehe mittlerweile ein mehrschichtiger behinderungsbedingter Förderbedarf. Es müsse deshalb zunächst der individuelle Hilfebedarf durch den Beigeladenen bewerten werten, um anschließend den Kläger einer adäquaten Förderschule im Zuständigkeitsbereich des Beklagten zuweisen zu können, deren Besuch keine Mehrkosten verursache.
Am 22.09.2008 (Montag) hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Detmold erhoben. Er hat ergänzend vorgetragen, die im näheren Umkreis seines Wohnorts gelegenen nordrhein-westfälischen Förderschulen hätten jeweils nur einen Förderschwerpunkt. Dies werde seinem vielschichtigen Behinderungsbild nicht gerecht. Neben einer Lernbehinderung bestehe eine geistige und eine körperliche Behinderung. Eine sonderpädagogische Förderung allein im Bereich Lernen reiche nicht aus; er benötige vielmehr eine multimodale sonderpädagogische Förderung. Dies ergebe sich nicht zuletzt aus dem amtsärztlichen Zeugnis vom 28.04.2008 und der Stellungnahme des SPZ vom 07.02.2008. Der Bescheid des Beigeladenen vom 28.06.2007 sei inzwischen durch dessen Schreiben vom 25.10.2007 ersetzt worden und damit überholt. Bereits jetzt stehe fest, dass der Förderbedarf des Klägers nicht auf den Förderschwerpunkt Lernen beschränkt sei; einer Neubewertung seines Hilfebedarfs bedürfe es dafür nicht. Um ihm eine seinen Einschränkungen angemessene Schulbildung nach § 54 SGB XII i.V.m. § 12 EinglhV zu ermöglichen, müsse er in einer Schule beschult werden, die sämtlichen Förderbedarfen entspreche. Die einzige für ihn erreichbare Schule, die diesen Anforderungen gerecht werde, sei die L-Schule. Dies werde durch die (vom Sozialgericht durchgeführten) medizinischen Ermittlungen bestätigt. Unverhältnismäßige Mehrkosten entstünden durch den Besuch der L-Schule nicht. Er sei dort zudem inzwischen gut integriert; ein nochmaliger Schulwechsel, bei dem er erheblichen emotionalen Schaden nehmen würde, sei ihm nicht zuzumuten. Die vom Beklagten als Alternative erwogenen Förderschulen in Nordrhein-Westfalen hätten entweder einen unzutreffenden bzw. nicht hinreichenden Förderschwerpunkt, oder sie seien für ihn nicht auf zumutbare Weise erreichbar. Der Kläger hat ergänzend Berichte der L-Schule vom 28.05.2009 und des SPZ der Uniklinik H vom 23.02.2010 über seine weitere schulische Entwicklung vorgelegt. Er hat weiter vorgetragen, wegen der zwischenzeitlichen ergänzenden Feststellung gleichrangiger Förderschwerpunkte im Bescheid des Staatlichen Schulamts für den T-Kreis und den Landkreis X (vormals Beigeladener zu 2) vom 21.07.2009 (dazu weiter unten) komme jedenfalls inzwischen eine Förderschule mit dem alleinigen/vorrangigen Förderschwerpunkt Lernen nicht (mehr) in Betracht. Nur an der L-Schule sei eine angemessene Beschulung möglich.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09.06.2008 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2008 zu verurteilen, die Kosten des Besuchs der L-Schule Bad B ab dem Schuljahr 2008/2009 als Hilfe zur angemessenen Schulbildung nach den Bestimmungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach näherer Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen des SGB XII zu übernehmen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Einer Beschulung des Klägers an der L-Schule stehe schon der Bescheid des Beigeladenen vom 28.06.2007 entgegen. Dieser lege in auch den Beklagten bindender Weise (BVerwG, Urteil vom 28.04.2005 – 5 C 20/04) den Förderschwerpunkt Lernen fest. Nach § 13 AO-SF entscheide die Schulaufsichtsbehörde bei Vorliegen mehrerer Förderschwerpunkte, in welchem Förderschwerpunkt der Schüler vorrangig unterrichtet werde. Hieran habe sich durch das Schreiben des Beigeladenen vom 25.10.2007 nichts geändert. Der Bescheid des Staatlichen Schulamts für den T-Kreis und den Landkreis X vom 21.07.2009 sei unwirksam. Im Übrigen habe der Kläger im Rahmen der Sozialhilfe lediglich Anspruch auf Herstellung angemessener und zumutbarer, nicht dagegen optimaler Lebensbedingungen (§§ 1, 2 Abs. 1 SGB XII). Er habe keine Umstände dafür vorgetragen, dass eine Beschulung an einer Förderschule in Westfalen-Lippe – etwa an der M-schule in Q – nicht im Sinne des § 12 Nr. 2 EinglhV zumutbar sei. Letztlich gehe es um eine schulrechtliche Problematik, die auf dem Rücken des Sozialhilfeträgers ausgetragen werde. Entscheidend sei, dass in Nordrhein-Westfalen ein Schulsystem vorgehalten werde, in dem jedes (behinderte oder nicht behinderte) Kind seinen Fähigkeiten entsprechend beschult werden könne. Auf eine möglicherweise inzwischen eingetretene Unzumutbarkeit eines neuerlichen Schulwechsels (von der L-Schule auf eine nordrhein-westfälische Schule) könne sich der Kläger nicht berufen, weil er diese Situation vorsätzlich selbst herbei geführt habe.
Mit Beschlüssen vom 30.03.2009 und 10.01.2011 hat das Sozialgericht "den Kreis I – Schulamt" (vormals Beigeladener zu 1) sowie das Staatliche Schulamt für den T-Kreis und den Landkreis X zum Verfahren hinzugezogen. Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Der Beigeladene (zu 1) hat zunächst seine Entscheidung – Beschulung des Klägers mit dem (vorrangigen) Förderschwerpunkt Lernen – weiterhin für zutreffend gehalten. Wegen der inzwischen in Hessen erfolgenden Beschulung könne er derzeit keine Entscheidung über eine Änderung des sonderpädagogischen Förderbedarfs oder des vorrangigen Förderschwerpunkts treffen. Er halte insbesondere die M-schule für den Kläger für geeignet.
Das Staatliche Schulamt für den T-Kreis und den Landkreis X hat im Laufe des Klageverfahrens mit Bescheid vom 21.07.2009 seinen "Bescheid" vom 25.10.2007 dahingehend geändert, dass der Förderbedarf mit dem Förderschwerpunkt Lernen um die Förderschwerpunkte motorisch-körperliche Entwicklung (Körperbehinderte) und Sprache (Sprachheilschule) erweitert werde. Der nunmehr erweiterte sonderpädagogische Förderbedarf werde ab dem 24.08.2009 an der schon bisher besuchten L-Schule umgesetzt. Mit Schreiben vom 24.07.2009 teilte der Beigeladene (zu 1) daraufhin dem Kläger mit, nach den schulrechtlichen Vorschriften in Hessen sei es – anders als in Nordrhein-Westfalen – möglich, mehrere Förderschwerpunkte nebeneinander festzustellen; der entsprechenden Verfügung des Staatlichen Schulamtes in Hessen werde zugestimmt. Im weiteren Verlauf des Klageverfahrens gelangte das Staatliche Schulamt für den T-Kreis und den Landkreis X zu der Auffassung, dass es den Bescheid vom 21.07.2009 außerhalb seiner (örtlichen) Zuständigkeit und damit zu Unrecht erlassen habe. Nach vorheriger Anhörung hob es mit (bestandskräftigem) Bescheid vom 17.02.2011 seinen Bescheid vom 21.07.2009 nach § 48 Hess. VwVfG auf; im Bescheid vom 21.07.2009 seien ohnehin keine neuen Förderschwerpunkte festgelegt worden, da sich der umfassende Förderbedarf des Klägers auf verschiedenen Gebieten schon aus dem Bescheid des Beigeladenen vom 28.06.2007 ergeben habe.
Wegen des bevorstehenden Schuljahres 2009/2010 beantragte der Kläger am 16.06.2009 "zur Vermeidung eines weiteren Eilverfahrens" beim Beklagten eine Kostenzusage für das neue Schuljahr. Mit Schreiben vom 01.07.2009 (ohne Rechtsmittelbelehrung) lehnte der Beklagte dies ab. Auf neuerlichen Antrag des Klägers auf einstweiligen Rechtsschutz vom 10.07.2009 verpflichtete das Sozialgericht Detmold den Beklagten mit Beschluss vom 20.07.2010 – S 16 SO 112/09 ER, vorläufig die Kosten für den Besuch der L-Schule im 2009/2010 als Eingliederungshilfe zu übernehmen. Eine Beschwerde des Beklagten blieb erfolglos (Beschluss des Senats vom 15.01.2010 – L 20 B 73/09 SO ER). Daraufhin erklärte sich der Beklagte mit Schreiben vom 24.02.2010 bereit, die Beschulungskosten – wie bisher vorläufig – auch für das Schuljahr 2009/2010 zu tragen.
Für das Schuljahr 2010/2011 beantragte der Kläger am 14.06.2010 wiederum beim Beklagten die Kostenübernahme. Mit Schreiben vom 13.07.2010 an den Kläger und vom 12.01.2011 an den Träger der L-Schule erklärte sich der Beklagte zu einer vorläufigen Kostentragung bereit (ohne dass vorher ein gerichtliches Eilverfahren durchgeführt worden war). Für das Schuljahr 2011/2012 erteilte der Beklagte mit Schreiben vom 25.07.2011 (auf Antrag des Klägers vom 13.07.2011) eine vorläufige Kostenzusage vom 25.07.2011, jedoch (angesichts des voraussichtlichen Abschlusses des Klageverfahrens erster Instanz) befristet bis einschließlich September 2011. Im Anschluss daran trugen die Eltern des Klägers die Kosten für die Beschulung des Klägers an der L-Schule. Offene Forderungen des Schulträgers gegenüber dem Kläger bzw. seinen Eltern bestehen nicht.
Das Sozialgericht hat Befund- und Behandlungsberichte bei der Kinderärztin Dr. Q, dem Orthopäden Dr. H, dem Augenarzt Dr. P und dem SPZ der Uniklinik H beigezogen.
Dr. Q hat mit Bericht vom 19.04.2010 ausgeführt, der Kläger sei, seit er die L-Schule besuche, deutlich selbstsicherer und auch wieder lernmotiviert. Die Klassengröße und auch die spezielle Ausbildung der dortigen Pädagogen sowie die Beschulung anderer Kinder mit Behinderungen spiele eine sehr große Rolle, da der Kläger nun nicht immer der Letzte und Schlechteste sei. Er benötige aus kinderärztlicher Sicht zusätzliche Förderung durch Logopädie, Ergotherapie, heilpädagogische Förderung und Krankengymnastik sowie ein ihm vertrautes Klassenklima. Die Schule müsse in heilpädagogischer Umgebung auf seine manchmal wechselnden körperlichen Möglichkeiten bei kleiner Schülerzahl individuell eingehen können. Aufgrund seines Kleinwuchses und einer Nierenerkrankung sei der Kläger körperlich nicht altersentsprechend belastbar. Ein Transport mit dem Taxi sei der schnellste und einfachste Weg, ihn ohne Stress und Leistungsminderung zur Schule zu befördern.
Das SPZ hat unter dem 09.04.2010 berichtet, der Kläger benötige wegen psychomotorischer Retardierung eine besondere Beschulung. Zum einen sei ein kleiner Klassenraum erforderlich. Zusätzlich müsse während des Schulbesuchs auch eine Sprachförderung sowie eine Förderung der (Fein-)Motorik erfolgen. Wegen des schon einmal stattgefundenen Schulwechsels werde sich dringend für einen Verbleib an der L-Schule ausgesprochen; dort könne der Kläger angemessen gefördert werden.
Dr. H hat im Bericht vom 19.03.2010 aus orthopädischer Sicht keine Einschränkungen bei der Fahrtzeit im Schülerspezialverkehr gesehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Befundberichte Bezug genommen (Dr. Q Blatt 114 bis 120, Dr. H Blatt 104, Dr. P Blatt 105 f.; SPZ Bl. 110 f. der Gerichtsakten).
Das Sozialgericht hat sodann ein Gutachten des Neuropädiaters und Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin Prof. Dr. X eingeholt. Auf die Beweisanordnung vom 21.07.2010 (Blatt 147 bis 149 der Gerichtsakten), das Gutachten vom 13.10.2010 (Blatt 159 bis 165 der Gerichtsakten) und die persönliche Anhörung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht vom 28.09.2011 (Blatt 275 bis 279 der Gerichtsakten) wird Bezug genommen.
Schließlich hat das Sozialgericht in der mündlichen Verhandlung vom 28.09.2011 den Rektor der M-schule L N als Zeugen vernommen. Hierzu wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen (Blatt 279 bis 282 der Gerichtsakten).
Mit Urteil vom 28.09.2011 (der Klägerbevollmächtigten zugestellt am 19.10.2011) hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme der Beschulungskosten an der L-Schule als Leistung der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII. Zwar könnten zu den in § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 Nr. 1 EinglhV genannten Maßnahmen auch Beschulungskosten gehören, wenn sie Voraussetzung für den Besuch einer Schule zur Gewährleistung einer angemessenen Schulbildung seien. Vorrangig sei die schulische Förderung jedoch eine dem öffentlichen Schulwesen zugewiesene Aufgabe; Eingliederungshilfe durch Übernahme von Schulkosten sei gegenüber dem landesgesetzlich geregelten Schulrecht jedenfalls dann nachrangig, wenn die Schulbehörde ihrer vorrangigen Leistungsverpflichtung auch nachkomme. Stehe aber fest, dass eine angemessene Schulbildung im öffentlichen Schulsystem nicht zu erlangen sei, komme Eingliederungshilfe auch durch Übernahme der Kosten einer Privatschule in Betracht. Entsprechendes gelte, wenn – wie hier – der Besuch einer vom öffentlichen Schulträger vorgehaltenen Schule abgelehnt und eine sozialhilfeweise Kostentragung für den Schulbesuch in einem anderen Bundesland begehrt werde; insoweit resultierende Mehrkosten könnten nur dann übernommen werden, wenn eine angemessene Schulbildung an einer an sich "zuständigen" Schule nicht erreichbar sei. Im Anschluss an die Beweisaufnahme sei der Kläger auf den für ihn kostenfreien Besuch einer Förderschule in Nordrhein-Westfalen verweisbar. Das Gericht sei überzeugt, dass ihm jedenfalls die M-schule in Q eine angemessene Schulbildung bieten könne.
Für den Kläger sei nach den beigezogenen Befundberichten und dem insoweit übereinstimmenden Sachverständigengutachten des Prof. Dr. X sowie nach den Erkenntnissen aus den AO-SF-Verfahren ein multimodales Förderkonzept erforderlich. In der mündlichen Verhandlung habe der Sachverständige die Anforderungen an dieses Förderkonzept dahin präzisiert, dass eine konsequente logopädische sowie wegen der motorischen Einschränkungen eine Ergotherapie vonnöten sei. Ergotherapie sei zudem wegen der Störung aus dem Autismusspektrum notwendig. Eine Physiotherapie stehe hingegen nicht im Vordergrund. Zu einem therapeutischen Reiten habe der Sachverständige geäußert, dass ein solches zwar insbesondere mit Blick auf die Autismussymptomatik hilfreich wäre; werde es nicht bereitgestellt, sei jedoch nicht mit gesundheitlichen Nachteilen zu rechnen. Im Vordergrund stünden die logopädische Therapie (ein- bis zweimal wöchentlich) und die Ergotherapie. Überdies erfordere die Sprachentwicklungsstörung eine Vermittlung der Unterrichtsinhalte im Wege der unterstützten Kommunikation. Hinsichtlich der Autismusspektrumstörung müsse an der Schule eine kontinuierliche sonderpädagogische Betreuung gewährleistet sein. Der Sachverständige habe insoweit betont, dass eine ordnungsgemäß ausgebildete sonderpädagogische Förderkraft regelmäßig in der Lage sei, die mit autistischen Symptomen einhergehenden besonderen Anforderungen im Unterricht zu erfüllen; auf gerichtliche Nachfrage habe der Sachverständige dies auch für die konkrete Ausprägung der Autismusspektrumstörung beim Kläger ausdrücklich bejaht.
Ein solches Förderkonzept zugrundelegend, sei zumindest die M-schule in Q geeignet, dem Kläger eine angemessene Schulbildung zu vermitteln. Dies stehe fest aufgrund der Erklärungen des Zeugen N, der als Rektor dieser Schule schlüssig und nachvollziehbar die dortigen Fördermöglichkeiten dargelegt habe. Der Sachverständige Prof. Dr. X habe die in seinem schriftlichen Gutachten zuvor geäußerten Bedenken hinsichtlich einer Geeignetheit der Förderschulen im wohnortnahen Bereich des Klägers in Nordrhein-Westfalen nicht auf die M-schule bezogen. Bei der Geeignetheit dieser Schule für eine angemesse Schulbildung des Klägers berücksichtige das Gericht auch die vom Sachverständigen formulierten Anforderungen an die konkrete Klassengröße. Zwar habe er im schriftlichen Gutachten ausgeführt, eine Klassengröße von acht Schülern sei "sicher das Maximum"; in der mündlichen Verhandlung habe er dies jedoch dahin präzisiert, dass es nicht als absolute Höchstgrenze zu verstehen sei. Wichtig sei vielmehr, insbesondere mit Blick auf die Autismussymptomatik, die Beherrschbarkeit des Klassenrahmens. Die vertretbare Klassengröße sei abhängig von der personellen Zusammensetzung der Klasse. Der Zeuge N habe die Klassengröße an der M-schule mit regelmäßig sieben bis zehn Schülern angegeben. Im letzten Schuljahr habe die Eingangsklasse eine Größe von sechs Schülern gehabt. Eine Klassengröße von zwölf oder 13 Schülern sei die Ausnahme und trete vorrangig in der Sekundarstufe auf; bei dieser Klassengröße finde zudem vielfach eine Gruppendifferenzierung statt.
Im Anschluss an die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. X halte das Gericht auch einen Wechsel des Klägers auf die M-schule für möglich und zumutbar.
Mit Bescheid vom 13.10.2011 hat der Beigeladene unter Hinweis auf die im jetzigen Klageverfahren eingeholten Gutachten und Berichte einen Wechsel des Förderschwerpunktes festgestellt und einen Wechsel des Förderortes verfügt. Beim Kläger bestehe sonderpädagogischer Förderbedarf hinsichtlich seiner körperlichen und motorischen Entwicklung, seiner Lernentwicklung und seiner Sprachentwicklung. Sonderpädagogische Förderung sei zudem wegen seiner Störung aus dem Autismusspektrum nötig. Die Förderschwerpunkte lägen "im Bereich der körperlichen und motorischen Entwicklung (vorrangig) und im Bereich Lernen (§§ 7 und 5 Abs. 1 AO-SF)". Zum schulischen Förderort hat der Beigeladene "ab dem 07.11.2011 (nach den Herbstferien) eine Schule mit dem Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung" bestimmt. Die nächstgelegene Schule, an der die beschriebene Förderung erfolgen könne, sei die M-schule. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 28.09.2011 richtet sich die am 26.10.2011 eingelegte Berufung des Klägers. Er stellt ausdrücklich klar, keine Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII zu beanspruchen. Gegen das Urteil des Sozialgerichts wendet er Folgendes ein:
Die Klassen an der M-schule seien insbesondere wegen einer zu erwartenden Verschlechterung der Autismussymptomatik zu groß. Der Sachverständige Prof. Dr. X habe sich zwar nicht auf eine genaue Klassengröße festlegen wollen; er habe jedoch deutlich gemacht, dass eine Größe von mehr als acht Schülern grundsätzlich nachteilig sei und ggf. einer angemessenen schulischen Förderung entgegenstehen könne. Zudem sei der Wechsel der Klassenzusammensetzung, der an der M-schule alle drei Jahre erfolge, ungünstig; denn ausweislich des Sachverständigen benötige er – der Kläger – unbedingt feste Bezugspersonen.
Die M-schule biete für ihn im Schulalltag keine hinreichend festen Strukturen. Dass dort bereits sechs Schüler mit einer Autismusspektrumstörung unterrichtet würden, heiße nicht, dass auch er dort angemessen unterrichtet werden könne.
Der Zeuge N habe nicht hinreichend sicher beurteilen können, ob er – der Kläger – an der M-schule angemessen hätte beschult werden können. Denn der Zeuge habe keinen hinreichenden Einblick in seinen tatsächlichen Förderbedarf gehabt.
Das Sozialgericht habe außer Acht gelassen, dass sich alle Experten für einen Verbleib des Klägers an der L-Schule ausgesprochen hätten. Insbesondere habe es die Ausführungen des Sachverständigen falsch interpretiert. Selbst der Beigeladene spreche mit Blick auf die M-schule lediglich von der am ehesten geeigneten Schule.
Im Anschluss an die Beweisaufnahme stehe vielmehr fest, dass ihm aus einem Schulwechsel erhebliche gesundheitliche Nachteile erwachsen würden. Schon die Änderung des Schulweges wäre ein großes Problem. Sofern Bezugspersonen Druck auf ihn ausüben müssten, um ihn zum Schulbesuch zu bewegen, werde er voraussichtlich dauerhaft aggressiv oder autoaggressiv reagieren.
Keineswegs habe er genügend Ressourcen, einen Schulwechsel zu verkraften. Weder der Sachverständige noch irgendein Arzt hätten eine solche Einschätzung im Laufe des Verfahrens geäußert. Es würde sich, im Gegenteil, die Autismussymptomatik weiter verfestigen und ein Schulwechsel immer schwieriger. Das Sozialgericht habe insoweit verschiedene Angaben des Sachverständigen aus dem Zusammenhang gerissen und unzutreffend interpretiert.
Auch der Beigeladene habe ihn bzw. seine Eltern stets darin bestärkt, dass die L-Schule wegen seiner Mehrfachbehinderung die für ihn geeignete Schule sei. Wenn der Beigeladene nunmehr (auch) die M-schule für geeignet halte, hätte er eine entsprechende Empfehlung früher aussprechen müssen.
Das Sozialgericht habe sich schließlich allein an abstrakten Kriterien orientiert, ohne ausreichend auf die individuellen Förderbedürfnisse einzugehen. Insofern bedürfe es jedenfalls weiterer Ermittlungen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 28.09.2011 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09.06.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2008 zu verurteilen, die Kosten für den Besuch des Klägers der L-Schule in Bad B vom 01.08.2008 bis zum 01.04.2012 als Hilfe zur angemessenen Schulbildung im Rahmen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII zu übernehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend und nimmt auf sein bisheriges Vorbringen Bezug.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag. Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend; das Sozialgericht habe aus den vorliegenden Informationen zu Recht den Schluss gezogen, dass der Förderbedarf des Klägers in vollem Umfang an der M-schule hätte gedeckt werden können.
Der Senat hat die Beiladung des Kreises I dahingehend geändert, dass als Beigeladener das Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch das Schulamt für den Kreis I, geführt wird (Beschluss vom 09.09.2013). Die Beiladung des (vormaligen) Beigeladenen zu 2 hat er nach Anhörung der Beteiligten aufgehoben (Beschluss vom 11.12.2015).
Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. X eingeholt. Hierzu wird auf das Schreiben des Senats vom 24.06.2015 (Blatt 496 bis 498 der Gerichtsakten) sowie die schriftliche Stellungnahme des Sachverständigen vom 10.11.2015 (Blatt 512 bis 515 der Gerichtsakten) Bezug genommen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogen Akten (Verwaltungsvorgänge des Beklagten, des Beigeladenen und des vormaligen Beigeladenen zu 2, Prozessakten des Sozialgerichts Detmold S 19 SO 121/08 ER und S 16 SO 112/09 ER). Der Inhalt ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
A) Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet; seine Klage ist zulässig, aber unbegründet.
I.1. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 09.06.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2008 (§ 95 SGG). Der Beklagte hat es darin abgelehnt, Kosten für die Beschulung des Klägers an der L-Schule zu übernehmen. Da dies vollständig und ohne zeitliche Begrenzung verfügt wurde, ist bei gleichzeitiger Berücksichtigung des Begehrens des Klägers (§ 123 SGG) in zeitlicher Hinsicht der gesamte Zeitraum vom 01.08.2008 bis zum 01.04.2012 Streitgegenstand (vgl. – zur vollständigen Ablehnung von Arbeitslosengeld II – BSG, Urteil vom 15.04.2008 – B 14/7b AS 52/06 R Rn. 12 m.w.N. und im Übrigen LSG NRW, Urteil vom 11.08.2015 – L 20 SO 316/12 Rn. 34).
2. Eine weitergehende Beschränkung des streitgegenständlichen Zeitraumes ergibt sich (mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, Urteil vom 11.12.2007 – B 8/9b SO 12/06 R Rn. 8 m.w.N.) nicht etwa daraus, dass der Kläger für die Zeit nach dem Schuljahr 2008/2009 Folgeanträge gestellt und der Beklagte diese beschieden hätte.
Zwar hat sich der Kläger (mit Schreiben vom 15.06.2009, 14.06. bzw. 05.07.2010 und 13.07.2011) jeweils vor Beginn der Schuljahre 2009/2010, 2010/2011 und 2011/2012 nochmals wegen einer Zusage zur weiteren Kostenübernahme an den Beklagten gewandt. Aus Sicht eines objektiven Empfängers (§ 133 BGB; vgl. insoweit zur Auslegung von Verwaltungsakten etwa BSG, Urteil vom 23.03.2010 – B 8 SO 2/09 R Rn. 14) handelt es sich dabei jedoch nicht um "echte" Folgeanträge, d.h. um solche, die auf eine abschließende Entscheidung des Beklagten für einen weiteren Leistungszeitraum gerichtet waren; vielmehr ging es dem Kläger darin lediglich um eine einvernehmliche (weitere) vorläufige Regelung. Hierfür spricht zum einen, dass im Juni 2009 das Klageverfahren vor dem Sozialgericht schon fast neun Monate anhängig gewesen ist, eine Klärung in der Hauptsache mithin bereits auf den Weg gebracht war. Hinzu kommt, dass die nach dem Beschluss des Sozialgerichts vom 04.08.2008 – S 19 SO 121/08 ER mit Bescheid des Beklagten vom 11.08.2008 getroffene vorläufige Regelung im Juni 2009 kurz vor dem Auslaufen stand, die weitere Kostentragung also zeitnah regelungsbedürftig war. Das auf eine weitere nur vorläufige Entscheidung des Beklagten gerichtete Ziel des Klägers ergibt sich zudem aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut seiner genannten Schreiben, die von einer Regelung zur Vermeidung eines weiteren Eilverfahrens sprechen. Im letzten Satz des Schreibens vom 15.06.2009 wird der Antrag auf Kostenübernahme sogar ausdrücklich auf die Zeit "bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in dieser Angelegenheit" beschränkt. Im Schreiben vom 05.07.2010 ist ausdrücklich von einer nur vorläufigen Kostenübernahme die Rede. Stellen die genannten Schreiben des Klägers damit keine Anträge auf endgültige Bescheidung der Folgezeiträume (im Anschluss an das Schuljahr 2008/2009) dar, so kann auch namentlich das Ablehnungsschreiben des Beklagten vom 01.07.2009 aus Empfängersicht nicht als endgültige ablehnende Bescheidung einer Leistungsbewilligung für das Schuljahr 2009/2010 (§ 31 SGB X) gelesen werden. Die späteren Entscheidungen zur Kostenübernahme für die Schuljahre 2010/2011 und 2011/2012 (Schreiben vom 13.07.2010 und vom 12.07.2011) hat der Beklagte ohnehin sogar ausdrücklich unter einen Vorläufigkeitsvorbehalt gestellt.
Auch für die Zeit nach September 2011 bestehen keine Anhaltspunkte für den Eintritt einer verfahrensrechtlich beachtlichen Zäsur (im Sinne der Rechtsprechung des BSG, a.a.O.). Denn seit Oktober 2011 haben die Eltern des Klägers die Beschulungskostenselbst getragen und keinen weiteren Antrag auf Kostentragung beim Beklagten mehr gestellt.
II.1. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 SGG – unechte Leistungsklage -; dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 54 Rn. 20a ff., 38 ff.; BSG, Urteil vom 15.11.2012 – B 8 SO 10/11 R Rn. 9; Senatsurteil vom 11.06.2014 – L 20 SO 418/11 Rn. 38) statthaft und auch im Übrigen zulässig.
2. Der Träger der L-Schule war nicht nach § 75 Abs. 2, 1. Var. SGG notwendig zum Verfahren hinzuzuziehen (vgl. dazu Jaritz/Eicher in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 75 Rn. 54, 193 m.w.N.; BSG, Urteil vom 28.10.2008 – B 8 SO 22/07 R Rn. 13). Denn bei ihm stehen Forderungen aus der Beschulung des Klägers nicht mehr offen. Auch eine Beiladung anderer Leistungsträger war nicht veranlasst (dazu noch später).
III. Die Klage ist unbegründet. Denn der Bescheid vom 09.06.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2008 ist formell (dazu 1.) und materiell (dazu 2.) rechtmäßig; der Kläger ist nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG.
1.a) Der Beklagte hat vor Erlass des Widerspruchsbescheides sozial erfahrene Dritte beteiligt (§ 116 Abs. 2 SGB XII).
b) Bei Erlass der angefochtenen Bescheide war er für hier allein in Rede stehende Leistungen nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII sachlich und örtlich zuständig.
aa) Die sachliche Zuständigkeit des Beklagten ergibt sich aus § 97 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 SGB XII i.V.m. §§ 1, 2 AG-SGB XII NRW und § 2 Abs. 1 Nr. 1a AV-SGB XII NRW. Ihm sind durch § 1 Abs. 1 AG-SGB XII NRW die Aufgaben eines überörtlichen Sozialhilfeträgers zugewiesen. Überörtliche Träger der Sozialhilfe haben in Nordrhein-Westfalen Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII u.a. für Personen zu erbringen, die in § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII genannt sind und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, wenn es wegen der Behinderung oder des Leidens in Verbindung mit den Besonderheiten des Einzelfalls erforderlich ist, die Hilfe in einer stationären oder teilstationären Einrichtung zu gewähren; dies gilt nur dann nicht, wenn die Hilfegewährung in der Einrichtung überwiegend aus anderen Gründen erforderlich ist (vgl. §§ 1, 2 AG-SGB XII NRW i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1a AV-SGB XII NRW).
Der Kläger, der das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, gehört zu dem von § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX erfassten Personenkreis. Denn seine körperlichen Funktionen und geistigen Fähigkeiten wichen aufgrund einer Sprachentwicklungsstörung (Dyslalie, Stottersymptomatik) und einer unterdurchschnittlichen intellektuellen Lern- und Leistungskompetenz, Koordinationsschwächen der komplex-motorischen Bewegungsabläufe, eines Minderwuchses, eines De-Toni-Debre-Fanconi-Syndroms, einer Störung aus dem Autismusspektrum sowie einer Amblyopie des rechten Auges im streitigen Zeitraum von dem für sein Lebensalter typischen Zustand erheblich ab, so dass seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt war. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. X vom 13.10.2010 sowie – damit übereinstimmend – dem AO-SF-Gutachten vom 30.04.2007 und den verschiedenen Berichten des SPZ der Uni-Klinik H. Aufgrund der genannten Einschränkungen bestand zudem ein sonderpädagogischer Förderbedarf; ein solcher Bedarf begründet stets die Annahme einer wesentlichen Behinderung im vorgenannten Sinne (vgl. BSG, Urteil vom 15.11.2012 – B 8 SO 10/11 R Rn. 14).
Bei der L-Schule handelt es sich auch um eine (teil-)stationäre Einrichtung. Nach § 13 Abs. 2 XII sind Einrichtungen im Sinne des SGB XII alle Institutionen, die der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach dem SGB XII zu deckenden Bedarfen oder der Erziehung dienen. Die teil- bzw. vollstationäre Unterbringung erfordert im Gegensatz zur ambulanten Leistungserbringung einen Teil- oder Vollaufenthalt des Leistungsberechtigten und die geeignete Betreuung nach dem SGB XII, zusammengefasst in einer besonderen Organisationsform von personellen und sächlichen Mitteln. Teilstationär sind solche Einrichtungen, in denen die Leistungsempfänger nicht rund um die Uhr, sondern stundenweise betreut werden. Damit eine Institution auch im konkreten Einzelfall als Einrichtung fungiert, muss zudem eine nach dem individuellen Hilfebedarf des Leistungsberechtigten bestehende Einrichtungsbetreuungsbedürftigkeit bestehen. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalles; im Kern kommt es dabei darauf an, ob die Einrichtung die Gesamtverantwortung für die Lebensführung des Leistungsberechtigten übernimmt (vgl. zum Ganzen Senatsurteil vom 07.04.2008 – L 20 SO 53/06 Rn. 52; LSG NRW, Urteil vom 10.02.2011 – L 9 SO 11/08 Rn. 31 ff.; BVerwG, Urteil vom 24.02.1994 – 5 C 24/94 Rn. 15 ff.; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, 5. Auflage 2014, § 13 Rn. 28 f.; Höfer/Krahmer in LPK-SGB XII, 10. Auflage 2015, § 13 Rn. 14-16; Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl. 2015, § 13 Rn. 11-14).
Nach diesen Kriterien ist die L-Schule eine teilstationäre Einrichtung. Denn der Kläger hielt sich dort (mit Ausnahme der Ferienzeiten) regelmäßig an den Wochentagen von morgens bis nachmittags auf. Während seines Aufenthaltes erhielt er auf seinen Bedarf zugeschnittene Leistungen. Diese erschöpften sich nicht in einer bloßen Beschulung; erbracht wurde vielmehr eine Art "Komplexleistung", welche neben der schulischen Förderung auch weitere Angebote, wie etwa therapeutische Leistungen (u.a. Ergotherapie) und das Mittagessen, umfasste. Die Leistungen wurden zudem aus einer Hand erbracht; dies ist insbesondere aus dem Schulkonzept der L-Schule zu entnehmen. Die Schule hat damit für die Zeit des Aufenthalts des Klägers auch die Gesamtverantwortung für dessen Lebensführung übernommen. Diese Beurteilung steht nicht in Widerspruch zum Urteil des Bundessozialgerichts vom 15.11.2012 – B 8 SO 10/11 R (Rn. 12). Zwar hat das Bundessozialgericht dort Zweifel geäußert, ob eine Schule (anders als etwa eine einer Schule angegliederte Behinderteneinrichtung) eine teilstationäre Einrichtung sein könne. Im vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall ging es jedoch im Wesentlichen allein um die Beschulung des dortigen Klägers, nicht hingegen – wie hier – zusätzlich um während des Schultages durchgeführte besondere therapeutische Maßnahmen.
Die sachliche Zuständigkeit des Beklagten ist schließlich auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger nicht allein wegen seiner Behinderung in die L-Schule aufgenommen worden wäre (vgl. § 2 Abs. 1 S. 1a AV-SGB XII NRW). Denn das Angebot der Schule war speziell auf den Unterstützungsbedarf behinderter Schülerinnen und Schüler zugeschnitten. Dies ist nicht nur aus dem allgemeinen Betreuungskonzept der Schule ersichtlich, sondern zeigt sich auch darin, dass für den Kläger – wie für die übrigen Schüler – in den Schulalltag integrierte, besondere Förderangebote (z.B. Ergotherapie) zur Verfügung gestellt wurden.
bb) Die örtliche Zuständigkeit des Beklagten folgt aus § 98 Abs. 1 S. 1 SGB XII, nicht hingegen aus § 98 Abs. 2 S. 1 SGB XII. Denn die zuletzt genannte Regelung bezieht sich allein auf vollstationäre Leistungen und ist nicht – auch nicht analog – auf die Erbringung teilstationärer Leistungen anwendbar (vgl. dazu BSG, Urteil vom 23.07.2015 – B 8 SO 7/14 R Rn. 15 ff. m.w.N.; Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, 19. Auflage 2015, § 98 Rn. 30; Söhngen in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 98 Rn. 31; anders noch Senatsurteil vom 15.05.2013 – L 20 SO 67/08 Rn. 51).
Nach § 98 Abs. 1 S. 1 SGB XII kommt es für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit auf den tatsächlichen Aufenthalt des Leistungsberechtigten an. Zwar bestimmt sich der Aufenthaltsort in der Regel danach, wo die Leistung unter physischer Anwesenheit des Berechtigten in Anspruch genommen wird (vgl. z.B. Hohm a.a.O., Rn. 13). Obwohl sich die L-Schule (als Ort der vom Kläger in Anspruch genommenen Leistung) in Hessen befindet, führt dies gleichwohl nicht etwa zu einer örtlichen Zuständigkeit eines hessischen Sozialhilfeträgers. Denn im Einzelfall können der "tatsächliche Aufenthalt" im Rechtssinne und der Ort der physischen Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistung durchaus auseinanderfallen; in die Bestimmung des tatsächlichen Aufenthalts fließen – etwa bei regelmäßigem Aufenthalt an verschiedenen Orten – auch wertende Gesichtspunkte, wie etwa der familiäre Lebensmittelpunkt, mit ein (vgl. dazu etwa Schoch in LPK-SGB XII, 10. Auflage 2015, § 98 Rn. 14; Hohm a.a.O., Rn. 14 f.). Danach bildet für den Kläger die Stadt C den Ort seines "tatsächlichen Aufenthaltes" im Rechtssinne; denn hier lebte er als minderjähriges Kind im streitigen Zeitraum außerhalb der Schule mit seinen Eltern und seinem Bruder in familiärer Gemeinschaft zusammen (hierfür mag auch sprechen, dass das Gesetz in § 98 Abs. 1 S. 3 SGB XII das Fortbestehen einer bereits begründeten örtlichen Zuständigkeit vorsieht, wenn ein Ortswechsel nur zur Inanspruchnahme ambulanter oder teilstationärer Leistungen erfolgt; vgl. dazu Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Auflage 2014, § 98 Rn. 16 ff.). Der Kreis I, in dem die Stadt C liegt, gehört nach § 1 Abs. 1 der Hauptsatzung des Beklagten zu dessen örtlichem Zuständigkeitsbereich.
Da die gesamte Familie im streitigen Zeitraum ihren einzigen Wohnsitz in C hatte, kann sich an der Zuständigkeit des Beklagten durch die – erst spätere – Begründung eines Zweitwohnsitzes in Hessen von vornherein nichts ändern.
cc) Unbeschadet der vorstehenden Ausführungen bestünde eine sachliche und örtliche Zuständigkeit des Beklagten im Außenverhältnis gegenüber dem Kläger jedenfalls nach § 14 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 SGB IX (vgl. insoweit zu zwei vergleichbaren Fallgestaltungen Senatsurteile vom 11.08.2015 – L 20 SO 316/12 Rn. 39 ff. und vom 11.06.2014 – L 20 SO 418/11 Rn. 40 ff.). War der Beklagte jedoch nach den Regelungen des Zwölften Kapitels des SGB XII und den hierzu ergangenen landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen bereits originär sachlich und örtlich zuständig, so war eine Beiladung eines anderen Sozialhilfeträgers, der bei einer Anwendbarkeit von § 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX letztzuständig sein könnte, von vornherein nicht veranlasst (zumal – dazu im Folgenden – ein Leistungsanspruch des Klägers ohnehin nicht besteht).
2. Auch in der Sache ist die Entscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden. Denn es existiert keine Anspruchsgrundlage, aufgrund derer der Kläger eine endgültige Übernahme seiner Beschulungskosten an der L-Schule verlangen könnte.
a) Ein Anspruch des Klägers auf Eingliederungshilfe besteht nicht. Denn die Voraussetzungen der §§ 53, 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 Nr. 2 EinglhV (als Regelung der für den Kläger aus der Gesamtheit der Eingliederungshilfeleistungen einzig in Erwägung zu ziehende Leistungsform) liegen nicht vor.
Zwar ist der Anwendungsbereich dieser Vorschriften nicht etwa bereits deshalb verschlossen, weil es nicht nur um eine die Schulbildung begleitende Maßnahme, sondern um die Schulbildung des Klägers als solche geht (vgl. dazu – auch mit Blick auf BSG, Urteil vom 24.06.2009 – B 8 SO 22/10 Rn. 15 – ausführlich Senatsurteile vom 15.05.2015 – L 20 SO 316/12 Rn. 48 ff., vom 11.06.2014 – L 20 SO 418/11 Rn. 49 ff. und vom 15.05.2013 – L 20 SO 67/08 Rn. 53). Außerdem gehört der Kläger auch zu dem nach § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII anspruchsberechtigten Personenkreis (s.o.).
Einem vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Hilfe für eine angemessene Schulbildung (§ 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 Nr. 2 EinglhV) steht jedoch entgegen, dass er im streitigen Zeitraum an einer öffentlichen Schule in Nordrhein-Westfalen hätte beschult werden können, ohne dass er dazu Sozialhilfeleistungen bedurft hätte. Denn die M-schule in Q hätte eine geeignete und dem Kläger zumutbare Beschulung durchführen können.
aa) Die M-schule wäre nicht etwa schon deshalb ungeeignet gewesen, weil sie nur Schüler mit dem vorrangigen Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung hätte beschulen können, nicht aber solche mit dem vorrangigen Förderschwerpunkt Lernen als dem Förderschwerpunkt, der im Bescheid des Beigeladenen vom 28.06.2007 zu Beginn des streitigen Zeitraumes (nach Rücknahme des Widerspruchs am 18.08.2008 bestandskräftig) festgestellt war.
(1) Denn der für den Kläger tatsächlich zutreffende vorrangige Förderschwerpunkt war (was zwischen den Beteiligten mittlerweile nicht mehr umstritten ist) von Anfang an der Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung. Dieser vorrangige Schwerpunkt ist jedenfalls seit dem 07.11.2011 auch schulamtlich festgestellt (Bescheid des Beigeladenen vom 13.10.2011). Eine vergleichbare Änderung war im Übrigen schon mit Bescheid des Staatlichen Schulamts für den T-Kreis und den Landkreis X vom 21.07.2009 erfolgt, dem der Beigeladene mit Schreiben vom 24.07.2009 auch bereits zugestimmt hatte.
(2) Zwar sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats (BVerwG, Urteil vom 28.04.2005 – 5 C 20/04 Rn. 11; Senatsurteil vom 11.06.2014 – L 20 SO 418/11 Rn. 55 m.w.N.) die Träger der Sozialhilfe bei der Eingliederungshilfe an schulrechtlich verbindliche Entscheidungen des Schulamtes gebunden, so etwa an die Bestimmung des Förderortes.
Insofern können allerdings besondere Umstände Ausnahmen erfordern. Dies zeigt gerade der Fall des Klägers. Hier war der Beklagte keineswegs gehindert, bei der Benennung einer alternativen Beschulungsmöglichkeit vom formal durch den Beigeladenen bestimmten Förderort (eine Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen) abzuweichen. Denn im Fall des Klägers kann allein die formale Feststellung des (vorrangigen) Förderschwerpunktes Lernen den maßgeblichen Lebenssachverhalt zur Frage des zutreffenden Förderortes zwischen den Beteiligten unter Einschluss des Beigeladenen und des vormaligen Beigeladenen zu 2 nicht hinreichend erfassen. Für eine sachgerechte Beurteilung sind vielmehr hypothetische Verläufe zu berücksichtigen.
Dies ist schon deshalb geboten, weil Beschulungsalternativen innerhalb Nordrhein-Westfalens nach einem Förderschwerpunkt Lernen den Bedürfnissen des Klägers ersichtlich nicht entsprochen hätten. Dabei konnte es zu einer (dem nordrhein-westfälischen Schulrecht entsprechenden) zeitnahen, bedürfnisgerechten Änderung dieses Förderschwerpunktes – dessen Festlegung durch Bescheid des Beigeladenen vom 28.06.2007 sich schon alsbald und auch für den Kläger offensichtlich als unzutreffend erwiesen hatte – nur deshalb nicht kommen, weil sich der Kläger durch den Besuch der L-Schule in Hessen bewusst aus dem Fokus des Beigeladenen entfernt hatte; der Beigeladene hatte dadurch weder Veranlassung noch Möglichkeit, eine berichtigte, an den objektiven Bedürfnissen des Klägers ausgerichtete Bestimmung des vorrangigen Förderschwerpunktes vorzunehmen. Denn die L-Schule konnte – neben dem eigentlich einschlägigen Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung – zugleich den mit Bescheid vom 28.06.2007 festgelegten Förderschwerpunkt Lernen abdecken. Dies beruhte auf den Besonderheiten des hessischen Schulrechts, das – anders als das nordrhein-westfälische – die gleichrangige Feststellung mehrerer Förderschwerpunkte gestattet. Dementsprechend konnte der Beigeladene den Eltern des Klägers mit Schreiben vom 25.10.2007 auch mitteilen, gegen den Besuch dieser Schule bestünden keine Bedenken, wenn sie sich auch um die Finanzierung des Schulbesuchs selbst zu kümmern hätten.
Hätte der Kläger hingegen eine öffentliche, für ihn kostenfreie Förderschule in Nordrhein-Westfalen besucht, wäre es (auch dort) alsbald zu einer Feststellung des bedürfnisgerechten Förderschwerpunkts gekommen. Denn schon aus dem Beratungsgespräch seiner Eltern am 27.08.2007 mit Mitarbeitern der L-Schule hatte sich ergeben, dass der wesentliche und damit vorrangige Förderbedarf des Klägers nicht im Bereich Lernen, sondern im Bereich der körperlichen und motorischen Entwicklung lag. Dies war zugleich der Beklagten bewusst; sie hat schon in ihrer Antragserwiderung im ersten Eilverfahren vor dem Sozialgericht (S 19 SO 121/08) unter dem 04.08.2008 die M-schule (mit dem vorrangigen Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung) als geeignete Beschulungsalternative benannt.
Hat damit der Kläger letztlich durch eigenes Verhalten (Rücknahme des Widerspruchs gegen den Bescheid des Beigeladenen mit Feststellung des Förderschwerpunkts Lernen, Einschulung an der L-Schule in Hessen) selbst die Tatsachen geschaffen, die eine rechtzeitige schulamtliche Feststellung des eigentlich einschlägigen Förderschwerpunktes vereitelt haben, so kann ihm die unzutreffende Feststellung des Förderschwerpunktes Lernen im vorliegenden Verfahren nicht (durch Abstellen auf die bestandskräftige Feststellung des Förderschwerpunkts Lernen) zum Vorteil gereichen.
bb) Eine Übernahme der Kosten für den Besuch der L-Schule durch den Kläger als Eingliederungshilfe zur Erlangung einer angemessenen Schulbildung käme deshalb nur dann in Betracht, wenn ihm der Besuch einer anderen (nordrhein-westfälischen und damit für ihn kostenfreien öffentlichen) Schule aus schwerwiegenden subjektiven Gründen nicht möglich bzw. nicht zumutbar gewesen wäre (vgl. zu insoweit vergleichbaren Fällen bereits die Senatsurteile vom 11.06.2014 – L 20 SO 418/11 Rn. 52 und vom 11.08.2015 – L 20 SO 316/12 Rn. 51).
Der Prüfungsmaßstab für die Beurteilung der (Un-)Möglichkeit bzw. (Un-)Zumutbarkeit des Besuchs einer öffentlichen Schule ergibt sich dabei vor allem aus der Aufgabe der Sozialhilfe, dem Empfänger der Sozialhilfeleistung die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht, und ihn so weit wie möglich zu befähigen, unabhängig von ihr zu leben (vgl. § 1 SGB XII; vgl. insoweit auch BVerwG, Urteil vom 13.08.1992 – 5 C 70/88; Senatsurteile vom 11.06.2014 – L 20 SO 418/11 Rn. 53 und vom 11.08.2015 – L 20 SO 316/12 Rn. 52). Ferner ist (wie der Senat ebenfalls bereits mehrfach ausgeführt hat; vgl. Urteile vom 15.05.2013 – L 20 SO 67/08 Rn. 57, vom 11.06.2014 – L 20 SO 418/11 Rn. 60 ff., vom 11.08.2015 – L 20 SO 316/12 Rn. 61 ff. sowie Beschluss vom 17.05.2010 – L 20 B 168/08 SO ER Rn. 61 f. m.w.N.) zu berücksichtigen, dass mit Blick auf das Merkmal der angemessenen Schulbildung in § 12 Nr. 2 EinglhV unter zusätzlicher Berücksichtigung des Nachranggrundsatzes in § 2 Abs. 1 SGB XII nicht jedwede Hilfeleistung zu einer nach den Vorstellungen des behinderten Menschen bzw. seiner Erziehungsberechtigten bestmöglichen Schulbildung als Eingliederungshilfe verlangt werden kann. Die schulische Förderung von Kindern ist nach Art. 7 Abs. 1 GG eine grundsätzlich allein den (öffentlichen) Schulträgern zugewiesene Aufgabe (BSG, Urteil vom 22.03.2012 – B 8 SO 30/10 R Rn. 15). Insbesondere besteht ein Ausschluss für die Übernahme von Schulkosten aufgrund der Gesetze der Länder, jedenfalls soweit die Schulbehörde der ihr möglichen vorrangigen Leistungsverpflichtung auch nachkommt (Voelzke, in Hauck/Noftz, SGB XII, 41. EL VI/15, § 54 Rn. 44a; BSG, Urteil vom 15.11.2012 – B 8 SO 10/11 R Rn. 16). Erst wenn feststeht, dass eine im Sinne von § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII angemessene Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht nicht zu erlangen ist, kann unter dem Gesichtspunkt der Eingliederungshilfe die Übernahme von Kosten für eine anderweitige Beschulung des behinderten Menschen in Betracht kommen (LSG Hessen, Urteil vom 22.11.2010 – L 9 SO 9/07 Rn. 31 zu § 35a SGB VIII; VGH Hessen, Urteil vom 20.08.2009 – 10 A 1799/08 Rn. 59).
Davon ausgehend stellt die M-schule im hier streitigen Zeitraum eine für den Kläger zumutbare Beschulungsalternative dar.
Für diese Beurteilung ist (vgl. hierzu die Senatsurteile vom 15.05.2013 – L 20 SO 67/08 Rn. 59, vom 11.06.2014 – L 20 SO 418/11 Rn. 64 und vom 11.08.2015 – L 20 SO 316/12 Rn. 65) mit Blick auf die Formulierungen in § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII ("angemessene Schulbildung") und § 12 Nr. 2 EinglhV ("üblicherweise erreichbare Bildung") in einem ersten Schritt festzustellen, welches konkrete Bildungsziel für den behinderten Menschen in Betracht kommt – dazu im Folgenden unter (1) -. Daran anschließend ist zu prüfen, ob dieses Ziel mit den Möglichkeiten, welche das öffentliche Schulsystem für den Betroffenen bereithält, in zumutbarer Weise verfolgt werden kann oder nicht – dazu unter (2) -. Im Rahmen dieses zweiten Prüfungsschritts sind unter "bereithalten" die Leistungen oder Rahmenbedingungen zu verstehen, die das öffentliche Bildungssystem dem behinderten Menschen tatsächlich zur Verfügung stellt, oder die der Betroffene im Rahmen zumutbarer Bemühungen rechtzeitig realisieren kann (vgl. auch Scheider in Schellhorn//Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Auflage 2015, § 53 Rn. 71 ff.; Voelzke a.a.O. Rn. 44a m.w.N.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15.06.2000 – 16 A 3108/99 Rn. 17 a.E. und Rn. 22).
(1) Beim für den Kläger anzustrebenden konkreten Bildungsziel folgt der Senat den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. X in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10.11.2015. Danach ist davon auszugehen, dass bei dem Kläger – insbesondere mit Blick auf seine Störung aus dem Autismusspektrum – der Erwerb alltagspraktischer Fertigkeiten und das Erlernen sozialer Kompetenz im Vordergrund standen. Nicht erreichbar war demgegenüber ein formaler Bildungsabschluss an der Förder-, geschweige denn an einer Regelschule. Anzustreben war jedoch das Erlernen der elementaren Kulturtechniken (Rechnen, Lesen, Schreiben) in möglichst weitgehendem Umfang, abhängig von den – im Einzelnen nicht vorhersehbaren – erreichbaren Lernfortschritten des Klägers. Der Sachverständige leitet diese Bildungsziele erkennbar und nachvollziehbar aus allen verfügbaren Informationen her, insbesondere unter Einbeziehung des noch 2010 (dem Jahr der Untersuchung des Klägers durch den Sachverständigen) bestehenden Unterstützungsbedarfs. Seine Beurteilung korreliert im Übrigen mit den tatsächlichen Abläufen, namentlich der deutlichen Überforderung des Klägers an der Regelgrundschule H und seiner späteren Entwicklung. Der Kläger hat denn auch gegen die Einschätzung des Bildungszieles durch den Sachverständigen keine Einwände vorgebracht.
(2) Der Kläger hätte dieses Bildungsziel durch Besuch der M-schule ab August 2008 erfolgversprechend und damit auf zumutbare Weise verfolgen können.
(a) Dabei ist wegen des komplexen Behinderungsbildes – insoweit unstreitig – beim Kläger von der Notwendigkeit eines multimodalen Förderkonzeptes auszugehen; dies hatte im Wesentlichen an den körperlichen und motorischen sowie den sprachlichen Defiziten sowie an der Autismusspektrumstörung des Klägers anzusetzen. Ergotherapeutische und logopädische Maßnahmen waren in das Konzept einzubeziehen. Hingegen waren physiotherapeutische Maßnahmen und andere Angebote – wie etwa therapeutisches Reiten -nicht zwingend erforderlich.
Dass diese einzelnen Förderbereiche bei einem Besuch der M-schule angemessen und ausreichend hätten bearbeitet werden können, hat das Sozialgericht unter eingehender Auswertung des schriftlichen Gutachtens und der mündlichen Anhörung des Sachverständigen sowie der Zeugenaussage des Rektors der M-schule überzeugend ausgeführt. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen im angefochtenen Urteil nach eigener Prüfung an und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
(b) Aus den von dem Sozialgericht beigezogenen Befundberichten der behandelnden Ärzte des Klägers bzw. den Behandlungsberichten des SPZ der Uni-Klinik H ergibt sich keine andere Beurteilung. Weitergehende Anforderungen hinsichtlich einer sachgerechten Beschulung des Klägers werden dort nicht beschrieben. Die Befundberichte sind insoweit (soweit sie hierzu überhaupt Angaben enthalten) unspezifisch und pauschal formuliert. Die Berichte des SPZ befürworten zwar einen Verbleib des Klägers an der L-Schule, weil dieser dort gut bzw. sogar optimal gefördert werden könne. Letzteres ist – wiewohl von keiner Seite bestritten – letztlich jedoch nicht entscheidend; Beurteilungsmaßstab ist vielmehr, ob mit Blick auf das individuelle Bildungsziel des Klägers eine angemessene Beschulung auch an der Liboriussschule (ebenso wie an der L-Schule) möglich und damit zumutbar gewesen wäre.
(c) Auch die vom Kläger im Berufungsverfahren vorgetragenen Einwände rechtfertigen keine andere Einschätzung.
(aa) Der Einwand, das Sozialgericht habe übersehen, dass sich alle Fachleute für die L-Schule ausgesprochen hätten, ist angesichts des anzulegenden Prüfungsmaßstabs nicht von Bedeutung (s.o.).
(bb) Die Behauptung, der Rektor der M-schule habe die Sachlage nicht zutreffend beurteilen können, weil er das eigentliche Behinderungsbild nicht gekannt habe, geht ins Leere. Er ist schon sachlich unzutreffend; der Zeuge hat vielmehr zu Beginn seiner Vernehmung mitgeteilt, er habe vorab vom Gutachten des Prof. Dr. X Kenntnis genommen. Ohnehin kommt es darauf nicht an. Denn der Schulleiter musste die konkreten Fördermöglichkeiten seiner Schule darlegen; die sodann anhand seiner Angaben zu treffende Beurteilung, ob diese Möglichkeiten für eine angemessene Beschulung des Klägers ausgereicht hätten, oblag allein dem Sozialgericht. Dieses hat die Angaben des Schulleiters zutreffend ausgewertet.
(cc) Der Einwand, ein Besuch der M-schule wäre wegen der dortigen Klassengrößen nicht zumutbar gewesen, ist jedenfalls im Anschluss an die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen vom 10.11.2015 widerlegt. Durch diese Stellungnahme ist klargestellt, dass die Benennung konkreter Grenzwerte für Klassengrößen im Förderschulbereich (insbesondere für Kinder mit einer Autismusspektrumstörung) nicht möglich ist. Kleine Klassen sind, dem Sachverständigen folgend, zwar sicherlich ebenso wünschenswert wie klare und feste Strukturen, an denen sich das Kind orientieren kann; gleichwohl können konkrete Schülerzahlen im Sinne einer Obergrenze nicht angegeben werden. Diese Angaben des Sachverständigen decken sich im Übrigen mit sachverständigen Einschätzungen, die dem Senat aus anderen Verfahren mit vergleichbarer Fragestellung bekannt sind; der Senat hat deshalb keine Zweifel, dass die Angaben des Sachverständigen Prof. Dr. X dem Stand der Wissenschaft entsprechen und zutreffend sind.
Können aber fixe Obergrenzen für eine zumutbare Klassengröße nicht benannt werden, ist auch in Anbetracht der konkreten Umstände des vorliegenden Falles nicht festzustellen, dass die Klassengrößen an der M-schule für den Kläger unzumutbar wären. Sind die Unterschiede zwischen der L-Schule (acht Schüler) und der M-schule (zehn Schüler) gering, so erscheint angesichts der Ausführungen des Sachverständigen nicht begründbar, dass eine Klassengröße mit acht Schülern zumutbar, mit zehn Schülern jedoch nicht mehr zumutbar sei. Dabei berücksichtigt der Senat zudem, dass an der M-schule in bestimmten Fächern innerhalb einer Klasse beim Unterricht weiter zwischen verschiedenen Schülergruppen differenziert wird. Ein signifikanter Unterschied zwischen M-schule und L-Schule ist deshalb nicht einmal erkennbar.
(dd) Gegen eine Zumutbarkeit des Besuchs der M-schule für den Kläger spricht auch nicht, dass dort alle drei Jahre das Lehrpersonal einer Klasse wechselt. Denn ein solcher Wechsel erfolgt nach den (unwidersprochenen) Ausführungen des Sachverständigen an Förderschulen in Hessen (namentlich der L-Schule) in gleicher Weise. Ohnehin lässt sich eine Veränderung in der Klassenzusammensetzung oder beim Lehrpersonal (etwa durch Umzug von Schülern, Ruhestand, Elternschaft oder Krankheit von Lehrpersonal) auch unabhängig von einem dreijährigen Turnus von vornherein nicht ausschließen.
(ee) Eine Wahrnehmung begleitender therapeutischer Angebote während des Schulalltags (insbesondere Logopädie, Ergotherapie und ggf. Physiotherapie) wäre für den Kläger an der M-schule ebenso möglich gewesen wie an der L-Schule. Der Senat entnimmt dies den beigezogenen schriftlichen Angaben der Schulleitung; dem Schulkonzept zufolge besteht die Möglichkeit, innerhalb der M-schule Physiotherapie und Ergotherapie nach ärztlicher Verordnung zu erhalten. Dies entspricht dem Bedarf des Klägers, dem nach den Angaben seiner Mutter im Erörterungstermin vom 09.09.2013 von der Kinderärztin Dr. Q durchgehend Logopädie, Ergotherapie und Physiotherapie verordnet wurden. Davon wurden allein Ergo- und Physiotherapie in der L-Schule durchgeführt, während Logopädie außerhalb der Schulzeit in einer Praxis in C wahrgenommen wurde; unbeschadet dessen hätte an der M-schule ohnehin die Möglichkeit zu Logopädie auch während der Schulzeit bestanden.
(ff) Soweit beim Kläger 15 Minuten längere Schulwege angefallen wären, hätte dies ebenfalls den Besuch der M-schule nicht unzumutbar gemacht. Zwar erscheint ein solcher Unterschied nicht von vornherein als unerheblich. Er wäre aber im Anschluss an den Sachverständigen Prof. Dr. X durchaus zumutbar. Dieser hat – auf ausdrückliche Nachfrage des Sozialgerichts sowie auf Nachfrage des Senats nochmals in der ergänzenden Stellungnahme vom 10.11.2015 – die Fahrtzeit nicht als wesentlich limitiert angesehen. Entscheidend sei vielmehr mit Blick auf die Autismusspektrumstörung des Klägers, dass der Transport regelhaft gestaltet sei und nicht zu viele Wechsel stattfänden. Anhaltspunkte gegen eine Gewährleistung eines solchen regelhaften und zuverlässigen Schultransports im Rahmen des (an der M-schule eingerichteten und an den Vorgaben der Schülerfahrkostenverordnung Nordrhein-Westfalen orientierten) Schülerspezialverkehrs sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
(gg) Hätte der Kläger nach allem im streitigen Zeitraum die M-schule zumutbar besuchen können, so kann er sich schließlich nicht darauf berufen, ihm sei, nachdem er nun einmal an der L-Schule eingeschult worden sei, jedenfalls ein nachträglicher Wechsel auf die M-schule nicht mehr zuzumuten gewesen.
Der Senat hat bereits entschieden (vgl. Urteil vom 15.05.2013 – L 20 SO 67/08 Rn. 70), dass auch negative Auswirkungen auf den Entwicklungsprozess einen nachträglichen Schulwechsel nicht grundsätzlich ausschließen; ein Leistungsberechtigter darf vielmehr gegenüber dem beklagten Sozialhilfeträger keinen Vorteil daraus ziehen, dass er eine kostenverursachende Schulbildung trotz einer die Kostenübernahme ablehnenden, angefochtenen Entscheidung des Sozialhilfeträgers dennoch aufgenommen und dadurch vollendete Tatsachen geschaffen hat. Dies gilt im Falle des Klägers auch mit Blick darauf, dass er eine Kostentragung unter Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig hatte erwirken können. Denn insofern musste ihm bewusst sein, dass der Beklagte im Falle einer abweichenden Entscheidung im Hauptsacheverfahren dennoch die Kosten nicht endgültig übernimmt (nichts anderes ergibt sich insoweit aus den Senatsurteilen vom 11.06.2014 – L 20 SO 418/11 und vom 11.08.2015 – L 20 SO 316/12, jeweils Rn. 86).
Unbeschadet dessen hat der Kläger ohnehin (wenn auch möglicherweise aus wirtschaftlicher Notwendigkeit nach Einstellung der vorläufigen Leistungen durch den Beklagten im September 2011) im April 2012 sogar tatsächlich die Schule gewechselt und besucht seither die L-Schule in I. Zwar gingen mit diesem Wechsel nach seinem Vorbringen Probleme und Reibungsverluste einher. Dass aber ein vergleichbarer Wechsel an die M-schule im Vergleich dazu zu unzumutbaren Entwicklungsrückschritten oder sonstigen irreversiblen Nachteilen geführt hätte, erscheint angesichts des tatsächlich durchgeführten Schulwechsels nicht plausibel.
b) Scheidet eine Übernahme der Beschulungskosten als Eingliederungshilfe aus, so sind zugleich andere Anspruchsgrundlagen nicht ersichtlich.
aa) Einen Anspruch (gegen den örtlichen Träger der Sozialhilfe) auf Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII aufgrund abweichender Festlegung des Regelsatzes gemäß § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII (in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung) bzw. nach § 27a Abs. 4 S. 1 SGB XII (vgl. dazu BSG, Urteil vom 15.11.2012 – B 8 SO 10/11 R Rn. 18) macht der Kläger ausdrücklich nicht geltend. Die Anspruchsvoraussetzungen lägen ohnehin nicht vor. Denn auch hier würde es sich nicht um einen unabweisbaren Bedarf handeln, da die M-schule als zumutbare, für den Kläger kostenfreie Beschulungsalternative zur Verfügung gestanden hätte (vgl. für einen vergleichbaren Fall BSG a.a.O.). Aus diesem Grund war auch eine (vorsorgliche) Beiladung des örtlichen Sozialhilfeträgers nicht veranlasst.
bb) Eingliederungshilfe des Jugendhilfeträgers nach § 35a SGB VIII kommt ebenfalls erkennbar nicht in Betracht; auch dieser Träger war deshalb nicht zum Verfahren hinzuzuziehen. Zwar dürfte der frühkindliche Autismus des Klägers eine seelische Behinderung im Sinne des § 35a Abs. 1 und 3 SGB VIII sein, welche grundsätzlich zu einer Leistungszuständigkeit des Jugendhilfeträgers führen kann. Die Leistungszuständigkeit zwischen Sozial- und Jugendhilfeträger ist jedoch nach § 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII abzugrenzen; danach ist der Sozialhilfeträger zuständig, wenn – wie hier – (auch) eine wesentliche geistige Behinderung vorliegt (vgl. zu dieser Abgrenzung ausführlich etwa Senatsurteil vom 18.01.2013 – L 20 SO 170/11 Rn. 59 ff. m.w.N.). Denn eine wesentliche geistige Behinderung besteht u.a. dann, wenn ihretwegen eine erfolgreiche Teilnahme am Grundschulunterricht – als Basis für jegliche weitere Schullaufbahn und damit einer Teilhabe an der Gesellschaft – nicht möglich ist. Dies ist etwa der Fall, wenn Lerninhalte ohne zusätzliche Hilfestellung nicht aufgenommen und verarbeitet werden können (vgl. zum Ganzen Scheider in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Auflage 2015, § 2 EinglhV Rn. 4-6 und Wahrendorf, in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Auflage 2014, § 53 Rn. 25). Dass dies beim Kläger der Fall war, lässt sich den verschiedenen vorliegenden Stellungnahmen zu einer sinnvollen Beschulung des Klägers, insbesondere dem AO-SF-Gutachten vom 30.0.2007, entnehmen.
B) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache. Die Kosten des Beigeladenen sind nicht zu erstatten, weil er keinen eigenen Antrag gestellt hat (vgl. dazu Senatsurteile vom 18.04.2011 – L 20 SO 78/10 Rn. 62 und vom 08.06.2015 – L 20 SO 473/12; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 193 Rn. 3b).
C) Der Senat lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Erstellt am: 14.03.2018
Zuletzt verändert am: 14.03.2018